Appeasementpolitik. Schuldet die deutsche Integrationspolitik den Migranten eine Integrationskultur?


Bachelorarbeit, 2014

127 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Relevanz
1.2 Forschungsstand und Forschungsfrage
1.3 Forschungsdesign

2 Hintergrundgedanken
2.1 Kultur
2.2 Integration
2.3 Einwanderungsland
2.4 Appeasementpolitik
2.5 Zusammenfassung

3 Der Weg ist das Ziel- Durch die Zielvereinbarung zur Integration
3.1 Missverständnisse in der Integrationspolitik
3.2 Integrationsziel Dialogfähigkeit
3.3 Integrationsziel Sprache
3.4 Integrationsziel Bildung
3.5 Integrationsziel Arbeit
3.6 Integrationsziel gesellschaftliche Integration

4 Deutschlands attraktive Seiten
4.1 Attraktivität durch soziale Sicherung
4.2 Attraktivität durch Frieden du Freiheit
4.3 Attraktivität durch wirtschaftliche Stärke
4.4 Zusammenfassung

5 Appeasementpolitik also Political Correctness
5.1 Appeasement- von Freiheit zur Gleichheit
5.2 Religiöse Beschwichtigung
5.3 Bildungspolitische Beschwichtigung
5.4 Zusammenfassung

6 Appeasement durch Altruistische Bestrafer
6.1 Politische Instanzen und Organisationen
6.2 Klaus Bade- ein Surrealist der Integrationsdebatte

7 Ein Rückblick mit letzten Gedanken

8 Resümee und Vision
8.1 Schuldet die deutsche Integrationspolitik den Migranten eine Integrationskultur?
8.2 Die Integrationskultur
8.3 Das Problem der (Anti-) Sozialen Arbeit

9 Persönliche Stellungnahme

Literaturverzeichnis

Anhangverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

ABBILDUNG 1: AUSLÄNDISCHE BEVÖLKERUNG AM 31.12.2012 QUELLE: STATISTISCHES BUNDESAMT

ABBILDUNG 2: AUSLÄNDISCHE BEVÖLKERUNG AM 31.12.2012 NACH BUNDESLÄNDERN UND AUSGEWÄHLTEN STAATSANGEHÖRIGKEITEN QUELLE: STATISTISCHES BUNDESAMT

ABBILDUNG 3 STATISTIK NACHFRAGE UM ANERKENNUNG VON AUSLÄNDISCHEN BERUFSABSCHLÜSSEN IM ZEITRAUM

ABBILDUNG 4: RELIGIONSZUGEHÖRIGKEITEN IN DEUTSCHLAND 2010 QUELLE: BPB

Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir

haben nicht alle den gleichen Horizont.“

Aesop- griechischer Fabeldichter

1 Einleitung

Wenn man in Urlaub fährt ist die Digitalkamera oder ein gutes Fotohandy ein ständiger Begleiter. Egal welche Länder der Welt man bereisen möchte, man möchte sein Erlebtes festhalten. Landschaften werden abgelichtet, Einheimische werden „in Aktion“ fotografiert, Sehenswürdigkeiten werden eingefangen. Alles nur, um sich an diese Reise zu erinnern.

Schaut man sich später diese Bilder an, wird eins deutlich. Zum größten Teil bestehen die Bilder aus dem Boden/ der Landschaft und dem Himmel. Setzt man den Horizont ins richtige Licht[1], lässt man die Vielfalt in der Einheit herausstechen. Jeder Betrachter des Fotos kennt den Himmel in seinen Erscheinungen, doch erst durch die Besonderheiten der Landschaft wird das Bild einzigartig. Es beschreibt die typischen ländereigenen Erscheinungen. Die majestätischen Berge oder die Weite des Meeres, all dies wirkt durch die Gemeinsamkeit des Himmels vertraut und doch durch die Gegend so neu.

Nach dem Urlaub freut man sich, die Fotos seinen Verwandten und Freunden zu zeigen. Erzählt das Erlebte, beschreibt die Merkmale des Landes und setzt sich nochmals mit den kulturellen Begebenheiten auseinander. Nur über den Himmel, weil er überall gleich ist, redet man sehr selten- wichtig für die Erzähler sind also die Besonderheiten….

1.1 Relevanz:

Das vorliegende Zitat von dem griechischen Fabeldichter Aesop soll als „barrierefreier“ Einstieg in die hier verortete Arbeit dienen. Es sollte deutlich werden, dass der Mensch sich für die Vielfalt interessiert. Sich angezogen führt, das Neue zu erkunden.

Viel zu schnell geraten Integrationsdebatten auf schon längst festgelegte Gleise der Kulturuniversalisten[2], Kulturrelativisten oder Fundamentalisten; Und verfehlen somit ihr eigentlichen Diskussions- und darüber hinaus ihr Entwicklungspotenzial.

Dennoch werden alle drei Anschauungen durch eine gleiche Position vertreten: Nach (fast 60 Jahren) gescheiterter Integrationspolitik muss sich etwas ändern.

Der im Jahr 1973 ausgerufene Anwerbestopp für Arbeitsmigranten war das erste unverkennbare Zeichen, dass Deutschland, auch durch das vorherige Wirtschafswunder, attraktiv ist. Tausende Arbeitsmigranten wurden in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhundert nach Deutschland gerufen. Das „Rufen von Gastarbeitern“ war nicht nur ein deutscher Hilfeschrei um fehlende Arbeitskräfte zu ersetzen, sondern auch ein Wunsch der türkischen Regierung, ihren eigenen zu kollabieren drohenden Arbeitsmarkt zu entlasten. Sekundär erhoffte sich die türkische Regierung, ihre Wirtschaftssektoren durch die Rückkehrer zu modernisieren, um sich somit an dem Weltgeschehen der Globalisierung anpassen zu können.[3]

Die Benennung der Arbeitsemigranten als „Gastarbeiter“ lässt den blauäugigen Trugschluss der damaligen Politik erkennen, dass „die Gerufenen“ nur arbeiten wollen, um dann wieder in die Heimat zu ziehen. Doch man „rief Arbeitskräfte und es kamen Menschen“[4] Durch den laissez-fairen teils sogar ignorierenden Umgang mit den Gästen kolonialisierten sich diese in Stadtteilen, zogen sich zusammen und bildeten ihrer eigene „kleine Welt.“ Die vernachlässigte Integration förderte das Festhalten an den heimischen Sitten und Bräuchen und versperrte den Weg, die deutsche Kultur kennen zu lernen und verhinderte somit auch die Partizipation in der Gesellschaft. Die gewünschte, fast automatisch erhoffte Assimilierung, blieb und bleibt weiterhin aus.

