Zwischen Swahili und Englisch. Die Aneignung von HipHop in Tansania


Hausarbeit, 2009

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung. 2

2. Von der Bronx bis in die Straßen Dar es Salaams ... 3
2.1 Die Entstehung von HipHop in den USA ... 3
2.2 Die Aneignung von HipHop in Tansania ... 4

3. Der Einfluss der Sprachpolitik ... 7
3.1 Die Swahilsierung Tansanias ... 7
3.2 Das Ende der Swahilisierung ... 8
3.3 Sprachpolitik und Sprachwechsel - Ein Zusammenhang? ... 9

4. Ausblick: Vergleiche mit anderen Ländern – Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten ... 10

5. Der Sprachwechsel – Politik, Zufall oder musikalische Notwendigkeit ... 11

6. Literaturverzeichnis ... 12

1. Einleitung

HipHop[1] hat sich seit seiner Entstehung in den 1970er Jahren in den Straßen New Yorks global verbreitet und sich zu einem kommerziell sehr erfolgreichen Konzept entwickelt. HipHop ist dabei nicht nur in Industrienationen wie Deutschland oder England vertreten, sondern auch in den so genannten Entwicklungsländern der dritten Welt. Hier wird HipHop von den Forschern eine besonders große Bedeutung beigemessen: „HipHop ist 'vielleicht die wichtigste Äußerungsform postkolonialer Kultur im Weltmaßstab' und 'die afrikanische Kultur [ist] zum wichtigsten Subtext der weltweiten Popkultur' geworden.“ (Lipsitz 1999: 82, zitiert nach Raab 2006: 43). Die Kombination afrikanische Kultur und HipHop birgt also ebenso Interessantes wie Relevantes.

Diese Arbeit wird sich mit Tansania beschäftigen, da hier gleich mehrere interessante Gegebenheiten vorhanden sind. Auf der einen Seite fällt die Sprache auf, die im tansanischen HipHop verwendet wird. Es handelt sich nämlich nicht um Englisch, wie in den USA, dem Herkunftsland des HipHop, sondern um Swahili [2]. Auf der anderen Seite hat die tansanische Regierung nach der Unabhängigkeit Swahili enorm gefördert und entwickelt. Meine Absicht ist es, hier mögliche Zusammenhänge herauszustellen.

Im Rahmen dieser Arbeit soll also die Aneignung von HipHop in Tansania beschrieben werden, um danach zu ergründen, warum die tansanischen Musiker sich Anfangs auf Englisch ausdrückten, nun aber fast ausschließlich auf Swahili rappen. Ich habe vor eventuelle Verbindungen zwischen der Sprachpolitik Tansanias und der Sprachwahl der Musiker herauszustellen. Dafür wird die Entwicklung von Swahili zur Nationalsprache Tansanias nachvollzogen.

Am Schluss werde ich dann versuchen, mit kurzem Blick auf andere Länder, in denen HipHop angeeignet wurde, die Erkenntnisse zu verallgemeinern und wenn möglich, allgemeine Theorien aufzustellen.

2. Von der Bronx bis in die Straßen Dar es Salaams

2.1 Die Entstehung von HipHop in den USA

Obwohl HipHop heute von mancher Fachliteratur und der Öffentlichkeit mit Rap gleichgesetzt wird (Verlan 2003: 140), steht die Bezeichnung HipHop auch für DJing, Breakdance und Graffiti. Dieser undifferenzierte Umgang mit dem HipHop-Begriff kommt daher, dass Rap kommerziell am erfolgreichsten ist und demnach in der Öffentlichkeit die größte Präsenz hat, obwohl Rap sogar das jüngste Element des HipHop ist (ebd.).

HipHop entstand in den 1970er Jahren in den Straßen New Yorks in den Vereinigten Staaten von Amerika (Raab 2006: 23). Die politische Situation war trotz der aufgehobenen Rassentrennung angespannt, denn viele afroamerikanische Bürger und Menschen lateinamerikanischer Herkunft, die unter anderem in der Bronx und ähnlich benachteiligten Vierteln New Yorks lebten, waren sozial und ökonomisch marginalisiert (ebd.). Ein Beispiel wäre, dass die für sie unerschwinglichen Eintrittsgelder sie von öffentlichen Parties ausschlossen. Um der Ungerechtigkeit zu trotzen, veranstalteten sie so genannte Bloc Parties (Verlan 2003: 140). Dafür wurden in Hinterhöfen öffentliche Stromleitungen angezapft und ein Discjockey (DJ) spielte Musik für die tanzende Menge (ebd.). Die Break-Passagen der Lieder, also Abschnitte, in denen nur Rhythmus aus Schlagzeug und Bass zu hören war, stellten sich schnell als sehr beliebt heraus und wurden deshalb von den DJs mit Hilfe von zwei Plattenspielern künstlich verlängert (ebd.). Die Break-Passagen wurden so immer länger und da in diesen Passagen nicht mehr getanzt wurde, tanzten Breakdancer, die mit den DJs zusammenarbeiteten um die Menge zu unterhalten (ebd.). Zu diesen Tanzeinlagen wurden schließlich noch Rapper engagiert, die mit ihrem Mikrofon durch Reime und Sprüche die Menschen wieder zum Tanzen animierten (ebd.). Unter den Rappern war es wichtig, möglichst kreativ zu sein und so entstanden auch Wettstreits zwischen den Rappern um das Publikum zu unterhalten.

