Migration und Frauenhandel. Herkunftsländer und der Weg nach Deutschland


Akademische Arbeit, 2004

42 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hintergründe von Migration und Frauenhandel
2.1 Frauen und Migration
2.2 Migration und Frauenhandel
2.3 Auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen für den heutigen Frauenhandel in Europa
2.3.1 Wohlstandsgefälle
2.3.2 Nachfrage
2.3.3 Feminisierung der Migration
2.3.4 Geringes Risiko
2.3.5 Korruption
2.4 Individuelle Entscheidung zur Migration
2.5 Portrait der betroffenen Frauen

3. Herkunftsländer im zeitlichen Wandel

4. Die Situation der Frauen in den Herkunftsländern am Beispiel
4.1 Thailand
4.2 Dominikanische Republik
4.3 Osteuropa

5. Schleusungswege und -methoden
5.1 Anwerbemethoden
5.1.1 Anwerbung durch Arbeitsversprechen
5.1.2 Anwerben über die Vortäuschung einer Liebesbeziehung
5.1.3 Sonstige Anwerbemethoden
5.2 Kontaktaufnahme und Ablauf
5.3 Transport und Einreise
5.4 Fluchtverhinderung
5.5 Sexuelle Ausbeutung

6. Organisationsformen des Frauenhandels
6.1 Private Zuhälterei / Gelegenheitshändler
6.2 Organisierter Frauenhandel

7. Abschließende Betrachtung / Fazit

8. Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

1. Einleitung

Migration und Zuwanderung nach Deutschland sind Thematiken, die in den Medien, auf politischer Ebene und in der Fachliteratur seit Jahrzehnten stark kontrovers diskutiert werden.

Seit der Anwerbung von Gastarbeitern in den 1950er Jahren und dem damit zusammenhängenden Zuzug von Familienangehörigen ist die Zahl der Ausländer bis in die 1990er Jahre stark angestiegen.

Als politische Konsequenz wurden in der Folge die Ausländergesetze und Einwanderungsbe­stimmungen immer restriktiver. Daraus resultierte eine verstärkte illegale Einwanderung.

Einen Teilbereich dieser irregulären Migration stellt der Frauenhandel dar, bei dem Frauen aus wirtschaftlich benachteiligten Ländern mit Hilfe von Schleppern nach Deutschland migrieren.

Dieser Problematik wird gerade in den letzten Jahren auf internationaler Ebene vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt, vor allem angesichts der Tatsache, dass der Zustrom von betroffenen Frauen kontinuierlich zunimmt.

Aufgrund der Aktualität und Brisanz der Thematik schreibe ich meine Diplomarbeit über von Menschenhandel betroffene Frauen als Klientinnen sozialer Arbeit.

Meiner Arbeit liegen folgende Fragestellungen zugrunde:

1. Wie stellt sich das Phänomen Frauenhandel insgesamt dar? Warum entsteht Frauenhandel?
2. Welche Frauen sind betroffen und in welchem Umfang und in welcher Form läuft er ab?

Im Verlauf dieser Arbeit befasse ich mich mit den Hintergründen von Migration, hierbei betrachte ich insbesondere die auslösenden Bedingungen von Frauenhandel. Anschließend zeige ich im 3. Kapitel die Herkunftsländer auf und betrachte im 4. Kapitel die Situation der Frauen an den Beispielen Thailand, Dominikanische Republik und Osteuropa genauer, um zu verdeutlichen, wie sich diese Lebensbedingungen auf Frauenhandel auswirken. Im 5. Kapitel zeige ich auf, in welcher Form Frauenhandel abläuft. Abschließend nehme ich eine Schlussbetrachtung vor.

Ziel der Arbeit ist es, anhand der aufgestellten Fragestellung, einen Gesamtüberblick über das Phänomen Frauenhandel zu vermitteln. Ich möchte herauskristallisieren, wo die Ursachen von Frauenhandel liegen und daraus Ansatzpunkte für Gegenstrategien herleiten. Dabei möchte ich auch darlegen, wo ich die Aufgabenbereiche der sozialen Arbeit mit dem Klientel der Menschenhandelsopfer sehe.

