Geschichte der Arbeiterwohlfahrt am Beispiel ihrer Frauenpolitik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

26 Seiten, Note: Bestanden (Grundstudium)


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Geschichtlicher Hintergrund

3. Die Arbeiterwohlfahrt von 1919-1933
3.1. Die Gründung
3.2. Warum wurde ein sozialdemokratischer Wohlfahrtsverband benötigt ?
3.3. Der Aufbau der Arbeiterwohlfahrt
3.4. Die weitere Entwicklung des Verbandes
3.5. Die Arbeitsschwerpunkte in der sozialdemokratischen Wohlfahrtspflege
3.5.1. Kindererholungsfürsorge
3.5.2. Gemeinschaftshilfe
3.5.3. Beratungsstellen
3.5.4. Nähstuben
3.6. Ehrenamtliche, hauptberufliche und politische Tätigkeiten
3.7. Ausbildung und Weiterbildung

4. Die Arbeiterwohlfahrt von 1933 – 1945
4.1. Auflösung der Arbeiterwohlfahrt
4.2. Wohlfahrtsarbeit als Widerstand und Exilpolitik
4.3. Exil-Arbeiterwohlfahrt für den Wiederaufbau in Deutschland

5. Die Arbeiterwohlfahrt ab 1946
5.1. Die Neugründung
5.2. Die Entwicklung der neuen Arbeiterwohlfahrt
5.3. Veränderung der Arbeitsschwerpunkte
5.3.1. Nähstuben, Kindererholungshilfe und Gemeinschaftshilfe
5.3.2. Wohlfahrtsheime
5.4. Ausbildung und Weiterbildung
5.5. Die Entwicklung der Arbeitsschwerpunkte bis heute

6. Resümee

7. Literaturliste

1.Einleitung

In Anlehnung an die Ringvorlesung „Institutionen und Organisationen Sozialer Arbeit in der Gegenwart“ möchte ich mich in der vorliegenden Arbeit mit der Geschichte der Arbeiterwohlfahrt beschäftigen. Bei diesem Thema sprach mich besonders an, dass die Arbeiterwohlfahrt von einer Frau gegründet wurde und als Institution von Frauen getragen wurde. Bei weiterer Literaturrecherche stellte sich mir die Frage, ob eine der grundlegenden Ideen, die zur Gründung der AWO führten, nämlich Frauen über Mitarbeit im sozialen Bereich politischen Einfluss zu ermöglichen, verwirklicht werden konnte. Anhand einer chronologischen Übersicht der Institution Arbeiterwohlfahrt möchte ich darstellen, welche Arbeitsbereiche von Frauen besetzt waren, welchen gesellschaftlichen Stellenwert sie als sozial Tätige einnahmen und ob ihre Arbeit im Verband zu politischer Einflussnahme führte.

Meine Arbeit beginnt mit einer kurzen geschichtlichen Hintergrundinformation, um die historische Situation zu verdeutlichen. Danach gehe ich auf die Gründung und Entwicklung der Arbeiterwohlfahrt in der Weimarer Republik ein, indem ich die Arbeitsbereiche, die Positionen der Mitarbeiterinnen und die Struktur der Organisation beschreibe. Dem folgt eine Beschreibung der Arbeiterwohlfahrt im Nationalsozialismus, wo ich die Wohlfahrtsarbeit im Widerstand, die Exil- und Emigrantenpolitik und die Hilfeleistungen der Exil-Auschüsse für Nachkriegsdeutschland erläutere. Schließlich gehe ich auf die Neugründung der Arbeiterwohlfahrt nach dem 2.Weltkrieg ein und stelle die Veränderungen und Entwicklungen dar, die die Institution von einer Selbsthilfeorganisation zu einem der führenden Wohlfahrtsverbände werden ließ. Abschließend ziehe ich ein Resümee, indem ich herausarbeite, welche politische Teilhabe Frauen durch Wohlfahrtsarbeit erlangen konnten.

