Förderung von mathematisch hochbegabten Schülern in der Grundschule


Masterarbeit, 2013

67 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitender Gedanke zur Hochbegabtenförderung

2 Theoretische Auseinandersetzung zum Thema „Hochbegabung“
2.1 Eine begriffliche Analyse
2.2 Die Vorstellung von Konzepten und Modellen
2.2.1. Das Drei-Ringe-Modell nach Renzulli
2.2.2. Das triadische Interdependenzmodell nach Mönks
2.2.3. Das Münchner Hochbegabungsmodell nach Heller
2.3 Zur mathematischen Hochbegabung
2.3.1. Merkmale und Charakteristika besonderer mathematischer Begabung
2.3.2. Das Stufenmodell zur Diagnose mathematisch begabter Kinder nach Käpnick
2.4 Besonderheiten und Probleme mathematisch hochbegabter Kinder
2.4.1. Eine Betrachtung von hochbegabten Kindern
2.4.2. Eine Betrachtung von extrem hochbegabten Kindern

3 Förderungsmaßnahmen der Hochbegabung
3.1 Förderung von Hochbegabten in der Schule
3.2 Anforderungen an den Lehrer
3.3 Maßnahmen zur Förderung
3.3.1 Einsatz heuristischer Hilfsmittel
3.3.2 Allgemeine Strategien des Lösens mathematischer Probleme
3.3.3 Logisches Denken
3.3.4 Argumentieren und Begründen
3.3.5 Beweisen
3.3.6 Muster und Strukturen erkennen, Verallgemeinern und Abstrahieren
3.3.7 Kreativ sein dürfen
3.3.8 Selbstständiges Erweitern und Variieren von Aufgaben
3.3.9 Räumliches Vorstellungsvermögen
3.4 Förderungsprogramme für mathematisch hochbegabte Schüler
3.4.1 Aufgabe des Monats – Förderung durch Eigeninitiative
3.4.2 Die Entdeckertag-Schule des Landes Rheinland-Pfalz
3.4.3 Das Hochbegabtenzentrum Rheinland in Brühl
3.5 Betrachtung eines Fallbeispiels

4 Resümee

5 Literaturangaben

6 Abbildungsverzeichnis

7 Anhang

1 Einleitender Gedanke zur Hochbegabtenförderung

Kaum jemandem, der im weitesten Sinne etwas mit Bildungspolitik zu tun hat, ist spätestens nach den bekannten Diskussionen - ausgelöst durch die PISA-Studie - die Thematik der Förderung von leistungs- oder lernschwachen Schülern[1] unbekannt. Dabei wird oft vergessen, dass eine gleichberechtigte Förderung im deutschen Schulsystem sowohl die Förderung von schwachen als auch die von leistungsstarken Schülern beinhaltet.

„Es hat sich herumgesprochen, dass es in (fast) jeder Klasse Kinder mit

mathematischer Begabung gibt.“

Zitat nach Bardy und Hrzan (2007), Buchrückendeckel.

Bardy und Hrzan verleihen dem Bereich der Förderung von hochbegabten Schülern durch diese Aussage deutlichen Nachdruck. Jeder Lehrer muss sich somit darauf einstellen, dass er - mit einer hohen Wahrscheinlichkeit – ein Kind mit einer Hochbegabung in seiner Klasse vorfindet. Ist man sich dessen bewusst dann ist es für eine Schule unabdingbar, dass Förderungsschwerpunkte ausgearbeitet und bereitgestellt werden müssen. Schulen müssen Angebote schaffen, genauso wie sie es heutzutage für die lernschwachen Schüler fast schon mit einer Selbstverständlichkeit tun. Der Schwerpunkt dieser Arbeit befasst sich genau mit diesem Bereich: Der Förderung von hochbegabten Schülern in der Grundschule.