Die große Beliebtheit der Rapper, der Wettstreit und die stetig steigende Erwartung des Publikums bewirkten, dass die Sprach- und Argumentationsfähigkeiten der Rapper immer mehr gefordert wurden und sich dadurch rasant entwickelten (Verlan 2003: 141). Wichtig ist hier festzuhalten, dass die Sprache der Rapper von Slang durchsetzt war und zum Teil auch neue Wörter kreiert wurden (Raab 2006: 25)[3]. Durch die immer neuen Ideen, Reime und Sprüche der Rapper standen schließlich nicht mehr wie in den Anfangstagen die DJs im Vordergrund, sondern die Rapper selbst (Verlan 2003: 140). HipHop umschließt zwar seit seiner Entstehung mehr als bloß Rap, jedoch entwickelte sich Rap bereits schon früh als das Aushängeschild von HipHop, was die undifferenzierte Verwendung der Begriffe HipHop und Rap erklärt.

Ein weiteres Element von HipHop ist Graffiti. Bei Graffiti handelt es sich um mit Sprühdosen[4] an Flächen aufgetragene, künstlerisch gestaltete Schriftzüge, die meist den Namen einer Gruppe, Gang oder eines Künstlers darstellen sollen. Graffiti ist vielleicht von der Öffentlichkeit, sowie von der Wissenschaft, der am meisten unterschätzte Teil des HipHop. Viele Abhandlungen konzentrieren sich nur auf die anderen Elemente von HipHop, da sie leichter zu fassen sind, weil sie weiter verbreitet und kommerziell erfolgreicher [5] sind. Bei Graffiti geht es allerdings nicht nur um das reine Schreiben seines Namens bzw. seines Künstlernamens, es geht vielmehr um das Markieren und in Besitz nehmen von öffentlichen Flächen durch marginalisierte Gruppen (Raab 2006: 66). Raab bezeichnet das Besprühen von Wänden und ähnlichen Flächen als „Aneignung des öffentlichen Raums, in der Abgrenzung von anerkannten Autoritäten und dominanten Institutionen“ (ebd.).

HipHop ist also alles in allem hochpolitisch. Nicht unbedingt durch die Texte, sondern vielmehr werden durch die Präsenz der Musik in den Medien und den Graffitis an öffentlichen Flächen sozial marginalisierte Gruppen in den USA in den Mittelpunkt der Popkultur gerückt. So können sie sich mitteilen und auf ihre schlechten Lebensbedingungen aufmerksam machen (Raab 2006: 24).

2.2 Die Aneignung [6] von HipHop in Tansania

HipHop entwickelte sich in Tansania genau umgekehrt zum Vorbild USA. Während HipHop in den USA in den Straßen entstand und seine Entwicklung von marginalisierten Gruppen getragen wurde, wurde HipHop in Tansania durch die „Kinder der Elite“ eingeführt und von dort aus zum Massenphänomen und erreichte so wiederum die Massen in den Straßen (Raab 2006: 50). Die angesprochenen Kinder der Elite, also Kinder aus Diplomatenfamilien und relativ wohlhabenden Familien mit Zugang zum amerikanischen Musikmarkt, führten auf Kassetten Rapmusik und damit HipHop in Tansania ein. Dass sie diese Musik verbreiteten und somit zu Cultural Brokers[7] wurden war nicht vorhersehbar, denn Aneignungsprozesse lassen sich generell nicht vorhersagen (ebd.).

Raab unterteilt den Aneignungsprozess in drei Phasen und folgt damit dem Konzept von Prévos[8], der dieses Modell bereits auf die Aneignung von HipHop in Frankreich anwendete.

Die erste Phase trägt den Namen „Arrival und Borrowing – Die Jahre der Elite“ (Raab 2006: 52). Wie oberhalb beschrieben erreichte HipHop in dieser Phase Tansania durch Menschen, die Zugang zum Musikmarkt der USA hatten und verbreitete sich von da an vor allem in elitären Kreisen. Hier fand schon eine erste Selektion statt: Rap, Breakdance und Graffiti wurden mehr oder weniger übernommen, DJing von Anfang an außen vor gelassen (ebd.).

