Elemente des Cocoliche in ausgewählten Texten der Literatur von Carlos M. Pacheco und Roberto Cossa. Ein Vergleich


Bachelorarbeit, 2015

72 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Das Cocoliche in ausgewählten Texten der Literatur
2.1 Die italienische Immigration in Südamerika und ihre sprachlichen Folgen
2.1.1 Entstehungsgeschichte und Definitionen des Cocoliche
2.1.2 Historischer Hintergrund
2.1.3 Sprachliche Merkmale des Cocoliche
2.2 Korpusanalyse
2.2.1 Korpusbeschreibung und Vorgehen bei der Analyse
2.2.2 Veinte años después und Gris de ausencia: eine vergleichende Analyse
2.2.2.1 Graphie
2.2.2.2 Morphosyntax
2.2.2.3 Lexik
2.2.2.4 Weitere Phänomene
2.2.3 Zusammenfassung der Ergebnisse

III. Fazit

IV. Literaturverzeichnis
4.1 Korpus
4.2 Sekundärliteratur
4.3 Wörterbücher und Enzyklopädien

V. Anhang

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beabsichtigt die wesentlichen Merkmale des Cocoliche zu analysieren und aus linguistischer Sicht zu kommentieren. Somit gehört sie in den wissenschaftlichen Kontext der ‘Varietätenlinguistik’ und ‘Migrationssprachen’. Gegenstand der Korpusanalyse, die als textnahe Untersuchung im Mittelpunkt des Interesses dieser Arbeit stehen soll, sind zwei Theaterstücke von zwei verschiedenen Autoren, Carlos M. Pacheco und Roberto Cossa.

Das Ziel und die Methode der Arbeit bestehen darin, nach einer kurzen theoretischen Einführung über die italienische Immigration in Südamerika und ihre sprachlichen Folgen zunächst eine möglichst umfassende Vorstellung des Korpusmaterials zu liefern. Um ausgehend von konkreten Beispielen auf generelle, typische Charakteristika des Cocoliche zu schließen, werden außer der Sekundärliteratur auch die Online-Wörterbücher von Pons, der Real Academia Española, des Diccionario Salamanca de la lengua española und des Treccani benutzt.

Die Auswahl eines Korpus, das sich über zwei Werke zweier unterschiedlicher Autoren erstreckt, bedingt die Fragestellung, ob und in welcher Weise Gemeinsamkeiten oder Unterschiede des Cocoliche festzustellen sind. Die Wahl des Themas ist motiviert durch die zwei Studienfächer Spanisch und Italienisch. Es ist bewundernswert, wie durch Migration eine solch komplexe Sprachvarietät entstehen kann. Deshalb wird sich die Untersuchung auch der Frage widmen, welche konkrete Phänomene das Theater- Cocoliche hat und wie diese benutzt werden. Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Das einleitende Kapitel 2.1 führt in die italienische Immigration in Südamerika und ihre sprachlichen Folgen ein, indem es zunächst die Entstehungsgeschichte und Definitionen des Cocoliche skizziert und einen Forschungstand angibt (2.1.1). Das darauffolgende Kapitel 2.1.2 beschreibt die italienische Immigration. Im Kapitel 2.1.3 werden generelle Merkmale des Cocoliche genannt und beschrieben, um die Korpusanalyse einzuleiten. Der daran anschließende Teil (2.2) stellt die eigentliche Korpusanalyse dar. Im ersten Teil (2.2.1) wird eine kurze Beschreibung der Analyse und des Korpus dargestellt. Im Kapitel 2.2.2 werden die zwei Werke mittels Vergleiche analysiert. Das darauffolgende Kapitel (2.2.2.1) richtet sein Augenmerk auf die Graphie. Weiterhin werden in 2.2.2.2 die Charakteristika der Morphosyntax analysiert. In 2.2.2.3 wird die Analyse der Lexik gewidmet. In Kapitel 2.2.2.4 folgt die Beschreibung weiterer Phänomene, die nicht den anderen Aspekten zugeordnet werden konnten. Der daran anschließende Teil (2.2.3) liefert eine Auswertung der Untersuchungsergebnisse. Ein Fazit mit einer Zusammenstellung der Analyse und der gesamten Arbeit schließt diese Bachelorarbeit ab.

II. Das Cocoliche in ausgewählten Texten der Literatur

2.1 Die italienische Immigration in Südamerika und ihre sprachlichen Folgen

2.1.1 Entstehungsgeschichte und Definitionen des Cocoliche

Zunächst soll geklärt werden, was genau das Cocoliche ist. Laut der Online-Ausgabe der RAE handelt es sich um eine „[j]erga híbrida que hablan ciertos inmigrantes italianos mezclando su habla con el español“ (RAE1[1] ). Der Ausdruck Cocoliche entstammt aber dem Theater von José Podestá. Ein Schauspieler seiner Gruppe, Celestino Petray, führte eine Theaterszene unvorbereitet aus, indem er den kalabrischen Arbeiter Antonio Cocoliche nachahmte (vgl. Engels 2012: 44). Das Cocoliche war also zunächst eine theatralische Figur, um den Spott des Ausländers zu charakterisieren. Außerdem wurde es ab 1955 durch das Werk von Meo Zilio, zu einem linguistischen Konzept und für den Kontakt des Italienischen und des Spanischen im Río de la Plata Raum benutzt. Deshalb gab es laut Experten zwei Formen des Cocoliche, die linguistische und die theatralische Ausprägung (vgl. Ennis 2008: 293). Diese Kontaktvarietät ist aufgrund der Basis von verschiedenen italienischen Dialekten nicht einheitlich und weist daher unterschiedliche Formen auf (vgl. Engels 2012: 45). Historisch gesehen war diese Mischsprache der Verlauf der progressiven Hispanisierung. Beim Abschluss dieses Prozesses entstand das argentinische Spanisch, welches sich unter anderem durch die normgerechten Italianismen charakterisiert (vgl. Wurl 2007: 161). Ein Grund für das Ende der Transition war der Wille etwas Neues aufnehmen zu wollen. Die Italiener wollten erstens durch die Emigration ein besseres Leben und zweitens war der gesellschaftliche Druck der Einheimischen hoch (vgl. Wurl 2007: 164). Laut Giacomazzi, ist eine Ursache für die Entstehung, dass die ersten italienischen Einwanderer nicht das große Bedürfnis hatten eine neue Sprache zu erlernen. Das Cocoliche, das sie benutzten schien ausreichend um den begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten gerecht zu werden (vgl. 2002: 584). Trotzdem brauchten die Italiener „una lengua para comunicar con los argentinos y para comunicar entre sí porque había diferencias muy grandes entre los varios dialectos […] y dos personas de areas […] diferentes podían no llegar a entenderse entre sí“ (Le Bihan 2002: 16).

