Die Inszenierung der Zauberflöte 1937 und das Verhältnis Rudolf Hartmanns und Felicie Hüni-Mihacseks zum NS-Regime

War die Aufführung an der Bayerischen Staatsoper nationalistisch-ideologisch geprägt und wurde sie zu propagandistischen Zwecken verwendet?


Forschungsarbeit, 2015

70 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Präambel

2. Personalie I (Rudolf Hartmann)
2.1 BayHStA
2.1.1 Korrespondenzakten: Intendanz Bayer. Staatsoper Nr. 1734; Korrespondenz mit Künstlern oder über Künstler 1937 - 1944; Rudolf Hartmann (Oberspiel­leiter) 1937 - 1943
2.1.2 Personalakt: MK 60282 Hartmann, Rudolf, Operndirektor der Bayer. Staats­oper
2.1.3 Personalakt: MK 60282 Rudolf Hartmann - Dienstreisen
2.1.4 Personalakt: Bayerisches Staatstheater am Gärtnerplatz - Personalakten - Nr. 470; Rudolf Hartmann
2.2 StaBi: Literatur
2.3 Internetquellen

3. Produktion I (Die Zauberflöte)
3.1 BayHStA
3.1.1 Personalakt: MK Nr. 45158; Hüni-Mihacsek, Felicie
3.1.2 Sachakt: Intendanz BSO Nr. 1339
3.1.3 Personalakt: Intendanz Bayer. Staatsoper - Personalakten 289
3.2 Deutsches Theatermuseum
3.2.1 Fotosammlung Die Zauberflöte 1937 (Szenenfotos und Bühnenbilder)

4. Personalie II (Felicie Hüni-Mihacsek)
4.1 BayHStA
4.1.1 Personalakt: MK Nr. 45158: Hüni-Mihacsek, Felicie
4.2 StaBi: Literatur

5. Kontextualisierung
5.1 Zitat im Kontext
5.2 Bild im Kontext
5.3 StaBi: Literatur
5.4 Fachbibliothek KuWi: Literatur
5.5 Internetquellen

1. Präambel

Dieses Dossier konzentriert sich vor allem auf zwei Fragen: Ist die Inszenierung der Zauberflöte im Jahr 1937 an der Bayerischen Staatsoper nationalistisch-ideologisch geprägt und wurde zu propagandistischen Zwecken verwendet und wie war das Ver­hältnis Rudolf Hartmanns und Felicie Hüni-Mihacseks zum NS-Regime? Um Ant­worten darauf zu finden, wurde in dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv, der Bayeri­schen Staatsbibliothek, der Bibliothek für Kunstwissenschaften der LMU, dem Deut­schen Theatermuseum in München und im Internet recherchiert. Ausgewertet wur­den: Korrespondenzakten, Personalakten und Sachakten zu der Bayerischen Staats­oper und der Staatsoperette am Gärtnerplatz und Fotos aus dem Deutschen Theater­museum. Monographien und das Internet halfen bei der Beschaffung wichtiger In­formationen zu dem Leben Hartmanns, Hüni-Mihacseks, der Zauberflöte, geschicht­lichen Hintergrundinformationen und der Beantwortung weiterführender Fragen, die sich aus den Aktenrecherchen ergaben. Nicht konsultiert wurden das Staatsarchiv und das Stadtarchiv München, die Monacensia enthielt keine Quellen, die mir als verwertbar erschienen.