2.Geschichtlicher Hintergrund

Das Deutsche Reich war nach dem 1. Weltkrieg politisch, wirtschaftlich und sozial ruiniert. Eine bisher nicht gekannte Massenverelendung in Deutschland benötigte ein neues Wohlfahrtswesen, was durch die Gesetzgebung der Weimarer Republik realisiert wurde. Es gab 1919 erstmals soziale Rechte mit Verfassungsrang und neue Grundrechte, wie beispielsweise Recht auf Arbeit und Wohnung, Fürsorge für kinderreiche Familien, Schutz der Jugend und die Gleichberechtigung beider Geschlechter, inklusive Frauenwahlrecht. Die Arbeiterklasse erhielt eine Chance aus der Fürsorge herauszuwachsen und eigenverantwortlich zu werden. Die SPD wurde in der Weimarer Republik zur Staatsgründerpartei mit dem sozialpolitischen Ziel, die unterdrückende Armenpflege abzulösen und die Idee der Selbsthilfe und Solidarität in eine moderne Wohlfahrtspflege hinein zu tragen. Die Arbeiterschicht erhielt in der Weimarer Republik erstmalig alle Bürgerrechte, nachdem sie durch Koalitionsverbot bis 1848 und die Sozialistengesetze von 1878 bis 1890 an politischer Teilhabe gehindert worden war. Zwar wurde unter Bismarck das allgemeine Männerwahlrecht eingeführt, was als Dreiklassenwahlrecht aber nur als Zugeständnis gewertet werden konnte (Lampert, 2001 S.23). Frauen wurden durch das preußische Vereinsgesetz bis 1908 von jeder politischen Tätigkeit und Teilhabe ausgeschlossen.

Die Sozialversicherungsgesetzgebung Otto von Bismarcks ermöglichte nur einer Elite der Arbeiter eine minimale Existenzsicherung, Ehefrauen und Kinder profitierten davon nicht und waren in Notsituationen auf die Armenpflege angewiesen. Die Armenpflege stellte für die sozialistische Bewegung eine Verschärfung der Klassengegensätze dar und wurde als Degradierung und Entehrung der Arbeiterklasse empfunden.

In der Weimarer Republik boten sich neue Wege, um eine Demokratisierung der Klassenunterschiede und der Sozialpolitik, sowie der politischen Teilhabe von Frauen gerecht zu werden.

3.Die Arbeiterwohlfahrt von 1919 – 1933

3.1.Die Gründung

1918/19 verwandelte sich die SPD durch Revolution und Gründung der Weimarer Republik von einer Klassenkampfpartei zur Volkspartei. Die Sozialdemokratin Marie Juchacz sah die Notwendigkeit einer, der Arbeiterschicht eigenen, Wohlfahrtspflege und initiierte 1919 ihre Gründung. Juchacz, die selbst der Arbeiterschicht entstammte, engagierte sich in der sozialdemokratischen Frauenbewegung und hatte parteipolitische Karriere gemacht. 1917 wurde sie durch Reichspräsident Friedrich Ebert in den Parteivorstand der SPD nach Berlin berufen und 1919 in die verfassungsgebende Nationalversammlung gewählt. Im Februar 1919 ergriff Juchacz als erste Frau der deutschen Parlamentsgeschichte das Wort vor dem Reichstag. Neben ihrem Engagement für die Frauenbewegung und ihrer politischen Tätigkeit in der SPD hatte Juchacz sich während des Krieges in der „Nationalen Frauengemeinschaft“ mit Wohlfahrtsarbeit auseinander gesetzt. Sie hatte sich dort intensiv mit Armenrecht und Armenverwaltung beschäftigt, Kontakt mit den verschiedenen Wohlfahrtsverbänden geschlossen und diverse Einrichtungen kennen gelernt. Aus diesen Erfahrungen entwickelte sich ihr Plan, einen sozialdemokratischen Wohlfahrtsverband zu gründen, den es bis dato in Deutschland noch nicht gab. Dieser Verband sollte einen Gegensatz zu bürgerlichen Institutionen schaffen und die Wohlfahrtspflege aktiv mitgestalten. Sie sollte als Selbsthilfeorganisation kein Träger sozialer Dienste oder Einrichtungen werden

3.2.Warum wurde ein sozialdemokratischer Wohlfahrtsverband benötigt?