Die frühere Variante des Cocoliche basierte auf das Ligurische (vgl. Engels 2012: 39). Das Besondere an dieser Mischsprache war, dass es sich sowohl um Italienisch mit spanischen Elementen als auch um Spanisch mit italienischen Elementen handelte. Diese Vermischung ging von statten, da sich beide romanische Sprachen sehr ähnlich sind und die meisten Einwanderer nicht das Standarditalienisch sprachen, sondern einen italienischen Dialekt (vgl. Corrà/Ursini 1998: 573). Ein weiterer Grund dafür war der Analphabetismus der meisten Einwanderer (vgl. Zuloaga 1943: 134 und 140f. zitiert in Engels 2012: 25). Nichtsdestotrotz gab es gemischte Formen, die weder zur einen, noch zur anderen Sprache gehörten, weshalb jeder Sprecher ein anderes Cocoliche sprach (vgl. Corrà/Ursini 1998: 573). Faktoren, die die verschiedene Cocoliche -Arten beeinflussten sind: das Herkunftsland, der Dialekt, der Beruf, der Wohnort, die Aufenthaltsdauer, das Immigrationsalter, die Heimatrückkehr, der Kontakt mit den neuen Immigranten und der Presse, das Theater, das italienische Kino und vor allem der Wille eine neue Sprache zu lernen (vgl. Meo Zilio 1989: 209 zitiert in Ennis 2008: 298). Aber das Cocoliche war auch von dem Redner und der jeweiligen Situation bedingt, denn es gab „ [t]antos cocoliches como hablantes “ (Wurl 2007: 157). Folglich konnte wahrscheinlich jeder Sprecher mehrere Cocoliche -Formen (vgl. Wurl 2007: 157f.).

Heutzutage spricht niemand mehr diese Mischsprache, denn die zweite Einwanderergeneration konnte schon perfekt das lokale Spanisch (vgl. Grossmann 1926: 162 und Wagner 1947: 83 zitiert in Corrà/Ursini 1998: 573). Obwohl es sich bei der ursprünglichen Form um eine gesprochene Sprache handelte, wurde diese am Anfang des Jahrhunderts auch in volkstümlichen Werken angewendet (vgl. Grossmann 1926: 149-152 zitiert in Corrà/Ursini 1998: 574). Das theatralische Cocoliche hatte die Funktion die Einwanderer der Wirklichkeit entsprechend, also mit ihrer damals bestehenden alltäglichen Sprache, darzustellen (vgl. Engels 2012: 64). Demzufolge konnten Argentinier, die oft das Theater besuchten, das Cocoliche sprechen, obwohl die Muttersprache das lokale Spanisch war (vgl. Engels 2012: 16). Diese Literatur beinhaltet populäre Werke aus dem Theatergenre des Sainette Criollo (vgl. Wurl 2007: 158).

Wie sich anhand des Literaturverzeichnisses sehen lässt, wurde das theatralische Cocoliche schon in mehreren Arbeiten untersucht. Vor allem die Analysearbeit von Engels besteht aus einem großen Korpus. Aus diesen beiden Gründen erwies sich die Recherche nach unbearbeiteten Werken als ziemlich schwierig und langwierig. Dennoch wurden zwei bisher noch unbearbeitete Populärwerke gefunden, die in dieser Arbeit der exemplarischen Analyse dienen.

2.1.2 Historischer Hintergrund

„L’emigrazione italiana è stata una transumanza che ha coinvolto più di venti milioni di persone ed è durata più di un secolo: dalla prima metà dell’Ottocento fin oltre la seconda metà del Novecento“ (Blengino 2005: 12f.). Davon ausgehend, gab es vor der italienischen Immigration in Argentinien keine sesshafte indigene Bevölkerung und deshalb auch einen Mangel an Arbeitskräften (vgl. Boris/Hiedl 1978: 13-44 zitiert in Engels 2012: 19). In Argentinien setzten sich also die meisten Italiener von ganz Südamerika ab und formten somit in diesem Land das wichtigste Einwanderungskollektiv (vgl. Blengino 1980: 331). Der Antrieb der dichten Immigrationsmasse erfolgte hierbei durch die Konstitution von 1853. Weiterhin wurden 1862 und 1867 Normen beschlossen, die es den Immigranten ermöglichten, Grundbesitze in eigenen Teilen Argentiniens unentgeltlich oder verhältnismäßig preiswert zu erwerben. In Europa hingegen propagierte der argentinische Staat mit Informationsschriften oder Dienststellen für Auswanderer (vgl. Engels 2012: 20). Die erste Eiwanderungswelle fand dabei zwischen 1860 und 1890 statt und die zweite von 1890 bis 1930 (vgl. Engels 2012: 20). Folglich waren am Anfang des 20. Jahrhunderts nur 9% der Gesamtbevölkerung Spanier und 32,5% Italiener (vgl. Wurl 2007: 157). Somit waren in Argentinien etwa 930 000 Einwanderer italienischer und nur 836 000 spanischer Herkunft (vgl. Carreras/Potthast 2010: 106).

„[C]i aspettavamo anglosassoni e protestanti, e invece sono sbarcati italiani, spagnoli, ebrei, irlandesi e turchi“ (Blengino 2005: 32). Dieser Satz macht deutlich, dass die Argentinier sich eigentlich andere Immigranten wünschten. Der italienische Auswanderer war ein contadino (vgl. Blengino 1980: 333), jedoch handelte es sich bei der ersten italienischen Auswanderungswelle nicht nur um wenig gebildete Menschen, sondern auch um Intellektuelle (vgl. Giacomazzi 2002: 580). Nichtsdestotrotz waren die Süditaliener, die den Arbeitern aus dem Norden folgten, unqualifizierte Arbeitssuchende (vgl. Engels 2012: 21). Ähnlich war die Situation auch in Uruguay, wo sich die meisten von ihnen niederließen (vgl. Engels 2012: 22). Bei einer Volkszählung von 1908 stellte sich nämlich heraus, dass auch in Uruguay die meisten Einwanderer aus Italien stammten (vgl. Bürger 1928: 161 zitiert in Engels 2012: 24).