Rudolf Otto Hartmann wurde am 11. Oktober 1900 in Ingolstadt an der Do­nau geboren. Im Alter von zehn Jahren kam er nach München und besuchte dort nach dem Abitur die Kunstakademie und Universität. Im Herbst 1921 schlug er die Lauf­bahn zum Opernregisseur ein. 1924 wurde er leitender Oberspielleiter am Landesthe­ater Altenburg, 1928 ging er nach Nürnberg, um dort Oberspielleiter und Vertreter des Generalintendanten Dr. Maurach zu werden. 1931 inszenierte er Die Entführung aus dem Serail bei den Salzburger Festspielen unter Reinhardts Leitung. Am 30. Ap­ril 1933 trat er der NSDAP bei, was aber laut seiner eigenen Aussage nicht poli­tisch/ideologisch bedingt war, sondern um weiterhin in leitender Position tätig zu sein. Im Sommer 1934 wurde er Oberspielleiter an der Staatsoper Berlin. Dort arbei­tete er bereits ab 1935 mit Clemens Krauss zusammen, welcher als musikalischer Leiter angestellt war. Krauss ging 1936 nach München an die Staatsoper und forderte Hartmann auf, ihm dorthin zu folgen. Ab dem 1. Januar 1937 war Hartmann dann unter Oskar Wallecks Generalintendanz Regisseur an der Bayerischen Staatsoper in München und inszenierte dort im selben Jahr Mozarts Zauberflöte neu, mit Premiere am 4. November. Als 1938 Walleck durch Clemens Krauss ersetzt wurde, übernahm Hartmann die Operndirektion. 1940 - 41 leitete Hartmann zusätzlich noch die Staatsoperette am Gärtnerplatz. 1942 wurde er auf Wunsch Hitlers Professor der Hochschule für Musik in München. 1945, kurz nach Ende des Krieges, wurde er von der Militärregierung aus dem Amt entlassen. Nachdem er aber als „Mitläufer“ von der Mittäterschaft im Dritten Reich entlastet wurde, trat er 1952 das Amt des Inten­danten der Bayerischen Staatsoper an, welches er bis 1967 innehatte. Am 26. August 1988 starb Prof. Dr. phil. Rudolf Hartmann in München.

Hartmanns Position zum Nationalsozialismus ist nicht eindeutig einzuschät­zen. Aus den ihn betreffenden Akten gehen keine schlagenden Hinweise darauf her­vor, dass er persönliche oder engere Beziehungen zu den politischen Führern ge­pflegt habe, nationalsozialistisch gesinnt gewesen sei und Vorteile durch das NS- Regime genossen habe. Allerdings lässt sich das Gegenteil ebenfalls nicht eindeutig behaupten, da ihm doch großes Vertrauen und große Anerkennung von Hitler entge­gengebracht wurde: Er wurde von diesem mit Inszenierungen beauftragt, v. a. in Ita­lien und innerhalb Deutschlands. Beispielsweise fuhren Hartmann und Sievert am 18. September im Auftrag des Propagandaministeriums nach Rom. 1941 sollte Hartmann im Auftrag Hitlers in der Passauer Nibelungenhalle den Tannhäuser in­szenieren. Doch lässt sich hier eine Privilegierung Hartmanns durch Hitler herausle­sen? Briefe von verschiedenen Parteipersönlichkeiten erwähnen Hitlers hohe Mei­nung von Hartmann. Martin Bormann schreibt z. B. am 21.11.1942 an Clemens Krauss, dass Hitler Hartmann und Sievert „besonders schätzt und auf Verlängerung deren Verträge in München Wert legt“. Hitler scheint es wirklich wichtig zu sein, Hartmann in München zu wissen. Er soll „langjährige und wirklich günstige Verträ­ge“ erhalten. Und dennoch hatte Hartmann nach eigener Aussage ab 1942 „alle er­denklichen Schwierigkeiten zu fühlen.“ Er erklärt: „Durch eine aus dem Personen­kreise um die Oper stammende Denunziation veranlaßt, ließ Gruppenführer Schaub, Adjutant des Führers, meine mehrmalige Vernehmung durch die Gestapo wegen an­geblich gerüchtebildender staatsfeindlicher Äußerungen durchführen. (1942)“ Wa­rum also wollte Hitler ihn unbedingt am Opernhaus in München behalten, auch, in­dem er ihn mit einer Professur an die Stadt „kettet“? Hartmann schreibt dazu in sei­ner Rechtfertigungsschrift: „Der künstlerische Erfolg meiner Inszenierungen war die Ursache, daß auch Adolf Hitler von mir Kenntnis nahm, doch blieb es bei formellen Begegnungen. Ich gehörte nie zu dem Kreis derjenigen, welche mit oder ohne Partei­zugehörigkeit, bevorzugte Gäste auf dem Berghof oder im Hauptquartier waren Trotzdem genoss Hartmann einige Vorteile durch die politische Führung: Ihm wurde eine Professur durch Hitler zugetragen, er erhielt ein Dienstauto auf Anwei­sung Adolf Wagners, die NSDAP spendete der Münchener Staatsoperette 20 000 Reichsmark, zu der Zeit, als Hartmann dort Leiter war. In der Rechtfertigungsschrift Hartmanns vom 26. Juli 1945 stellt er sich selbst als jemanden dar, welcher versuch­te, sich den schwierigen politischen Bedingungen anzupassen, aber u. a. durch Ein­satz anderer Künstler, welche Schwierigkeiten mit dem Regime hatten, negativ bei der NSDAP auffiel und sich auch sonst versuchte, der „Nazikultur“ zu entziehen. Er schildert sich also eher als Opfer des NS-Regimes als Mitläufer, und schon gar nicht als Kollaborateur. Doch sind diese Schilderungen natürlich subjektiv und darauf aus­gelegt, Hartmann von (möglicher) Schuld zu entlasten. Restzweifel an seiner antina­tionalsozialistischen Gesinnung und seiner Schuldlosigkeit bleiben bestehen. Vortei­le hat er durch seine Anpassung an die politische Situation erfahren. Das entlastends­te Dokument meiner Recherchen ist die Bescheinigung des Gerichts der Alliierten, Hartmann sei als Mitläufer einzustufen. (Ein Auszug aus diesem Schriftstück muss nachgereicht werden.)