2. Hintergründe von Migration und Frauenhandel

In diesen Abschnitt betrachte ich die Migration von Frauen und den Zusammenhang von Migration und Frauenhandel und welche Faktoren Frauenhandel bedingen und auslösen. Ich vollziehe hierbei auch den Unterschied zwischen Frauen, die Opfer von Frauenhandel geworden sind, und Frauen die sich weitgehend selbstbestimmt für die Migration entschieden haben.

Migration wird definiert als “der auf Dauer angelegte bzw. dauerhaft werdende `freiwillige´ Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. in eine andere Region von einzelnen oder mehreren Menschen“1. Es wird weiter differenziert zwischen Binnenmigration und grenzüberschreitender/ internationaler Migration, zwischen temporärer und permanenter Migration, zwischen freiwilliger und Zwangsmigration und zwischen Einzel- und Gruppenmigration. Unter Zwangsmigration werden “all jene Migrationsbewegungen gefasst, denen ein eingeschränkter Handlungsspielraum, d.h. mangelnde Freiwilligkeit in Bezug auf zu realisierende Alternativen zur Zwangssituation zugrunde liegen“2. Zu dieser letzten Gruppe gehören die von Frauenhandel betroffenen Frauen.

2.1 Frauen und Migration

„Die Migration der Frauen war bis zum Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts kaum ein Forschungsthema der Migrationssoziologie“3. Sie erfährt erst zu Beginn der 80er Jahre zunehmende fachliche Aufmerksamkeit und blickt damit auf eine knapp 25jährige Forschungsgeschichte zurück.

„Die empirischen Daten weisen darauf hin, dass die Migration der Frauen weltweit sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart durch eine komplizierte Mischung von Ursachen ausgelöst wird, die ihren Ursprung sowohl in den gesellschaftlichen herrschenden kulturellen Geschlechtsrollenvorstellungen als auch in den wirtschaftlichen Notsituationen der Herkunftsfamilien der Frauen haben4 “.

Die soziale und wirtschaftliche Situation der Migrantinnen wird in den Aufnahmeländer ebenfalls weitgehend durch das Geschlecht bestimmt. Ihre Beschäftigungsmöglichkeiten sind aufgrund der geschlechtlichen Segregation auf dem Arbeitsmarkt eindeutig auf wenige Bereiche der Wirtschaft begrenzt. Sie werden zum großen Teil in Bereichen des informellen Dienstleistungssektors eingesetzt, der keine besonderen Qualifikationen voraussetzt. Der damit verbundene Nachteil besteht in der wesentlich niedrigeren außertariflichen Entlohnung der Arbeit sowie einem weitgehend fehlenden Rechtsschutz. Dies sind entscheidende Gründe dafür, warum die Frauen so leicht und häufig im Aufnahmekontext sozial und wirtschaftlich diskriminiert, ausgebeutet und missbraucht werden können.5

Die Migration von Frauen findet entweder in abhängiger oder in unabhängiger Form statt. Die abhängige Migration von Frauen findet dann statt, wenn sie entweder als Ehefrauen oder als unmittelbare Familienangehörige ihren bereits im fremden Ort bzw. Ausland befindlichen Ehemännern bzw. Familien nachfolgen. Diese Form der Migration wird von fast allen Aufnahmeländern im Rahmen der gesetzlich geregelten Familienzusammenführung erlaubt. Hier stellt die Migration für die nachfolgenden Familienangehörigen keinen Selbstzweck dar, sie wird daher als sekundäre Migration bezeichnet. Dagegen ist mit der unabhängigen bzw. primären Migration, die selbständige und unabhängig von ihrer Familie migrierende Frau gemeint, die primär ihre individuellen Ziele verfolgt. In der Vergangenheit hat die Frauenmigration hauptsächlich in abhängiger Form stattgefunden, sie war die dominantere und traditionellere Migrationsform.6