Im ersten Kapitel erfolgt eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Bereich der Hochbegabung. Es werden vorerst Ausführungen zum Bereich der allgemeinen Hochbegabung angeführt und erläutert. Dies gilt als Grundlage, um im weiteren Verlauf eine Spezialisierung auf den Bereich der mathematischen Hochbegabung vornehmen zu können. Hierbei gilt es vor allem Kennzeichen und Charakteristika mathematischer Hochbegabung in der Grundschule herauszuarbeiten. Zudem werden Diagnoseverfahren vorgestellt, da es nicht immer einfach ist hochbegabte Kinder als solche zu identifizieren. Dies unterstreicht auch ein weiterer Gliederungspunkt, der sich mit dem Besonderheiten und Probleme von mathematisch hochbegabten Kindern beschäftigt.

Innerhalb des zweiten Kapitels findet eine praktische Auseinandersetzung mit dem Themenbereich statt. Sollte ein Kind, wie es im ersten Teil dieser Arbeit dargestellt wurde, durch verschiedene Diagnoseverfahren als hochbegabt identifiziert worden sein, dann gilt es eine gezielte Förderung zu ermöglichen. Vorerst werden fachdidaktisch anerkannte Förderungsaspekte in Grundschulen aufgeführt, die eine konkrete Förderung ermöglichen. Unterstützt werden diese Ausführungen durch die konkreten Förderschwerpunkte von Bardy und Hrzan, die durch gezielt ausgewählte Aufgabenbeispiele dargestellt werden. Die Förderung von mathematisch hochbegabten Grundschülern kann jedoch nicht nur in der Schule stattfinden, sondern auch in oder durch außerschulische Förderangebote. Innerhalb dieses Unterpunktes werden institutionelle außerschulische Förderungsangebote, eine Art der projekthaften Förderung und die Förderung durch Eigeninitiative vorgestellt. Im letzten Teil der Arbeit werde ich anhand eines eigens durchgeführten Fallbeispiels die theoretischen Erkenntnisse durch Beobachtungen und der Arbeit mit einem hochbegabten Kind anwenden und herausgestellte Thesen überprüfen oder wiederlegen.

2 Theoretische Auseinandersetzung zum Thema „Hochbegabung“

Bei dem Versuch einer theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik werden gleich zu Beginn die Vielzahl an Literatur, verschiedene Definitionsansätze, abweichende Begriffsabgrenzungen und die Vielfalt an komplexen Modellen deutlich.

Im Folgenden werden zunächst sowohl Definitionen als auch Begrifflichkeiten dargestellt, die für den weiteren Verlauf als Basis gelten und somit den Grundstein dieser Arbeit bilden. Danach werden Konzepte und Modelle der modernen Hochbegabtenforschung aufgeführt und erläutert.

2.1 Eine begriffliche Analyse

Zunächst ist eine eindeutige und für diese wissenschaftliche Arbeit allgemeingültige begriffliche Bestimmung der Unterscheidung von begabt, hochbegabt oder auch höchstbegabt vorzunehmen. In der Fachliteratur werden diese Begriffe teilweise synonym und teilweise mit Bedeutungsdifferenzierungen gebraucht. In meiner Arbeit werde ich von der Begrifflichkeit Hochbegabung Gebrauch machen.[2]

Die Problematik der Undeutlichkeit innerhalb der Hochbegabungsdefinition unterstreichen Feger und Prado[3], indem sie mehr als hundert Definitionsansätze gesammelt und aufgeführt haben. Sowohl quantitativ, als auch qualitativ ist somit eine enorme Auswahl anzutreffen, die jedoch auch gleichzeitig dazu führt, dass „[…] eine allgemein anerkannte und wissenschaftlich präzise Definition (bisher) nicht existiert.“[4]

Hochbegabte Menschen werden außerhalb der Fachliteratur meist als Personen dargestellt, die in bestimmten Bereichen besondere (geistige) Fähigkeiten oder Leistungen erbringen und dadurch in der Gesellschaft auffallen.[5]