Die Neuinszenierung der Zauberflöte (Regie: Rudolf Hartmann; Musikalische Leitung: Clemens Krauss; Bühnenbild: Ludwig Sievert; Premiere: 4. November 1937) wurde von Kritikern im In- und Ausland gewünscht, geradezu gefordert. Der Bayerischen Staatsoper wurde vorgeworfen, dass ihre Mozartpflege auf ein niederes Niveau gesunken und es nun an der Zeit wäre, das Image der Bayerischen Staatsoper und der Stadt München als Kulturstadt zu retten. Als Ursache dieser Lage wurde vom Ausland u. a. die Leistung Knappertsbuschs gesehen, jedoch auch der knappe Gagenetat, der kein Engagement prominenter Künstler erlaubte. Die Zauberflöte wurde mit hohem Aufwand inszeniert und ein Teil der Opernfestspiele 1938, die besonders das Auslandspublikum von der hohen künstlerischen Qualität Münchens und dessen Staatsoper überzeugen sollten.

Die Neuinszenierung wurde von fast allen Kritikern, auch vom Völkischen Beobachter, aufs Höchste gefeiert. Allein Willy Krienitz sieht in ihr durch die Regie und die musikalische Leitung „Abwege“ beschritten.

Obwohl die Zauberflöte freimaurerisch geprägt ist und die Nazis das Frei- maurertum bekämpften, wollte Hitler zu diesem Zeitpunkt keine Veränderungen an dem Text vornehmen lassen. Dies äußerte er sogar auf dem Nürnberger Reichspartei­tag im November 1937. Versuche, den Schikanederschen Text umzuändern (z. B. durch Wolfgang Freiherr von Gersdorff), wurden von Hitler persönlich und von der Staatsoper abgewiesen. Über die Inszenierung selbst konnte in den Recherchen nur durch Szenenfotos und Pressestimmen ein Bild rekonstruiert werden. Aussagen über sie durch das Regieteam und den Mitwirkenden wurden nicht gefunden, weder in den Akten noch in der Literatur oder im Internet. Hartmann erwähnt sie nur flüchtig in seiner Autobiographie Das geliebte Haus: „Unsere Münchner Zauberflöte öffnete einen Weg in eine überhöhte Märchenwelt. Am gelungensten fand ich die naturver­bundenen Szenen des Papageno, obgleich das Ganze (Dialog) ein wenig unter der Größe des Raumes zu leiden hatte. Wirklich glücklich war ich später bei einer Zau­berflöte in Zürich [,].“[1] Ihm schien diese Inszenierung von wenig persönlichem Wert zu sein. Gibt es dafür besondere Gründe? Falls das Regiebuch oder vorberei­tende Aufzeichnungen Hartmanns dazu noch vorhanden sein sollten, wird deren Sichtung sicher sehr aufschlussreich sein. Möglicherweise ergibt eine weitere Re­cherche doch noch mehr Erkenntnisse über die Inszenierung. Interessant dabei ist vor allem die Frage, mit welcher Intention Hartmann an das Werk heranging: Was wollte er mit seiner Inszenierung ausdrücken, vermitteln? Die Szenenfotos zeigen national­sozialistische, jüdische und christliche Symbole und Gesten, welche auf zwei ver­schiedene Arten interpretiert werden können: pronationalsozialistisch oder die Nazi­kultur parodierend. Eindeutiges lässt sich darüber nicht sagen, vor allem auch auf­grund der Unsicherheit über Hartmanns Einstellung, die Politik und politische Füh­rung betreffend. Es kann auch sein, dass die Szenerien vollkommen unpolitisch ge­meint waren und sich nur dem Libretto der Zauberflöte unterwarfen. Um Aussagen über das Bühnenbild treffen zu können, ist überdies Sieverts politische Gesinnung und künstlerische Intention zu berücksichtigen und zu untersuchen. Ein Regiebuch oder weitere interne Informationen über die Inszenierung könnten auch darüber Auf­schluss geben.