Seit dem sind 40 Jahre vergangen und im Zuge der Ost- WestErweiterung der Europäischen Union mussten auch deutsche Politiker anerkennen, dass Deutschland zu einem Einwanderungsland geworden ist.[5] Die Süddeutsche Zeitung gibt an, dass durch die Schulden- und Wirtschaftskrise in Europa sich Deutschland für „so attraktiv wie seit 20 Jahren nicht“[6] mehr erweist.

Nach der vollen Freizügigkeit von Rumänien und Bulgarien ab dem 01.01.2014 und durch die derzeitigen Sinti und Roma feindliche Politik der Slowakei[7] erwecken in der west-europäischen Politik Ängste eines nicht zu handelnden Ansturms von Sinti und Roma aus den „Ost-BlockLänder“. Diese Ängste reflektieren die eigene Integrationsüberforderung der Länder.

Deutschland, als Einwanderungsland, steht vor der Gefahr sich kulturell ebenso zu überdehnen wie die Europäische Union. Während die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2010 „Multi- Kulti für gescheitert“[8] erklärte und zur Stärkung der deutschen Leitkultur aufrief, entgegnet ihr Claudia Roth (Bündnis 90/ Grüne) mit der Aufforderung zur Erhaltung des Republikanismuses in der Integration.[9]

Diese politische Auseinandersetzung der Kulturuniversalisten und Kulturrelativisten dient als Ausgangspunkt für die hier verortete Arbeit.

1.2 Forschungsstand und Forschungsfrage

Integration ist in dem heutigen weltoffenen Deutschland eines der zentralsten Aufgabenschwerpunkte der Politik. Durch die entstandene ethno-Vielfalt an Kulturen und pluralisierten Lebensstile[10] bemühte man sich in der heutigen Zeit, ein Zusammenleben vieler unterschiedlicher Personengruppen zu ermöglichen. Militon M. Gordans Theorie der kulturellen Assimilation (cultural assimilation) von 1964 beschreibt das Heranziehen von Kindern und Jugendlichen zu Kulturträgern (Akkulturation). Ebenso analysierte er die Anpassung von Immigranten an eine fremde Landeskultur (Assimilation) oder das Annähern von Kulturen an Nachbarschaftskulturen zu einander (Inkulturation).[11] Durch die Assimilierung von Migranten erhoffte man sich das gemeinsame Zugreifen auf bestehende gesellschaftliche Werte von Einheimischen und Zuwanderern. Migranten galten aufgrund ihrer kulturellen Differenz als Bedrohung zu den deutschen kulturellen Werten. Die Deutsche Einwanderungspolitik war in den 60er und 70er Jahren von dieser Einstellung geprägt, dass sich Hinzuziehende „freiwillig“ an die deutsche Kultur anpassten werden,

Dieser Anpassungsgedanke an die deutsche Kultur unterstand jedoch immer häufiger der Kritik der Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Man forderte diese Zwangsanpassung aufzugeben, um eine Multikulturelle Lebensform zu ermöglichen. Durch die Theorie des multikulturellen Zusammenlebens verfolgte man in Deutschland die Vielfalt an kulturellen Gütern zu ermöglichen.[12] Den erkannten Wert an Vielfalt stellt für das gesellschaftliche Zusammenleben keine soziale Bedrohung, sondern gerade durch die Multikulturalität eine Bereicherung da.[13] „Was den Multikulturalismus mit dem Assimilationismus verbindet, ist die Erhaltung der Grenzen der Kulturen.“[14] So verfestigten sich die starren Kulturdifferenzen in Deutschland nur deutlicher. Wenn die Assimilation, durch Ignoranz dem Neuen gegenüber, die Integration behinderte, förderte der Multikulturelle Gedanke die gleichen Strukturen des Fremdbleibens. Habermas kritisiert, aufgrund der Fokussierung von den unterschiedlichen kulturellen Besonderheiten, die Reproduktion von kulturellen Grenzen, welche es eigentlich zu brechen gilt.[15] Durch die Grenzen solcher Parallelgesellschaften befürchtete man den erneuten Zwang für Minoritätenangehörigen, sich an ihre Gemeinschaft binden zu müssen.[16] Durch den Gedanken einer unüberwindlichen, unvereinbaren kulturellen Differenz, welche aus den Besonderheiten besteht, warf man diesem Ansatz zu Beginn der 90er Jahre „differenzialistischen Rassismus“[17] oder sogar „Rassismus ohne Rasse“[18] vor. Auch wenn der multikulturelle Ansatz die Integration von unterschiedlichen Kulturträgern durch Anerkennung und Toleranz vorsieht, ist es der Gedanke an eine Parallelgesellschaft auswelchem Grund dieses Konzept in der deutschen und europäischen Politik kaum noch vertreten wurde.[19] Nicht nur die deutsche, sondern die allgemeine Integrationspolitik verliert seit diesen Gedanken der Gleichheit und Gerechtigkeit an Orientierung. Multi- Kulti und Anpassung sind an den Gedanken der Ungerechtigkeit und Abgrenzung gescheitert. Nicht nur aber besonders die deutsche Politik steht vor dem Problem, dem kulturellen Zusammenleben eine neue Theorie vorzusetzen, welche den hohen Maßstäben an Gerechtigkeit und Freiheit gerecht werden kann.

„Minderheitsangehörige und Mehrheitsangehörige haben also in demokratischen Gesellschaften gleichermaßen ein Interesse an der Erweiterung von Anerkennungsverhältnissen, die die Selbstentfaltung und damit die Freiheit aller ermöglichen.“[20]

Hier setzt der Transnationalismus an, welcher die Differenzen der Kulturen erkennt und versucht durch die verschiedenen Weltdeutungen etwas Neuem zu konzipieren. Transnationalismus soll ermöglichen, dass Migranten sich durch multinationale Gefühle in die Gesellschaft einbringen können ohne ihre Herkunftskultur zu verlieren. Es wird gemeinsam ein Sammelbecken an gemeinsamen Werten und Normen geschaffen, welches das Leben in einer multi- ethnischen Gesellschaft und globalsierungsgetrieben Weltgemeinschaft ermöglichen soll. Sikora erkennt im Transnationalismus drei bekannte Anschauungen: „dem Kosmopolitismus der Antike, dem Weltbürgertum der Aufklärung und der transnationalen Identität der Weltgesellschaft des globalisierten 20. Und 21. Jahrhunderts.“[21] [22]

Alle oben genannten Migrationstheorien agieren in ihrem Ursprung analytisch. Sie bemühen sich die „Phänomene der Migrationsgesellschaft“[23] aufzuschlüsseln. In politischen Lagern verfallen die Theorien der Bedeutung von Kulturrelevanz und werden somit Autonomen oder Konservativen zugeschrieben, welche die Problematik der deutschen Integrationspolitik nicht behebe, sondern eine gewinnbringende Umsetzung erschwert.