Im Folgenden wird eine Begriffsabgrenzung innerhalb der Fachliteratur von Prof. Dr. Franz Mönks (1996) vorgestellt, der diesen Definitionsansatz in seinen Ausführungen konkretisiert und erweitert. „Wir betrachten eine hohe geistige Begabung als Befähigung (Anlagepotenz) zu besonderen oder außerordentlichen Leistungen, die jedoch nur dann erbracht werden, wenn auch die Motivation dazu da ist und vor allem, wenn die Umweltbedingungen stimmen.“[6] Ein neuer Impuls setzt Mönks mit diesem Ansatz insofern, dass die Ursachen von Hochbegabung in die Begriffsdefinition eingeschlossen werden. Innerhalb der Fachliteratur lassen sich oft Extrempositionen nachlesen, in denen die Hochbegabung alleine auf die Anlage- oder Umweltfaktoren zurückzuführen ist. Diese Extrempositionen lassen sich nicht schlüssig begründen und für den weiteren Verlauf wird ein Zusammenspiel zwischen Anlage und Umwelt als Ursache von Hochbegabung angesehen. Dieser mehrdimensionale Begabungsansatz ist der Grundstein für verschiedene Begabungsmodelle, auf die im nächsten Unterkapitel ausführlich eingegangen wird.

Im nächsten Schritt gilt es zu untersuchen, an welchen Merkmalen Hochbegabung deutlich wird und wie man diese erkennen kann. Käpnick (1998) formulierte die sogenannten Grundfaktoren der Intelligenz, die sich wie folgt beschreiben lassen:

- Schnelles Erfassen von Sachverhalten,
- Fähigkeiten im Klassifizieren, im Abstrahieren, im Strukturieren und im logischen Schließen,
- Sprachverständnis,
- Gedächtnisfähigkeit
- Räumliches Vorstellungsvermögen und
- Formale Rechenfähigkeiten.[7]

Als hochbegabt gilt der, der diese Faktoren erfüllt. Messbar wird der Begriff der Intelligenz hingegen durch ein Testverfahren, welches den Intelligenzgrad einstuft und deutet. Mönks ergänzt in diesem Zusammenhang, dass „diese hohe geistige Befähigung (wird) oft mit einem Intelligenzquotienten (IQ) angedeutet wird. Als grober Richtwert wird vielfach ein IQ von 130 […] als untere Grenze angegeben.“[8]

Abbildung 1: Normalverteilung der Intelligenzquotienten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Betrachtet man den Bereich ab einem Wert von 130 und höher wird die abfallende Kurve deutlich. Als hochbegabt lassen sich daher 2,1% der Bevölkerung definieren. Die Gesamtzahl der deutschen Schüler bezieht sich laut dem Statistischem Bundesamtes[9] auf 8.796.894 Schüler. So sind rein statistisch gesehen 184.734,774 deutsche Schüler hochbegabt. Umgerechnet auf die Schülerzahl der Grundschulen in Deutschland (2.877.061 Grundschüler) ergibt dies einen Wert von 60.418,281 hochbegabten Schülern.[10] Für den Unterricht sind diese Zahlen insofern von Bedeutung, dass das Erkennen dieser Schüler und die anschließende Förderung bestand des Unterrichtsalltags an deutschen Schulen sein muss. Konkretisierende Ausführungen zur Förderung folgen im Verlauf dieser Arbeit.

Eine reine Konzentration auf den Aspekt der Intelligenztests ist speziell für den Unterricht in der Grundschule nicht ausreichend, da die Dimension der Entwicklung von Hochbegabung, beispielsweise durch Umwelteinflüsse, ausgeklammert wird. Beachtung finden die verschiedenen Dimensionen der Hochbegabung durch Begabungsmodelle verschiedener Fachdidaktiker und Theoretiker, die an dieser Stelle zusammengefasst und verglichen werden.

2.2 Die Vorstellung von Konzepten und Modellen

Im Folgenden werden drei verschiedene Begabungsmodelle vorgestellt, die inhaltlich teilweise aufeinander aufbauen und daher auch den Aspekt der Weiterentwicklung und Aktualität von Begabungsmodellen wiederspiegeln.