Felicie Hüni-Mihacsek wurde am 3. April 1891 in Pecs, Ungarn, geboren. Sie studierte in Wien Gesang und begann 1916 an der Hamburger Staatsoper ihre Karrie­re als Opernsopran. An der Wiener Staatsoper war sie von 1919 bis 1925 beschäftigt. Dieses Engagement begann sie am 10.10.1919 mit der Uraufführung Strauss‘ Die Frau ohne Schatten. 1926 siedelte sie nach München über und blieb dort an der Bay­erischen Staatsoper bis 1945 angestellt, „deren eigentliche Primadonna sie für die nächsten zwanzig Jahre war. [...] Sie war mit dem Schweizer Großindustriellen Alf­red Hüni verheiratet.“ Durch ihn erhielt sie die Schweizer Staatsbürgerschaft. Diese Ehe war noch vor dem 16. Oktober 1940 geschieden. (Das genaue Datum ist nicht bekannt, jedoch erwachsen ihr durch die Scheidung Schwierigkeiten: Ihre Arier­schaft wird in Zweifel gezogen.) Nach 1945 trat sie meist in Konzerten auf und un­terrichtete Gesang.2 Sie starb am 26. März 1976 in München. Sie war eine hochange­sehene Künstlerin, bei ihren Kollegen/innen, Intendanten und der politischen Füh­rung. Das Publikum verehrte sie, die Presse spendete ihr viel Lob. In den Akten gibt es keine einzige schlechte Presse über sie. Sie besaß Prominentenstatus, sogar einen Prominentenvertrag.

Bereits ab Anfang des Jahres 1932 waren starke nationalsozialistische Ten­denzen an der Bayerischen Staatsoper zu erkennen: deren Mitarbeiter wurden in Reichsdeutsche und Ausländer eingeteilt, u. a. auch Felicie Hüni-Mihacsek. Es soll­ten fortan möglichst nur noch reichsdeutsche Künstler angestellt werden. Ausländer wurden allein im Bereich der „Kräfte[...] ersten Ranges“ geduldet, aber auch nur, wenn für sie kein gleichwertiger oder besserer reichsdeutscher Ersatz gefunden wer­den konnte. Die Stellen für „Kräfte zweiten und dritten Ranges“ und alle sonstigen Stellen im Haus sollten nur mit Reichsdeutschen besetzt werden.

Felicie Hüni-Mihacsek sollte zuerst ein Ein-Jahres-Vertrag angeboten wer­den, um die Möglichkeit zu haben, ihr schnell kündigen zu können, falls ein adäqua­ter oder besserer Ersatz gefunden werden würde. Jedoch wurde kein Ersatz gefunden und sie erhält überdies einen Zwei-Jahres-Vertrag (1.9.1932 - 31.8.1934). Sie war zu wertvoll für die Oper, als dass man sie so leicht gehen lassen konnte. Trotz ihrer An­erkennung durch den Intendanten, die Presse, die Zuschauer und sogar durch die Politik und ihre Stellung als erste Künstlerin des Hauses wurde ihr Gehalt 1934 um ca. 25 % gekürzt (von 27 000 auf 20 000 RM), wohingegen Sängerkollegen von ihr die Gagen erhöht wurden. Darüber beschwert sie sich in einem Brief beim Ministeri­alrat. Dies bleibt ohne Erfolg. Im nächsten Jahr wird ihr Gehalt sogar auf 15 900 RM gekürzt. Trotzdem bleibt sie an der Staatsoper. Ich interpretiere diese Vorgehenswei­se als versteckte Diskriminierung Hüni-Mihacseks.

