Auswirkungen von Wissensmanagement auf die Geschäftsprozesse eines Unternehmens


Diplomarbeit, 2001

84 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Erklärung

Anhang (gesondert)

1 Einleitung
1.1 Motivation
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

2 Wissensmanagement als ganzheitlicher Ansatz
2.1 Wissen und Wissensmanagement
2.1.1 Bedeutung von Wissen
2.1.2 Zeichen, Daten, Informationen und Wissen
2.1.3 Organisationale Wissensbasis
2.1.4 Wissensmanagement
2.2 Kernprozess des Wissensmanagements
2.2.1 Definition von Wissenszielen
2.2.2 Wissensidentifikation
2.2.3 Wissenserzeugung
2.2.4 Wissensspeicherung
2.2.5 Wissensverteilung
2.2.6 Wissensanwendung
2.3 Gestaltungsfelder des Wissensmanagements
2.3.1 Unternehmenskultur
2.3.2 Personalmanagement
2.3.3 Management/Führung
2.3.4 Prozesse
2.3.5 Technologie
2.3.6 Controlling

3 Wissensmanagement und Geschäftsprozesse
3.1 Bedeutung der Prozessorientierung für das Wissensmanagement
3.2 Abgrenzung des Prozessbegriffs
3.2.1 Begriffsdefinition
3.2.2 Charakteristika von Prozessen
3.2.3 Routine-, Regel- und einmalige Prozesse
3.2.4 Materielle und informationelle Prozesse
3.2.5 Kern-, Operative-, Management- und Unterstützungsprozesse
3.2.6 Geschäftsprozessmodell einer Organisation
3.3 Konzentration des Wissensmanagements auf wissensintensive Geschäftsprozesse und Kernkompetenzen
3.3.1 Konzentration auf wissensintensive Prozesse
3.3.1.1 Wissensintensive Prozesse
3.3.1.2 Wissensorientierte Klassifizierung von Geschäftsprozessen
3.3.2 Konzentration des Wissensmanagements auf die Kernkompetenzen eines Unternehmens

4 Gestaltung von Prozessen aus Wissensperspektive
4.1 Framework des Prozesswissens
4.2 Business Intelligence

5 Geschäftsprozessmodell- und Geschäftsprozesserweiterung durch Wissensmanagement
5.1 Wissensmanagement als Management- und Unterstützungsprozess
5.2 Integration unterstützender Instrumente des Wissensmanagements in die Geschäftsprozesse
5.2.1 Instrumente zur Unterstützung des Wissensmanagement-Kernprozesses
5.2.2 Integration von Gelben Seiten in die Geschäftsprozesse
5.2.3 Integration von Lessons learned in die Geschäftsprozesse

6 Empirische Untersuchung von Beratungsunternehmen

7 Zusammenfassung und Ausblick

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Begriffshierarchie Zeichen, Daten, Information und Wissen

Abbildung 2: Kontinuum von Daten und Informationen zum Wissen

Abbildung 4: Kernprozess des Wissensmanagements

Abbildung 5: Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements

Abbildung 6: Gestaltungsfelder und Kernprozess des Wissensmanagements

Abbildung 7: Prozessmodell

Abbildung 8: Prozessklassifikationsschema

Abbildung 9: Wissensorientierte Klassifizierung von Geschäftsprozessen

Abbildung 10: Unternehmen konzentrieren Wissensmanagement meist auf Ihre Kernkompetenzen

Abbildung 11: Kernprozess und Gestaltungsfelder des Wissensmanagement richten sich auf wertschöpfenden Prozesse

Abbildung 12: Framework des Prozesswissens

Abbildung 13: Wissenskreislauf in einem Business Intelligence Projekt

Abbildung 14: Wissensmanagement als Management- und Unterstützungsprozess

Abbildung 15: Integration der Nutzung der Gelben Seiten in die Geschäftsprozesse

Abbildung 16: Exemplarische Installation eines Projektes in einer Organisation

Abbildung 17: Integration von Lessons learned in den Projektprozess

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Variablen und Indikatoren von Geschäftsprozessen

Tabelle 2: Beispiele für Kernprozesse

Tabelle 3: Attribute von wissensintensiven Prozessen

Tabelle 4: Attribute qualitativer Dokumentation von Lessons learned

„ Es ist nicht genug, zu wissen. Man mu ß auch anwenden. “ Johann Wolfgang v. Goethe

1 Einleitung

1.1 Motivation

Der Schlüsselproduktionsfaktor in einer durch die Informationstechnologie (IT) geprägten Welt ist Wissen [Klot00d, S. 1]. Mit Verbreitung der IT bildet sich eine Ökonomie heraus, die sich mehr auf die Produktion von Ideen gründet als ihre Vorgängerin, die auf die Herstellung von Objekten zu möglichst geringen Kosten ausgerichtet war. Ein weiteres Kennzeichen dieser Ökonomie ist die allmähliche Abkehr von der heute noch vorherrschenden funktionalen hin zu einer prozessorientierten Organisationsform. Diese Organisationsform ist lernfähiger, weil Kommunikation hier nicht so viele Barrieren, Abteilungsgrenzen und Hierarchieebenen überwinden muss. Dabei erkennen immer mehr Manager, dass sich mithilfe der IT betriebliche Prozesse vollkommen neu strukturieren lassen, wenn man den Computer nicht mehr nur als eine programmierbare Maschine betrachtet, sondern als ein Medium, mit dessen Hilfe Menschen zusammenwirken.