Der Gedanke an eine Kultur oder an kulturelle Unterschiede wird in den Konzepten zwar erarbeitet, aber die gewünschte ´kulturelle Vielfalt´ wird durch den Wunsch nach ´kultureller Einfallt´ zerstört.

Kultur erhält in den Integrationsansätzen eine entweder deutlich negative, diskriminierende Funktion oder eine bagatellisierende Verallgemeinerung.

Es scheint als sei die Politik durch eine Standpunktgewinnung in der Integrationsdebatte orientierungslos geworden.

Durch die analytischen Ergebnisse der Integrationstheorien ist man bemüht in den Integrationsprozessen ein bestimmtes Verhalten aller Akteure festzulegen. Diese, durch die Theorie begründete Verhaltensvorgabe für alle Integrationsbeteiligten (z.B. Anpassen, Tolerieren, Akzeptieren), erschwert das gemeinsame Zusammenleben nur. Theodor Heuss erklärte einmal, dass man mit „Politik […] keine Kultur machen, aber vielleicht kann man mit Kultur Politik machen.“

Die Annäherung unterschiedlicher Kulturträger sollte also nicht durch Theorien erfolgen, sondern viel eher sollen Strukturen erschaffen werden, dass dieser Prozess gesellschaftlich ausgeführt werden kann. An diesen Punkt knüpft die vorliegende Ausarbeitung an. Schuldet die deutsche Integrationspolitik den Migranten eine Integrationskultur?

1.3 Forschungsdesign

Nach der Definition der wesentlichen Begriffe für diese Arbeit wird heuristisch erfragt, welche Ziele die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Integrationspolitik verbindet. Weiterführend werden einige Motivationen der Migranten ergründet, aus welchem Anlass sie in ein fremdes Land auswandern und welche Ziele und Hoffnungen sie damit verbinden.

Fortführend wird die Wichtigkeit einer Orientierungsgebenden Integrationspolitik aufgezeigt. Auf Grundlage dieser theoretischen Verortung werden die derzeitigen Diskussionsansätze auf die Ziele der Migranten, unter Berücksichtigung der Einwanderungspolitik durchleuchtet und mit aktuellen gesellschaftspolitischen Erscheinungen verbunden. Hier Nach der theoretisch-heuristischen Themenannäherung ergibt sich die hermeneutische Auseinandersetzung mit der Fragestellung: „Appeasementpolitik?- Schuldet die deutsche Integrationspolitik den Migranten eine Integrationskultur? "

2 Hintergrundgedanken

Zu den folgenden Wörtern gibt es keine einheitliche Definition. Somit werden hier Anschauungen und Auffassungen dargelegt, um eine gemeinsame Grundlage zu erhalten.

2.1 Kultur

Das Wort Kultur entstammt aus dem lateinischem Begriff colere „pflege“ und zielt in seiner Bedeutung nicht nur auf den Bedeutung der Bodenpflege ab, sondern beschreibt vielmehr das „pflegen der geistigen Güter:“

In einem 1952 durchgeführten Projekt zur Kulturbegriffsbestimmung erhielten Kroeber und Kluckhohn 164 unterschiedliche Begriffsbestimmungen.[24] Bolten erklärte sogar, dass durch die Globalisierung eine Vielzahl von Definitionen hinzukommen würde.[25]

„Im weitesten Sinne meint "Kultur" daher die vom Menschen durch die Bearbeitung der Natur mithilfe von planmäßigen Techniken selbst geschaffene Welt der geistigen Güter, materiellen Kunstprodukte und sozialen Einrichtungen. Dieser weite Begriff der Kultur umfasst die Gesamtheit der vom Menschen selbst hervorgebrachten und im Zuge der Sozialisation erworbenen Voraussetzungen sozialen Handelns, d.h. die typischen Arbeits- und Lebensformen, Denk- und Handlungsweisen, Wertvorstellungen und geistigen Lebensäußerungen einer Gemeinschaft.“[26]

Kultur- als Werte- und Normensystem einer Gesellschaft, welche sich aus den Erfahrungen und Errungenschaften einer Gesellschaft entwickelt hat und durch Reproduktion auf Nachkommen an Nachhaltigkeit gewinnt.

So verbindet jede Gesellschaft durch ihre Kultur eine gewisse Eigenlogik[27] welche nicht nur das Zusammenleben organisiert, sondern auch Einfluss auf die Erziehung, Bildung und das Arbeitsverhalten hat.[28] Ebenso macht, in Zeiten der Globalisierung eine Trennung von Kultur und Religion keinen Sinn, da die Werte einer Gesellschaft, säkularisiert oder nicht, durch eine religiöse Ausrichtung mitgeprägt wurde.

Besonders in den Integrationsdebatten erhält das Verständnis von Kultur eine zentrale Rolle. Das Spannungsfeld der Integrationsdebatten ergibt sich aus dem Kulturverständnis von Kulturuniversalisten, Kulturrelativisten und Fundamentalisten

2.1.1 Kulturuniversalisten

Kulturuniversalisten behaupten, dass die Gesellschaft unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund, eine Allgemeingültigkeit besitzt. Sie erkennen in dem Menschsein an sich eine Gemeinsamkeit, welche ausreicht um einen Weltethos, losgelöst von kulturellen Werten und Normen, erkennen zu können.

2.1.2 Kulturrelativisten

Kulturrelativismus stellt den Gegenbegriff zum soziologischen Universalismus dar. Relativisten grenzen kollektive Normen und Werte auf eine bestimmte Gesellschaft ein. Bestimmen ethische Begriffe und soziologische Kategorien begrenzen sie auf eine bestimmte Kultur ohne eine Allgemeingültigkeit ableiten zu können. Sie erkennen Gemeinsamkeit zu anderen Kulturkreisen aber keine komplette Übereinkunft.

2.1.3 Fundamentalismus

Fundamentalismus beschreibt eine Ausrichtung, welche die eigene Werteund Normenorientierung als einzig gültig/ einzig wahr annimmt. Sie wirkt in ihrem Handeln sehr traditionsbewusst und stellt sich gegen die Entwicklung der Modernen. Sie fordert die Rückbesinnung zu den althergebrachten Wurzeln und bedient sich teils radikaler Methoden, diese durchzusetzen.

2.2 Integration

Integration bezeichnet aus politisch-soziologischer Sicht „die gesellschaftliche und politische Eingliederung von Personen oder Bevölkerungsgruppen, die sich bspw. durch ihre ethnische Zugehörigkeit, Religion, Sprache etc. unterscheiden.“[29]

Jahrzehnte lang befand man sich während der damaligen „Ausländerpolitik“ auf dem Standpunkt, dass sich die Hinzugezogenen automatisch und vollständig in die deutsche Gesellschaft assimilieren[30] wollen und sollen. So entstand aus der teils ablehnenden und ignorierenden Haltung der Bundesrepublik Deutschland seinen neuen Staatsbewohnern gegenüber, eine zunehmende Verhärtung der Integrationsbereitschaft beider Seiten.

