Euphemismusgebrauch im "Dritten Reich". Eine sprachhistorische Untersuchung


Hausarbeit, 2014

15 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Definitionen
2.1 „Tabu“
2.2 „Euphemismus“

3. Euphemismen in Wehrmachtberichten
3.1 Der Wehrmachtbericht
3.2 Sprache im Wehrmachtbericht
3.3 Beispiele für Euphemismen bzw. Tarnsprache in Wehrmachtberichten

4. Euphemismen im Nationalsozialismus
4.1 Militär und Außenpolitik
4.2 Gewaltverbrechen
4.3 nationalsozialistische Maßnahmen

5. Zusammenfassung

Bibliographie

1. Einleitung

Das Ende des Zweiten Weltkriegs ist nicht einmal ein Jahrhundert her. Noch heute leben Menschen, die während des Kriegs in Deutschland oder den besetzten Gebieten wohnten oder sogar als Soldaten dienen mussten.

Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933, endete praktisch die Demokratie im Deutschen Reich; einzig die nationalsozialistische NSDAP wurde als Partei gestattet, die von nun an die Rechte der deutschen Bevölkerung stark einschränkte und deren Leben bestimmte.

Das NS-Regime muss den Tod von Millionen Menschen verantworten; nicht nur während des Zweiten Weltkriegs, sondern auch innerhalb der deutschen Bevölkerung: Geistig und körperlich Behinderte, Bettler, Prostituierte, Homosexuelle, Sinti und Roma und besonders Juden (Antisemitismus, Holocaust) galten als nicht lebenswert und wurden in Arbeits- oder Konzentrationslagern gequält und grausam getötet.

Die nationalsozialistische Regierung gestand der Sprache eine große Bedeutsamkeit in der Manipulierung der Öffentlichkeit zu; u.a um diese Verbrechen und ihre wahren Absichten zu verbergen. Nicht nur in Wehrberichten, sondern auch in den Ausdrucksweisen ihrer Gesetze und Maßnahmen sowie im alltäglichen der Menschen zog der geschickt formulierte Schreib- und Redestil ein. Folgend wird besonderer Augenmerk auf die Euphemismen in der Sprache des Nationalsozialismus gelegt.

2. Definitionen

2.1 „Tabu“

Das Wort „Tabu“ wird von dem polynesischen Begriff „tapu“ bzw. „ta pu“ abgeleitet, das „heilig“ und „verboten“ bedeutete und 1777 von dem englischen Seefahrer und Entdecker James Cook von seiner Südseereise mitgebracht wurde (Schröder 2002: 2).

„Das Wort bezeichnet in der Völker-, Kultur- und Religionskunde das kultische Gebot bei Naturvölkern, gewisse (heilige) Dinge oder Personen zu meiden“ (Forster 2009: 40).

Im heutigen Sprachgebrauch muss zwischen verbalen und nonverbalen Tabus unterschieden werden:Nonverbale Tabusoder Tattabus sind Teil des „sozialen Kodex einer Gemeinschaft, der festschreibt, welche Handlungen und Verhaltensweisen nicht ausgeführt werden sollen“ (Zöllner 1997: 25f; nach Schröder 2002: 4).Verbale Tabussind „einerseits Themen, die entweder gar nicht oder nur in etikettierter Form kommuniziert werden sollen sowie andererseits sprachliche Ausdrücke, die vermieden bzw. durch andere Ausdrücke (Euphemismen) ersetzt werden sollen“ (Schröder 2002: 4).

Tabubereiche können der Tod, Krankheiten, der menschliche Körper, Religion, Politik und Wirtschaft sein.

2.2 „Euphemismus“

Das Wort „Euphemismus“ stammt von dem griechischen Worteuphēmismòs“, was „Worte von guter Vorbedeutung sprechen“ (eu- „gut“;phēmi„ich sage“) bedeutet. Der Euphemismus lässt sich als „beschönigende oder verschleiernde Verwendung eines positiv bewerteten oder neutralen sprachlichen Ausdruck[s] für einen unangenehmen oder tabuisierten Sachverhalt“ (Paul 2002: 307; nach Forster 2009: 37) definieren. Diese Definition lässt erkennen, dass man Euphemismen in zwei Arten einteilen kann: Durch verhüllende Euphemismenkönnen Sachverhalte angesprochen werden, die von der Gesellschaft oder Einzelnen tabuisiert und aus Scham, Taktgefühl, Ekel oder Rücksicht nicht direkt kommuniziert werden. Diese erstrecken sich über die Bereiche Religion, Aberglaube, Tod, körperliche und geistige Krankheiten und Sexualität. Bei der Verwendung verhüllender Euphemismen ist von einer Gleichberechtigung zwischen den Gesprächspartnern auszugehen, da diese das Tabu erkennen müssen, um entsprechend darauf zu reagieren.

