Die Zerstörung Aquileias durch Attila und die Hunnen. Motive und Zielsetzung

Eine Untersuchung


Seminararbeit, 2015

31 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Einleitung

3. Die Hunnen unter Attila
3.1. Herkunft der Hunnen
3.2. Attila
3.3. Ausbreitung und Bedrohung für das Römische Reich
3.4. Aktion und Reaktion – Einfluss und Veränderungen durch Attila

4. Aquileia
4.1. Gründung und Entwicklung
4.2. Bedeutung Aquileias im Römischen Reich in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten

5. Der Sturm Attilas auf Aquileia und dessen Zerstörung
5.1. Italienfeldzug Attilas
5.2. Warum Aquileia?

6. Conclusio

7. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Vorwort

Ein Besuch Aquileias im letzten Jahr machte mich neugierig. Die Fahrt durch die imposante Kulisse der kargen Julischen Alpen, die das Kanaltal umzingeln, der abrupte Übergang in eine fruchtbare Ebene, die Richtung Adria immer mehr an mediterranem Charakter gewinnt – all dies deutet bereits auf die besondere geographische Lage Aquileias hin. Kommt man dann in den kleinen Ort, scheint alles vom imposanten mittelalterlichen Dom überschattet zu sein. Erst der Besuch der römischen Ausgrabungen am ehemaligen Forum, des Flusshafens und einzelner Gebäude sowie von Resten eines Friedhofs mitsamt den noch erkennbaren Abdrücken von Circus und Theater im Gelände geben zwar beeindruckende Hinweise, lassen aber die ehemalige Größe der Stadt nach wie vor nicht vollends erahnen, wie sie sich in den überlieferten antiken Quellen darstellt. Genau dieses nicht mehr Vorhandene regte mich zur Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes an. Abrupt vollzog sich in Aquileia der Bruch, der die Stadt von der Blühte in den Verfall schickte. Der Ansturm der Hunnen traf Aquileia mit voller Härte und dies nicht ohne Grund, war die Stadt doch damals unter den reichsten und bedeutendsten des gesamten römischen Weltreichs. Das wusste auch Attila, der König der Hunnen, als er 452 Aquileia in seinem Italienfeldzug als erste Adresse wählte. Genau diese Tatsache führte mich zur Beschäftigung mit den Hunnen, die als eine der vielen Triebkräfte des Zerfalls des römischen Reichs genannt werden kann. Dies motivierte mich, anhand dieses Beispiels die Transformationsprozesse, die im 5. Jhd. in vollem Gange waren, besser zu verstehen und ein punktuelles historisches Ereignis mit einer sich über einen längeren Zeitraum dauernden Entwicklung zu verknüpfen und in dieser Proseminararbeit aufzuarbeiten.