Grund für das Auswandern war die Suche nach Reichtum und Glück in Amerika bzw. Argentinien, wodurch die Floskel hacer l’América entstand (vgl. Engels 2012: 23). Die Italiener wollten also durch das Verlassen ihrer Heimat ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Lage verbessern. Aus diesem Grund wurde Amerika als Land der unbegrenzten Möglichkeiten gesehen (vgl. Cattarulla 2003a: 53 zitiert in 2009: 110). Aber der Traum des amerikanischen Wohlstandes, der die Auswanderer auf deren Reise begleitete, ist nicht immer in Erfüllung gegangen (vgl. Cattarulla 2009: 110). Äußerst treffend beschreibt auch Blengino die Situation der Immigranten:

„[s]e si fosse domandato al contadino italiano che emigrava […] notizie sul paese in cui emigrava, previsioni sul inserimento nel nuovo paese, egli avrebbe dato sicuramente risposte molto confuse. Meno vaghe sarebbero state invece le sue risposte alle domande sui suoi progetti, sulle proprie attese: lavorare, con preferenze per determinati mestieri, ma comunque essere disponibile per qualsiasi lavoro manuale, risparmiare qualche soldo per poi tornare in patria. […] Del resto, di quale sarebbe stato il suo lavoro, della geografia, dei costumi, della lingua e spesso anche del nome del paese in cui sarebbe approdato, la sua ignoranza era assoluta o quasi“ (Blengino 1972: 291-333 zitiert in 1980: 331).

Aus den vorher genannten Gründen entstand in Argentinien und Uruguay das Cocoliche. Außerdem waren die sprachlichen Zusammenhänge im ganzen Río de la Plata Raum ziemlich einheitlich (vgl. Engels 2012: 17).

Resümierend lässt sich sagen, dass Argentinien das Land ist, welches Italien am meisten ähnelt. Von 30 Millionen Einwohnern sind auch noch heute mehr als die Hälfte italienischer Abstammung. Die Präsenz der Italiener lässt sich sowohl in den Städten, als auch in den äußeren Stadträndern finden. Neben den Spaniern bildet die italienische Gesellschaft damit die älteste Gemeinde des Landes (vgl. Giacomazzi 2002: 579).

2.1.3 Sprachliche Merkmale des Cocoliche

In diesem Abschnitt werden nur einige Merkmale des Cocoliche aufgezählt um, die darauffolgende Korpusanalyse einzuleiten. Um die Phänomene zu verdeutlichen werden gelegentlich Beispiele aus dem jeweiligen Sekundärwerk in Klammern angegeben. Da es verschiedene Cocoliche -Formen gibt, ist die Struktur in Phonetik, Morphologie und Syntax in den Gebieten von Buenos Aires und Montevideo instabil (vgl. Wurl 2007: 159). Dies ist auch der Grund, wieso es Vermischungen in allen Bereichen der Linguistik gibt (vgl. Wurl 2007: 163). Somit kann es sein, dass in der Korpusanalyse Merkmale vorkommen, die nicht in diesem Kapitel genannt werden, da diese in den konsultierten Sekundärwerken nicht vorkommen. Ein häufiges Phänomen ist die veränderte Graphie aus phonetischen Gründen. Ein Bestandteil der Schreibweise ist der Vokalismus. Zum Veränderungsprozess der spanischen Lexemen gehört der Wegfall des anlautenden <e> vor einem <s> plus Konsonant (stoy statt estoy) (vgl. Engels 2012: 88). Bei italienischen Lexemen tritt genau das Gegenteil ein und das prothetische <e> wird dem Anlaut hinzugefügt (especiale statt speciale) (vgl. Wurl 2007: 167). Die Voranstellung eines <a> am Anfang eines Lexems hingegen ist Bestandteil der spanischen Lexemen (ajuntos statt juntos) (vgl. Engels 2012: 89). Das <e> lässt sich außerdem angehängt am Ende spanischer Lexeme finden (corazone statt corazón). Es kommt allerdings bei italienischen Lexemen auch zu einer Auslassung der auslautenden Vokalen (nient statt niente) (vgl. Engels 2012: 89f.). Manchmal entfällt sogar die letzte Silbe komplett ( statt poco) (vgl. Engels 2012: 91). Weitere Charakteristika sind die Monophthongierung (sempre statt siempre) sowie die gegenteilige Diphthongierung (vgl. Ennis 2008: 308). Zur Graphie gehört auch die Vokalschwankung bei spanischen Lexemen, meistens bei <e> und <i> (hospetal statt hospital) (vgl. Engels 2012: 92). Häufig kommt es bei Monosilben mit vokalischem Ende zu einer Elision mit dem darauffolgenden Vokal (s’equivoca statt se equivoca) (vgl. Golluscio de Montoya 1986: 149). Zusätzlich zur Markierung der Betonung mit Akzenten (miserábile statt miserabile) wird der Gravis zum Akut (é statt è) (vgl. Engels 2012: 70).

Auch der Konsonantismus bildet ein Baustein der Graphie. Zu diesem gehört beispielsweise die Sonorisierung des <c> im Anlaut zu einem <g> (gasa statt casa) (vgl. Engels 2012: 94). Ein weiteres Phänomen ist der yeísmo (gayo statt gallo) (vgl. Ennis 2008: 308), „denn das Phonem /ʎ/ existiert im phonologischen Inventar [der] Varietäten des amerikanischen Spanisch nicht“ (Dietrich/Noll 62012: 229). Das Graphem <s> dagegen entfällt beim spanischen Auslaut (vamo statt vamos) (vgl. Engels 2012: 95). Ein weiteres Phänomen ist die Rhotazierung von <l> zu <r> (durce statt dulce) (vgl. Engels 2012: 97). Oft wird der stimmlose, velare Frikativ [x] als stimmloser, velarer Okklusiv [k] realisiert. In der Graphie also das <j> durch ein <c> (cunto statt juntos) (vgl. Engels 2012: 98). Weiterhin werden Geminaten des Italienischen vereinfacht (tuto statt tutto), oder spanische Konsonanten verdoppelt (flacca statt flaca) (vgl. Engels 2012: 99). Ein häufig auftretendes Merkmal ist der Wegfall des intervokalischen <d> (piantao stat piantado) sowie des auslautenden <d>. Ein weiteres Charakteristikum ist der Wegfall des <h> (aga statt haga). Die italienischen Grapheme <c > und <cc> werden wegen der Aussprache durch das spanische <ch> (diche statt dice, pasticho statt pasticcio) dargestellt. Das <ch> hingegen wird als <qu> (quí statt chi) geschrieben und das <gli> auf <li> (canalia statt canaglia) reduziert. Einige Begriffe, die man im Italienischen mit <ge> bzw. <gi> schreibt, werden nun mit <ye> bzw. <yi> geschrieben (yinnática statt ginnastica) (vgl. Golluscio de Montoya 1986: 144f.). Ein weiteres Phänomen ist die Realisierung des <g> als <qu> (Quenova statt Genova) (vgl. Engels 2012: 98) und des <gn> als <ñ> (deño statt degno) (vgl. Engels 2012: 68). <Z> vor <a>, <o> und <u> werden wegen der südamerikanischen Aussprache [s] oft als <s> geschrieben (empieso statt empiezo) (vgl. Engels 2012: 66). Das <ll> wird entweder so gelassen oder vereinfacht (strilo statt strillo) (vgl. Engels 2012: 69). Ebenfalls wegen der spanischen Aussprache tritt die Schwankung zwischen <b> und <v> auf (basco statt vasco) (vgl. Engels 2012: 66). Das spanische <d> hingegen wird als <t> realisiert (matera statt madera) (vgl. Golluscio de Montoya 1986: 146).

