Ethik im Außenhandel. Deutsche Waffenexporte kritisch hinterfragt


Hausarbeit, 2015

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

III Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Zahlen und Fakten zur deutschen Rüstungspolitik
1.2 Struktur der Arbeit

2 Ethische Betrachtung
2.1 Die „neuen“ Kriege
2.2 Das Geschäft mit Waffen als Sinnfrage
2.3 Ethische Rechtfertigung
2.3.1 Der Realismus
2.3.2 Der Pazifismus
2.3.3 Die Lehre vom gerechten Krieg

3 Kritische Betrachtung und Fazit

IV Literaturverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Deutsche Rüstungsexporte gehen zurück

Abb. 2: Welche Waffen Deutschland 2013 exportierte

Abb. 3: CND Symbol

III Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Übersicht der Lehre vom gerechten Krieg

1 Einleitung

Das Bundesministerium der Verteidigung definierte die internationale Abrüstung und Nichtverbreitung von Waffen in einem Artikel als ihr oberstes Ziel: „Die Abrüstungspolitik der Bundesregierung besteht darin, die Nichtverbreitung von Waffen und Massenvernichtungsmitteln zu sichern, das internationale System der Rüstungskontrolle auszubauen, sowie die Vertrauensbildung zwischen den Regierungen zu stabilisieren.“1

Die Aktualität des Themas Krieg verbleibt in Anbetracht der weltpolitischen Lage derzeit jedoch unumstritten hoch. Beinahe täglich wird in den Medien von Krisenherden im Nahen Osten, dem Vormarsch des islamischen Staats2 über die Grenzen des Nordiraks und Syrien hinaus und Anschlägen in aller Welt berichtet. Es wirkt sehr paradox, dass man Rüstungsexporte als alltäglich ansieht - vor allem, wenn man in einem Land lebt, dass seit vielen Jahren eine restriktive Rüstungspolitik ausübt. Es stellt sich die Frage, ob die Waffenlieferungen ins Ausland durch deutsche Rüstungsunternehmen einen höheren Sinn erfüllen und demnach unter entsprechenden Gesichtspunkten zu rechtfertigen sind. Dabei sind auch philosophische Betrachtungsweisen zu berücksichtigen. Zudem stellt sich weiterhin die Frage, ob sich die Lieferung von Waffen und Technologie in andere Länder auch aus moralischen und ethischen Gesichtspunkten positiv auf den Weltfrieden auswirken kann? Kann es vertretbar erscheinen, vor dem „großen Bösen“ in das „kleine Gute“ zu fliehen, indem man „das geringere zweier Übel“ mit Waffen beliefert?

Spätestens seit den Krisen in der Ukraine (seit Februar 2014) und dem Vormarsch der Verfechter des Islamischen Staats (kurz IS) im Nordirak, flammt die öffentliche Diskussion über die ethische Vertretbarkeit der - unter Beobachtung der Bundesregierung stattfindenden - Waffenlieferungen deutscher Unternehmen in andere Länder, an Oppositionen und Gruppen, die sich gegen die vermeintlich größere Bedrohungen stellen, vermehrt auf. Dabei steht Moral gegen Pragmatismus und Ethik gegen das vermeintlich einzig moralisch Vernünftige. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass die Zeit der klassischen, zwischenstaatlichen Kriege passé erscheint und auch die nukleare Abschreckung nicht mehr die politische Stellung einnimmt, wie sie es einst tat. Terroristische Gruppen und Vereinigungen innerhalb der Staaten bilden eine neue Generation der Bedrohung (siehe Kapitel 2.1.). Die ethnonationalistischen Souveränitätsbestrebungen vieler Gruppen, wie die des Islamischen Staats, oder der ukrainischen Opposition, rücken in den Fokus der neuen Kriegswirtschaft.