Seit dem vergingen ca. 40. Jahre. Die Integrationsdiskussionen öffneten sich ab den 90er Jahren hin zu den Bedürfnissen der Einwanderern mit dem staatlichen Eigennutz der Arbeitskraft Gewinnung.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beschreibt auf ihrer Internetpräsenz[31] Integration als einen langfristigen Prozess. „Ziel ist es, alle Menschen, die dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland leben in die Gesellschaft einzubeziehen. Zuwanderern soll eine umfassende und gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen ermöglicht werden.“[32]

Integrationspolitik beschreibt nun nicht mehr das Diskutieren über Migranten, sondern bemüht sich durch eine gegenseitige Ausrichtung von Einwanderern und den deutschen Staatenbewohnern[33] (dem Staat) eine gemeinsame Dialogplattform zu gründen, sodass man nicht über Hinzuziehende, sondern mit ihnen Integrationsansätze erarbeitet.

Als Grundvoraussetzung für eine gute Integrationsbasis sieht der Staat seitens der Migranten die Verpflichtung, Deutsch zu lernen, die Verfassung und die Gesetze zu kennen, sie zu respektieren und zu befolgen.[34]

Somit steht der Hinzuziehende in der Pflicht, bevor er einreisen möchte, sich über die Gesetze und die Verfassung Deutschlands zu informieren. Er sollte ebenso in der Pflicht stehen, sich dahin gegen zu reflektieren ob er bereit ist, seine Religion, seine kulturelle Anschauung und die daraus erlernte Werteprägung den Gesetzesgrundlagen der deutschen Rechtsprechung unterzuordnen.

Die Integration von Migranten, welche bereit sind sich der oben genannten Verpflichtungen zu stellen, erhalten somit ein ausdifferenziertes Angebot, Seiten des Staates, welches zur Partizipation und Integration in der Gesellschaft beitragen soll. Diese Integrationsangebote wurden 2007 durch den „Nationalen Integrationsplan“ festgelegt und werden regelmäßig evaluiert. Jedoch existiert noch keine flächendeckende Angebotsstruktur, welche jedem willigem Einwanderer es ermöglicht, hieran teilzunehmen. Diese rein aus Kostengründen hervorgerufene Minderversorgung im allgemeinen Integrationsnetzwerk, führt zu einer Selektion von Migranten mit und ohne Integrationsförderung. Hier ist der Staat im Zugzwang nachzuarbeiten.

Aufgrund der ersten politischen Versäumnisse den gerufenen „Gastarbeitern“ in den 60er Jahren eine Eingliederungsstruktur zu bieten, scheint es dem Staat zunehmend noch schwer zu fallen, eine gegenseitige Struktur aufzubauen, welche ein direktes Fordern & Förderverhältnis erkennen lässt.

Ebenso scheint die Leitfrage „Was kann Deutschland integrieren?“ aufgrund des Diskussionspotenzials zwischen den Liberalen und den Konservativen zu einer „never ending Story“[35] zu führen.

Sehen die Linken, auf Grund ihrer Religionskritik, den Menschen als Kulturträger in allen Bereichen integrierfähig, warnen Kritiker davor unterschiedliche Systeme wie Religionen und Verfassung für den bedingungslosen Integrationsansatz vermischen zu wollen. Dieses Spannungsfeld wird nochmals in Kapitel 5.2 Religiöse Beschwichtigung aufgegriffen.

Die Wichtigkeit einer deutschen, staatlichen Integrationskultur ist seitens des Staates dringend zu erkennen, da er Migranten aufgrund sozioökologischen Herausforderungen aufnehmen muss[36] und ihnen durch die Gleichstellung der Menschen vor dem Gesetz eine vorurteilsfreie und gleichwertige Teilhabe an und in allen Bereichen der Gesellschaft ermöglichen muss.

Für einen gelungenen Integrationsprozess ist es unabdingbar, dass der Staat, also die Gesellschaft per se, Integrationsvoraussetzungen erarbeitet und daran festhält. Durch diese Struktur erhalten Einreisende eine notwendige, oft vermisste Orientierung.[37]

Diese Orientierungsstruktur soll nicht zu Assimilation der Migranten an die deutsche Kultur führen, sondern sich auf wichtige Grundpfeiler des gemeinsamen Zusammenlebens (Grundgesetz, Verfassung, allgemeine Rechtsordnung) beruhen. Besonders durch die Säkularisierung des Staates ist es erforderlich die Integrationsstruktur als System zu erkennen, welches ermöglicht, Staatsbewohner aufgrund der im westlichen Raum allgemeingültigen „Menschenwürdigskeitsformel“ in ein Staatssystem einzubetten, indem Jeder vor dem Gesetz gleich ist.[38] Egal aus welchem Herkunftsland er kommt, egal welchen Glauben er vertritt, egal welche Sprache er spricht.

2.3 Einwanderungsland

„Einwanderungsland- ein Land, indem Menschen bevorzugt einwandern“.[39]

Diese Definition aus dem Duden lässt nur einen groben Überblick über die Thematik eines Einwanderungslandes erkennen.

„Deutschland ist kein Einwanderungsland. Eine gesetzliche Regelung ist überflüssig.“[40] Solche Aussagen und blauäugige Phrasen, u.a. durch den Bundesinnenminister Manfred Kanther (1996), verhinderten einen realistischen Umgang mit der Integrationsherausforderung für die Bundesrepublik Deutschland. Zahlen und Fakten wurden beschönigt um keine Aufruhr im eigenen Volk zu wecken.

Helmut Berschin beschreibt Deutschland 2001 viel eher als „Durchwanderungsland“, da sich die Einwanderung- und Auswanderungszahlen gleich gegenüberstanden. Er skizziert Deutschland somit als „Migrationsdrehscheibe.“[41] Laut der Frankfurter Rundschau waren die Auswanderungszahlen 2010 höher als die der Einwanderungen[42], was erkennen lässt, dass es keinen reinen Einwanderungstrend gibt. Klaus Bade kritisierte 2011 in der Süddeutschen, dass man sich durch die schlechte Migrationspolitik die Eliten von Deutschen und Zugewanderten zu Lande vergraule.[43]

Die Gefahr, durch die krampfhafte Orientierung an Ein- und Ausreisestatistiken für die Bundesrepublik, lässt die Integrationspolitik in ihrer Entwicklung lahmen. Der Gedanke, anhand von Zahlen und Statistiken, die innere Ordnung zu sichern und Deutschland vor Gefahren zu beschützen, lässt den Entwicklungsprozess stagnieren[44] und verdeckt wieder, die Anforderungen für Migranten und Einwohner in Deutschland zu analysieren.