2. Einleitung

„Neither conquest nor settlement“, so charakterisiert Kelly (2015) den Vorstoß der Hunnen nach Europa. Diese Aussage wirft aber mehr Fragen auf als sie Antworten gibt. Verfolgt man die Westwärtsbewegung der Hunnen in der vergleichsweise kurzen Zeit, die rasche Wahrnehmung dieser neuen Gruppierung als wesentliche Bedrohung der romanisierten Welt und die folgenden Aktionen und Reaktionen auf beiden Seiten, könnte sich dieser Eindruck erhärten. „The Huns‘ origin as nomads marks them out as a disturbing and alien presence in a settled Mediterranean world. As complete outsiders, and without a voice of their own, the Huns can always be persuasively imagined as the ultimate threat to the (self-proclaimed) virtues of civilisation.“[1] So beschreibt Kelly die fremde Bedrohung weiter. Vorstöße und Rückzüge, sich wiederholende Angriffe und Gegenangriffe, gefolgt von diplomatischen Missionen und Verhandlungen, die in temporären Friedensperioden resultierten, lassen weder auf Seiten der Hunnen noch im West- und im Oströmischen Reich eine klare strategische Zielrichtung, noch dazu in einer Zeit der Umwandlung der römischen Welt, erkennen. Fehlende schriftliche Quellen der Hunnen, teilweise schwer interpretierbare archäologische Befunde und zeitgenössische Quellen, die immer aus dem römischen oder griechischen Blickwinkel zu lesen sind, erschweren die Forschungstätigkeit zu diesem Thema. Dennoch ergibt sich gerade dadurch eine Vielzahl an interessanten Fragestellungen, die bereits viele wissenschaftliche Beiträge zu den Hunnen, Attila und den Auswirkungen auf das römische Reich geliefert haben. Diese Proseminararbeit beschäftigt sich mit den Hunnen seit der Machtübernahme Attilas bis zu seinem Tod 453, was den Untersuchungszeitraum zeitlich umzäunt. Nach einer kurzen Verortung der Hunnen fällt der Schwerpunkt auf die Zeit der Machtkonzentration unter Attila und nimmt insbesondere die beiden Vorstöße gegen Westrom, den Gallienfeldzug 451 und den Einfall in Oberitalien 452 ins Visier der Betrachtung. Dabei spielen die politischen und militärischen Operationen der Hunnen und des West- und Oströmischen Reichs sowie die ökonomischen Aspekte eine wesentliche Rolle und sollen die steigende Bedrohung des Imperiums verdeutlichen. Diese Analyse dient als Vorspann zur eigentlichen Forschungsfrage: „Welche Einflussfaktoren bewegten die Hunnen unter Attila zum Angriff auf Italien und warum richtete sich der Angriff unter hunnischer Führung zuerst auf die oberitalienische Hafenstadt Aquileia?“ Vor der Folie des nur bedingt erfolgreichen Feldzugs gegen Gallien sollen die Motive und Zielsetzungen Attilas zu einem erneuten Angriff Westroms untersucht werden. Diente die Plünderung weiter Landstriche der Befriedigung der eigenen wirtschaftlichen Bedürfnisse, war es eine militärische Antwort auf die Situation nach der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern oder gar Bestrebungen einer territorialen Expansion? Kampf ums Überleben, Vergeltung oder Machtgier? Folgende Arbeitshypothese kann hierzu aufgestellt werden: Attila begann seinen Vorstoß nach Italien mit der Belagerung der prosperierenden Stadt Aquileia primär aus wirtschaftlichem Kalkül und zur Stillung seiner Begierde nach Beute und Zerstörung, sekundär aus strategischen und politischen Gründen, um Westrom so unter Druck und in Angst und Schrecken zu setzen, damit seine erneuerten Forderungen erfüllt werden.

Nach Durchsicht der vorliegenden Literatur stützt sich die Argumentation primär auf ausgewählte, möglichst den aktuellen Forschungsstand wiedergebende Werke zu den Hunnen und Attila, der römischen Spätantike sowie Aquileia. Dies soll neben Zuhilfenahme zeitgenössischer Quellen die vorhin aufgeworfene Forschungsfrage behandeln.

3. Die Hunnen unter Attila

Dieses Kapitel widmet sich der Darstellung der Hunnen. Nach einer bewusst überblicksmäßig angelegten Identitäts- und Herkunftsbeschreibung werden die Machkonzentration und die innerhunnischen Veränderungsprozesse seit 434 näher beleuchtet. Dabei wird auch die historische Figur Attilas umrissen. Für eine detaillierte Charakterisierung der Hunnen sei auf die entsprechende Literatur verwiesen.[2] Danach wird versucht, die Westwärtsbewegung der Hunnen und die Form der Bedrohung für das Römische Reich zu skizzieren. In der Folge wird beschrieben, welchen Einfluss Attila auf politischer und militärischer Ebene ausübte und welche Veränderungen bzw. Reaktionen dadurch hervorgerufen wurden.