Einige Besonderheiten treten genauso in der Morphosyntax auf. Beispielsweise wird das spanische Pluralbildungsmuster durch das italienische substituiert (atorranti statt atorrantes) (vgl. Engels 2012: 100). Außer den enklitischen Bildungen (dícami statt mi dica) treten auch Bildungen neuer hybriden Formen auf (sobretutto statt soprattutto) (vgl. Wurl 2007: 169). Genusfehler kommen, wenn auch selten, ebenfalls vor (vgl. Engels 2012: 100).

Des Weiteren werden statt der spanischen maskulinen Artikel die italienischen verwendet (il, lo oder lu statt el) und genauso die dialektalen Formen (in und ina statt un und una) des unbestimmten Artikels (vgl. Engels 2012: 101ff.). In einigen Fällen aber fallen die italienischen Artikel ganz weg (vgl. Wurl 2007: 170). Bei der Anrede kommt es im Cocoliche zu einer unregelmäßigen Verwendung von vos, und usted (vgl. Engels 2012: 104). Im Vergleich dazu beschränkt sich die Anwendung von italienischer und dialektischer Possessivpronomen auf die des Singulars (mío, mía, me, tuo und sua statt mi, tu und su) (vgl. Engels 2012: 105). Die Infinitive werden von ihrer Endsilbe getrennt und der auslautende Vokal wird akzentuiert (pensá statt pensar). Die Endung <o> einiger Verbformen der dritten Person Plural ist ebenfalls durch den italienischen Einfluss zu erklären (cómeno statt comen) (vgl. Engels 2012: 109). Auch ein weiterer Bestandteil der Morphologie ist für das Cocoliche charakteristisch und so erfolgt gelegentlich die Diminutivbildung bei spanischen Lexemen mit dem italienischen Suffix (fondín statt fondo) (vgl. Engels 2012: 120).

Zu den Präpositionen lässt sich folgendes sagen: es zu kommt es einer falschen Anwendung der spanischen (a statt en), zu einer Anwendung der italienischen (vgl. Engels 2012: 118) und zu Unterdrückungen (vgl. Wurl 2007: 170). Das Verbindungspartikel y wird hingegen zu e (vgl. Ennis 2008: 311) und para bzw. por zu per (vgl. Engels 2012: 119). Eine weitere Eigenschaft der Morphosyntax, typisch für das Italienische, ist die Verschmelzung von Präpositionen und Artikeln (vgl. Engels 2012: 119f.). Beim Perfekt von intransitiven und reflexiven Verben kommt es aufgrund der spanischen Bildung mit haber und der italienischen mit essere zu Irrtümern (vgl. Engels 2012: 110). Die Veränderung der Diatesis des Verbs hat z.B. die Folge, dass nicht-reflexive Verben reflexiv werden (vgl. Wurl 2007: 171).

Zu den lexikalischen Charakteristika gehören neben den ganzen italienischen Lexemen auch die Lehnbedeutungen bzw. falschen Freunde (vgl. Wurl 2007: 161 und 168). Am Anfang eines Dialogs finden sich zudem häufig Interjektionen wie bueno, che, pues, ah, etc. (vgl. Engels 2012: 148f.) und Redewendungen (vgl. Engels 2012: 237f.).

2.2 Korpusanalyse

2.2.1 Korpusbeschreibung und Vorgehen bei der Analyse

Das Korpus beschäftigt sich, wie in der Einleitung bereits erwähnt, mit speziell ausgewählten Theaterstücken von Carlos M. Pacheco und Roberto Cossa. Durch diese Auswahl soll gezeigt werden, dass das Cocoliche in verschiedenen Werken einerseits viele Gemeinsamkeiten hat, andererseits jedoch auch viele Unterschiede aufweist. Um dies genau zu prüfen, wurden absichtlich Werke von zwei Verfassern ausgewählt. Die Sprache der Schauspielstücke wird um die Merkmale herauszuarbeiten, mit der spanischen und italienischen Standardsprache, sowie italienischen Dialekte verglichen. Die Ergebnisse der Analyse stützen sich auf Beispiele aus den Beiträgen, wobei diese nur exemplarisch genannt werden und sonst in einer Tabelle im Anhang zusammengetragen werden. Alle Textstellen wurden dabei im Original übernommen und enthalten daher Fehler. Die Analyse orientiert sich vor allem an die von Kathrin Engels und Ursula Wurl.

In VAD findet nach 20 Jahren ein Klassentreffen von alten Schulkameraden statt und somit werden die Ausgewanderten nach Argentinien zu Eduardo eingeladen. Bei GDA betreibt eine argentinische Familie in Rom ein Restaurant. Auffällig ist hier, dass die Kommunikation untereinander manchmal schwierig ist, beispielswiese mit Martín, da er in England lebt und nur noch Englisch kann.

2.2.2 Veinte años después und Gris de ausencia: eine vergleichende Analyse

2.2.2.1 Graphie

Wie in 2.1.3 bereits erwähnt, kommt es beim Vokalismus zum Schwund des <e> vor einem <s> plus Konsonant. Ein Beispiel aus dem Text von Carlos M. Pacheco ist:

(1) ESTEBAN.– […] Creo que sia l’última … […] Ma, ma yo no estoy boracho, vía!… ¡ Stoy contento!… ¡Viva l’alegría, viva la risa!... […][2] (Anhang: xiii).

Eine Erklärung für diesen Wegfall ist die Ähnlichkeit von stoy mit dem italienischen sto und das Nichtexistieren des prothetischen <e> im Italienischen. Somit wurde die spanische Verbform von estar an die italienische von stare angepasst.[3] Auch im Theaterstück von Roberto Cossa existiert dieses Phänomen bei

(2) DANTE. – Stá bene. Osté no me ayuda. […] (Anhang: xxviii).

Aus dem gleichen Grund wie in (1) wurde hier está an sta angepasst. In diesem Werk tritt das Gegenteil tritt auf, und so wird das italienische sto in

(3) ABUELO.– [...] Cuando pase por la farmacia dechile a don Pascual que lo estó [4] esperando para cucar al tute. (Anhang: xxvii) hispanisiert. Genauso wird aber in VAD das <e> am Anfang von spanischen Lexemen vorangestellt, nämlich bei pongo in

(4) PALADINO.– […] A vos no te puedo engañar. Precisamente te la voy a recomendá pa sacarte esa blancura que e muy triste en la cabeza... […] Saquita el frasco e en dié minuto te lo deja de azabache... […] Mirá er bigote... ¡Dun golpe te epongo in lo treinta años! (Anhang: viii).