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es aufgrund von grundlegenden Veränderungen der Weltwirtschaft zu einer quantitativen Steigerung der weltweiten Nachfrage nach Frauenarbeitskräften, dies führte zu einer kontinuierlichen Zunahme von unabhängigen Arbeitsmigration von Frauen.7 Frauen stellten begehrte Arbeitskräfte dar, weil sie flexibel einsetzbar und bereit waren, Teilzeitarbeit anzunehmen, die im Gegensatz zur Vollbeschäftigung keine volle soziale Absicherung gewährte.8 Die Expansion des Dienstleistungssektors in den Industrieländern war im Wesentlichen eine Expansion der Erwerbsbeteiligung der Frauen. Unmittelbare Folge dieser Entwicklung war die steigende Nachfrage nach billigen und geringqualifizierten Frauenarbeitskräften aus dem Ausland, für die Arbeiten im öffentlichen und privaten Dienstleistungsbereich. Diese Entwicklung führte zur Einführung des Begriffs der Feminisierung der Migration, worunter verstanden wird, dass „der Anteil der Frauen, die abhängig oder unabhängig die Migration antreten, insgesamt so kontinuierlich steigt, dass er sich dem Anteil der Männer allmählich angleicht bzw. diesen sogar übersteigt“9.

Der Frauenanteil an den Zuwanderern in der Bundesrepublik lag 1974 bei 38,7%. Dieser deutlich geringere Anteil steigt durch die Familienzusammenführung der in Deutschland verbliebenen Arbeitsmigranten ab 1976 bis 1999 kontinuierlich an und erreicht 1999 mit 45,3% seinen bisherigen Höchststand. Der Anteil der Frauen an den Ausländern in Deutschland hat sich in den letzten 25 Jahren mehr als verdoppelt. Er liegt zwar insgesamt fast 4,5% niedriger als der Männeranteil, es befindet sich aber eindeutig in einem stetigen Angleichungsprozess, der auch in allen europäischen Nachbarländern zu beobachten ist. Damit wird deutlich, dass fast die Hälfte der 7,4 Mio. Ausländern in Deutschland Frauen sind.10 Der Durchschnittswert des Frauenanteils an der Migration der Welt beträgt 48,1 %.11

2.2 Migration und Frauenhandel

„Menschenhandel entsteht mit spezifischen strukturellen Bedingungen, wie Globalisierungs- und Migrationstendenzen, internationalen sozioökonomischen Ungleichgewichten und der weltweiten Feminisierung von Armut. Denn in erster Linie sind Frauen aus wirtschaftlich unterprivilegierten Staaten von Menschenhandel betroffen“12. Grundsätzlich können Männer ebenso wie Frauen von Menschenhandel betroffen sein. Schließt man den Kinderhandel aus, so werden jedoch fast ausschließlich Frauen Opfer. „Frauen, die Opfer von Menschenhandel sind, sind Teil der großen Migrationsbewegungen, die sich nach dem internationalen ökonomischen Machtgefälle zwischen den reichen Industriestaaten und den sogenannten Entwicklungs- oder Schwellenländern abzeichnen. Wanderbewegungen vom Süden in den Norden, vom Osten in den Westen, von den wirtschaftlich unterprivilegierten Ländern in die Staaten des ökonomischen Reichtums und der sozialen Sicherheit nehmen stark zu“13.

Von Menschenhandel ist zu sprechen, wenn Personen unter Anwendung von Gewalt, Zwang oder Täuschungsmanövern ihres sexuellen Selbstbestimmungsrechtes beraubt werden. „Menschenhandel geht einher mit Machtmissbrauch und der Ausnutzung von Notlagen und Unerfahrenheit der Opfer“14. Anders als der Großteil der in den 1980er Jahren nach Deutschland gehandelten Frauen aus Ostasien, die unter falschen Versprechungen hierher gelockt und dann der Prostitution zugeführt wurden, wissen die Frauen aus den mittel- und osteuropäischen Staaten 15 heute häufig, dass sie in der Sexindustrie arbeiten werden.16

„Schmuggel/Menschenhandel werden neben dem Handel mit Drogen und Waffen sowie der Geldwäsche zur drittgrößten Profitquelle für die international agierenden kriminellen Syndikate gezählt, die insgesamt einen geschätzten Jahresumsatz von 6 Mrd. US-Dollar haben sollen17.