Die Sozialdemokratie betrachtete gesellschaftliche Angelegenheiten und damit auch die Wohlfahrtspflege als alleinige Aufgabe des Staates. Da die herrschende Not nach Kriegsende vom Staat nicht zu bewältigen war, wurden die freien Wohlfahrtsverbände als vorübergehende Unterstützungsorganisationen akzeptiert. Die Arbeiterwohlfahrt sollte einen Gegenpol zur bürgerlichen Wohlfahrtspflege zu schaffen, die staatliche Wohlfahrt stärken und auf eine Auflösung der freien Wohlfahrt, zugunsten staatlicher Wohlfahrt hinarbeiten. Es wurde ein sozialdemokratischer Verband gewünscht, der die Demokratisierung der Wohlfahrt und Gesellschaft zu realisieren half. Man hoffte über Selbsthilfe, praktische und theoretische Schulung der Arbeiterschaft und Einsatz von Arbeiter und Arbeiterinnen als Multiplikatoren, die Demokratisierung rasch zu realisieren. Auf politischer Ebene öffnete eine eigene Organisation den Zugang zu bisher verwehrten Gremien der staatlichen Wohlfahrt und stellte neue Arbeitsplätze und Machtpositionen in Aussicht. Ebenso wurden staatliche Fördergelder und ausländische Spenden nur über eine eigene Organisation zugänglich. Juchacz sah außerdem die Chance, über eine eigene Wohlfahrtsorganisation auch Arbeiterinnen politische Teilhabe zu ermöglichen. Sie erkannte, dass über sozialdemokratische Wohlfahrtspflege mehr Frauen als Parteimitglieder geworben werden konnten und dadurch auch der Einfluss der bürgerlichen Wohlfahrt auf Arbeiterfamilien abnehmen würde. Ein weiteres Argument war die bereits jahrelang praktizierte Arbeit der sozialdemokratischen Frauen, beispielsweise in den Kinderschutzkommissionen, die jedoch bisher nicht in einem schichtspezifischen Verband stattfand. Juchacz vertrat die Ansicht, dass Frauen primär in der Sozialpolitik einen Schaffenskreis finden könnten, der sie motiviere, sich politisch zu betätigen.

„Wir Frauen werden mit ganz besonderem Eifer tätig sein auf dem Gebiet des Schulwesens, auf dem Gebiet der allgemeinen Volksbildung [...]. Die gesamte Sozialpolitik überhaupt, einschließlich des Mutterschutzes, der Säuglings-, der Kinderfürsorge wird im weitesten Sinn Spezialgebiet der Frauen sein müssen. Die Wohnungsfrage, die Volksgesundheit, die Jugendpflege, die Arbeitslosenfürsorge sind Gebiete, an denen das weibliche Geschlecht ganz besonders interessiert ist und für welches es ganz besonders geeignet ist." (Internet 1)

Juchacz lehnte sich mit dieser Aussage an das kulturelle Muster der „sozialen und geistigen Mütterlichkeit“ an, das auf einer Andersartigkeit der Frau basierte. Die „geistige Mütterlichkeit" propagierte spezifisch weibliche Aufgaben und Tätigkeiten und schuf damit Frauenberufe und den geschlechtsspezifischen Arbeitsmarkt. Demgegenüber war sie auch ein Argumentationsmuster zur Rechtfertigung weiblicher Erwerbstätigkeit.

Juchacz sah in der Sozialpolitik einen Ansatz Frauen ins politische Leben zu integrieren, da sie ihre Erfahrungen aus Familie und Haushalt in diesen Bereich einbringen konnten und sich damit auf einem bekannten und sicheren Terrain bewegten. Juchacz schrieb zu dieser Thematik: „Er (der Mann, C.E) findet bei seinem Eintritt in das öffentliche Leben schon bestimmte traditionell gewordene Methoden des öffentlichen Lebens vor, er wird viel selbstverständlicher darin aufgenommen. Die Zurückhaltung der Frauen dem öffentlichen Leben gegenüber ist sicher zu einem Teil darauf zurückzuführen, dass sie bei ihrem Eintritt eine ganze Menge fühlbarer Grenzen und Schranken vorfindet.“ (Juchacz, 1926 in Eifert,1993,S.66)