Berschin definiert ein Einwanderungsland nicht aus bloßen Ein- und Ausreisestatistiken. „Ob ein Staat politisch ein Einwanderungsland ist oder nicht, lässt sich nicht aus demographischen Daten ableiten.

Entscheidend ist einerseits der Wille des Staatsvolkes, Einwanderungsgesellschaft zu sein, und andererseits der Wille der Einwanderer, Mitglied dieses Staatsvolkes zu werden.“[45] Diese Erklärung setzt nicht nur eine bestimmte Erscheinungsform voraus (Zuwanderung von Migranten) sondern ergänzt sie durch die Wichtigkeit der moralischen Einstellungen zwischen der Einwanderungsgesellschaft und den Einwanderern. Taucht man tiefgründiger in dieses Zitat ein, erkennt man nicht nur die Bereitschaft aufgrund vorhandenen Willens der Gesellschaft oder der Einwanderer, sondern ebenso der Aufruf eine Struktur zu bieten, welche es ermöglicht, dass beide Seiten ihr Verhalten und ihre Position reflektieren können.

„Einwanderungsland“ beschreibt in Folge dessen ein Land, welches aufgrund einer erhöhten Zuwanderung eine besondere kulturelle und soziale Leistung erbringen muss. Durch einen gesellschaftlichen Prozess, soll es ermöglichen werden die Zuwanderer aufzunehmen und einen akzeptierenden Umgang zwischen dem „“Wir“ und dem “Die““[46] zu ermöglichen.

Hierin lässt sich auch deutlich die Wichtigkeit einer stabilen Integrationspolitik erkennen. Durch das schnelle Installieren von Gesetzen und durch die Unüberschaubarkeit der aktuellen politischen Diskussionen, fehlt der deutschen Staatsführung derzeit, so scheint es, die Orientierung, die Interessen des Volkes und die der Zuwanderer gleichermaßen zu erkennen und entsprechend zu ordnen. Somit fehlt es auch derzeit an einem festen Standpunkt, welcher dem „Chaos der Kulturen“[47] einen „roten Faden“ geben könnte und Deutschland mit dem Rechten auf die Einigkeit, dem Recht auf Recht und dem Recht auf Freiheit seinen „Way of Life“[48] in den Zeiten des Pluralismus zu sichern.

Ein Einwanderungsland muss bereit sein Neues auszuprobieren. Es sollte dennoch nicht das Bewährte vernachlässigen.

2.4 Appeasementpolitik

Appeasementpolitik umschreibt das beschwichtigende, zurückhaltende Vorgehen bei und durch politische Entscheidungen. Geprägt wurde der Begriff durch die britische Außenpolitik zur Zeiten des Zweiten Weltkrieges.

Die Briten bemühten sich durch ihre „entgegenkommende Haltung“ Hitler gegenüber den Frieden zu sichern. Deutlich wurde diese Appeasement Politik, als die Westmächte es zuließen, dass 1938 die Tschechoslowakei durch das Münchener Abkommen an das Dritte Reich ausgeliefert wurde.[49]

Der Historiker und Politologe Hamed Abdel-Samad nutzt die Bedeutung der Appeasementpolitik, um die fehlenden Diskussionsstrukturen der Islamintegration in Deutschland zu umschreiben. „Aus Angst oder aus politischem und wirtschaftlichem Kalkül wird eine Appeasementpolitik [sic!] gegenüber dem Islam betrieben, während die Ängste der eigenen Bevölkerung aus der politischen Debatte ausgeblendet werden.“[50]

Dieses Zitat lässt deutlich das Spannungsfeld zwischen „erkannten Problematiken“ und der reservierten Haltung der Politik erkennen. Abdel- Samad wird noch deutlicher: „Jedem Politiker, der es wagt, sie offen zu thematisieren, wird sofort Populismus und Stimmungsmache vorgeworfen. Eine Anzeige der Grünen gegen den Betroffenen wegen Volksverhetzung lässt gewöhnlich nicht lange auf sich warten. Und so wird der Maulkorb schneller gefertigt als jedes Gegenargument.“[51]

Die Effekte einer Appeasement Politik, durch die Beschwichtigung zu „eigentlich erkannten“ Problematiken, lässt Unzufriedenheit und Ängste in der Bevölkerung wachsen.[52] Des Weiteren besteht die Gefahr, dass es zu keiner Lösung führt, sondern durch ein immer aggressiveres Auftreten der Konfliktpartner zu einer Verschanzung beider Seiten kommt.

„Appeasementpolitik“ sollte aber nicht nur als „Angst“ vor der Thematik und dessen Widerständen gesehen werden. Ebenso ist eine konfliktfreieGesellschaftsführung die Sicherung des eigenen Mandates im Bundes-/ Landtag oder einer sonstigen politischen Position für Politiker. Besonders in Bereichen der Integrationsfrage wird, nach Heinz Buschkowsky, „so viel wider besseren Wissens geredet und gehandelt“[53], wie in keinem anderen politischen Bereich.

„Appeasementpolitik“ könnte man metaphorisch als ´Placebo- Politik´ verstehen, Sie wird durch die fehlenden Konflikte keine Integrationsentwicklung in Deutschland ermöglichen. Vielmehr versucht sie die wachsenden Probleme in die Zukunft zu projizieren, in der Hoffnung, dass sie sich von selbst lösen werden.

2.5 Zusammenfassung

Die Grundvoraussetzung für die Integration von Migranten sollte in der Integrationsfähigkeit des Landes liegen. Hier sind primär nicht die wirtschaftlichen Ressourcen zu nennen. Viel eher kommt es auf die „Eignung“ der Staatsbewohner an, das Neue aufnehmen zu können und zu wollen. Denn Fakt ist, dass der Integrationsprozess nicht spurlos an der Gesellschaft vorüber geht. Die deutschen Staatsbürger werden neue Werte kennenlernen und ihre eigenen Werte für die Hinzuziehenden darlegen müssen, mit einer gewissen Aufforderung diese zu akzeptieren.

Die Grundlegende Akzeptanz, sich der Migrantenintegration nicht zu verschließen, könnte durch die drohenden sozial-ökologischen Herausforderungen (demografischer Wandel, Altersarmut, Geburtenrückgang) entwickelt werden. Denn in Deutschland drohen sich ohne Migration in nahbarer Zukunft soziale und wirtschaftliche Missstände zu entwickeln.[54]

Das Verständnis der Staatsbewohner auf Integration angewiesen zu sein, erfüllt ebenso die Voraussetzung, sich als Einwanderungsland mit bestimmten Rechten und Pflichten zu verstehen. Diese Rechte und Pflichten sind Aufgaben, welche durch politische Institutionen und migrationsbewusste Organisationen als doppeltes Mandat, beobachtet und eingefordert werden müssen,- von allen beteiligten Parteien.