Es kann sich hierbei um eine Hyperkorrektur des epithetischen <e> im Spanischen an einem mit Konsonanten anlautendem Lexem handeln.

Die Tendenz des anlautenden <a> wurde in der Einführung aufgrund der Sekundärliteratur als Charakteristikum spanischer Lexeme genannt. In VAD hingegen erfolgt die Modifizierung einmalig bei dem italienischen Lexem rovinato.

(5) BERTI.– Dopo setti anni t’incontro!… Tu hai arrovinato la mía celebritá !... (Anhang: ix).

Trotzdem lässt sich bei rovinato die Tendenz zum anlautendem <a> und die gleichzeitige Verdoppelung des <r> bei einem italienischen Lexem durch den neapolitanischen Einfluss begründen, denn „in den südlichen Landschafen […] [wird] das anlautende [<r>] allgemein [arr-] gesprochen“ (Rohlfs 1949a: 226).

Das Anhängen eines auslautendem <e> hat den Grund, dass im Italienischen die Lexeme selten konsonantisch terminieren (vgl. Engels 2012: 89). Dies geschieht bei Pacheco des Öfteren, beispielsweise im folgenden Ausschnitt.

(6) BERTI.– ¡ Viajare, qué bello!... Oh, todavía espero gracia a Dío de hacer alguna temporada en Milano, en Niza, anche in Rusia... ¡ Ah, sí! Dequemos que acaba la güerra ! (Anhang: iv-v).

Ein weiterer Grund ist die Endung <e> bei italienischen Infinitiven, an das viajar ebenfalls angeglichen wurden (vgl. Reumuth/Winkelmann 31991: 142). Genauso bei GDA ist es ein immer wieder auftretendes Merkmal. Oft lässt es sich beim abuelo und Lucía finden, wie in

(7) LUCIA.– ¿A qué lora sale lu avione ? (Anhang: xviii) bei avión.

Die auslautenden Vokale entfallen nur im Theaterstück von Pacheco. Beispielsweise das <e> bzw. das <o> bei ragionare oder loro in

(8) MACIEL.– […] Non raggionar[5] di lor … […] Cuando a uno le han largao al mundo con esta fachia tosta … ¡Qué querés que se haga! (Anhang: i).

Der Wegfall des <e> vor einem <r> lässt sich durch den venezianischen Einfluss begründen (vgl. Rohlfs 1949a: 236) und der des <o> durch den piemontesischen, lombardischen, emilianischen oder romagnolischen (vgl. Rohlfs 1949a: 242). Es kommt allerdings auch vor, dass Vokale im Inneren eines Lexems entfallen wie z.B. bei entusiasmo in (9) BERTI.– […]¡Oh el couplet ! […] lo primero teatro del mondo… […] Tamagno… me parece de verlo con sua barba … […] son recuerdo sublime … Ah, muchacha, ostede que son cóvene ! Aprovécheno su tiempo… Yo tenía alhacas, brillante así gordo, dinero a la banca […] l’último empresario que o tenido me fundió co la temporada del Brasil… […] Ma todavía canto, eh ?... […] Ello me han aplaudido, con entusismo … se lo recuerdan muy bien… Todavía conservo in canastillo de flores que me mandó Edoardo, formando un lira ! […] se la llevado el tiempo!.. […] (Anhang: vi).

In (9) kommt es außerdem bei primero zu einer Vokalhinzufügung im Auslaut. Normalerweise ist diese Form bei männlichen Substantiven richtig, wenn primero aber vorangestellt wird, muss das <o> entfallen (vgl. Moriena/Genschow 2004: 106).

Ein Beispiel für die Apokope bei italienischen Lexemen lässt sich im gesamten Korpus nicht finden. Aber gewiss bei dem spanischen Lexem para, beispielshalber bei dem Sprechakt von Paladino in Beispiel (4). Die Apokope ist eine typische Besonderheit der Italiener, vor allem in der Region des Piemonts (vgl. Rohlfs 1949a: 245). Somit wurde das Apokopieren eines italienischen Lexems auf ein spanisches übertragen.

In beiden Texten kommt es zur Monophthongierung. In VAD von quiere, beispielweise in

(10) EL.– […] ¡ Bueno !... […] ¿A quién quere usted ? […] (Anhang: xvi).

Bei Roberto Cossa tritt die Monophthongierung bei tiene ein, wie z.B. bei

(11) LUCIA.– Dentro de sei mese, e no é securo. […] ¿Qué tene que hacer a Madrí que no pueda fachar a Roma? (Anhang: xix).

Ein möglicher Grund für beide Beispiele ist das Nichtexistieren des Diphthongs <ie> im Infinitiv querer und tener und die Anpassung der dritten Person Singular daran (vgl. Moriena/Genschow 2004: 283 und 285).[6]

Die einzige Diphthongierung im gesamten Korpus ist in GDA zu finden.

(12) ABUELO.– […] Cuando él e arrivato a la Aryentina tenía diecioto anno … e io vente. Sempre le quievé due anno. […] ¿Así que don Pascual está de turno oyi ? (Anhang: xxii).

Durch das Diphthongieren wurde das italienische diciotto dem spanischen dieciocho angeglichen (vgl. Reumuth/Winkelmann 31991: 90 und Moriena/Genschow 2004: 624).

In beiden Texten kommt es außerdem zu mehreren und verschiedenen Vokalschwankungen. Die Vokale schwanken dabei sowohl bei spanischen wie in (2) bei usted als auch bei italienischen Wörtern wie in (5) bei sette. Beide Schwankungen sind auf das süditalienische zurückzuführen (vgl. Rohlfs 1949a: 131 und 147).

An einer Stelle wird allerdings das <i> auch durch das Graphem <y> ausgetauscht.

(13) BERTI.– […] Tu bohemia e un misterio… hay un amore… (Anhang: xiv).

Dieser Austausch kommt zustande, weil beide Grapheme im Spanischen den selben Laut haben haben (vgl. Pomino/Zepp 22008: 42). Einen Sonderfall bildet folgender Satz aus VAD:

(14) BERTI.– […] ¡Non son iluiones della mía maginacíon ! […] (Anhang: iv)

mit dem Entfallen des anlautenden <i> von imaginación. Da der italienische Korrespondent dazu immaginazione lautet, ist dieser Fehler nicht darauf zurückzuschließen.

