Klassizität und Autobiographie. Goethes „Italienische Reise“ (1816/17)


Hausarbeit, 2013

14 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Inhalt

3. Gründe für seine Reise

4. Wiedergeburt in Italien

5. Die drei großen Gegenstände der Italienischen Reise

6. Klassizität anhand der Römischen Elegien
6.1 Schaffenskrise anhand der 1. Elegie
6.2 Überwindung der Schaffenskrise anhand der 5. Elegie.

7. Literatur

Klassizität und Autobiographie: Goethes „Italienische Reise“ (1816/17)

1. Einleitung

Die „Italienische Reise“ von Johann Wolfgang von Goethe ist ein Reisebericht, welchen er 30 Jahre nach seinem Italienaufenthalt verfasste. Dieser war für ihn, als eine Flucht aus seinem Leben notwendig. Goethe hatte damals in Weimar eine Schreibblockade, die ihm zum Aufbruch bewegte. Besonders der Aufenthalt in Rom ist als eine Art Wiedergeburt zum schriftstellerischen Können zu sehen. Im Folgenden wird erst einmal der Inhalt, sowie Gründe für die Reise thematisiert. Hierbei wird erläutert, wieso Goethe genau zu diesem Zeitpunkt diesen Ort auswählte. Daraufhin folgt eine Aufzeichnung seiner zurückgelegten Route. Anschließend wird die Wiedergeburt Goethes und seine drei großen Gegenstände der „Italienischen Reise“ erläutert und diskutiert. Im letzten Teil dieser Arbeit wird der Kern dieser Reise, also die Wiedergeburt, anhand zwei ausgewählter Elegien, nämlich der ersten und fünften, übertragen und analysiert.

2. Inhalt

Die „Italienische Reise“ von Johann Wolfgang Goethe ist als ein Reisebericht zu verstehen, indem er seinen Aufenthalt in Italien von September 1786 bis Mai 1788 beschreibt. Er nutzte diese Reise weniger als eine Pilgerreise, wie es derzeitig typisch war, sondern vielmehr als eine Bildungsreise mit subjektiven Gründen. Das Werk entstand jedoch erst ca.1 30 Jahre später, zwischen 1813 und 1817 und basiert auf seinen Reisetagebüchern. Diese autobiografische Schrift zeigt die chronologische Darstellung seiner Reise. Daher ist sie eine Konstruktion und kein frischer Reisebericht, also eher ein Rückblick eines alten Schriftstellers. Es ist somit ein Legendenbuch, das heißt ein künstlich geschaffenes Buch, wobei der autobiografische Anteil recht gering ist, denn von Begegnungen und Erlebnissen schweigt es. Weiterhin bewahrt es seine Tagebuchform, obwohl Goethe nahezu alle persönlichen Kommentare rausstrich und sein Werk somit „sterilisierte“. Hinsichtlich des Adressatenbezugs ist im Laufe des Werks erkennbar, dass er die ersten beiden Teile an keinen expliziten Leser richtete. Später wendet er sich jedoch an seine „Freunde“ und schließlich auch an konkrete Personen.

Die Italienreise begann 1786, vorher brach er drei Versuche zu solch einer Reise ab. Er reiste allein, und begann seine Reise in Karlsbad über Eger, Regensburg, München, Mittenwald, Scharnitz, Seefeld, Zirl, Innsbruck und den Brenner, Bozen, Trient zum Gardasee, dann weiter nach Verona, Vicenza, Padua, Venedig, Ferrara, Cento, Bologna, Loiano, Perugia, Terni und Città Castella bis hin nach Rom, wo er einige Monate verblieb. Er erlebte das Rom-Erlebnis als eine Art Renaissance oder auch Wiedergeburt. Dort spürte er erstmals die Antike wieder. Danach fuhr er mit dem Maler Tischbein weiter nach Neapel, wo er fünf Wochen blieb und einige Exkursionen vornahm, unter anderem auch nach Paestum. Anschließend segelte er nach Sizilien, wo er viele weitere Städte besuchte. Sein Rückweg verlief wieder über Neapel nach Rom, wobei er sich hier nochmal ein ganzes Jahr aufhielt. Dort beschäftigte er sich mit seinem Studium der Antike und der Fortsetzung seiner schriftstellerischen Arbeit. Nach Ostern begab er sich dann auf den Weg nach Weimar, wo er einige weitere Städte besuchte, unter anderem Siena und Florenz, die er auf dem Hinweg nur gestreift hatte, voller Ungeduld, endlich nach Rom zu gelangen.