3.1. Herkunft der Hunnen

Von den römischen Zeitgenossen wurden die Hunnen stark wahrgenommen, weshalb sehr ausführliche Informationen insbesondere über die Zeit Attilas vorliegen. Jedoch erlauben es die Quellen kaum, die Zeit der europäischen Hunnen vor Attila zu rekonstruieren. Weiters sind die Berichte über die hunnische Lebensweise sehr stark von Topoi und Stereotypen geprägt. Der Hunnenname erscheint in den spätantiken und mittelalterlichen Quellen ambivalent. Oft erscheint er als klar abgrenzbare ethnische Einheit, der ein gemeinsames politisches und militärisches Handeln zugeschrieben wird, dann wieder als ethnographischer Gattungsbegriff zur Beschreibung mit Bögen bewaffneter Reiterkrieger aus den Steppen Osteuropas. Hier konkurrierte er mit dem Skythen- und Gotenbegriff. Die genaue Herkunft der europäischen Hunnen wurde und wird in der Forschung kontrovers diskutiert und unterschiedlich erklärt, konnte über Hypothesen aber kaum hinauskommen. Die Hunnen kamen nicht als geschlossenes Wandervolk nach Europa. Vielmehr handelte es sich um einen durch raschen Zulauf verstärkten Heereszug von Steppenkriegern unterschiedlicher Herkunft. Um 375 traten die Hunnen jedoch plötzlich in Osteuropa in Erscheinung, was für die moderne Historiographie oft als Beginn der Völkerwanderungszeit galt. Die Hunnen unterwarfen die Alanen am Don und bewegten sich Richtung Schwarzes Meer und Donau. Alsbald wurden hunnische Reiter auch in römischen Armeen eingesetzt. Die Integrationskraft der Hunnen blieb zunächst gering, von einem geschlossenen Verband unter gemeinsamer Führung oder Politik ist nicht die Rede. 400 wird Uldin als erster Hunnenführer fassbar, der unter heftigen Kämpfen zwischen den einzelnen Barbarengruppen bis ins Karpatenbecken vorstieß, wo sich in den folgenden Jahrzehnten ein überregionales hunnisches Herrschaftszentrum herausbildete. Um 430 herrschten Octar und Rua, zwei Onkel Attilas über die Hunnen. 433 floh Aetius zu Rua und verbrachte seine Jugend als Geisel bei den Hunnen. In der Folge stießen die Hunnen mehrmals westwärts vor, unterhielten aber auch vertragliche Beziehungen zu Ostrom und erhielten von dort Jahrgelder. Nach dem Tod Ruas 434 traten die Söhne seines Bruders Mundzuc, Attila und Bleda die Herrschaft an.[3]