Es gilt einen Verhaltens- und Integrationskodex zu entwickeln, der zur Teilnahme von allen Personen in der deutschen Gesellschaft aufruft. Durch eine menschenwürdige Struktur, welche nicht die Identitätsaufgabe einer Seite versteht, sondern die nötige Orientierung zur Einwanderung und des gemeinsamen Zusammenlebens ermöglichen soll.

Deutschland darf keine Kleider vergeben, welche den „Fremden“ nicht passen. Dennoch darf sie eine gewisse „Kleiderordnung“ vorgeben. Ebenso darf man als „Eingeladener“[55] nicht darauf bestehen, die Kleiderordnung abzulehnen bzw. sie nur zu seinem eigenen Interesse ändern zu wollen.

Dieser Prozess des gegenseitigen aufeinander Zukommens, jedoch auch das Festsetzen von Forderungen, ist durch die deutsche Politikverdrossenheit aus dem gesellschaftlichen Eigenantrieb nur sehr schwer vorstellbar. Viele Staatsbewohner erkennen im Staat ein kränkelndes und blindes System. Sie vergessen jedoch, dass der Staat nur ein „Sinnbild“ ist und aus den Interessen, Pflichten, Wünschen, Bedürfnisse eines jeden Gesellschaftsmitgliedes besteht. Es sollte deshalb von dem ´Sinnbild` Staat eine Wachsamkeit verlangt werden, welche im stetigen Prozess zwischen dem Gegebenen und dem Neuen abwiegt, gemeinsame Orientierungspunkte vorgibt und einfordert.

Dennoch werden, vor allem durch Hinzugezogene wie Frau Ates, Frau Kelek, Herrn Samad und auch Europa Befürworter wie Herrn Tibi, Meinungen laut, dass die deutsche Integrationspolitik zu viel „Appeasement“ in bestimmten Bereichen des Zusammenlebens betreibt. Ein Grund könnte in der schnellen Auslegung von links- oder rechtspopulistischer Stimmungsmache liegen oder einer verdrehten Vorstellung von Kulturoffenheit. Beispiel dieser falsch verstanden Kulturoffenheit ist die Idee des NRW Landesvorsitzenden der Linkspartei, Rüdiger Sagel, das Martinsfest in Deutschland abzuschaffen. Er befürchtet sonst, dass man vor allem den muslimischen Kindern den christlichen Glauben aufzwingt.[56] Ein über einhundertjähriger Brauch soll nun für eine diskriminierende, negativen Gleichheit, welche Integration verbessern soll, vergessen werden?

Auch hier äußerte sich der Muslimische Zentralrat mit einem klaren Wort für die deutsche Kultur. Er gibt an, dass der Muslim sich durch das St. Martin Fest nicht benachteiligt fühlt, viel mehr St. Martin auch für die Muslime ein vorbildliches Leben geführt hat.[57] Die rheinland- pfälzische Vorsitzende der Linken Wernen bemühte sich auch, diesen kulturfeindlichen Wind ihres Genossen abzuschwächen, fügte jedoch hinzu, dass die „Debatte über die Trennung von Kirche und Staat“[58] geführt werden müsse.

Diese Debatte ist in linker Orientierung immer möglich. Viel eher fürchtet man sich vor einer Stigmatisierung, falls man sich mit kritischen Äußerungen in die Integrationsdebatte einbringt oder öffentlich an traditionellen, schlimmstenfalls noch christlichen Werten fest hält.

Durch die Beschwichtigung in Bereichen der Integration, schürt man nur Ängste in der Bevölkerung. Diskussionen verlagern sich von der „Blinden Politik“ in die Keller der Gesellschaft. Durch teils extreme Beispiele von positiver und negativer Integration entstehen zum Teil links- oder rechtsradikale Meinungen, welche den eigentlichen Integrationsprozess extrem behindern.

Ebenso fehlt es Migranten an Sicherheit und Orientierung im gesellschaftlichen Kontext. Sie ziehen in kulturell ähnliche Stadtteile, verschließen sich aus Unsicherheit vor dem Neuen. Verweilen in ihren Vierteln.

Integrationspolitik muss „Rückrat- Politik“ sein. Es muss durch lebhafte und teils streitige Diskussionen zu einer „politischen Mitte“ gefunden werden, ohne direkt der Panikmache oder der Blindheit verhetzt zu werden. Sie steht grundsätzlich im Spannungsfeld der gesellschaftlichen Interessen,- von Staatsbürgern und werdenden Staatsbürgern.

Integration, mit formulierten Zielen, jedoch ohne oder nur mit geringem Tatendrang, verschiebt erkannte Problematiken zwar in eine andere Legislaturperiode, löst jedoch nicht die Anforderungen an das Einwanderungsland und an Einwanderer. Rechte und Pflichten gilt es einzufordern und einzuhalten. Konflikte gilt es anzusprechen und auszuhalten.

Durch den Nationalen Integrationsplan hat die Bundesregierung mit Akteuren der Gesellschaft (Vereine, Verbände, Politologen) eine Zielvereinbarung erstellt, der den Integrationsprozess positiv und orientierungsgebend unterstützen soll.

Im folgenden Kapitel wird zu Beginn ein kurzer kritischer Einstieg in die Missstände der Integrationspolitik (3.1) gegeben. Fortfolgend werden die wichtigsten Ziel kurz umschrieben und auf ihre wichtigsten Inhalte zusammengefasst.

3 Der Weg ist das Ziel- Durch die Zielvereinbarung zur Integration

„Der Weg ist das Ziel“, dieses so berühmte Zitat des chinesischen Philosophen Konfuzius [551 v. Chr.-479 v.Chr.] dient noch bis in die heutige Zeit als Motivation, nicht nur das Ziel vor Augen zu haben, sondern auch die Methoden dort hinzukommen sorgfältig zu überdenken und hieraus Erkenntnis für sich zu ziehen.

In dem folgenden Kapitel werden die Ziele der Integrationspolitik heuristisch interpretiert. Aufgrund der Überflutung von Statistiken, Zahlen, Dokumenten und wissenschaftlichen Ansichten, die sich Teils widerlegen, erhält man als Ergebnis ein sehr ambivalentes und auf die Realität bezogen unvollständiges Wissen. Durch das Spannungsverhältnis zwischen, liberal- konservativ- populär Aussagen, verschleiert man den eigentlichen Auftrag von Integration und ihrer Politik. Man hat zwar das Ziel erkannt (die Integration ist wichtig), kann sich aber auf den Weg (die Umsetzung) nicht einigen.

Des Weiteren wäre es unmöglich, untere dem vorgegeben Zeitansatz der Verfassung einer Bachelor-Thesis, alle wissenschaftlichen Dokumente zu durschauen und auszuwerten.

Die heuristische Vorgehensweise ermöglicht, mit begrenzten Information und sehr engem Zeitansatz, ein relativ soliden Ergebnis zu erzielen.