2.2.1. Das Drei-Ringe-Modell nach Renzulli

In den 70er Jahren entwickelte der Begabtenforscher Joseph S. Renzulli ein Modell, welches über den damaligen Definitionsansatz hinausging und sich den aktuellen Ergebnissen der psychologischen Hochbegabtenforschung anglich. Bis dato galt eine Person als hochbegabt, solange sie über eine überdurchschnittliche Intelligenz verfügte. Die Erkenntnis, dass Hochbegabung als mehreren Faktoren zusammengesetzt sein muss und eine überdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeit nicht ausreichend sein kann, war zu diesem Zeitpunkt eine Neuerung.[11]

Abbildung 2 : Drei-Ringe-Modell nach Renzulli (1986)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Modell besticht durch seine Einfachheit in der Darstellung: Drei ineinandergreifende Ringe beschreiben die Kernpunkte des Begabtenmodells nach Renzulli – Die Schnittmenge in der Mitte stellt folglich den Bereich der Hochbegabung dar. Die drei Komponenten stehen in einer Interdependenz zueinander, daher wird die Notwenigkeit eines Zusammenspiels von überdurchschnittlicher Begabung, Aufgabenmotivation und Kreativität deutlich.[12]

Unter überdurchschnittlichen Begabungen versteht Renzulli allgemeine kognitive Fähigkeiten, wie…

- Ein hohes Niveau im abstrakten Denken und Schlussfolgern, im räumlichen Vorstellungsvermögen, im Erinnern und in sprachlicher Gewandtheit,
- Gute situative Anpassungsfähigkeit,
- Schnelle Informationsverarbeitung und schneller Informationsgriff.[13]

Aufgabenmotivation wird als „[…] spezielle Form der Leistungsmotivation […]“[14] definiert und beinhaltet Charaktereigenschaften, wie Beharrlichkeit, Ausdauer, Entschlossenheit, Begeisterungsfähigkeit und Offenheit für Selbst- und Fremdkritik.[15]

Als „[…] eine spezielle Form des Lösungsverhaltens[…]“[16] wird die Kreativität und somit der letzte Kreis beschrieben. Renzulli fügt Eigenschaften wie Flüssigkeit, Flexibilität, Originalität im Denken, Offenheit für neue Erfahrungen, Handeln und Schaffen und die Bereitschaft, im Denken und Handeln Risiken einzugehen.[17]

Hochbegabung ist, durch Renzulli definiert, folglich dann vorhanden, wenn diese drei Komponenten zutreffen und erfolgreich miteinander interagieren. Dieses Begabungsmodell galt lange Zeit als richtungsweisend in der Hochbegabtenforschung. Kritisch wurde es erstmals innerhalb der 90er Jahre betrachtet. Feger und Prado (1998) sahen beispielsweise eine Problematik in der Gleichsetzung von Leistung und Begabung. Durch diese Hochbegabtendefinition nach Renzulli werden Kinder, die eine geringe oder keine Leistung zeigen, nicht erkannt oder als hochbegabt bezeichnet.[18]

Aufgrund dieser Schwächen des Modells wurde es im Laufe der Zeit von verschiedenen Wissenschaftlern weiterentwickelt und modifiziert. Im folgenden Unterpunkt wird die Weiterentwicklung zum triadischen Interdependenzmodell von Mönks vorgestellt.