Über diese Lohnkürzunge hinaus hatte sie mit dem Nachweis ihrer Arier­schaft zu kämpfen. Immer wieder wurde dieser von verschiedenen Behörden gefor-[3] [4]

dert; besonders schwer wog der Verdacht der NSDAP aus dem Jahr 1935, sie sei Volljüdin. Offensichtlich wurde dieser Verdacht aber entkräftet, da sie weiterhin an der BSO beschäftigt blieb. Außerdem gab Oskar Walleck in den Akten an, Hüni- Mihacsek sei nationalsozialistisch gesinnt; dies lässt sich aber durch keine weitere Quelle bestätigen. Informationen über eine Zugehörigkeit zur NSDAP oder persönli­che/engere Verbindungen zu politischen Führern fanden sich nirgends. Allgemein ist die Akten- und Quellenlage zu ihrer Person wenig ergiebig. So waren auch leider keine Fotos von Felicie Hüni-Mihacsek als Königin der Nacht von 1937 zu finden.

Aus den gesichteten Akten und weiteren Recherchen geht hervor, dass Politik und Kunst während des Nationalsozialismus stark zusammenhingen, auch an der Bayerischen Staatsoper. Kaum eine personelle Entscheidung konnte dort ohne die Zustimmung der zuständigen Behörden gefällt werden. Dienstverträge mussten ge­nehmigt werden, wobei stets ein Arier-Nachweis zu erbringen war. Inszenierungen unterlagen zwar im Allgemeinen, so weit ersichtlich, einer künstlerischen Freiheit, doch ist diese sicher illusionistisch: Kein Künstler hätte es sich erlauben können, das NS-Regime offensichtlich zu kritisieren. Die leitenden Künstler wurden auch ausge­wählt: Ohne Mitglied bei der NSDAP schien eine leitende Funktion unmöglich. Kunst wurde von der politischen Führung als Propagandamittel verwendet; es sollte vor allem dem Ausland gezeigt werden, welche künstlerischen Qualitäten das Deut­sche Reich besäße. Dass nationalsozialistische Ideologien mit der Kunst verbreitet werden sollten, wird in den recherchierten Materialien nur angedeutet.

Die gesichteten Akten sind in diesem Dossier noch nicht vollständig katalogi­siert worden; dies ist nachzureichen. Darüber hinaus sind noch einige Akten zu sich­ten und aus ihnen zu exzerpieren. Zu Felicie Hüni-Mihacsek und der Inszenierung der Zauberflöte von 1937 fanden sich wenig Akten sowie Informationen in Büchern oder dem Internet. Manche Handschriften waren nicht zu entziffern und wurden da­her hier nicht verwendet. Die Fotos im Deutschen Theatermuseum waren zum größ­ten Teil nicht beschriftet und daher schwer zu den jeweiligen Szenen zuzuordnen.

2. Personalie I (Rudolf Hartmann)

2.1 BayHStA

2.1.1 Korrespondenzakten: Intendanz Bayer. Staatsoper Nr. 1734; Korrespon­denz mit Künstlern oder über Künstler 1937 - 1944; Rudolf Hartmann (Ober­spielleiter) 1937 - 1943 [leider sind die Akteninhalte chronologisch schlecht ge­ordnet]

08. Sept. 1937; Berlin W9, Potsdamer Str. 4, Bühnennachweis, Abteilung: Kapell­meister, Fachbearbeiter: v. Gu/Hs., an Herrn Operndirektor Prof. Clemens Krauß: „Hier geht das Gerücht um, daß Herr Oberspielleiter Hartmann als Intendant nach Nürnberg geht. Dadurch werden Sie, wie ich wohl mit Recht vermuten darf, in in eine gewisse Schwierigkeit geraten.“

München 1, den 27. August 1937; Brief (Nr. J 254) der Generalintendanz der Bayeri­schen Staatstheater an die Direktion der Bayer. Staatsoper München im Hause.