3.1 Missverständnisse in der Integrationspolitik

„Deutschland ist ein weltoffenes und tolerantes Land, das Zuwanderer willkommen heißt.“[59] Durch dieses Zitat begründet Staatsministerin Böhmer die positive Entwicklung der Integration, um die „Herausforderungen des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels“[60] gut entgegenwirken zu können. Die Studie des German Marshall Fund bestätigt, dass die Mehrheit der Deutschen die Zuwanderung als Chance versteht, der Zusammenhalt in der Gesellschaft wächst und nur 32 Prozent der Deutschen ein Problem in den derzeitigen Zuwanderungsströmen sieht.[61]

Integration „ist eine politisch-soziologische Bezeichnung für die gesellschaftliche und politische Eingliederung von Personen oder Bevölkerungsgruppen, die sich bspw. durch ihre ethnische Zugehörigkeit, Religion, Sprache etc. unterscheiden.“[62]

Diese Eingliederung bedeutet somit die kulturabhängigen Werte und Normen, religiöse Anschauungen, die ethnischen Besonderheiten der zuwandernden Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen und sie in die vor Ort lebende Gesellschaft hineinzugeben.

Integration- ist der Gedanke des „Hineingeben“ in Etwas oder das „Hinzugeben“ zu Etwas.

Man könnte es auch das „Becher Prinzip“ nennen. In einen Becher, ein Glas, eine Tasse kann man alles hineinfüllen. Durch die Form und die Erscheinung erhält man die Möglichkeit z.B. Wasser, Cola oder sonstige Getränke hineinzugeben. Es bleibt jedem selbst überlassen, wie viel er hinein gibt und ob er alles zusammen mischt oder jedes separat trinkt. Nur eine Grundregel darf man nicht missachten. Es geht nur so viel in den Becher, bis er überläuft. Ab dem Moment des Überlaufens ist alles neu Aufgefüllte wertlos. Auch wenn ein Becher nicht unbegrenzt aufnimmt und von der Form nicht der Schönste ist, so ist er unabdingbar um ein Getränk auszugießen oder zu trinken. Es wird deutlich, dass bevor man etwas hinzugibt, hinreichend Möglichkeit da sein muss, um es hinein zu geben. Eine zweite wichtige Erkenntnis sollte darin liegen, dass man das Limit des Gefäßes beachtet. Auf ein politisches Beispiel bezogen stellt die Europäische Union genau diese Überfüllung dar. Heinz Theisen erkennt durch die stark wachsende Europäische Union, die resultierende Wertepluralisierung und der fehlenden Abgrenzung zu anderen kulturellen Systemen, eine Überdehnung des Europäischen Kulturraums.[63]

Eine Integrationspolitik, die sich alleine durch das Treu sein zur Gesetzgebung und das Erlernen der Sprache definiert, läuft Gefahr, sich seine wahren Wurzeln selbst abzuschneiden. Gerade in der heutigen Zeit, in der man immer häufiger an den obersten Gerichtshöfen neue Gesetze erlässt oder alte Gesetze reformieren möchte, bieten sie keine Sicherheit mehr, seine Identität zu wahren. Man fängt an mit dem Becher zu spielen, auch auf die Gefahr hin, dass er herunterfallen könnte und zu zerbrechen droht.

An diesem Punkt treffen immer wieder Politiker, Staatsmänner und Akademiker aufeinander. Während der Gedanke einer Leitkultur schon als „rechtspopulistischer Geisterzug“[64] umschrieben wird, befürchtet man durch den reinen Republikanismus den Zerfall des traditionellen deutschen Werte- und Kulturguts. Ein Einwanderungsland, welches sich durch den offenen republikanistischen Prozess der Bürgertugenden entwickelt, ist gefährdet durch stärkere Kulturen in ihrer Grundsubstanz deformiert zu werden.

Ein säkularisierter Staat, welcher offen ist für alle, und sich zum Beispiel durch die Religionsfreiheit schmückt, wird durch Kulturen bedroht, welche ihre Rechtsprechung und ihrer Bürgertugend aus heiligen Schriften ableiten. Der Integrationsversuch, durch das Ignorieren zweier inkompatiblen Systeme, ist zum Scheitern verurteilt. Man erzwingt keine Anpassung durch Verleumdung oder durch nicht tragbare Zugeständnisse.

Die deutsche Integrationspolitik ist nicht als Selbstverständnis zu verstehen. Sicherlich werden die Geschehnisse und Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges ein Grund sein, warum deutsche Politiker, im Vergleich zu Frankreich, bei Diskussionen über ethnische Minderheiten, Flüchtlinge oder Migranten sehr besonnen agieren.

Jedoch sind es die Grundpfeiler der Demokratie (Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Pressefreiheit, Menschenwürde, Menschenrechte usw.) sowie der Sozialstaatsgedanke die als Nährboden dienen, aus dem die Integrationspolitik wachsen sollte.

Das Demokratische Grundrecht und der Sozialstaat sind beide zusammen mehr oder minder der Becher, in den es hineinzugeben gilt. Das deutsche Grundrecht und der Sozialstaat waren nicht von Beginn der Zeit als totale Vollendung vorhanden. Sie formten sich durch Traditionen, Werte und Normen des Zusammenlebens, Erfahrungen, Dichtern und Denkern und der christlichen Lehre.

Auch wenn sich die Gesellschaft in der heutigen Zeit von den sozialstaatlichen Entwicklungen durch die Kirche immer mehr abwendet und verkennt, sind schon zu frühen Zeiten in den Kreisen z.B. von Ordensmännern die Integration von sozial und körperlich Schwachen nachzuvollziehen, welche sich durch die Globalisierung auf den weltlichen Kontext ausgebreitet haben.

Heinz Theisen beschreibt, dass für die Integrationspolitik in der Bundesrepublik Deutschland einer gewissen Leitstruktur unabdingbar ist. Diese Leitstruktur ermöglicht das Hinzugeben des „Anderen“ in das „Bestehende“. Sie soll das Alte wahren und ebenso auch Raum für Vielfalt geben. Soll nicht stigmatisieren, jedoch auch Zeichen setzen.

Die Leitstruktur bewahrt die landesspezifischen Werte für die Mitbürger und entwickelt somit für den demokratischen Sozialstaatsgedanken eine gewisse Nachhaltigkeit. Durch die verpflichtende Orientierung an den Gesetze, soll sie die „Zuwanderer nicht mit fremden gesellschaftlichen Werteordnungen“[65] überfordern, dennoch erkennbar in den Alltag einfließen lassen.