2.2.2. Das triadische Interdependenzmodell nach Mönks

Anfang der 90er Jahre entwickelte der Psychologe Franz J. Mönks das triadische Interdependenzmodell, auch Mehrfaktorenmodell genannt, aus den Grundlagen des Modells nach Renzulli. [19]

Abbildung 3 : Triadisches Interdependenzmodell nach Mönks (1992)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mönks ergänzte die drei inneren Fähigkeitsbereiche (Hohe intellektuelle Fähigkeiten, Motivation, Kreativität) durch die drei äußeren Sozialbereiche (Familie, Freunde und Schule).[20] Hochbegabt ist einer Person nach dem Modell von Mönks dann, wenn alle sechs Bereiche vorhanden sind und sowohl die drei äußeren Einflussgrößen als auch die drei inneren Fähigkeitsbereiche günstig ineinander greifen. Die jeweils drei Faktoren hängen zudem unabdingbar zusammen und eine Interdependenz ist unabdinglich. Dies soll der Begriff der Triade verdeutlichen, welchen Mönks innerhalb der Bedeutungserklärung seines Modells verwendet.[21]

Hochbegabung kann folglich als ein „[…] Resultat eines dynamischen und harmonischen Interaktionsprozesses zwischen den anlagebedingten Merkmalen (Triade von intellektuellen Fähigkeiten, Kreativität und Motivation) einer Person und den ihre Entwicklung beeinflussenden sozialen Bereichen (Triade von Familie, Schule und Freunden) beschrieben werden […]“.[22] Erweitert innerhalb dieses Mehrfaktorenmodells wurde zudem die Komponente, dass die Vermittlung zwischen beiden Triaden von der sozialen Kompetenz der Person abhängig ist.[23]

2.2.3. Das Münchner Hochbegabungsmodell nach Heller

Das Münchener Hochbegabungsmodell wurde von dem Begabtenforscher Kurt A. Heller (2000) entwickelt und gilt als eines der neueren Modelle der Hochbegabung. Das mehrdimensionale Modell basiert auf zwei anderen Begabungsmodellen, bildet aber eine sehr genaue Zusammentragung dieser beiden Modelle, die daher innerhalb dieser Arbeit keine separate Aufführung finden.

Abbildung 4: Das Münchner Hochbegabtenmodell nach Heller (2001)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein Teil dieses Modells schließt die Theorie der Multiplen Intelligenzen von Gardner (1991) ein, welches Intelligenz in sieben verschiedene Arten untergliedert: sprachliche, logisch-mathematische, musikalische, räumliche, körperlich-kinästhetische, inter- und intrapersonelle und naturalistische Intelligenz.[24] Die Umsetzung fand innerhalb des Münchener Hochbegabtenmodells durch die Begabungsfaktoren statt: Als Intellektuelle Fähigkeit, kreative Fähigkeit, soziale Fähigkeit, Musikalität, Psychomotorik, künstlerische Fähigkeit und praktische Fähigkeit formulierte Heller die sieben Intelligenzen um und passte sie somit seinem Modell an.[25] Der andere Teil des Modells nähert sich an das Differenzierte Begabungs- und Talentmodell nach Gagné (2000) an, indem die Kernpunkte Persönlichkeitsmerkmale, Begabungsfaktoren und Umweltmerkmale übernommen wurden.[26]

Hochbegabt ist eine Person nach diesem Modell von Heller dann, wenn Persönlichkeitsmerkmale - wie Stressbewältigung oder Leistungsmotivation - mit den eben aufgeführten Begabungsfaktoren und Umweltmerkmalen - wie familiäre Lernumwelt oder Klassenklima - zusammenspielen und sich gegenseitig begünstigend beeinflussen. Diese drei Faktoren wirken zudem auf einen Vierten, den der Leistungsbereiche. Darunter versteht Heller die Höchstleistungen in einem oder mehreren Bereichen. Hochbegabung kann folglich in beispielsweise Naturwissenschaft, Technik, Sprachen, Sport oder auch Mathematik erbracht werden.[27]

Im folgenden Verlauf dieser Arbeit wird sich die Betrachtung der Hochbegabung alleine auf den Bereich der Mathematik beschränken.