Steht im Spanischen nach dem <gu> ein <e>, so wird das <u> als Halbvokal gesprochen. Soll das <u> aber einen eigenen Laut haben, muss dieses zu einem <ü> modifiziert werden (vgl. Moriena/Genschow 2004: 28). Durch diese Weise wurde das spanische Lexem guerra in (6) an die italienische Aussprache [ˈguɛrra] angepasst (vgl. Reumuth/Winkelmann 31991: 2).

Die Elision zweier aufeinandertreffender Vokale findet sich in (1) wieder. In dem Fall entfällt das <a> von la und wird durch ein Apostroph an alegría angehängt. Dies kommt durch die Beeinflussung des Italienischen, in dem es auch noch heutzutage ein charakteristisches Merkmal ist. Im Gegensatz dazu, passiert bei Cossa in (12) das Gegenteil. Obwohl bei diecioto und anno zwei Vokale direkt aufeinander treffen, fällt das <o> nicht weg und anno wird nicht durch ein Apostroph angehängt. Normgerecht wäre im Italienischen nämlich diciottanni (vgl. TRE1).[7]

Wie Engels in ihrer Analyse richtig angedeutet hat, haben einige Autoren, um den Schauspielern die Betonung des Lexems zu zeigen, Akzente gesetzt (vgl. 2012: 70). In (6) befindet sich eine von vielen dieser Markierungen im Korpusteil A, nämlich Dío. Die Markierung erfolgt dabei nicht nur im Inneren eines Lexems, sondern auch am Ende wie bei osté in (2). In Korpusteil B dient folgendes Beispiel der Veranschaulichung:

(15) LUCIA.– Domándagli quando verrá a vedermi. (Anhang: xxv).

Außerdem lässt sich hier durch verrá eine der vielen Vertauschungen des Gravis <à> durch den Akuten <á> bei italienischen Lexemen erkennen. Diese Besonderheit geschieht auch bei VAD, beispielsweise in (5) bei celebrità. Diese Verwechslung kommt zu Stande, weil die Spanier nicht zwischen Gravis und Akut unterscheiden.[8]

Die Falschsetzung der Akzente geschieht beispielhaft in

(16) LUCIA.– […] Quedáte a Roma con me. (Anhang: xxvii).

In VAD erfolgt die einzige Falschsetzung bei (17) EDUARDO.– Pareló … (Anhang: iv).

Der Akzent müsste in beiden Fällen normgerecht auf die erste Silbe, also bei (16) auf das <e> und bei (17) auf das <a> (vgl. Moriena/Genschow 2004: 37f.). Ebenfalls das Gegenteil tritt im ersten Text auf und bei spanischen Lexemen entfallen die Akzente wie bei

(18) PONCE.– […] como en aquellos tiempos cuando eramos unos indios… (Anhang: xiv).

Auch bei italienischen Lexemen entfallen die Akzente, vor allem bei der konjugierten Form von essere, è, z.B. in (13) und hier:

(19) LUCIA.– […] ¡Non e [9] como noialtri! […] ¡Porque lo estranyero sono cosí! […] (Anhang: xxvii), Wie in 2.1.3 angesprochen, bildet ebenso der Konsonantismus ein Baustein der Graphie. In diesem wurde durch die Analyse von Engels die Sonorisierung des <c> zu <g> angesprochen. In den hier analysierten Texten, passiert genau das Gegenteil und so wird beispielsweise das spanische jugar in Beispiel (3) zu cucar.

In Pachechos Wer tritt dieses Phänomen nur dreimal auf, beispielsweise in (20) BERTI.– […] ¡Ah, sicuro !… ¡Yo finisco in tragedia con cuel huomo !… […]. (Anhang: xiii) bei seguro. Diese Schwankungen entstehen wegen des Italienischen, vor allem aber wegen des südtoskanischen Einflusses (vgl. Rohlfs 1949a: 321).

Zwar lässt sich bei Pacheco kein Beispiel des yeísmo finden, dabei aber bei Roberto Cossa, vor allem bei den Sprechakten von Dante und des abuelos wie yena in (21) ABUELO.– “Cuando escolto o sole mioooo… sensa mama e sensa amore… sento un frío cui nel cuore… que me yena de ansiedaaa… Será el alma de mi mamaaaa… que dequé cuando era un niño […] (Anhang: xviii).

Der yeísmo bei llena kommt zustande, weil „der palatale Lateral /ʎ/ in fast allen Varietäten […] des Spanisch[en] mit dem zentralen palatalen Approximanten [j], einem Allophon des Vokalphonems /i/, zusammengefallen ist“ (Dufter 2012: 174). Ein abweichendes Beispiel ist, wieso bei estranjero in (19) das Graphem <y> das Graphem <j> ersetzt und nicht wie gewöhnlich die Geminata <ll>. Eine mögliche Erklärung ist die ähnliche Schreibweise dieser zwei Grapheme bzw. die Hyperkorrektur, denn der Laut [x] des <j> hat nichts mit dem Laut des yeísmo gemeinsam (vgl. Pomino/Zepp 22008: 42).

In beiden Korpusteilen kommt die Funktion des auslautenden <s> vor, bei Dío in (6) für VAD und bei GDA im folgenden Abschnitt bei vamos.

(22) DANTE.– […] Andá a prepararte. ¡ Vamo ! (Anhang: xxi).

Der Ausfall kann zwar auf die Beeinflussung des Italienischen zurückgeführt werden, in dem Lexeme selten mit Konsonanten terminieren, ist aber ebenfalls ein typisches Merkmal der tierras bajas in Südamerika (vgl. Engels 2012: 95 und Dietrich/Noll 62012: 229). Diese Ausschnitte zeigen dabei nur zwei von vielen. Eine weitere Funktion des <s> ist die des Ausfalls im Inneren eines Lexems. Dies erfolgt nur in GDA beim abuelo, z.B. bei Pascual in

(23) ABUELO.– Cucá osté, don Pacual. […] cruzamo Paseo Colón e no vamo a cucar al tute baco lo árbole. […] Con el mío babbo e la mía mamma… […] E el queneral hablaba e no dicheva: “Descamisato... del trabaco a casa e de casa al trabaco”. E eya era rubia e cóvena. […] Ma… dopo me tomé el barco. […] Soñé Tarento, con chien regreso...” […] (Anhang: xxix).

Die Aspiration des <s> vor anderen Konsonanten ist dabei typisch für viele Teile Argentiniens und Uruguays (vgl. Bein 2012: 74). Allerdings lässt sich durch (3) sehen, dass das Entfallen des <s> von Pascual nicht konstant beim abuelo ist. Eine Besonderheit aus VAD ist hingegen der einmalige Ausfall des <z> bei dié in (4). Das eigentlich gemeinte Lexem lautet in dem Fall diez.