In seinen Beschreibungen erwähnt er oft naturwissenschaftliche, so wie z. B. geologische, geografische und botanische Beobachtungen. So suchte er im „öffentlichen Garten“ von Palermo nach der „Urpflanze“, wobei er glaubt, dem „Geheimnis der Pflanzenzeugung und Organisation“ ein ganzes Stück näher gekommen zu sei. Aber auch kulturelle Aspekte fanden ihren Platz in seinen Aufenthalt, so kamen zahlreiche Theaterbesuche keinesfalls „zu kurz“. Überdies spielte auch die Kunst eine einhergehende Rolle für Goethe. Zwar galt sein künstlerisches und architektonisches Hauptinteresse der Antike, trotzdem besuchte er den Tempel Santa Maria sopra Minerva auf dem Hauptplatz in Venedig. Und auch die Werke von Michelangelo und Raffael fanden seine Bewunderung, wenn auch nur unter ästhetischen, anstatt religiösen Gesichtspunkten. Dabei geht sein Interesse der Kunst soweit, dass er sogar mit dem Gedanken spielt, vom Literat zum Maler zu werden. Er erkennt jedoch frühzeitig seine eigenen Grenzen des Zeichnens und engagierte einen empfohlenen Landschaftsmaler, welcher ihn dann ab Neapel begleitet. Goethe stellt in dieser italienischen Zeit einige Werke, wie „Iphigenie auf Tauris“, „Tasso“, „Egmont“ und „Faust“ fertig. Absichtlich zeigt er somit seinen Lesern2: „Seht her, ich bin aus Italien als Klassiker und Schriftsteller wiedergekommen!“3

Hinsichtlich seiner Bekanntschaften und Kontakten in Italien ist nur eine gelegentliche Nennung erkennbar. Er spricht dabei klar von Unterschieden zwischen der deutschen und italienischen Mentalität, dass er eher anhand der Beschreibung des gesamten Volkes ausmacht, als an einzelnen Personen. Letztendlich steht er der italienischen Mentalität und Lebenskunst stets positiv gegenüber und erhofft sich, einiges davon nach Deutschland zu übertragen. Selbst dem römischen Karneval, dem er bei seinen zwei vorherigen Besuchen sehr negativ gegenüberstand und ihn als lärmende Aggressivität und Primitivität beschrieb, schreibt er nun eine universale Bedeutung zu.

3. Gründe für seine Reise

Betrachtet man vorerst die Gründe für die Reise, fragt man sich: War Goethe etwa auf der Flucht? War er womöglich von den Erzählungen des Vaters getrieben, von den Kupferstichen und reichhaltigen Bilddarstellungen des alten Roms, die der Vater von seiner Italien Reise mitbrachte? Hinweis hierfür ist die Gondel, ein kostbares Spielzeug, das sein Vater ihm mitgebracht hat. Er erinnert sich an sie, als er in eine solche einsteigt. Oder war er tatsächlich den Weimarer Amtsgeschäften müde geworden nach so vielen Jahren treuer Pflichterfüllung für den Fürsten Carl-August? Überdies fragt man sich: Was konnte überhaupt das Genie Goethe solange in einem „3000-Seeelen-Nest“ wie Weimar halten? Ein Mann, ein Künstler oder auch ein Universal-Genie, wie es manchmal heißt; fand er in Weimar keine Anregungen mehr? „Verkümmerte“ sein kreativer Geist?

Womöglich treffen hier viele Gründe aufeinander, die eine Rolle spielten für Goethes Aufbruch. Er selbst sagte: „[…] denn ich muss gestehen, da meine Reise eigentlich eine Flucht war vor allen den Unbilden, die ich unter dem einundfünfzigsten Grade erlitten, da ich Hoffnung hatte, unter dem achtundvierzigsten ein wahres Gosen zu betreten.“4 Er sagt also, er möchte ein „wahres Gosen“ unter dem 48sten Breitengrad betreten. Doch dabei ist nicht nur die örtliche Position hier angesprochen, so kann auch die gefühlsmäßige „Lage“ mit den Breitengraden symbolisch verbunden werden. An dieser Stelle vergleicht er seine Flucht mit den alttestamentarischen Gosen der Hebräer im Gelobten Land und macht sie aufgrunddessen zu einer heiligen Aufgabe für ihn. Er muss also in den Süden wandern, denn nur dort findet er Erlösung. Auch zum Anfang wird die Flucht deutlich, denn er muss sich aus Karlsbad „fortstehlen“, da man ihm die Abreise verweigert hätte. Doch wie groß müssen die Hindernisse gewesen sein, wenn es sich ein so mächtiger Mann wie Goethe nicht erlauben will - oder kann - jemanden von seinen Absichten in Kenntnis zu setzen?