Verschleiernde Euphemismendienen der bewussten Täuschung bzw. Beeinflussung des Gegenübers. Der Sprecher stellt Sachverhalte in einer Art und Weise dar, die eine für ihn günstige Reaktion des Hörers hervorruft. Diese Art von Euphemismen kommen besonders in der Politik und Wirtschaft vor (Dietl 1996: 1; Luchtenberg 1985: 24, nach Handreichung aus dem Seminar „Wortschatz und Tabu“ WS 2013/2014).

Der Euphemismus ist hierbei von der Lüge und dem Irrtum abzugrenzen: Bei einer Lüge äußert der Sprecher wissentlich eine falsche Aussage. Ein Irrtum entsteht unbewusst und und durch falsche Annahmen und Informationen, die als wahr angenommen wurden, wohingegen der Euphemismus die Wahrheit beschönigt oder verhüllt.

Euphemismen können u.a durch vage oder mehrdeutige Ausdrücke, Verallgemeinerung, Periphrasen, Synonyme, Metaphern, Hyperbeln und Fremdwörter gebildet und auf der Ebene des Lexems, des Syntagmas bzw. der Lexemverbindung, des Satzes, der Grammatik und des Textes realisiert werden.

3. Euphemismen in Wehrmachtberichten

3.1 Der Wehrmachtbericht

Wehrmachtberichte vom 1.September 1939[1]bis 9.Mai 1945[2]waren täglich in Zeitungen oder Rundfunk veröffentlichte Berichte des Oberkommandos der deutschen Wehrmacht (OKW) über militärische Ereignisse, die immer mit der gleichen formelhaften Überschrift „Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt“ begannen.

Die offizielle Aufgabe der Wehrmachtberichte war die Öffentlichkeit über Ereignisse an den Kriegsschauplätzen zu informieren, Hitler und Goebbels sahen in dem Bericht aber auch ein „Mittel der geistigen Kriegsführung“; sie wollten das Volk mit Hilfe von „gemein verständliche(r), schwungvolle(r) und propagandistisch gefärbt(er) Sprache“ beeinflussen (Murawski 1962: 103,112; nach Greule 2004: 33).

Sie waren also nicht nur für den militärischen Dienstgebrauch, sondern auch für propagandistische Zwecke vorgesehen.

Verantwortlich für die Veröffentlichung der Wehrmachtberichte waren der Chef der Abteilung für Wehrmachtpropaganda, Hasso von Wedel und der Chef des Wehrmachtführungsstabes, Alfred Jodl (Forster 2009: 85).

Thematisiert wurden hauptsächlich „1.Kampfhandlungen an den deutschen und verbündeten Fronten sowie später auch in ihrem Hinterland […];2.Seekrieg [...] auf allen Meeren;3.operativer Luftkrieg und Luftverteidigung an der Heimatfront;4.militärische Täuschungsmaßnahmen;5.ehrenvolle Erwähnung von im Kampf gefallenen Generalen und Admiralen sowie Trägern höchster Auszeichnungen;6.ehrenvolle Erwähnung von im Kampf bewährten Einzelkämpfern aller Dienstgrade und Einheiten mit ihren Kommandeuren;7.auszeichnende Nennung im Kampf bewährter fremdvölkischer Freiwilligenverbände;8.Hinweise auf den Einsatz verbündeter Truppen im Zusammenwirken mit deutschen Einheiten;9.Festnageln von Verletzungen des Völkerrechts durch die Gegner;10.Berichtigung von unwahren militärischen Meldungen der Gegner;11.historische Erinnerungen;12.politische Hinweise in Verbindung mit dem Einsatz der Wehrmacht“ (Murawski 1962b: 68, nach Forster 2009: 93).