1.1 Zahlen und Fakten zur deutschen Rüstungspolitik

Deutschland hat im Jahr 2014 den vierten Platz der größten Waffenexporteure weltweit eingenommen. Dies geht aus einer Studie des Stockholm International Peace Research Institute hervor. Demnach hat Deutschland seine Position bis dato im vergangenen Jahr an China (5% Marktanteil) überlassen müssen, welches nach den USA (31% Marktanteil) und Russland (27% Marktanteil) nun drittstärkstes Waffenexportland der Welt geworden ist.3 Die größten Abnehmer deutscher Kriegswaffen sind die USA, Israel und Griechenland.4 Der Umsatz der deutschen Rüstungsbranche beläuft sich jährlich auf etwa 2,229 Mrd Euro, was annähernd 0,08 Prozent des Gesamtumsatzes gemessen am BIP der Bundesrepublik Deutschland ausmacht.5 Zu den größten Waffenherstellern gehören Heckler und Koch (Umsatz 2010: 203 Mio. Euro), Krauss-Maffei Wegmann (Umsatz 2013: 2,4 Mrd. Euro) und die Airbus Group (Umsatz 2013: 16 Mrd. Euro)6, um nur einige wenige zu nennen.

Die restriktive Wirtschaftspolitik im Bereich der Waffenexporte (siehe Seite 1.) lässt sich auf Entscheidungen der ehemaligen deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Thomas de Maizière zurückführen. Weitergeführt wird diese restriktive Rüstungspolitik derzeit durch Sylvia von der Leyen in enger Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Deutsche Rüstungsexporte gehen zurück (Quelle: http://www.welt.de/politik/deutschland/article133322790/Wut-der-Franzosen-auf-die-deutsche-Ruestungspolitik.html 2014 ).

Obwohl Deutschland in den Segmenten Panzer-, U-Boot und Kleinwaffenproduktion Weltmarktführer ist, hält von der Leyen diese allesamt nicht mehr für militärische Schlüsseltechnologien und hat jenen Produktionen daher nicht höchste Priorität eingeräumt. Vor allem dieser restriktiven Rüstungspolitik ist es wohl zuzuschreiben, dass sich im Jahr 2014 ein Rückgang der Waffenexporte auf 2,229 Mrd. Euro vollzog (vgl. 2013: 2,925 Mrd. Euro).7 Zudem hängt dieser Rückgang aber wohl auch fest mit der Reduzierung der Ausfuhren außerhalb der EU und der NATO zusammen, welche aufgrund politischen und öffentlichen Drucks immer weniger zu Stande kommen.8

Diese beschränkende Entwicklung gefährdet nicht nur die deutsche Rüstungswirtschaft, sondern zugleich einige Unternehmen, die mit der Rüstungswirtschaft kooperieren. Sie sind allesamt auf die Genehmigungen der Bundesregierung angewiesen. So sind seit 1990 die Angestelltenzahlen in Rüstungskonzernen von 280.000 auf 180.000 Mitarbeiter geschrumpft. Die Rüstungskonzerne versuchen durch Entlassungen die Auswirkungen der Waffenexportentwicklung abzumildern. Ob und inwiefern das möglich ist, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Ein weiterer Rückzug Deutschlands aus dem Rüstungsgeschäft könnte zu einem Verlust der militärischen Glaubwürdigkeit und mithin zu einem Einflussverlust in den verschiedenen Importländern führen.

1.2 Struktur der Arbeit

Die vorliegende Hausarbeit gliedert sich in drei Kapitel. Im ersten Teil wird eine Übersicht zur Relevanz des Themas „Außenpolitik“ im Zusammenhang mit der Rüstungspolitik der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Im zweiten Teil der Arbeit wird zunächst auf die Veränderung der Rüstungspolitik, welche mit den Kriegen in der aktuellen Zeit einhergeht eingegangen (Kapitel 2.1), um dem Geschäft mit Waffen anschließend die Sinnfrage zu stellen (Kapitel 2.2). In Kapitel 2.3 wird sodann aus ethischen Gesichtspunkten sowohl nach Rechtfertigungsgründen für Waffenlieferungen als auch nach einer etwaigen Billigung des Gebrauchs von Waffen in Kriegen gesucht. Um all dies kritisch zu hinterfragen, werden im dritten Teil jene Rechtfertigungsgründe schließlich auf ihre Qualität untersucht: Ob und inwiefern ist es aus ethischer Sicht möglich, den Gebrauch von Waffen gegen andere Menschen zu legalisieren?