Des Weiteren schreibt Gothe hinsichtlich seiner Motivation für diese Reise: „Ich mache diese Reise nicht, um mich selbst zu betriegen, sondern um mich an den Gegenständen kennen zu lernen; da sage ich mir denn ganz aufrichtig, daß ich von der Kunst, von dem Handwerk des Malers wenig verstehe.“5 Er möchte sich also an den Gegenständen erlernen, was eine Art Weiterbildung bedeuten könnte. Vielleicht meint er auch an dieser Stelle eine Selbsterkenntnis oder ein „Zu-sich-kommen“. Er möchte außerdem der Antike wieder ein Stück näher kommen, doch wieso reist er dann nicht nach Griechenland? An diesem Punkt ist festzustellen, dass es damals nicht möglich war, dort hinzukommen, sodass sich Goethe dann für Italien entschied.

Im weiteren Verlauf lassen auch Äußerungen, die er zur Ankunft in Rom trifft, weitere Spekulationen zu einer Art „Erlösung“ zu: „Ja, die letzten Jahre wurde es eine Art von Krankheit, von der mich nur der Anblick und die Gegenwart heilen konnte. Jetzt darf ich es gestehen; zuletzt durft’ ich kein lateinisch Buch mehr ansehen, keine Zeichnung einer italienischen Gegend. Die Begierde, dieses Land zu sehen, war überreif: da sie befriedigt ist, werden mir Freude und Vaterland erst wieder echt aus dem Grunde lieb und die Rückkehr wünschenswert...“6

In einer seiner Schriften „Goethe erzählt aus seinem Leben“7 spricht er ganz klar und deutlich über die Gründe der Reise nach Rom. Dabei zitiert er an dieser Stelle den Literaturprofessor Johann Jakob Anton Ampére. Dieser habe die Beobachtung geäußert, dass Goethe in seinen ersten zehn Jahren in Weimar „nichts zustande gebracht haben soll“ und dass er aus reiner Verzweiflung über das Hof- und Dienstleben geflüchtet sei. Da Goethe ihn an dieser Stelle selber zitiert und somit eigentlich mit der Stimme seines eigenen Kritikers spricht, muss man diesen Äußerungen eine große Bedeutung zumessen und wahrscheinlich sagen, dass hier die wahren Beweggründe für seine Italien Reise stecken.

4. Wiedergeburt in Italien

Seit Sternes unnachahmliche „Sentimentale Reise“ den Ton gegeben und Nachahmer geweckt, waren Reisebeschreibungen fast durchgängig den Gefühlen und Ansichten des Reisenden gewidmet. Ich dagegen hatte die Maxime ergriffen, mich so viel als möglich zu verleugnen und das Objekt so rein, als nur zu tun wäre, in mich aufzunehmen.“8 An diesem Beispiel ist deutlich zu erkennen, was während der Reise in Goethe vorgeht. Dabei betont er, dass nicht das Subjekt, in dem Fall er selber als Reisender oder Beobachter, sondern ganz klar das zu Betrachtende, also das zu erforschende Objekt im Vordergrund steht. Diesen Prozess bezeichnet Goethe als das „In-sich-aufnehmen“. Goethe verleiht diesem „Sehen“ auch einen ganz anderen Ausdruck, als man es vermutlich mit dem normalen Anschauen meint. Vielmehr bezeichnet Goethe, dass die Augen von den venezianischen Malern von Grund an ganz andere Eindrücke und Blickwinkel haben, als die deutschen Künstler. So heißt es: „Es ist offenbar, daß sich das Auge nach den Gegenständen bildet, die es von Jugend auf erblickt, und so muß der venezianische Maler alles klarer und heiterer sehn als andere Menschen. Wir, die wir auf einem bald schmutzkotigen, bald staubigen, farblosen, die Widerscheine verdüsternden Boden und vielleicht gar in engen Gemächern leben, können einen solchen Frohsinn auf uns selbst nicht entwickeln.“9 Dieser zwangsläufige Vergleich stellt Deutschland als schmutzig, verdreckt und düster dar und hebt sein geliebtes Italien als Ursprungsort eines „besseren“ oder „schöneren“ Sehens hervor. Somit kann man davon ausgehen, dass seine Theorie darin besteht, dass Menschen, die in einer schönen Umgebung aufwachsen, mehr Talent, ja sogar mehr Frohsinn entwickeln, diese Schönheit künstlerisch darzustellen. Beeinflusst also die äußere Welt tatsächlich die Fähig- und Fertigkeiten des Menschen? Sicherlich ist Goethes Argumentation stichhaltig, denn es ist bekannt, dass sich gutes Wetter, ein mildes Klima und eine zauberhafte Landschaft positiv auf das Gemüt auswirken.