3.2. Attila

Attila, der Hunnenkönig, regierte nur kurze Zeit, aber diese wenigen Jahre machen einen wesentlichen Abschnitt der Weltgeschichte aus, auch wenn von ihm nicht viel bewegt wurde was von Dauer war. Der Schrecken, den er unter den unterworfenen Völkern verbreitete, wurde wieder rasch überwunden. Indirekt aber beschleunigte er durch sein Auftreten das Ende der Antike, und schon wenige Jahre nach seinem Tode hat das Weströmische Reich zu existieren aufgehört. Attila wurde von vielen als ein Räuber gesehen, dessen einziges Ziel Verwüstung und Plünderung zahlreicher Länder war und die Unterjochung und Vernichtung Einzelner und ganzer Völker beinhaltete. In der Tat vermochte die grausame Kriegsführung, die ständige Drohung mit Brutalität und Zynismus einen falschen Eindruck erwecken, der sich aber aus der Unkenntnis ethnischer Hintergründe und einem Unverständnis der eurasischen Nomadenwelt erklären lässt. Das Attribut der „Geißel Gottes“ machte ihn zu einer apokalyptischen Größe mit einer heilsgeschichtlichen Funktion. Dabei ist aber zu beachten, dass lediglich die griechische bzw. römische Perspektive, die das bereits entwickelte Barbarentopos zur Anwendung brachte, überliefert ist. Die andere, eine hunnische Perspektive gibt es nicht. Insbesondere die Autoren der westlichen Reichshälfte berichten über das Schrecken, das Unkalkulierbare und Überwältigende das über die eigene Welt hereinbrach und schwer einzuordnen war. Priscus gilt als einziger zeitgenössische Historiker, der sich aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen in besserer Erkenntnis bemühte, das Hunnenproblem zu verstehen und verständlich zu machen. Bei ihm scheint die Schreckensgestalt Attilas gegenüber einer plausibleren Darstellung zurückzutreten.[4] Bóna (1991) greift insbesondere die Priscus-Darstellung bzw. jene Teile in Jordanes, die von Priscus übernommen wurden, zur Einordnung Attilas auf. Einerseits wird er als Mann beschrieben, der Furcht und Schrecken, über die ganze Welt brachte, der hochmütig war und stolz seine Macht spüren ließ. Er liebte den Kampf über alles und handelte doch wohlüberlegt. Flehenden gegenüber zeigte er sich mitleidig und war gnädig gegenüber jenen, die sich ihm ergaben. Obwohl Attila andere mit seiner Gunst auszeichnete, herrschte am Hof dennoch Unsicherheit. Diese fängt Priscus, der dies hautnah miterlebt hat, gut ein. Die Könige und Militärführer der unterworfenen Völker harrten der Befehle Attilas und taten was er befahl. Auch die eigenen Söhne Attilas waren von großer Furcht erfüllt und waren ihm ehrfürchtig untergeben. Attila selbst wird von Priscus als bescheidener Mensch dargestellt, er war einfach gekleidet, achtete auf Reinheit, weder er noch sein Pferd trugen gold- oder edelsteinbesetzten Schmuck. Das von Priscus beschriebene Festmahl, das einer bestimmten Rang-, Wert und Würdenordnung einer differenzierten Gesellschaft folgte, deutet auf eine strenge Etikette hin, die nicht von den Römern oder Goten übernommen wurde, sondern noch aus Mittelasien stammt. Überraschend erscheint in dieser kriegerischen Gesellschaft die gegenseitige Ehrerbietung und Hochachtung. Attila tritt in berechneter Einfachheit auf, die jedoch durch seine unfreundliche bedrückende Persönlichkeit aufgewogen wird. Attila gilt weiters als abergläubischer Stimmungsmensch und großer Schauspieler, Eigenschaften, die der zeitgenössische Beobachter gut erkannte und auch auf seine Herrschaftsmethoden bezog.