Die Forschungsberichte18 weisen darauf hin, dass der Handel mit Frauen zur sexuellen Ausbeutung seit den 1960er Jahren kontinuierlich zunimmt. Er entwickelte sich zuerst in einigen asiatischen Ländern und findet seine sukzessive Verbreitung in Europa, in den USA und in anderen Regionen der Welt. Bei näherer Betrachtung ist nicht zu übersehen, dass seine Verbreitung im engen Zusammenhang mit den unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der einzelnen Regionen steht.19 (Dazu näher in Kapitel 4.: Situation der Frauen in den Herkunftsländern)

2.3 Auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen für den heutigen Frauenhandel in Europa

Die Migrationsforscher unterscheiden zwischen Schub- und Sogfaktoren von Migration. “Schubfaktoren, sind Faktoren, die Menschen dazu bewegen oder dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen, Bedingungen am Heimatort, die als unerträglich erfahren oder als bedrohlich empfunden werden“20. Sogfaktoren dagegen entstehen in Zielländern, indem sie etwas anbieten, was auf Angehörige anderer Staaten anziehend wirkt.

Zu den Schubfaktoren gehören u.a. die wachsende strukturelle Ungleichheit im wirtschaftlichen Bereich zwischen Ländern der sog. „Dritten Welt“ 21, den Ländern der ehemals zentral gelenkten Planwirtschaft in Osteuropa und den Industrieländern in Nordeuropa. In den Herkunftsländern wirken als Schubfaktoren meist schlechte wirtschaftliche Bedingungen, so dass die Sicherung des täglichen Einkommens ungewiss ist. Moderne Nachrichtenübermittlung führt dazu, dass dieses Wohlstandsgefälle bekannt ist und die eigenen Lebensbedingungen bewusster werden. Daraus resultiert eine starke Perspektivlosigkeit im Heimatland. Von einer Auswanderung nach Westeuropa erhoffen sich die Menschen u.a. bessere berufliche Perspektiven. Ein weiteres Motiv, gerade bei Frauen, ist der Wunsch, Familienangehörigen im Heimatland Geld schicken zu können und sie so besser zu versorgen.

Zu den strukturellen Bedingungen der Migration gehören auch die Einwanderungs- und Ausländergesetze der jeweiligen Aufnahmeländer. Als Folge der Politik der Abschottung der „Festung Europa“ ist eine Abwanderung in die Illegalität festzustellen. Die Beschränkung der Möglichkeiten der legalen Einwanderung erhöht die irreguläre Zuwanderung nach Europa. Die Dunkelziffern sind naturgemäß hoch. In diesem Zusammenhang haben sich in Europa spezifische Migrationsformen entwickelt: die Heiratsmigration und die Arbeit von Migrantinnen ohne legalen Status im privaten Sektor für Billiglöhne und ohne jede soziale Absicherung sowie die Arbeit in der Sexindustrie. Hier erhalten die Frauen oft für ihre Arbeit kein Geld, sind Drohungen und Gewalt ausgesetzt und werden oft wie Gefangene gehalten. Diese Frauen stehen ganz am Ende der Skala der Migrantinnen.22

Im Laufe der Geschichte bis in die Gegenwart hat sich gezeigt, dass es keine bestimmte Ursache für Frauenhandel gibt, anhand der man erklären könnte, warum dieses Phänomen an den verschiedensten Orten der Welt immer wieder auftritt. Die Ursachen und die begünstigenden Bedingungen für den heutigen Frauenhandel sind vielfältig. Dabei spielen einerseits die Gründe, durch die Frauen veranlasst werden, sich auf das Risiko der Migration einzulassen, aber andererseits ebenso die Motive der Täter und Nutznießer von Frauenhandel eine Rolle.

Bei der Betrachtung von Gründen und begünstigenden Bedingungen von Frauenhandel ist unerlässlich, zwischen Zwangssituationen und Frauenhandel einerseits und denjenigen Frauen, die selbstbestimmt, erfolgreich und zufrieden ihr Leben in der Migration bestreiten, zu unterscheiden.23

2.3.1 Wohlstandsgefälle

Als Hauptursache für Menschen – und auch für Frauenhandel wird immer wieder die Armut in den Herkunftsländern genannt24. So ist es auch augenscheinlich, dass in erster Linie Frauen aus wirtschaftlich unterprivilegierten Staaten von Frauenhandel betroffen sind. Das wichtigste Migrationsmotiv derjenigen Frauen, die sich für ein neues Leben in Westeuropa entscheiden, ist die Verbesserung des materiellen Lebensstandards sowie die Unterstützung der zu Hause bleibenden Familienangehörigen. Die in den Herkunftsländern oft unbefriedigenden wirtschaftlichen Perspektiven der Frauen fördern die Hoffnung auf eine bessere Lebensperspektive und damit die Bereitschaft der Frauen, sich auf das Risiko der Migration einzulassen.25