2 Ethische Betrachtung

Um Kriege auf der Welt „rechtfertigen“ zu können, werden Kriterien benötigt, welche einen Krieg unausweichlich machen. Seit 1945 und mit Beendigung des zweiten Weltkriegs wird der gerechte Krieg in der Charta der Vereinten Nationen (UN) geregelt. In dieser Verfassung werden Rechtfertigungsgründe für kriegerische Auseinandersetzungen ausgearbeitet und präzisiert.

Die Vereinten Nationen setzen sich Kapitel I Artikel 1 folgende Ziele:

- „den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen (…).“9

Neben diesen Zielen sollen Kap.I, Art.1, Ziff.1 und Kap.I, Art.1, Ziff.1; Art.2, Ziff.3/410 die Souveränität der Staaten und die territoriale Integrität der Staaten garantieren. In Kapitel VII, „Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“, wird definiert, wann ein Staat dazu befugt ist, sich gegen Gewalt von außen zu Wehr setzen zu dürfen.

Eine eigens für einen Konflikt einberufene Sicherheitskonferenz kann nun darüber entscheiden, ob diplomatische Lösungsersuche nicht den gewünschten Erfolg der Wahrung des Weltfriedens Genüge tun und eine Intervention nötig ist. In Artikel 42 des siebten Kapitels heißt es:

„Ist der Sicherheitsrat der Auffassung, dass die in Artikel 41 vorgesehenen Maßnahmen unzulänglich sein würden oder sich als unzulänglich erwiesen haben, so kann er mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen durchführen. Sie können Demonstrationen, Blockaden und sonstige Einsätze der Luft-, See- oder Landstreitkräfte von Mitgliedern der Vereinten Nationen einschließen.11

Bei einem Verstoß gegen den Artikel 21 kann der UN-Sicherheitsrat feststellen, dass eine militärische Interaktion völkerrechtlich legitim ist. Man kann also von einem gerechten Krieg nur dann sprechen, wenn er nach vorgegebenen Grundsetzen geführt wird. Bei Kriegen, die innerstaatlich geführt werden, sind diese Grundsätze nur sehr schwierig anzuwenden und es bedarf anderer Rechtfertigungsgründe. Man spricht hierbei von den „neuen“ oder auch asymmetrischen Kriegen.

2.1 Die „neuen“ Kriege

Im Prozess der Globalisierung haben sich auch die Kriege verändert. Die klassischen zwischenstaatlichen Kriege rücken in den Hintergrund. Stattdessen drängen sich militärische Gruppen, die für die Souveränität eines Staates kämpfen, immer mehr in den Vordergrund. Die aktuellen Konflikte in Syrien, Libyen und der Vormarsch der Gruppe des IS, sowie der Kampf der Opposition in der Ostukraine zeigen einige Beispiele dieser „neuen“ Kriege12. Sie sind geprägt durch Jahre oder gar Jahrzehnte andauernde Kämpfe, haben keine Kriegserklärungen als Grundlage und es fehlt ihnen an klaren Strukturen und klar abgegrenzten Armeen.13 Darunter haben wie so meist ethnische Minderheiten zu leiden. Die Leidtragenden sind dabei in erster Linie jedoch nicht die militärischen Gruppen, die sich ohnehin für einen Krieg entschieden haben, sondern die Menschen „hinter den Fronten“14. So treffen auch Sanktionen von außerhalb, wie Warenembargos, gegen ganze Staaten, oft am stärksten die ohnehin schon leidende Zivilbevölkerung.15 Eine weitere bedeutende Entwicklung vollzieht sich darin, dass Kriege zunehmend privatisiert werden. Sogenannte „Warlords“ beliefern nur zu oft beide Konfliktparteien und auch die Zivilbevölkerung mit Kriegsgeräten, um das monetäre Potential eines Konflikts voll ausschöpfen zu können. Das Waffengeschäft scheint darüber hinaus auch globalisiert worden zu sein. „Ein jeder“ vermag in das Geschäft mit einsteigen zu können. Daher stellt sich die Frage, ob und wenn ja, inwiefern eine Lieferung von Waffen durch einen Staat an bestimmte Gruppierungen, dem Staat eine Lenkfunktion innerhalb des Konflikts einräumt: Können Waffenlieferungen, wenn sie kontrolliert durchgeführt werden, sogar positive Auswirkungen auf die Entwicklung in Krisengebieten haben?