Die anfängliche Verbreitung von HipHop, insbesondere von Rapmusik, erfolgte hauptsächlich über Parties. Hier wurde, ähnlich wie bei Karaoke, Rapmusik aufgelegt und die Gäste konnten englische Rapsongs imitieren. Die eigentliche Verbreitung erfolgte also nicht über Tonträger, sondern über live Auftritte auf Parties (Raab 2006: 54). Raab bezeichnet das als Lernphase des Englisch-Rappens (ebd.).

Politisch ist es sehr interessant, dass HipHop als Kulturgut der westlichen Welt genau zu dem Zeitpunkt in Tansania relevant wurde, als Julius Nyere, der erste Präsident Tansanias nach der Unabhängigkeit, infolge seiner gescheiterten Ujamaa-Politik[9] zurücktrat, die für die Rückbesinnung auf ursprüngliche, tansanische Werte und sozialistische Lebensweise stand (Raab 2006: 52).

Die zweite Phase, „Adoption - Die ersten Swahili-Rapper“ (Raab 2006: 55), wird durch einen Sprachwechsel innerhalb der Rapmusik eingeleitet. Nach der Lern- und Immitationsphase rappten die Musiker zunehmend auf Swahili und nicht nur die Sprache wurde den eigenen Bedürfnissen angepasst, sondern mit ihr veränderten sich auch die Inhalte von Rapmusik in Tansania. So entstand eine neue Bezeichnung für Rapmusik auf Swahili: Swahili-Rap (Raab 2006: 55f.). Hier stellen sich die zentralen Fragen dieser Arbeit: Warum erfolgte der Sprachwechsel? Hängt er mit der Sprachpolitik Tansanias zusammen oder hat er vielleicht andere Gründe?

Die Emanzipation vom amerikanischen Rap war jedoch noch nicht komplett. Die Texte behandelten jetzt zwar Themen und das in einer anderen Sprache, es gab jedoch keine eigenen, tansanischen Beats[10] und so wurden weiterhin Beats berühmter Rapsongs aus den USA verwendet (Raab 2006: 56). Raab nennt als Beispiel den tansanischen Rapper Saleh J, der das damals bekannte Stück „Ice ice baby“ von Vanilla Ice, in dem es um so genannte drive-by-shootings geht, mit neuem Text versah um so vor AIDS zu warnen, natürlich auf Swahili (ebd.). Ab 1993 entstanden dann die ersten tansanischen Beats (Raab 2006: 59) und im Zusammenwirken mit der Privatisierung der Medien, die unter anderem einen eigenen Sender für tansanischen Swahili-Rap entstehen ließ, erhielt die noch junge Musikrichtung den letzten nötigen Schub, um zum Massenphänomen zu werden (Raab 2006: 60ff.).

[...]


[1] Eine genauere Begriffsdefinition und Abgrenzung von HipHop und Rap folgt im nächsten Teil

[2] Die Schreibweise Swahili wurde dem Internetlexikon des Duden entnommen und ist synonym mit der Schreibweise „Suaheli“

[3] Dieses Phänomen scheint im Rap eine große Rolle zu spielen, so wird zum Beispiel auch in Frankreich kein reines Französisch gerappt, sondern in Dialekten, Jugendsprache, etc. (Scholz 2003: 149).

[4] In Tansania und anderen afrikanischen Ländern werden oftmals aus Kostengründen keine Sprühdosen verwendet sondern Farbe und Pinsel (Raab 2006: 67)

[5] Zumindest Rap und zum Teil DJing.

[6] Mit Aneignung meine ich das Übernehmen von einem fremden Konzept, in diesem Fall HipHop und das Anpassen in den eigenen Kontext durch Selektion und Transformation.

[7] “Cutural Brokers übernehmen Aufgaben der Verlinkung und Vermittlung von kulturellen Ideen zwischen verschiedenen Gesellschaften.” (Raab 2006: 50).

[8] siehe Literaturliste

[9] Auf die Ujamaa-Ideale und die damit zusammenhängende Sprachpolitik wird in Teil 3 eingegangen.

[10] = rhythmische Musik, die im Hintergrund die Grundlage für die gerappten Textpassagen dient.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Zwischen Swahili und Englisch. Die Aneignung von HipHop in Tansania
Hochschule
Universität Bayreuth
Veranstaltung
Popmusik in Afrika
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
13
Katalognummer
V308479
ISBN (eBook)
9783668066502
ISBN (Buch)
9783668066519
Dateigröße
589 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rap, HipHop, Popmusik, populäre Musik, Ostafrika, Ethnologie, Ethnomusikologie, ethnomusicology
Arbeit zitieren
Fabian Speitkamp (Autor:in), 2009, Zwischen Swahili und Englisch. Die Aneignung von HipHop in Tansania, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308479

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