Man kann feststellen, dass sich Goethes Sinn für Kunst in den Jahren bei den Weimarer Amtsgeschäften zurückgebildet hat, sie jedoch in Italien wieder neu aufblühen konnte. Beim Besuch des Botanischen Gartens in Padua schreibt Goethe: „Es ist erfreuend und belehrend, unter einer Vegetation umherzugehen, die uns fremd ist. Bei gewohnten Pflanzen sowie bei anderen längst bekannten Gegenständen denken wir zuletzt an gar nichts, und was ist Beschauen ohne Denken?“10 Dabei sieht man, dass ihn nicht nur die Kunst fasziniert, sondern auch die Natur, die ihm fremde Vegetation Italiens. Hinsichtlich dieser Erkenntnisse verbindet er das „Sehen“ mit dem „Denken“, sodass eine Reflektion der Dinge besteht, welches den Intellekt eines Menschen ausmacht. Denn wenn man nicht das hinterfragt, was man sieht, dann läuft man eigentlich blind durch die Welt. Überwältigt von solch einer Naturgewalt, äußert er folgendes: „Man habe tausendmal von einem Gegenstande gehört, das Eigentümliche desselben spricht nur zu uns aus dem unmittelbaren Anschauen.“11

Goethe befindet sich vor allem in Italien, um wieder zu sich selbst zu finden. Am 12.10.1786 in Venedig schreibt er: „[...] Die historische Kenntnis förderte mich nicht: die Dinge standen nur eine Handbreit von mir ab, aber durch eine undurchdringliche Mauer geschieden. Es ist mir wirklich auch jetzt nicht etwas zumute, als wenn ich die Sachen zum ersten Mal sähe, sondern als ob ich sie wiedersähe.“12 Goethes Aussage ist, dass man Dinge erst richtig begreifen kann, wenn man sie vor sich sieht. So wusste er zwar von der reichen Literatur Italiens und kannte diese auch, sodass sein Wissen da war. Die Erkenntnis zu diesem Wissen blieb dabei aus. Denn diese lässt ihm womöglich durch die undurchdringlichen Mauern, also die Amtsgeschäfte, keinen kreativen Freiraum.

[...]


1 Ca. = circa = ungefähr

2 Im Folgenden wird auf eine durchgehende Nennung beider Geschlechter verzichtet, um die Arbeit leserfreundlicher zu gestalten. Personennennungen beziehen sich aber stets auf beide Geschlechter.

3 Siehe Route im Anhang S.1.

4 Italienische Reise (IR) , S. 18,19.

5 IR , S. 45.

6 IR , S. 125.

7 Vgl. „Goethe erzählt aus seinem Leben“, S. 126.

8 Aus den Tag und Jahresheften des Jahres 1789 aus: Heimböckel, Dieter : „Goethes „Reise-Tagebuch“ für Frau von Stein und die Italienische Reise bis zum ersten römischen Aufenthalt“, Aisthesis-Verlag, Bielefeld, 1999.

9 IR , S. 125.

10 Aus den Tag und Jahresheften des Jahres 1789 aus: Heimböckel, Dieter : „Goethes „Reise-Tagebuch“ für Frau von Stein und die Italienische Reise bis zum ersten römischen Aufenthalt“, Aisthesis-Verlag, Bielefeld, 1999.

11 IR , S. 125.

12 „Italienische Reise“ aus Karl Ipser „Mit Goethe in Italien“, S. 13.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Klassizität und Autobiographie. Goethes „Italienische Reise“ (1816/17)
Note
2,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
14
Katalognummer
V310041
ISBN (eBook)
9783668083639
ISBN (Buch)
9783668083646
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
klassizität, autobiographie, goethes, italienische, reise
Arbeit zitieren
Isabell Stock (Autor:in), 2013, Klassizität und Autobiographie. Goethes „Italienische Reise“ (1816/17), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310041

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