17. Februar 1938; An den Präsidenten des Landesfinanzamtes, z. Hd. d. Herrn Reichsbahnoberinspektors Welle, München.

3. August 1939; Clemens Krauss an Herrn Operndirektor Rudolf Hartmann, im Hau­se. Anweisung über die „allwöchentliche Abhaltung von Regie-Besprechungen“ un­ter Hartmanns Vorsitz, Sievert, Rall und Stenz-Hentze und das Betriebsbüro zuzu­ziehen.

10. März 1938; Brief an Rudolf Hartmann, Nürnberg. Opernhaus. Am Ring. Verfas­ser unbekannt.

21. Juni 1941; Brief an Herrn Polizeimajor Lehner, Polizeipräsidium München, Ett- strasse (Verfasser unbekannt):

„Im Zusammenhang mit einem Auftrag des Führers, der die Durchführung einer Reihe technischer Verbesserungsarbeiten für das hiesige Nationaltheater beinhaltet, mit deren Durchführung Herr Professor Kurt Hemmerling in Zusammenarbeit mit der Leitung der Staatsoper betraut ist, müssen die Herren Professor Hemmerling und Operndirektor Hartmann heute nach Passau fahren, um dort in der Nibelungenhalle die Vorbereitungen für einen wichtigen Teil der technischen Arbeiten in die Wege zu leiten.“

30. Juni 1939; An die Intendanz der Städt. Bühnen Nürnberg. Feststellung der Dispo­sitionen für die Meistersinger-Proben. Verfasser unbekannt.

16. Februar 1940:

„Herrn Operndirektor Rudolf Hartmann, wohnhaft München, Prinzregentenstr. 11, ist laut Anschlag für die morgige Wehrversammlung in den Kolosseumhallen für 7Uhr morgens beordert.

Die Intendanz der Bayerischen Staatsoper bestätigt hiermit, daß Herr Operndirektor Hartmann in seiner Eigenschaft als Oberspielleiter der Bayerischen Staatsoper morgen um 10^ Uhr dringend im Theater benötigt wird. Die Intendanz bittet daher dringend, das pünktliche Eintreffen des Herrn Operndirektor Hartmann zu dem erwähnten Zeitpunkt zu ermöglichen, da bei Ausfall der von ihm zu leitenden Probe im Theater, die Sonntagsvorstellung „Die Walküre“ nicht abgehalten werden könnte. Die Intendanz hofft daher zuversichtlich auf ein Entgegenkommen insofern rechnen zu dürfen, als Herr Operndirektor Hartmann das rechtzeitige Verlassen der Wehrversammlung ermöglicht werden möge. i. A. Verfasser unbekannt.“

[Hier sollte noch genauer untersucht werden, wer alles zu dieser Phase des Krieges zu den Wehrversammlungen einberufen wurde und wer nicht; darauf könnte die Fra­ge beantwortet werden, was Rudolf Hartmann bei solch einer Wehrversammlung sollte.]

18. September 1941; An Herrn Kessler, Reichspropaganda-Amt München [Verfasser unbekannt]:

„Bezugnehmend auf das gestrige Telefongespräch übermittle ich Ihnen in der Anlage die Reisepässe der Herren Operndirektor Rudolf Hartmann, wohnhfft [sic!] Mün­chen, Prinzregentenstrasse 11, und Professor Ludwig Sievert, wohnhaft München, Lautererstrasse 16 mit der Bitte, die äusserst dringliche Dienstreise nach Rom, die aus Gründen der hiesigen Dienstesaufgaben der beiden Genannten nur am Dienstag, den 23. September stattfinden kann, freundlichst zu ermöglichen. [...] Bei der Devi­senstelle wollen Sie bitte den Gegenwert von 100 RM für jeden der Herren, zusam­men also 200 RM beantragen. Mit vielem für Ihre freundl. Bemühungen[.]“ [Anscheinend handelte es sich hierbei um eine Dienstreise, welche im Zuge eines Gastspielauftrages durch die NS-Politik durchgeführt werden musste; anders erklärt es sich nicht, dass das Reichspropaganda-Amt die Kosten der Reise tragen sollte.]