2.3.2 Nachfrage

Frauenhandel könnte nicht existieren, wenn der Handel mit Frauen keinen Profit einbringen würde. In Westeuropa besteht eine große Nachfrage nach Ehefrauen, Haushaltshilfen und Sexarbeiterinnen aus den Ländern der sog. „Dritten Welt sowie aus den mittel- und osteuropäischen Ländern. Die Erklärungsversuche für die offensichtlich bestehende Nachfrage sind vielfältig. Die Frauen gelten insgesamt als genügsamer, exotischer oder zäher als Westeuropäerinnen. Je nachdem aus welchen Herkunftsgebieten sie kommen, differieren die Klischees. Als Grund wird gelegentlich auch eine umfassende Orientierungslosigkeit bei Männern angesichts der Frauenemanzipation der letzten Jahrzehnte in den industrialisierten Ländern Westeuropas und Nordamerikas genannt.26

Empirische Untersuchungen zum Freierverhalten haben ergeben, das in Deutschland 4,5 Millionen Freier, das sind ca. 18 % der geschlechtsaktiven Männer, mindestens einmal im Jahr, durchschnittlich 15,03 mal im Jahr, eine Prostituierte aufsuchen27. Dieser Bedarf kann nicht allein von inländischen Sexarbeiterinnen gedeckt werden. Dafür spricht auch die Beobachtung von Nichtregierungsorganisationen28, dass in den letzten Jahren zwar vermehrt Frauen aus Ost- und Zentraleuropa nach Deutschland gehandelt werden, diese aber die Frauen aus den asiatischen Ländern nicht vom Markt gedrängt haben, sondern das Angebot erweitern. Der relative Wohlstand in den industrialisierten Ländern führte dazu, dass diese steigende Nachfrage von den Konsumenten auch bezahlt werden kann.29

2.3.3 Feminisierung der Migration

Seit Anfang der 80er Jahre steigt weltweit der Frauenanteil unter den Migranten auf heute ca. 50% der migrierenden Bevölkerung. Früher begleiteten Frauen in erster Linie Männer als deren Familienangehörige, während sie heute weit öfter selbst die Migration als Lebensstrategie wählen und selbständig migrieren. Diese Entwicklung wird auch als „Feminisierung der Migration“ bezeichnet. (s. auch Kapitel 2.1)

Die Zunahme selbständig getroffener Migrationsentscheidungen von Frauen hat verschiedene Ursachen. Die Arbeitslosigkeit von Frauen ist in vielen Ländern sehr hoch, soziale Sicherungssysteme existieren selten, oder sind in den letzten Jahren, wie in Mittel- und Osteuropa, zusammengebrochen. In dieser Situation scheint die Aufnahme einer Arbeit in einem fremden Land oftmals die einzige Lösung der familiären Finanzprobleme zu sein, da sie regelmäßige Geldüberweisungen sichern kann. Aber auch die Flucht vor familiären Schwierigkeiten – wie Gewalt und Alkoholismus – kann Grund für eine selbständige Migrationsentscheidung sein. In vielen Ländern existiert zudem eine Art Traumvorstellung von Westeuropa, die Unabhängigkeit, Wohlstand, Sicherheit und Glück beinhaltet. Die meisten Frauen entscheiden sich für das Risiko der Migration, weil sie auf ein besseres Leben im Ausland hoffen. „Sieht man von den vernachlässigbar wenigen Entführungsfällen ab, entscheidet jede Einzelne zumindest zu irgendeinem Zeitpunkt, sich aufgrund ihres Migrationswunsches einem gewissen Risiko auszusetzen“30. In den Herkunftsländern ist das mit der Migration verbundene Risiko nur selten bekannt. Aufklärungs- und Präventionskampagnen von Nichtregierungsorganisationen oder staatlichen Stellen sind bisher nur vereinzelt durchgeführt worden. Von den Frauen, die im Zielland schlechte Erfahrungen gemacht haben, berichten die wenigsten zu Hause darüber. Auf diese Weise fließen nur wenige Informationen über die Risiken der Migration in das Herkunftsland, während falsche Vorstellungen über die Zielländer und die dortigen Chancen bestätigt werden.31

[...]