3.3.Der Aufbau der Arbeiterwohlfahrt

Innerhalb der SPD gab es verschiedene Vorbehalte gegen die Gründung eines eigenen Wohlfahrtsverbandes, da gefürchtet wurde, dass der neue Verband die Energien für den Aufbau der Republik dezimieren und umlenken könnte (vgl. Niedrig, 1994,S.132). Trotzdem erhielt Juchacz am 13.12.1919 die Zustimmung des Parteiausschusses zur Gründung der Arbeiterwohlfahrt. Ihre Begründung für den gestellten Antrag war knapp und bezog sich lediglich auf die bereits jahrelang geleistete Wohlfahrtsarbeit und die Mitspracherechte in staatlichen Gremien, die sich der Neuordnung und Finanzierung von Wohlfahrtspflege widmeten, und zu denen die Partei sonst keinen Zugang hätte. (vgl.Eifert,1993,S.31) Moritz Schlesinger, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes hatte bereits im Vorfeld die Finanzierung zugesagt. Juchacz legte einen Organisationsplan vor, der aussagte, dass eine Zentralinstanz für Wohlfahrtsausschüsse sorgen solle. Ein Beirat wurde gegründet, in dem VertreterInnen der Sozialdemokratie tätig wurden Es entstanden 32 Bezirksauschüsse, die Kreis- und Ortsauschüsse bilden sollten. Die Arbeiterwohlfahrt war eine an die SPD gekoppelte Institution und die Organisationsstruktur war die eines losen Ausschusses, ohne geschlossene Mitglieder und feste Beiträge. Die Organisation wurde nicht zentralistisch aufgebaut, da die Arbeit der Ortsauschüsse nicht vom Hauptausschuss gelenkt wurde. Die Tätigkeit der Ausschüsse richtete sich nach den politischen, wirtschaftlichen und konfessionellen Gegebenheiten des lokalen Umfeldes und nach den Vorstellungen der ortsansässigen Mitarbeiter. Es gab keine einheitliche Position und kein gemeinsames inhaltliches Konzept. Mitarbeiter mussten der SPD angehören, während die Hilfsangebote nicht an eine Parteizugehörigkeit gebunden waren.

Es wurden Richtlinien geschaffen, die die Schwerpunkte der Tätigkeiten festlegten:

- Zusammenfassung und Koordination aller in der Wohlfahrt tätigen Sozialdemokraten
- Gewinnung neuer Mitarbeiter auf allen Ebenen
- Schulung und Weiterbildung aller Mitarbeiter
- Stellungnahme zu allen Fragen der Wohlfahrtspflege, die Einflussnahme auf die soziale Gesetzgebung und Mitsprache bei allen Behörden und Gremien.

Die Ausschüsse arbeiteten anfangs nur auf kommunaler Ebene mit anderen sozialdemokratischen Institutionen zusammen, nicht jedoch auf Reichsebene.

Eine Verbindung mit konfessionellen und bürgerlichen Wohlfahrtverbänden war aus programmatischen Gründen nicht erwünscht.

3.4. Die weitere Entwicklung des Verbandes

Die Arbeiterwohlfahrt entwickelte sich nur langsam, weil einerseits die Folgen der Inflation die Mittel der Organisation beschränkten. Andererseits wurde keine einheitliche innerparteiliche finanzielle Unterstützung gewährt, weil die Arbeiterwohlfahrt von vielen als unpolitischer und primär weiblich besetzter Bereich angesehen wurde. Tatsächlich war der Hauptteil der Mitarbeiter weiblich, wobei Juchacz betonte, dass die Arbeiterwohlfahrt keine rein weibliche Organisation sei, dass Frauen aber die Hauptträgerinnen seien. (vgl. Eifert,1993,S.34/35)

Nach Eifert war „die offen sexistische Bewertung der „Gemeinschaft“, zu der sich Frauen in den Arbeiterwohlfahrt-Ausschüssen zusammenfanden, kaum zu übersehen. Die vornehmlich von Männern besuchten Parteiversammlungen in den Wirtshäusern galten eindeutig als politische Aktivität, die vornehmlich von Frauen besuchten AW-Versammlungen wurden meistens nur als privater „Schwatz“ und „Klatsch“ wahrgenommen.“ (Eifert,1993,S.231) Die Maßnahmen der Arbeiterwohlfahrt wurden auch nur dann als politische Tätigkeit betrachtet, wenn sie während Krisen mit gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in Verbindung gebracht wurden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Geschichte der Arbeiterwohlfahrt am Beispiel ihrer Frauenpolitik
Hochschule
Hochschule Hannover
Note
Bestanden (Grundstudium)
Autor
Jahr
2004
Seiten
26
Katalognummer
V31050
ISBN (eBook)
9783638321648
ISBN (Buch)
9783638651127
Dateigröße
609 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Arbeiterwohlfahrt, Beispiel, Frauenpolitik
Arbeit zitieren
Anja Schumacher Antonijevic (Autor:in), 2004, Geschichte der Arbeiterwohlfahrt am Beispiel ihrer Frauenpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31050

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