14. April 1942; Clemens Krauss an Herrn Operndirektor Oberspielleiter Rudolf Hartmann, München, Prinzregentenstr. 11:

„Lieber Herr Hartmann! Herr Staatsminister Adolf Wagner hat mir mit Schreiben vom 7.ds.Mts. mitgeteilt, dass er Sie im Einvernehmen mit dem Führer und Reichskanzler für eine Professur an der Akademie der Tonkunst (Opernschule) vorgesehen hat.

Ich gebe Ihnen hiermit im Auftrag des Herrn Staatsministers hiervon Kennt­nis und beglückwünsche Sie gleichzeitig zu diesem neuen Tätigkeitsbereich.

Ich bitte Sie wegen der zeitlichen Einteilung dieser Ihrer neuen Aufgabe sei­nerzeit das Einvernehmen mit mir herzustellen.“

Führerhauptquartier, 11. Juni 1942 Bo/Fu.; Reichsleiter Martin Bormann an Herrn Generalintendanten Clemens Krauss:

„Sehr verehrter Herr Clemens Krauss! Der Führer wünscht, wie ich Ihnen im Auftrage mitteile, dass Professor Ludwig Sievert für Linz eine Tannhäuser­Ausstattung arbeitet; die Inszenierung dieser Aufführung soll nach dem Wun­sche des Führers Operndirektor Hartmann übernehmen. Der Führer bittet Sie bei Ihren Dispositionen die beiden Herren übertragene Aufgabe zu berücksich­tigen. Heil Hitler! Ihr sehr ergebener Martin Bormann.“

[Hier kommt eine große Wertschätzung Hitlers für Sievert und Hartmann zum Aus­druck, zudem ein großes Vertrauen, welches er in die beiden legte. Diese Tannhäu­ser'-Inszenierung war Hitler wichtig, Hartmann schreibt in seiner Rechtfertigungs­schrift: „Diese Vorstellung sollte aus Sondermitteln des Führers bezahlt und reich ausgestattet werden.“ Der Brief zeigt zudem eine starke Verbindung der politischen Führung zu dem Opernhaus und dessen Intendanten. Der Ton des Schreibens klingt weniger nach kühlem Befehl, als nach einer persönlichen Bitte.

Hartmann schreibt über diese Inszenierung in seiner Rechtfertigungsschrift: „Bei den dortigen Bühnenverhältnissen und musikalischen Voraussetzungen interes­sierte mich die Aufgabe künstlerisch ohnedies nicht und ich verschob die Inszenie­rung über das ganze Jahr, bis sie endgiltig [sic!] für den Herbst 1943 befohlen wurde. Nun kam mir eine Erkrankung zu Hilfe und ich sagte telegrafisch ab, unter gleichzei­tiger Ersatzbenennung des Kollegen Wymetal von Wien. Der Gauleiter von Linz sprach von Sabotage und verlangte, ich solle mit Gewalt nach dort gebracht werden. [...] Ich frage nun, ob dieses Beispiel nicht hinreichend dartut, wie wenig ich Herr meiner Entschlüsse sein konnte, angesichts der unumschränkten Befehlsgewalt der Partei.“]

I. Oktober 1942; An den Reichsluftschutzbund, Ortsgruppe München-Nord, Revier­gruppe 4, München 22, Lerchenfeldstr. 6/II [Verfasser unbekannt]:

„Herr Operndirektor Prof. Rudolf Hartmann hat eine Aufforderung bekommen, an den Luftschutzübungen am 5., 7. und 9. Oktober 1942, jeweils von 19 - 22 Uhr 20 in der Luftschutzschule Alexandrastr. 3 teilzunehmen. Da Herr Prof. Hartmann an allen 3 Abenden gerade zu der angegebenen Zeit unabkömmlich ist, da er entweder in den Abendvorstellungen Regiedienst oder aber wichtige Proben hat, sieht sich die Gene­ralintendanz der Bayerischen Staatsoper veranlaßt die Bitte zu stellen, Herrn Operndirektor Prof. Hartmann von den erwähnten Luftschutzübungen zu befreien. [...] Heil Hitler! i.A. Verfasser unbekannt.“