Die Theorie über die Rhotazierung des <l> zu <r> im Cocoliche lässt sich anhand von er in (4) bestätigen. Dieses Phänomen tritt allerdings nur viermal in VAD auf. Die Rhotazierung erfolgt vor allem in der Toskana und der Artikel er kommt ins besondere in dem Gebiet von La Spezia vor, entstammt also dem Ligurischen (vgl. Rohlfs 1949a: 402f.).

Ebenfalls richtig angemerkt in Engels Analyse ist das Nichtexistieren des Lautes [x] in der italienischen Phonetik (vgl. Engels 2012: 98). Somit kommt es in Beispiel (9) bei cóvene bzw. joven zur Substitution mit dem Laut [k] und folglich dem Graphem <c>. Bei Roberto Cossa tritt der Wechsel der zwei Velaren [x] und [k] beispielsweise bei cucar bzw. jugar in (3) ein.

Ein Unterschied der beiden Texte bezüglich der Geminaten ist, dass der erste spanische und italienische Konsonanten verdoppelt, wie z.B. das spanische caramba in (24) ESTEBAN.– […] Carramba, me parecía mentira, me parecía... de vorverte a incontrar... […] Tanta calaverada, tanta fara, perder sempre la noche, la bebida, la vida alegre... […] ¿Qué se habrano hecho, me decía e la cuntestación era muy natural... […] Supe también de tu herencia... e me dique, siguro le tira vía in un par de año... meno mal se sienta la cabeza... […] (Anhang: v) und das italienische ragionare in (8). GDA vereinfacht nur die italienischen Geminaten, z.B. bei ecco in (25) ABUELO.– Eco … el Riachuelo… e dopo el Castello de Santangelo … (Anhang: xxviii).

Der erste Text hingegen reduziert ebenfalls die spanischen, beispielswiese borracho in (1). Eine mögliche Erklärung für die Reduzierung italienischer Geminaten und die Verdoppelung spanischen ist, dass im Italienischen, anders als im Spanischen, Geminaten vorkommen (vgl. Engels 2012: 99). Werden aber spanische Konsonanten reduziert und italienische verdoppelt, dann handelt es sich um eine Hyperkorrektur.

Musterbeispiel (8) repräsentiert nicht nur den Schwund der auslautenden Vokale sondern durch largao auch ein typisches Merkmal der Umgangssprache im Raum von Buenos Aires, den Wegfall des intervokalischen <d> (vgl. Ennis 2008: 309). Im Unterschied zu Anhang A, in dem sich elf dieser Besonderheiten befinden, ist folgender Satz

(26) FRIDA.– Pues a mí nunca me ha pasao. (Anhang: xx)

der einzige Vertreter in Korpusteil B. Umso erstaunlicher ist es, dass der Ausfall des finalen <d> öfter bei GDA als bei VAD vorkommt. Ein Beispiel dafür ist (11) mit Madrí und bei VAD

(27) BERTI.– Yo trinaba come un ángelo… osté lo sabe… (Anhang: vii)

mit dem modifiziertem usted. Eine Ausnahme aus VAD bildet folgender Ausschnitt der Figur Berti

(28) BERTI.– ¡Qué lindo el valser !... Lo bailaría, ma peró siento un certo esvanecimiento … […] Estoy sonambúlica … […] (Anhang: viii).

Hier entfällt das <d> im Anlaut von desvanecimiento, was typisch für die Gaucho-Sprache ist (vgl. Lipski 1994: 168).

In Korpusteil A lässt sich eine Einfügung des <h> am Anfang des italienischen Lexems uomo in (20) feststellen. Da das <h> in beiden Sprachen stumm ist, hat diese Einfügung eine ästhetische Funktion und keinerlei phonetische Wirkung (vgl. Moriena/Genschow 2004: 31 und Reumuth/Winkelmann 31991: 7). Eine weitere Rolle des anlautendem <h> ist die des Wegfalls aufgrund seiner Stummheit. Dies erfolgt in (9) bei dem italienischen Verb ho[10] und im folgendem bei ha:

(29) LUCIA.– […] ¿ Quié lo a deto? ¿Dío a deto que tu lucar está a Madrí? […] ¿Una ayencia de turismo? (Anhang: xix).

Außerdem findet sich im vorherigen Beispielausschnitt mit quié der einzige Wegfall des auslautenden <n> in GDA. In (9) hingegen befindet sich mit co eines der vier Einzelfälle in VAD.

Die Verbindung <ce> wird im Italienischen [tʃe] oder [tʃɛ] ausgesprochen und im lateinamerikanischen Spanischen [se]. Um die richtige Aussprache zu erhalten, muss folglich <che> geschrieben werden (vgl. Engels 2012: 67). Mehrere Anpassungen dieser Art kommen im Werk von Roberto Cossa vor, wie bei piace in

(30) DANTE.– […] A la yente no le piache cuesta cosa italiana que osté toca. […] Cuesto e una trattoría aryentina. […] (Anhang: xxvi).

Diese Substitution findet seltsamerweise auch bei spanischen Lexemen statt, z.B. bei cocido im folgenden Ausschnitt

(31) DANTE.– […] tre chinculino molto cuchido... due mocheca e una insalta de tomate e chipolaaa... […] (Anhang: xxi).

Die Verwendung des <ch> anstelle von <c> bei spanischen Lexemen lässt sich durch eine Hyperkorrektur erklären. Anhand des oben aufgeführten Sprechaktes von Dante lässt sich der Austausch des <ci> und <chi> bei einem italienischen Lexem sehen. Der Grund wieso cipolla als chipolaaa realisiert wird, ist der gleiche wie bei der Verbindung <ce> und <che> (vgl. Engels 2012: 67). Aber auch das <cha> wird durch ein <ca> in GDA ersetzt, wie bei chanzoneta in

(32) ABUELO.– “Canzoneta gri de ausencia cruel malón de pena vieca escondida en la sombra de mi alcohol… […] ¿Cuándo vamo a volver a Buenosaria, Chilo?. (Anhang: xxvii).

Durch diese Ersetzung wird das <c> als [k] und nicht als [tʃ] realisiert und damit erfolgt nicht die spanische Aussprache von chanzoneta, sondern die italienische von canzonetta (vgl. Pomino/Zepp 22008: 42 und Reumuth/Winkelmann 31991: 2). Tritt die Ersetzung des <ch> bei der Verbindung <cc> auf, wie in fachia bei (8), so werden die Geminaten ebenfalls reduziert. Bei GDA ist dies in

(33) LUCIA.– ¿Cosa suchede ? (Anhang: xxi)

der Fall.