2.3 Zur mathematischen Hochbegabung

Wie im bisherigen Verlauf dieser Arbeit bereits angemerkt differenziert der psychologische Ansatz der multiplen Intelligenz von Gardner (1991) die Begabungsbereiche in sieben Unterkategorien. Innerhalb dieses Kapitels steht die logisch-mathematische Intelligenz im Vordergrund und wird durch die Darstellung von Merkmalen und Charakteristika besonderer mathematischer Begabung definiert. Im Anschluss wird separat das Identifizierungssystem von Käpnick (1998) vorgestellt. Dieser entwickelte Indikatoraufgaben, um hochbegabte Kinder im Mathematikunterricht erkennen zu können.

Bevor man sich mit dem Begriff der mathematischen Hochbegabung detailliert auseinandersetzten kann gilt es zwei Kernfragen aufzuführen, die von verschiedensten Fachdidaktikern aufgeführt und beantwortet wurden[28]:

1. „Ist mathematische Begabung Ausdruck einer spezifischen kognitiven Charakteristik, oder ist sie – zumindest in einem beträchtlichen Ausmaß – das Resultat hoher allgemeiner Intelligenz?“[29]
2. „Ist mathematische Begabung ein einheitliches Konstrukt, oder gibt es viele verschiedene Profile außergewöhnlicher mathematischer Fähigkeiten?“[30]

Die Meinungen über diese Frage des Ursprungs von mathematischer Hochbegabung gehen auseinander und es existieren viele verschiedene Antworten und Theorien. Viele Theoretiker sind sich jedoch einig darin, dass die mathematische Hochbegabung spezifisch ist, verknüpfen dieses jedoch mit der allgemeinen Intelligenz.[31] An diese Sichtweise möchte ich mich im folgenden Verlauf anschließen, indem grundlegende Merkmale und Charakteristika vorgestellt werden, durch deren Ausprägung sich mathematisch hochbegabte Kinder auszeichnen.

2.3.1. Merkmale und Charakteristika besonderer mathematischer Begabung

Die Herausstellung von Merkmalen und Charakteristika mathematischer Hochbegabung ist von Bedeutung, da es sich um ein Diagnoseverfahren handelt. Innerhalb der folgenden Unterkapitel werden Merkmalkataloge verschiedener Theoretiker vorgestellt, die Kernpunkte einer besonderen mathematischen Hochbegabung aufzählen und somit zu einem Erkennen der Hochbegabung bei Kindern führen. Dieser Schritt bildet die Grundlage zur Förderung von hochbegabten Schülern im Mathematikunterricht, da es im ersten Schritt wichtig ist die Hochbegabung als solche zu diagnostizieren, um dann im nächsten Schritt erfolgreich damit arbeiten zu können.

Krutetskii (1976) führte eine sehr umfangreiche und ausgiebige Untersuchung hinsichtlich der Begabungsdiagnostik durch, wonach sich folgende Fähigkeiten als Merkmale hochbegabter Kinder im Mathematikunterricht herauskristallisierten:

1. Formalisierte Wahrnehmung mathematischer Strukturen, d.h. die Fähigkeit, von Inhalten zu abstrahieren und nur die formale Struktur eines gegebenen mathematischen Problems zu erfassen;
2. Verallgemeinerung mathematischer Problemstellungen, d.h. ein korrektes Problem wird als Spezialfall eines allgemeinen Problems erkannt;
3. Verkürzung eines Gedankenganges und das Denken in übergeordneten Strukturen;
4. Flexibilität bei geistigen Prozessen, die ein leichtes und schnelles Umschalten von einer Denkoperation zu einer anderen gestattet;
5. Reversibilität (Umkehrbarkeit) geistiger Prozesse (insbesondere bei mathematischen Beweisen);
6. Streben nach Klarheit, Einfachheit und auch Eleganz einer Lösung;
7. Schnelles und dauerhaftes Erinnern mathematischen Wissens;
8. Kaum auftretende Ermüdungserscheinungen bei der Beschäftigung mit mathematischen Fragestellungen.[32]