15. Juli 1942; Clemens Krauss an Herrn Reichsleiter Martin Bormann, München. Führerbau:

„Sehr verehrter Herr Reichsleiter! Ich bestätige den Empfang Ihres Schreibens vom

II. ds.Mts. und werde dem Wunsche des Führers entsprechend dafür Sorge tragen, dass die Herren Professor Ludwig Sievert und Operndirektor Rudolf Hartmann in der nächsten Spielzeit die gewünschte Tannhäuser-Inszenierung für Linz vornehmen können.“[5]

dass der Führer und Reichskanzler die Herren Hartmann und Sievert besonders schätzt und auf Verlängerung deren Verträge in München Wert legt.“

Führerhauptquartier, den 21. November 1942; Bo/Si.; Reichsleiter Martin Bormann an Clemens Krauss:

„Sehr verehrter Herr Krauss! Wie Sie wissen, hat der Führer unlängst die Herren Ludwig Sievert und Rudolf Hartmann als Professoren - Lehrer - berufen, da­mit durch diese Tätigkeit beide noch enger und fester an München geknüpft werden. Darüber hinaus hält der Führer es für notwendig, dass Sievert wie Hartmann baldigst langjährige, wirklich günstige Verträge bekommen, damit auf jeden Fall beide der Münchener Oper erhalten bleiben. Ich bitte Sie, derar­tige Verträge vorzubereiten.“

[Hitler scheint sich immer mehr für Hartmann, Sievert und das Münchener Opern­haus zu interessieren, die Korrespondenz mit diesem Thema häuft sich, dazu kom­men noch die Aufträge für Gastspiele im In- und Ausland.][6]

Dienstverträge, schleifen; wahrscheinlich ist das einfach nur eine behördliche Nach­lässigkeit oder gab es andere Gründe dafür? Waren dem Ministerium für Volksauf­klärung und Propaganda andere Angelegenheiten zu dieser Zeit wichtiger oder er­schien ihnen die Staatsoper im Allgemeinen nicht wichtig? Es stellt sich also die Frage: Wie wichtig war die Staatsoper für Hitler und die politische Führung des NS- Staates wirklich? Des Weiteren ist zu bemerken, wie stark die Politik auf die Ent­scheidungen der Intendanz der Staatsoper Einfluss nahm: Es konnte nicht einmal ein Dienstvertrag ohne die Zustimmung einer politischen Behörde abgeschlossen wer­den.]

27. April 1943; I. Telegramm an Professor Hartmann Schloss Lischna Bistritz bei Beneschau (Böhmen) von der Staatsoper List; Verfasser unbekannt.

7. Juni 1943; Clemens Krauss an Herrn Operndirektor Karl Elmendorff, Sächsische Staatsoper, Dresden A.1.

27. Dezember 1943; I. Telegramm an das Auswärtige Amt Am Karlsbad 7; Berlin W.35. Verfasser unbekannt.[7]

[...]

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Die Inszenierung der Zauberflöte 1937 und das Verhältnis Rudolf Hartmanns und Felicie Hüni-Mihacseks zum NS-Regime
Untertitel
War die Aufführung an der Bayerischen Staatsoper nationalistisch-ideologisch geprägt und wurde sie zu propagandistischen Zwecken verwendet?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Theaterwissenschaft München)
Veranstaltung
Projektübung: Aktenzeichen NS: Kunst und Politik im Nationalsozialismus am Beispiel der Bayerischen Staatsoper
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
70
Katalognummer
V309426
ISBN (eBook)
9783668123168
ISBN (Buch)
9783668123175
Dateigröße
3951 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Auszüge aus diesem Dossier erscheinen im "Max Joseph", dem Magazin der Bayerischen Staatsoper.
Schlagworte
Theaterwissenschaft, Theater in der NS-Zeit, Oper 1937, Oper in der NS-Zeit, Rudolf Hartmann, Hüni-Mihacsek, Hitler, Hitler und die Kunst, Nazis und Kunst, Nazis und Theater, Die Zauberflöte
Arbeit zitieren
B.A. Manuel Kröger (Autor:in), 2015, Die Inszenierung der Zauberflöte 1937 und das Verhältnis Rudolf Hartmanns und Felicie Hüni-Mihacseks zum NS-Regime, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309426

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