Es erfolgt also neben der Betonungsmarkierung durch Akzente auch eine Aussprachshilfe für die Schauspieler seitens der Autoren. Jedoch lässt sich anhand von fachar bei (11) und chien bei (23) erkennen, dass der Nexus <ch> ebenfalls andere Funktionen einnimmt. Bei fachar wurde das italienische Ursprungslexem fare komplett verändert, d.h. die letzte Silbe - re wurde durch – char substituiert. Chien hingegen verdeutlicht die Anwendung der Substitution <c> durch <ch> bei einem spanischen Ursprungslexem, nämlich recién. Des Weiteren wurden hier die Anlautsilbe re - und der Akzent der letzten Silbe weggelassen. Eine Gemeinsamkeit ist, das in beiden Lexemen die Verbindung re abhandengekommen ist. In (3) werden ein <e> und die Geminaten <ch> sogar im Inneren des Lexems dile eingefügt. Eine weitere besondere Aufgabe des <ch> ist die Ersetzung des <z>, welche mehrmals in GDA auftritt, beispielhaft bei vez in

(34) LUCIA.– Cada veche lo discutimo meno, entonche. […] (Anhang: xix).

Da die spanische Lautbildung von <qu> vor <e> und <i> identisch mit der italienischen <ch> ist, wird in

(35) PALDADINO.– […] Lindo recuerdo me quédano del teatro… […] toda son nena, son moñeca delicada, llena de capricho, de coquetería, denvidia … […] l’empresario ha sido il sirviente de todo el mundo e se mira al especo e s’encuentra flaco com eun perro. Al diávolo la lírica e qui fondó la Scala!… Sabe qué me queda de mi vida d’empresario ?... Ina cundecuracinón […] “Al mío caro Paladino”. […] (Anhang: viii-ix)

der Ausdruck chi als qui realisiert. (vgl. Moriena/Genschow 2004: 28 und Reumuth/Winkelmann 31991: 2). Das Gleiche passiert bei GDA in

(36) DANTE. – […] Quiamada da Londra. (Anhang: xxiv).

bei chiamata. Die gegenteilige Anpassung findet in diesem Werk aber ebenfalls einmal bei einem spanischen Lexem statt, nämlich bei marque in

(37) DANTE.– Eh … […] Bruno marche do empanada e tre loco a la camatarqueña … (Anhang: xxvi).

Außerdem ersetzt das <qu> das <j> in VAD in (6) bei dem Lexem dequemos und in GAD in (21) bei dequé. Da wie bereits erwähnt, <j> wegen des Lautes [x] durch <c> ersetzt wird, kann es sich bei der Ersetzung mit <qu> um eine Hyperkorrektur handeln.

Das <gli> hingegen existiert nur im Italienischen und somit können nur Lexeme aus dieser Sprache durch das <li> verändert werden. Anhand von

(38) LUCIA.– […] ¡ Domándali si fa freddo a Londra ! (Anhang: xxvi)

lässt sich das einzige Exempel des Korpusteil B für den Ersatz des <gli> durch <li> demonstrieren. Durch diesen Austausch verändert sich die Aussprache von [ʎ] zu [l] (vgl. Reumuth/Winkelmann 31991: 2). Das <gli> bleibt ansonsten in beiden Werken erhalten und damit ist diese Vorgehenswiese nicht durchgehend. In Beispiel (15) bleibt das <gli> z.B. genau bei demselben Lexem wie in (38) erhalten.

Genau wie in der Einführung beschrieben wurde, substituiert das <ye> in Beispiel (30) beim italienischen gente das <ge>. Diese Anpassung erfolgt ebenso bei spanischen Lexemen, z.B. ayencia in (29). Die spanische Aussprache von agencia, wird durch diesen Ersatz an das italienische agenzia angepasst (vgl. Reumuth/Winkelmann 62011: 2 und Pomino/Zepp 22008: 42). In (12) dagegen ersetzt <yi> aus dem selben Grund mit oyi die Geminaten <gg> beim italienischen oggi. Anhand dieser Exempel lässt sich erkennen, dass das Ersetzen in GDA auf intervokalischer und anlautender Ebene erfolgt.

[...]


[1] Von nun an werden Beiträge aus der Onlineausgabe der Real Accademia Española mit dem Kürzel RAE im Fließtext belegt und durchnummeriert. Die genaue URL findet sich im Literaturverzeichnis.

[2] Die für die These benötigten Beispiele werden von nun an im weiteren Verlauf der Arbeit fett markiert. Es handelt sich also um eine durch den Autor dieser Bachelorarbeit bewirkte Hervorhebung und nicht um eine bereits im Korpus vorhandene. Außerdem werden Korpusausschnitte, die mehrere Merkmale enthalten, einmalig aufgelistet. Die Phänomene werden fett markiert und anschließend anhand von Verweisen erklärt.

[3] Zum gleichen Ergebnis kommt auch Engels, siehe S. 88.

[4] Stó kann auch als ein modifiziertes spanisches Lexem gesehen werden. Das Ursprungswort wäre dabei estoy. Allerdings wurde der Wegfall des auslautenden <y> nicht in der konsultierten Sekundätliteratur behandelt.

[5] Lexeme, die mehrere Phänomene aufweisen, werden in der Tabelle im Anhang den verschiedenen Merkmalen zugeordnet. In der Arbeit werden diese nur bei einem Phänomen aufgelistet.

[6] Außerdem lässt sich in 2.2.2.2 erkennen, dass die Monophthongierung ebenfalls ein häufiges Phänomen der voseo -Formen ist. Siehe dazu S. 25.

[7] Von nun an werden Beiträge aus der Onlineausgabe des Treccani mit dem Kürzel TRE im Fließtext belegt und durchnummeriert. Die genaue URL findet sich im Literaturverzeichnis. Des Weiteren wird im Kapitel 2.2.2.2 bei den Artikeln und Präpositionen näher auf das Phänomen der Elision eingegangen.

[8] Zum gleichen Ergebnis kommt auch Engels, siehe S. 70.

[9] Das e kann zwar auch als Phänomen für das Entfallen des <s> bei der spanischen Verbform es gesehen werden, steht hier aber in einem italienischen Kontext.

[10] Hier kann es sich zusätzlich um eine Vokalschwankung beim spanischen Lexem he handeln.

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Elemente des Cocoliche in ausgewählten Texten der Literatur von Carlos M. Pacheco und Roberto Cossa. Ein Vergleich
Hochschule
Universität des Saarlandes  (Romanistik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
72
Katalognummer
V308640
ISBN (eBook)
9783668068421
ISBN (Buch)
9783668068438
Dateigröße
968 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Cocoliche, Immigration, Literatur, Argentinien, Uruguay, Italien
Arbeit zitieren
Eleonora Ricciolini (Autor:in), 2015, Elemente des Cocoliche in ausgewählten Texten der Literatur von Carlos M. Pacheco und Roberto Cossa. Ein Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308640

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