Diese allgemeine Fähigkeiten erweiterte Krutetzkii (1976) um weitere vier Komponenten: Räumliches Vorstellungsvermögen, Fähigkeit zu anschaulichem Vorstellen abstrakter mathematischer Beziehungen und Abhängigkeiten, Geschwindigkeit der Denkprozesse und Rechenfertigkeit[33]. Diese Charakteristika sieht er als durchaus begünstigende Eigenschaften der mathematischen Leistungsfähigkeit an, jedoch sind diese nicht unbedingt notwendig und daher nur von untergeordneter Rolle gegenüber den Eigenschaften des ausführlichen Klassifikationsschemas, welches zuvor beschrieben wurde.[34]

Darüber hinaus stellte Radatz (1995) weitere Eigenschaften der mathematisch Hochbegabten heraus. Parallelen zu den Ausführungen von Krutztkii sind in den beschriebenen Fähigkeiten - wie Lernbedürfnisse, Neugier, gut entwickeltes Gedächtnis, Abstraktionsfähigkeit, Ausdauer beim Problemlösen, erhöhtes Arbeitstempo oder logisches Denkvermögen[35] -nachzuweisen. Die beiden Ansätze unterscheiden sich jedoch insofern, dass Radatz diese Merkmale als klassische Kriterien ansieht, als eine Art Grundlage der mathematischen Hochbegabung. Er beschreibt die Anwendung heuristischer Strategien, also die Überwindung von zählendem Rechnen, die flexiblen und konkreten Vorstellungen zu bekannten mathematischen Begriffen und Operationen, deren Nutzung in Problemsituationen und die Fähigkeit zwischen Repräsentationsebenen flexibel umzuschalten und zu übersetzen als Kriterien zur Leistungsmessung von hochbegabten Grundschulkindern im Bereich Mathematik.[36]

Zuletzt findet eine Vorstellung des Merkmalkatalogs von Käpnick statt, die am konkretesten die anfänglich beschriebenen Annahmen unterstützt, dass mathematische Begabung spezifisch ist, jedoch wird gleichzeitig auch der Zusammenhang zur allgemeinen Intelligenz hergestellt und daher nicht unbeachtet gelassen. Fähigkeiten - wie Neugier, abstrakte und problemlösende Vorgehensweisen, Leistungsmotivation, Lernbedürfnisse oder logisches Denkvermögen - finden sich in allen Merkmalkatalogen wieder. Käpnick differenziert diese Eigenschaften jedoch, indem er sie nicht in die Merkmale einer mathematischen Begabung eingliedert, sondern in den Zusammenhang zur Gesamtpersönlichkeit des Individuums setzt.[37] Auf diesen Grundannahmen aufbauend setzte Käpnick über mehrere Jahre verschiedene Fallstudien an und entwickelte anhand dieser Resultate spezifische Merkmale, die auf mathematische Hochbegabung hinweisen.

[...]


[1] Im weiteren Verlauf verzichte ich auf eine begriffliche Differenzierung zwischen ‚Schülerinnen und Schüler‘, um den Lesefluss nicht zu behindern. ‚Schüler‘ steht somit für beide Geschlechter. Dies gilt ebenfalls für den Begriff des ‚Lehrers‘ und ‚Studenten‘.

[2] Durch die begriffliche Beschränkung auf den Ausdruck hochbegabt grenze ich mich jedoch nicht von

anderen Möglichkeiten ab, sondern verzichte, im Rahmen dieser Arbeit, auf die spezielle Differenzierung

dieser drei Begriffe.

[3] Feger; Prado (1998): Hochbegabung. Die normalste Sache der Welt, S. 29ff.

[4] Peter-Kopp; Fischer; Begic´(2005): Finden und Fördern mathematisch besonders begabter

Grundschulkinder, S. 7.

[5] Vgl. Heller (1996): Begabtenförderung – (k)ein Thema in der Grundschule?, S. 12f; Vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur (2009): Hochbegabte Kinder, S. 4; Vgl. Wahrig; Krämer; Zimmermann (1980): Brockhaus Wahrig. Deutsches Wörterbuch, S. 559f.