2.2 Das Geschäft mit Waffen als Sinnfrage

Die zunehmende Modernisierung und Technisierung militärischer Anlagen hat auch in Friedenszeiten die Entwicklung der Rüstungsindustrie vorangetrieben. In den unterschiedlichsten Gebieten wird aktiv an neuen Technologien geforscht. Diese Forschung eröffnet Synergieeffekte, die auch der zivilen Bevölkerung in den unterschiedlichsten Formen zugutekommt.16 Die Rüstungsindustrie fungiert demnach nicht lediglich als Lieferant von Tötungswerkzeug, sondern generiert auch einen gewissen allgemeinen Fortschritt. Sie wird zudem zugleich als Hilfe zur Stabilisierung labiler Staatssysteme und zur Schaffung sicherer Regionen wahrgenommen. Die Kosten der Aufrüstung werden durch die Gewährleistung innerer Sicherheit und die Fähigkeit, im Ernstfall eine erfolgreiche Kriegsführung leisten zu können, politisch gerechtfertigt.17 Auch wenn die Rüstungswirtschaft oft lediglich als staatliche Institution wahrgenommen wird, kommt ihr im politischen System der freien Marktwirtschaft die Möglichkeit zu, eine Eigendynamik aufzubauen und wirtschaftlichen Erfolg durch Gewinnmaximierung zu erlangen. Letzten Endes sind auch Rüstungsunternehmen, opportunistische Teilnehmer am internationalen globalen Markt, die Marktanteile erobern und verteidigen möchten. Dennoch ist die Rüstungsindustrie größtenteils staatlich geschützt und reglementiert. So werden innere Vorgänge, Strukturen und Innovationen gegenüber anderer Staaten geheim gehalten, und der Eintritt von Konkurrenzunternehmen in den Markt restringiert. Auch aus Gründen begrenzter Überwachungsmöglichkeit durch den Staat werden internationale Rüstungskonzerne im eigenen Land in der Regel nicht akzeptiert. Genau diese protektionistischen Maßnahmen erlauben es den inländischen Rüstungskonzernen, Eigeninteressen gegenüber der Politik Nachdruck zu verleihen. Es besteht kein internationaler Kostendruck. Vielmehr haben die Waffenlobbyisten einer Art Planwirtschaft nachzugehen, die dem Umfang der Genehmigungen durch den Staat obliegen. Eine Übersicht der 2013 bewilligten Ausfuhren in den verschiedenen Bereichen der Rüstungsindustrie ist aus Abbildung 2 zu entnehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Welche Waffen Deutschland 2013 exportierte (Quelle: http://de.statista.com/infografik/2649/genehmigungen-zur-ausfuhr-von-ruestungsguetern-sowie-kriegswaffenausfuhren/)

Speziell die sehr komplexen innen- und außenpolitischen Verflechtungen machen eine Kontrolle der staatlichen Rüstungsausgaben im internationalen Vergleich sehr schwierig.18 Vermehrt werden Ausgaben für die Rüstungsproduktion und somit wirtschaftliche Interessen durch den Vorwand der Verteidigungsabsicht legitimiert. Ein Beispiel dafür ist das SDI19 der USA. Dieses Raketenschild wurde mit milliardenschweren Krediten finanziert und als „Schutzschild gegen Raketenangriffe mit Atomsprengköpfen aus dem Ausland“ gerechtfertigt. Dadurch wurden der enorme Kostenaufwand toleriert und politische, wie auch technische Einwände einfach umgangen. Die Friedenssicherung durch Verteidigung wird oft als ethische Rechtfertigung gebraucht, um aufzurüsten. Das gewinnwirtschaftliche Kalkül der einzelnen Länder und Unternehmen wird in der öffentlichen Wahrnehmung unterschätzt. Die Bedeutung der Etablierung jenes Raketenschilds durch die USA und dessen technologisch-innovatorischen Synergieeffekte werden offensichtlich verkannt. Die Ziele der Gewinnmaximierung und damit verbundene Multiplikatoreffekte20 werden von Staat und Rüstungsindustrie hinter der vermeintlichen Prämisse des Allgemeinwohls verschleiert.