[5] Jordanes beschreibt das Aussehen Attilas wie folgt: „Er war klein von Gestalt, breitschulterig, dickköpfig, hatte kleine Augen, spärliches Barthaar mit Grau untermischt, eine platte Nase, dunkle Hautfarbe, und trug die Kennzeichen seines Ursprungs.“[6] In dieser Darstellung ist klar erkennbar wie gut der zeitgenössische Autor bereits auf der Klaviatur des Barbarentopos spielte. dd ddfHk So düster der hunnische König auch beim Festmahl erscheinen mag, wird doch eine persönliche Ausstrahlung vermittelt, die nur von den ganz großen Welteroberern berichtet wird. Bis zu den westlichen Feldzügen dürfte Attilas Name und Ruf bei den Weströmern, die mit den Hunnen jahrzehntelang verbündet waren und in Freundschaft lebten, gar nicht schlecht geklungen haben. Friede und Entfernung ließen ihn zum romantischen Helden, zu einem mächtigen, mutigen und großzügigen Herrscher werden. Erst mit den gallischen und italienischen Feldzügen wandelte sich dieses Bild und brachte unzählige Legenden und Interpretationen hervor, die lange Zeit weiterwirkten. Insbesondere im frühen Mittelalter kam es zu einer einseitigen Stilisierung der „Geißel Gottes“ und der Hunnen.[7] Altheim (1951) notiert, dass es die dämonischen, irrationalen Kräfte waren, die Attila vorwärts drängten.[8] Eine Ansicht, die durch neuere Forschung differenzierter gesehen wird. Die Zeit des Aufstiegs der hunnischen Großmacht und Attilas erhielt durch den Sturz und Mord an seinem Bruder Bleda eine neue Dimension. Die Quellen enthalten keine Angaben zu den Hintergründen und begrenzen sich auf die Tatsachen. Dieser Putsch dürfte eine länger zurückreichende Vorgeschichte haben und Attila hat systematisch an der Stärkung seiner Position gearbeitet und seine Alleinherrschaft vorbereitet. Auserwählte Personen wurden in die hunnische Elite erhoben, wobei die Geschwister Onegesius und Scottas der Hocharistokratie an die Spitze gestellt wurden. Ende 444 bzw. Anfang 445 wurde Bleda von Attila ermordet. Für das Überraschungsmoment und das militärische Übergewicht sorgten die germanischen Vasallenkönige, vor allem Edika und Ardarich. Bóna (1991) bietet eine grobe Rekonstruktion dieses Putsches. Demnach haben Ardarichs Gepiden den Ordu Bledas in Schach gehalten, die Skiren Edikas überfielen ihn, Attila mitsamt seinem Gefolge verübte den eigentlichen Anschlag.[9] Somit wurde Attila 445 zum hunnischen Großkönig, herrschte aber insgesamt nur acht Jahre, kürzer als alle seine Vorgänger. Vor diesem Hintergrund ist darauf hinzuweisen, das „hunnische Zeitalter“ keinesfalls als „Attilas Jahrhundert“ oder das Hunnenreich als „Attilareich“ zu bezeichnen. Jene, die Attila verhalfen, seine Vormachtstellung zu erreichen, warteten auf eine Belohnung, die nur in Form von Raubzügen und durch erhöhte Steuerbelastung der Besiegten aufgebracht werden konnte. Die Auffindung des vergrabenen Schwertes des Kriegsgottes Mars brachte den abergläubischen Hunnenfürsten immer mehr dazu, an die göttliche Herkunft seiner Macht und an seine weltbeherrschende Sendung zu glauben. Dieser Druck zum Machterhalt und -ausbau brachte Attila dazu, um jeden Preis und unter jedem Vorwand Kriege und Plünderungszüge zu beginnen.[10]