[6] Jost (2008): Hochbegabte erkennen und begleiten, S. 14.

[7] Peter-Koop; Fischer; Begic´(2005): Finden und Fördern mathematisch besonders begabter Grundschulkinder, S. 8.

[8] Ebd., S.14.

[9] Veröffentlichung: März 2012.

[10] Statistisches Bundesamt (2012): Schulen auf einen Blick, S. 9.

[11] Vgl. Ahlbrecht (2006): Hochleistungsfähige Kinder in der Grundschule, S. 16f.

[12] Vgl, Renzulli, Reis, Stedtnitz (2001): Das Schulische Enrichment Modell SEM, S.20ff.

[13] Bardy (2009): Mathematisch begabte Grundschulkinder, S.18.

[14] Peter-Koop, Sorger (2002): Mathematisch besonders begabte Grundschuldkinder als schulische Herausforderung, S. 10.

[15] Vgl. ebd., S.10.

[16] Bardy (2009): Mathematisch begabte Grundschulkinder, S.18.

[17] Vgl. Peter-Koop, Sorger (2002): Mathematisch besonders begabte Grundschulkinder als schulische Herausforderung, S.10.

[18] Vgl. ebd., S. 10f.

[19] Vgl. Bardy (2009): Mathematisch begabte Grundschulkinder, S. 18.

[20] Mönks (1992): Ein interaktionales Modell der Hochbegabung, S. 18f.

[21] Vgl. ebd., S.18f.

[22] Peter-Koop, Sorger (2002): Mathematisch besonders begabte Grundschulkinder als schulische Herausforderung, S. 12.

[23] Vgl. Mönks (1992): Ein interaktionales Modell der Hochbegabung, S. 20.

[24] Vgl. Anderski (2003): Begabte Kinder hoch begaben, S. 27f.

[25] Vgl. Bardy (2009): Mathematisch begabte Grundschulkinder, S.23.

[26] Vgl. Peter-Koop; Sorger (2002): Mathematisch besonders begabte Grundschulkinder als schulische Herausforderung, S. 12f.

[27] Vgl. Bardy (2009): Mathematisch begabte Grundschulkinder, S.22f.

[28] Vgl. Peter-Koop; Fischer; Begic´(2005): Finden und Fördern mathematisch besonders begabter Grundschulkinder, S. 14. Vgl. Bardy (2007): Mathematisch begabte Grundschulkinder, S. 39.

[29] Bardy (2007): Mathematisch begabte Grundschulkinder, S. 39.

[30] Ebd., S. 39.

[31] Vgl. Bardy (2007): Mathematisch begabte Grundschulkinder, S. 39f. Vgl. Bardy, P., & Hrzán, J. (2010): Aufgaben für kleine Mathematiker, S. 4. Vgl. Peter-Koop; Fischer; Begic´(2005): Finden und Fördern mathematisch besonders begabter Grundschulkinder, S. 14f.

[32] Bardy (2007): Mathematisch begabte Grundschulkinder, S. 49.

[33] Vgl. Käpnick (1998): Mathematisch begabte Kinder, S.79f.

[34] Vgl. ebd, S. 79.

[35] Vgl. ebd, S. 49.

[36] Vgl. Bardy; Hrzan (2002): Zur Förderung begabter Dritt- und Viertklässler in Mathematik, S. 10f.

[37] Vgl. Bardy (2007): Mathematisch begabte Grundschulkinder, S. 51.

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Förderung von mathematisch hochbegabten Schülern in der Grundschule
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Grundschulpädagogik)
Note
1,0
Jahr
2013
Seiten
67
Katalognummer
V309904
ISBN (eBook)
9783668123014
ISBN (Buch)
9783668123021
Dateigröße
1720 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
förderung, schüler, grundschule, begabung
Arbeit zitieren
Anonym, 2013, Förderung von mathematisch hochbegabten Schülern in der Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309904

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