2.3 Ethische Rechtfertigung

Der Friede gilt als Hauptinhalt und Ziel von Leben und Ordnung der Weltgemeinschaft. Er ist Gegenstand der Friedensethik und zählt somit zur internationalen Ethik. Die Friedensethik geht den Gründen von Kriegen nach. Wann kann ein Krieg (ius ad bellum) als „ultima ratio“ gemäß dem Völkerrecht Legitimität erlangen und was sind die Bestandteile des Rechts im Krieg (ius in bello)? Die Anwendung jener Wissenschaft soll nicht bloß kriegsverhindernd, sondern sogar friedensfördernd wirken.

Es stellt sich die Frage, ob die Ethiktheorien im Bereich des Realismus, Pazifismus und der „Lehre vom gerechten Krieg“ Waffenlieferungen begründen können oder ob sie nur einen künstlich konstruierten Rechtfertigungsgrund für Krieg schaffen? Eine solche Betrachtung nach realistischen und pazifistischen Denkschulen soll in den folgenden Unterkapiteln erfolgen. Die Pazifisten lehnen grundsätzlich jede kriegerische Intervention ab, während die Realisten moralische Kriterien als unwirksam ansehen und politische Vereinbarungen generell ablehnen (Siehe Kap. 2.3.1. bis 2.3.3.).

2.3.1 Der Realismus

Der Realismus bzw. der Neorealismus in der internationalen Politik geht davon aus, dass der Faktor der Macht den Bereich des Politischen konstituiert. Macht wird dabei im Weberianischen Sinne als Durchsetzungsvermögen interpretiert.21 Diese Denkschule wird immer wieder kritisiert, da ihr deskriptiver und explikativer Charakter oft normativ (miss-)verstanden wird. Genauer gesagt, werfen Kritiker den Verfechtern vor, Apologeten (Verteidiger) der Macht zu sein. Der klassische Realismus spiegelt eine Art Rationalismus wieder, da er davon ausgeht, dass Staaten opportunistisch handeln. Sie scheinen nach Kosten-Nutzen-Kalkülen zu agieren, welche die Interessen des Staates strategisch widerspiegeln. Ein Staat vertrete konstante und nicht veränderbare Grundinteressen, welche oft im Widerspruch zueinander stehen und nicht gleichzeitig oder gleichwertig umgesetzt werden können. So ist im klassischen Realismus das Vertrauen in andere kein Baustein, auf dem es zu bauen gilt. Churchill erkannte beispielsweise die Trügerische Friedenspolitik Hitlers in den 30er Jahren und vertraute nicht auf das Gute im Menschen, obwohl Vertrauen grundsätzlich sicherlich dem Grundinteresse nach Frieden entspricht. Deshalb lautet das realistische Diktum: Den kommunizierten Intentionen der Akteure ist nicht zu trauen. Man muss sich stattdessen an den materiellen und aggressiven Potentialen von genau diesen orientieren..22 Demnach sei es zur Kriegsverhinderung geboten Machtgleichgewichte zu erhalten und einem Aggressor beispielsweise offenzulegen, dass eine Aggression für ihn sehr kostenintensiv sein wird und dieser somit von einer Aufrüstung automatisch absehe.23

Bevor es zum zweiten Weltkrieg kam haben die Westmächte bei der Aufrüstung und Zusammenarbeit Deutschlands mit Russland (Rapollo-Kontrakt) den Zeitpunkt verpasst, entscheidend in die Politik einzugreifen. Der Grund dafür war eine innenpolitische Willensschwäche der Alliierten. Man hätte die imperialistischen Gedanken Hitlers bereits zu Beginn der Aufrüstung Deutschlands unterbinden können. Diese „Appeasement Politik“ machte es Hitler erst möglich, einen Krieg gegen Frankreich zu führen. Erst der Entschluss Russlands, das Deutsche Reich anzugreifen und der anschließende Eintritt der Alliierten in das Kriegsgeschehen, brachten das Regime zu Fall. Da dies folglich lediglich aus einer Notwendigkeit entstanden ist, ist der Entschluss zum Eintritt rein ideologisch und nach dem „Realismus-Gedanken“ nicht begründbar.