Die Idee der Leitstruktur positioniert sich in der politischen Mitte. Sie verurteilt nicht, übt keinen Zwang aus- fordert jedoch die aktive Teilnahme aller Staatsbewohner. Sie gebietet einen Mittelpunkt in einer multikulturellen Gesellschaftsform. Integrationspolitik kann Förderprogramme zur Sprachbildung verpflichtend anbieten um den Integrationsprozess zu gestalten. Diese Kurse sind jedoch von Verpuffung bedroht, wenn die Teilnehmer keinen Gesellschaftsanschluss erhalten um die neue Sprache anzuwenden, wenn es keine Einladung gibt, in der „Gesellschaft Deutschland“ zu partizipieren.

Die ewig anhaltende Diskussion, ob es eine gewisse Leitung in Bereichen der Integration geben sollte, wirkt sich lähmend auf den eigentlichen Prozess.

Dass es ohne einen „Forderkatalog“ (Was musst du haben, machen, vorweisen, und wie sollte man sich einbringen) nicht geht, beweist auch die neue Idee der Willkommens- und Anerkennungskultur.

„Herzlich Willkommen“- so begrüßt man einen Gast, wenn man nach dem Schellen die Türe öffnet. Meistens erfolgt dann ein kurzer Schlagabtausch, bis der Gast fragt: „Soll ich die Schuhe ausziehen?“ Es liegt nun bei dem Gastgeber, ein Bestimmtes Verhalten des Gastes einzufordern. Schuhe

[...]


[1] Definition: [sichtbare] Linie in der Ferne, an der sich Himmel und Erde bzw. Meer scheinbar berühren; (Duden)

[2] Durch die fehlende allgemeingültige Reglung, welche die sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter ermöglicht, wird durch die grammatikalischen Regelungen der männlichen Verallgemeinerung, die Aussagen wie Politiker, Migranten, Hinzuziehender etc. als neutraler Sammelbegriff für das maskuline und feminine Geschlecht verwendet. Im Text widergegebene Zitate werden in dem jeweiligen Ausdruck des Originaltextes zitiert.

[3] vgl. (Dayi)

[4] Max Frisch

[5] (Süddeutsche, 2013 a)

[6] (Süddeutsche, 2013 a)

[7] vgl. (Heinlein)

[8] (Spiegelonline, 2010)

[9] (Roth, Claudia Roth, 2010)

[10] vgl. (Frankfurter Societäts-Medien GmbH, 2012)

[11] vgl. (Gordan, 1964)

[12] vgl. (Altintop, 2002); (Auernheimer, Gstettner, & Gstettner, 1996); (Prengel, 1993)

[13] vgl. (Bauböck, 1999)

[14] (Otto & Schrödter, 2006)

[15] (Habermas, 1992)

[16] vgl. (Otto & Schrödter, 2006)

[17] vgl. (Taguieff, 1991)

[18] vgl. (Balibar & Wallerstein, 1990)

[19] vgl. (Joppke & Morawska, 2003)

[20] (Otto & Schrödter, 2006)

[21] (Otto & Schrödter, 2006)

[22] vgl. (Sikora, 2005)

[23] (Otto & Schrödter, 2006)

[24] vgl. (C.Kluckhohn & Kroeber, 1952)

[25] vgl. (Bolten, 2009)

[26] vgl. (Nünning, 2009)

[27] vgl. (Theisen, Kampf oder Koexistenz der Kulturen, 2013)

[28] (Theisen, Leitstruktur statt Leitkultur, 2011a)

[29] (Schubert & Klein, Das Politiklexikon, 2011)

[30] Definition Assimilierung: (Soziologie) Angleichung eines Einzelnen oder einer Gruppe an die Eigenart einer anderen Gruppe, eines anderen Volkes (vgl. (Duden))

[31] http://www.bamf.de

[32] vgl. (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2013 a)

[33] Seyran Ates beschreibt in ihrem Buch „Wahlheimat- Warum ich Deutschland lieben möchte“ wie stigmatisierend sie die Äußerungen empfindet, ein Deutscher mit Migrationshintergrund „sein zu müssen“, obwohl sie sich mit der deutschen Rechtsprechung und dem Grundprinzipien identifiziert. Das Wort „Staatsbewohner“ verbindet sämtliche in Deutschland lebenden Menschen, welche ihren Aufenthalt hier auf Langfristigkeit planen.

[34] vgl. (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2013 a)

[35] Übersetzung: Niemals endende Geschichte

[36] vgl. (Bundeszentrale politische Bildung, 2005)

[37] (Abdel-Samad, Mein Abschied vom Himmel, 2009)

[38] vgl. Art. 3 dt. Grundgesetz

[39] (Duden)

[40] Zitat: Bundesinnenminister Manfred Kanther; 1996

[41] vgl. (Berschin, 2001)

[42] vgl. (Frankfurter Rundschau , 2010)

[43] vgl. (Drobinski, 2011)

[44] vgl. (Dernbach, Der Tagesspiegel, 2013)

[45] (Berschin, 2001)

[46] vgl. (Sarrazin, 2010)

[47] (Kelek, Chaos der Kulturen, 2012)

[48] (Sarazzin, 2010)

[49] (Schubert & Klein, Das Politiklexikon, 2011)

[50] (Abdel-Samad, Der Tagesspiegel, 2009)

[51] (Abdel-Samad, Der Tagesspiegel, 2009)

[52] vgl. (Abdel-Samad, Der Tagesspiegel, 2009)

[53] (Buschkowsky, Maulkorb und Scheuklappen- was tat die Politik?, 2012)

[54] (Haubrich, 13)

[55] Beschreibt in diesem Kontext den Migranten, da er durch eine Willkommenskultur als Mitglied von Anfang an verstanden werden sollte.

[56] vgl. (Rhein Zeitung, 2013 a)

[57] vgl. (Rhein Zeitung, 2013 a)

[58] (Rhein Zeitung, 2013 a)

[59] (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2013)

[60] (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2013)

[61] vgl. (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2013)

[62] vgl. (Schubert & Klein, Das Politiklexikon, 2011)

[63] vgl. (Theisen, Nach der Überdehnung, 2013)

[64] (Roth, Claudia Roth, 2010)

[65] (Theisen, Leitstruktur statt Leitkultur, 2011)

Ende der Leseprobe aus 127 Seiten

Details

Titel
Appeasementpolitik. Schuldet die deutsche Integrationspolitik den Migranten eine Integrationskultur?
Hochschule
Technische Hochschule Köln, ehem. Fachhochschule Köln
Note
1.0
Autor
Jahr
2014
Seiten
127
Katalognummer
V310366
ISBN (eBook)
9783668088702
ISBN (Buch)
9783668088719
Dateigröße
1803 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
appeasementpolitik, schuldet, integrationspolitik, migranten, integrationskultur
Arbeit zitieren
Martin Baldus (Autor:in), 2014, Appeasementpolitik. Schuldet die deutsche Integrationspolitik den Migranten eine Integrationskultur?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310366

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