3.2 Sprache im Wehrmachtbericht

Die Berichte sollten der Wahrheit entsprechen und möglichst genau sein, ohne zu detailliert die Geschehnisse zu schildern. Diese Verpflichtung tritt jedoch in Konkurrenz mit der „Geheimhaltung“ von militärischen Niederlagen und Misserfolgen; durch euphemistische Sprache kann dieses Hindernis überwunden werden:

Militärische Begriffe wurden „in einer auch dem Laien verständlichen Art gebraucht“ (Murawski 1962b: 102, nach Forster 2009: 96). Dabei musste darauf geachtet werden, dass die militärische Sprachstruktur eingehalten , aber auch eine Verständlichkeit für das Volk erreicht wird. Es wurden nur wenige Fremdwörter verwendet und auf Sachlichkeit geachtet. Es gab jedoch drei verschiedene Ansichten, wie die Sprache in Wehrmachtberichten sein sollte: Einige, u.a der Generalstab des Heeres, der Chef der Wehrmachtpropaganda und die Wehrmachtberichtarbeiter, bevorzugten die nüchterne, sachliche Sprache, während der Chef des Wehrmachtführungsstabes einen „sachlich klare[n], aber literarisch beschwingte[n]“ Stil befürwortete. Hitler und Goebbels hingegen waren für eine propagandistische Sprache, ähnlich der „NSDAP-Sprache“ (Forster 2009: 96), in Wehrmachtberichten.

Die Wehrmachtberichte während des Zweiten Weltkriegs lassen sich dahingehend auch in Phasen einteilen: In den ersten, für die deutsche Wehrmacht erfolgreichen Jahren (Westfeldzug[3]1940 bis Ende 1941) spiegeln sie den übersteigerten Stolz wider, allerdings in Annäherung an die Parteisprache. Bis Mai 1940 waren die Bericht noch sehr vorsichtig und zurückhaltend verfasst. In Folge der Gegenangriffe der Alliierten (1942 bis Herbst 1944) wurde der Ton sachlich und nüchtern; Leidenschaft zeigt sich nur noch in den Schilderungen der Kämpfe gegen die Feinde: Adjektive wie „erbittert, verbissen, hartnäckig“ (Forster 2009: 97) sollen dem deutschen Volk zeigen, dass die Wehrmacht mit aller Kraft gegen die Offensiven der Rivalen vorgeht.

Die Verfasser der Wehrmachtberichte konnten keine falschen Tatsachen veröffentlichen, da die Fakten durch ausländische Medien jederzeit widerlegt werden und dadurch dem Ansehen des Deutschen Reiches schaden und die Loyalität seiner Bevölkerung und Verbündeten in Frage stellen konnte.

Der Militärhistoriker Erich Murawski nennt die Sprache in Wehrmachtsberichten ab den Gegenschlägen der Alliierten als „Tarnsprache zur Verschleierung der Tatsachen“ (Murawski 1962: 109, nach Greule 2004: 35). Hierzu gehören nicht nur Wörter, die eine verhüllende bzw. beschönigende Funktion haben, sondern auch verschleiernde Euphemismen, die manipulieren und die Ereignisse subjektiv, aus der Sicht der NSDAP schildern sollten: einerseits Wörter, die erst im Kontext der nationalsozialistischen Sichtweise und des Zweiten Weltkriegs eine Wertung erhalten und andererseits Wörter aus dem Militärjargon, die eine beschönigende oder manipulierende Bestimmung erahnen lassen, da sie innerhalb des Militärs eine bestimmte Bedeutung haben, die breite Bevölkerung aber trügen können (Greule 2004: 35, 36).

[...]


[1] Am 1. September 1939 marschiert die deutsche Wehrmacht in Polen ein. Dieses Ereignis gilt als der Beginn des Zweiten Weltkriegs.

[2] In der Nacht vom 8. auf den 9.Mai 1945 unterzeichnete Wilhelm Keitel, der Chef des OKW, die Urkunde zur bedingungslosen Kapitulation. Dies beendete den Zweiten Weltkrieg.

[3] Der Westfeldzug (10.Mai – 22. Juni 1940) bezeichnet die Besetzung von den Niederlanden, Belgien und Luxemburg und die Kapitulation Frankreichs.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Euphemismusgebrauch im "Dritten Reich". Eine sprachhistorische Untersuchung
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Note
2,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
15
Katalognummer
V310497
ISBN (eBook)
9783668092167
ISBN (Buch)
9783668092174
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
euphemismusgebrauch, dritten, reich, eine, untersuchung
Arbeit zitieren
Sarah Lux (Autor:in), 2014, Euphemismusgebrauch im "Dritten Reich". Eine sprachhistorische Untersuchung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310497

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