Der Gedanke, dass kein Staat in einen Krieg eintritt, ohne einen Nutzen daraus ziehen zu können, erklärt jedoch die imperialistische Politik Russlands nach dem zweiten Weltkrieg. Churchill hatte erkannt, dass die Kapitulation Deutschlands zu einem Machtvakuum führen würde, in das die UdSSR hineinstoßen können würde. Genau diese Entscheidung stellte die Grundlage der Expansionspolitik der Sowjets und der damit verbundenen Teilung der Welt in „Ost und West“ dar.

Der Realismus scheint folglich keine einheitliche, international anwendbare Theorie zu sein, welche sich als „Patentlösung“ auf jeden Konflikt universell anwenden ließe. Es handelt sich um eine Denkschule, die von relativ einheitlichen epistemologischen und methodologischen Werkzeugen zur Analyse der Weltpolitik ausgeht.24 Sie basiert auf Annahmen über das Wesen und die Natur des Menschen. Man geht hierbei davon aus, dass die Sicherheit ein Gut ist, was sowohl innerhalb eines Staates als auch zwischenstaatlich hergestellt werden muss. Macht ist subjektiv wahrnehmbar, kann jedoch auch objektiv mit Zahlen und Daten belegt werden. Das ist auch der Grund, warum eine positivistische Methodologie nicht hinreichend zur Erklärung politischer Konstellationen ist.

[...]


1 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung 2015 , o.S.

2 Der Islamische Staat ist eine seit 2003 aktive dschihadistisch-salafistische Terrororganisation. Sie agiert in einem zusammenhängenden Gebiet zwischen dem Nordirak und dem Osten Syriens unter der Führung von ehemaligen Irakischen Militärfunktionären.

3 Vgl. Statista 2015 , o.S.

4 Kumulierte Angabe von 2010 bis 2014: USA: 11%, Israel 9%, Griechenland 7%. Siehe dazu auch: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/182209/umfrage/wichtigste-empfaengerlaender-von-deutschen-ruestungsexporten/

5 Vgl. Berliner Zeitung 2014 , o.S.

6 Vgl. Kölner Stadt-Anzeiger 2014 , o.S.

7 Vgl. Die Welt 2015 , o.S.

8 Beispielsweise sind Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien, aufgrund von Menschenrechtsverletzungen im Land, zuletzt ausgeblieben. Siehe dazu auch: https://www.tagesschau.de/inland/waffenexporte-saudi-arabien-101.html

9 Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa 2015 , Kapitel I.

10 Siehe Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa 2015 , Kapitel I + II.

11 Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa 2015 , Kapitel VII.

12 Die „neuen“ Kriege werden in der Literatur auch unter dem Begriff der asymmetrischen Kriege genannt.

13 Vgl. Münkler 2004 , S.179 ff.

14 Gemeint ist die Zivilbevölkerung.

15 Vgl. Mierzwa 1994 , S.23.

16 Beispielsweise die Erfindung des Strahltriebwerks, der Radartechnologie, des Antibiotikums, etc.

17 Vgl. Weiler 1989 , S.50.

18 Vgl. Weiler 1989 , S.51.

19 Die „Strategic Defense Initiative“ ist eine durch Ronald Regan am 23. März 1983 ins Leben gerufene Initiative zum Aufbau eines Abwehrschirms zur Abwehr von Interkontinentalraketen zum Schutze der USA und seinen Verbündeten.

20 Unter dem Multiplikatorprinzip versteht man in der Wirtschaftstheorie die Auswirkungen zusätzlicher Ausgaben des Staates, der privaten Haushalte oder des Auslands und die damit verbundenen multiplikativen Auswirkungen auf andere Wirtschaftssektoren.

21 Vgl. Rohde 2009 , S.1.

22 Vgl. ebd.

23 VERWEIS !!

24 Vgl. Rohde 2009 , S.5.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Ethik im Außenhandel. Deutsche Waffenexporte kritisch hinterfragt
Hochschule
Hochschule Fresenius; Hamburg  (Fresenius)
Veranstaltung
CSR
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
24
Katalognummer
V309353
ISBN (eBook)
9783668075993
ISBN (Buch)
9783668076006
Dateigröße
652 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rüstungspolitik, waffenexport, Rüstung, proliferation
Arbeit zitieren
Elmar Scholz (Autor:in), 2015, Ethik im Außenhandel. Deutsche Waffenexporte kritisch hinterfragt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309353

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