3.3. Ausbreitung und Bedrohung für das Römische Reich

Nach dem Tod Ruas 434 regierten Attila und Bleda gemeinsam über die Hunnen. Zu dieser Zeit waren sie damit beschäftigt, ihre eigene Macht zu konsolidieren und nicht unbedingt an kriegerischen Auseinandersetzungen interessiert. Sie beabsichtigten einen internen Zusammenschluss der einzelnen Stämme mit zunehmend zentralistischer Ordnung. Diese sich herausbildende Einheit führte zur Anbindung unterworfener germanischer Völkerschaften wie Rugier, Skiren, Gepiden und Ostgoten.[11] Der Heerführer Aetius, der an ein vereintes und einheitliches Weströmisches Reich glaubte, sich der unterschiedlichen Herausforderungen, insbesondere in Frankreich, wohl aber bewusst war, wandte sich 435 an die Brüder und erhoffte hunnische Truppen für eine Kampagne im Westen. Dies könnte die Hunnen von neuerlichen Einfällen in Ostrom abhalten und durch Unterstützung der Hunnen die römischen Interessen in Gallien aufrechterhalten. Man einigte sich auf eine Offensive gegen die Burgunder. Für die Hunnen ergab sich durch diese gestärkte Allianz mit Aetius im Westen eine gesicherte Rheingrenze und durch die römische Konzentration im Westen und den damit einhergehenden Verzicht einer Verteidigung der östlichen Provinzen die Möglichkeit eines möglichen ostwärtsgerichteten hunnischen Vorstoßes gegen Konstantinopel. 436 wurden die Burgunder besiegt, was wiederum die Goten als Anlass nahmen Narbo zu attackieren. 439 wurden dann die Hunnen und die Römer bei Toulouse gedemütigt. Zu dieser Zeit machte Theodosius II. einen Vorstoß zu einem Friedensvertrag mit den Hunnen. Für die Hunnen würde sich ein befriedeter Donauraum als Vorteil erweisen und die Möglichkeit zur weiteren inneren politischen Konsolidierung und zur Wiedergewinnung militärischer Stärke beitragen. Ausgewählte Angriffe nach Nord- und Osteuropa wären erfolgreicher als Kampagnen über die Donau. Die Hunnen erkannten, dass die Einbindung in interne römische Politik und die Unterstützung Aetius ein Fehler waren. Unter ihren eigenen Führern handelten die Hunnen optimal und konnten ihre eigenen Ziele verfolgen; diese Freiheit bot ein Vertrag mit Ostrom, der im Winter 439 in Margum verhandelt wurde. Der 4-Punkte-Plan umfasste die Rückgabe sämtlicher hunnischer Gefangener, den Verzicht der Römer auf Bündnisse mit Feinden der Hunnen, Handelsrechte auf gleichberechtigter Ebene und als wohl entscheidendsten Punkt die jährliche Zahlung von 700 Pfund Gold an die Hunnen. Dadurch reduzierten die Hunnen die Gefahr feindlicher Militäraktionen an der Donau und sicherten sich einen geregelten Zufluss von Gold. Theodosius ermöglichte diese Vereinbarung den Abzug von Truppen vom Balkan und deren anderweitige Verwendung. Entsprechend seiner Friedenspolitik erkaufte er sich diesen und sicherte die Kontrolle an den nördlichen Donaugrenzen, was dem Imperium strategische Flexibilität zurückgab. Es gab aber keine Garantie, dass die Hunnen die Vereinbarungen einhalten würden, Theodosius glaubte aber daran. 441 eröffneten Attila und Bleda eine Balkanoffensive, und Margum, der Ort des Friedensvertrages von 439, war das erste Angriffsziel. Von Sommer 441 bis Frühling 442 zogen die hunnischen Truppen plündernd durch alle großen Städte an der mittleren Donau und entlang der Morava. Teil des großen Erfolgs an der Donau war der Belagerungskampf, den die Hunnen im Laufe der Jahre optimiert hatten und den sie auch im Gallienfeldzug und bei der Belagerung Aquileias 452 weiter zur Anwendung brachten. Die Zerstörung der größten Städte im zentralen Sektor der Donau riss ein Loch in die Grenzverteidigungen des Reichs. In den Jahren nach der Balkan-Offensive entschied Attila, seinen älteren Bruder Bleda herauszufordern, der 445 dem bereits erwähnten Anschlag zum Opfer fiel.[12]

[...]


[1] Kelly (2015) 208.

[2] Siehe bspw. Wirth (1999), Stickler (2007) oder Thompson/Heather (1999).

[3] Anke/Pohl (2000) 246-250.

[4] Wirth (1999) 7-8.

[5] Bóna (1991) 73-80.

[6] Jordanis, Gotengeschichte, XXXV.

[7] Bóna (1991) 132.

[8] Altheim (1951) 130.

[9] Bóna (1991) 62-64.

[10] Bóna (1991) 71-72; ähnlich Altheim (1951) 131.

[11] König (2007) 92.

[12] Kelly (2008) 83-98.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Die Zerstörung Aquileias durch Attila und die Hunnen. Motive und Zielsetzung
Untertitel
Eine Untersuchung
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
PS BA-Proseminar - Die Umgestaltung der römischen Welt und die Geburt Europas: Europa, Byzanz und das Kalifat
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
31
Katalognummer
V308315
ISBN (eBook)
9783668064355
ISBN (Buch)
9783668064362
Dateigröße
733 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Attila, Hunnen, Aquileia, Oströmisches Reich, Weströmisches Reich, Völkerwanderung
Arbeit zitieren
Robert Stieber (Autor:in), 2015, Die Zerstörung Aquileias durch Attila und die Hunnen. Motive und Zielsetzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308315

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