1 Treibel (1990) in Höfling-Semnar (1995): Flucht und deutsche Asylpolitik, S.19

2 Höfling-Semnar (1995), S.25

3 Han, Petrus (2003), S. 1

4 Han, Petrus (2003), S.22

5 Vgl. Han, Petrus (2003), S.24-25

6 Vgl. Han,Petrus (2003), S.26-27

7 Vgl. Han, Petrus (2003), S. 47-50

8 vgl. Han, Petrus (2003), S. 83

9 Daten aus der Tabelle des United Nations Secretariat, 1995 in Han, Petrus (2003), S.61

10 vgl. Statistisches Bundesamt: Statistische Jahrbücher für die Bundesrepublik Deutschland 1973-1999 in Han, Petrus (2003), S.67-68

11 vgl. Han, Petrus (2003), S. 72

12 Niesner/Anonuevo/Aparicio/Sonsiengchai-Fenzl (1997): “Ein Traum vom besseren Leben“, S.11

13 Niesner/Anonuevo/Aparicio/Sonsiengchai-Fenzl (1997), S.14

14 Solwodi (2003): Grenzüberschreitendes Verbrechen, S.37

15 Zu den Ländern Osteuropas gehören das westliche Russland bis zum Ural, die Ukraine und Weißrussland. Zu Mittel- und Zentraleuropa zählen, Polen, die Tschechische Republik, Slowenien und Ungarn. Südosteuropa umfasst Moldawien, Rumänien, Bulgarien, Albanien, Kroatien, Jugoslawien, Bosnien-Herzegowina und Makedonien. Zu Nordosteuropa zählen Litauen, Lettland und Estland (vgl. Topan (2000, S. 21) Im Folgenden fasse ich all die genannten Länder unter dem Begriff „mittel- und osteuropäische Länder zusammen.

16 Vgl. Mentz, Ulrike (2001), S. 54-55

17 Skeldon, Ronald (2000) in Han, Petrus (2003), S. 191

18 Han (2003) bezieht sich hier auf die Autoren Salt (2000) und Lazaridis (2001)

19 vgl. Han, Petrus (2003), S. 192.

20 Nuscheler, Franz (1995: Internationale Migration, S.32

21 Im Folgenden verstehe ich unter diesem Begriff die wenig industrialisierten Staaten Afrikas, Asiens und Süd- und Mittelamerikas mit einem Pro-Kopf-Einkommen unter 400$, die nach politischem und wissenschaftlichen Sprachgebrauch auch als Entwicklungsländer bezeichnet werden.

22 vgl. Solwodi (2003), S. 26-27

23 vgl. Mentz, Ulrike (2001), S. 73

24 So in Niesner u.a. (1997), S.11, Mentz (2001), S.73

25 vgl. Mentz, Ulrike (2001), S. 73-74

26 so in Lipka (1985, S. 15ff, Mentz (2001), S.74

27 siehe auch Kleiber/Velten (1994): Prostitutionskunden, S. 128

28 Dazu gehören vor allem Solwodi und agisra.

29 vgl. Mentz, Ulrike (2001), S. 74-76

30 Mentz, Ulrike (2001), S. 77

31 vgl. Mentz, Ulrike (2001), S. 76-78

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Migration und Frauenhandel. Herkunftsländer und der Weg nach Deutschland
Hochschule
Fachhochschule Braunschweig / Wolfenbüttel; Standort Wolfenbüttel
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
42
Katalognummer
V309553
ISBN (eBook)
9783668092082
ISBN (Buch)
9783668133358
Dateigröße
909 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frauenhandel, Migration, illegal Migration, Einwanderung, Zwangsprostitution, Frauen, Herkunftsland, Schleuser
Arbeit zitieren
Jessica Bangisa (Autor:in), 2004, Migration und Frauenhandel. Herkunftsländer und der Weg nach Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309553

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