In diesem Zusammenhang steht die Wertschöpfung von Unternehmen nicht mehr ausschließlich in Beziehung zur investierten Arbeitszeit des Personals, sondern ist abhängig von dem Geschick, der Originalität und der Schnelligkeit der Menschen, neue Probleme zu identifizieren, sie auf kreative Weise zu lösen und überzeugend zu kommunizieren [Klot00b, S. 5]. Es ist das Wissen in den Köpfen der Organisations- mitglieder, das zum entscheidenden Produktionsmittel wird. Aus Unternehmenssicht wird daher das gezielte Management der Ressource Wissen zum wettbewerbsentscheidenden Faktor.

Wie bei jeder substantiellen Leistung von Organisationen empfiehlt es sich auch bei Wissensmanagement, in zusammenhängenden Prozessen zu denken [Will98, S. 77]. Dabei müssen Unternehmen zum einen Wissensmanagement selbst als gestaltbaren Prozess begreifen, der auf alle anderen internen Prozesse ausstrahlt, zum anderen spielt sich die Verarbeitung von Wissen in den betrieblichen Prozessen ab [AlSc98, S. 42]. Die integrierte Darstellung und Betrachtung aller mit den Geschäftsprozessen zusammenhängenden Aspekte ist deshalb für ein systematisches und erfolgreiches Wissensmanagement unabdingbar.

1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist es, die Auswirkungen von Wissensmanagement auf die Gesch ä ftprozesse zu systematisieren und zu beschreiben. Die Ergebnisse werden anschließend den Befunden einer empirischen Untersuchung gegenübergestellt und auftretende Diskrepanzen erörtert.

Die Systematisierung und Beschreibung der Auswirkungen des Wissensmanagements auf die Geschäftsprozesse erfolgt auf drei verschiedenen Ebenen:

Auf der ersten Ebene werden Methoden des Wissensmanagements vorgestellt, die zeigen, inwiefern Wissensmanagement eine Neu- bzw. Umgestaltung der Geschäftsprozesse bewirkt.

Die zweite Systematisierungsebene beschreibt, welche Auswirkungen Wissensmanagement auf das Geschäftsprozessmodell einer Organisation hat. Auf der dritten Systematisierungsebene wird gezeigt, welche Auswirkungen durch Wissensmanagement auf einzelne Geschäftsprozesse entstehen.

Im Hinblick auf die zu erarbeitende Problemlösung werden zu Beginn in Kapitel 2 terminologische Abgrenzungen zum Thema Wissen und Wissensmanagement vorgenommen. Die Ergebnisse unterstützen die anschließende Erarbeitung eines ganzheitlichen, dieser Arbeit zugrunde liegenden Wissensmanagement-Ansatzes, der am Wissensmanagement-Modell des Fraunhofer Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) anlehnt.

In Kapitel 3 wird der Zusammenhang zwischen Wissensmanagement und den Geschäfts- prozessen hergestellt und dabei erforderliche Abgrenzungen des Prozessbegriffs vorgenommen. Auf welche Prozesse bzw. Geschäftsprozesse sich Wissensmanagement konzentrieren muss, um Verbesserungen zu erzielen, wird anschließend erarbeitet und die Erkenntnisse in den vorgestellten ganzheitlichen Wissensmanagement-Ansatz integriert.

Kapitel 4 gibt Aufschluss darüber, inwiefern die Wissensmanagement-Methoden „ Framework des Prozesswissens “ und „ Business Intelligence “ mögliche Prozessveränderungen bzw. Optimierungen bewirken können

In Kapitel 5 wird anschließend aufgezeigt, welche Auswirkungen auf die Geschäfts- prozesse mit der Umsetzung von Wissensmanagement verbunden sind. Dazu findet eine umfassende Beschreibung der Erweiterung des Geschäftsprozessmodells statt. Danach werden wesentliche Instrumente des Wissensmanagements vorgestellt, wobei deren Integration in die Geschäftsprozesse im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.

In Kapitel 6 erfolgt die anonymisierte Zusammenfassung der empirischen Untersuchung zweier Geschäftsbereiche eines großen Beratungsunternehmens. Das befragte Unternehmen erbat die Ergebnisse streng vertraulich zu behandeln, da diese der Öffentlichkeit unbekannte interne und wettbewerbskritische Informationen aufweisen. Eine ausführliche Erläuterung der Untersuchungsergebnisse ist deshalb gesondert im Anhang zu finden, der unter Verschluss steht.

Die Befunde der empirischen Untersuchung des Beratungsunternehmens anhand zweier Geschäftsbereiche zeigen deren Wissensmanagement-Ansatz und dessen implizierte Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse, die anschließend den in den vorherigen Kapiteln erarbeiteten Erkenntnissen der Theorie gegenübergestellt werden. Die Arbeit endet mit Kapitel 7 durch eine Zusammenfassung der Ergebnisse und einem Ausblick, in dem die bestehende Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis herausgearbeitet wird.

2 Wissensmanagement als ganzheitlicher Ansatz

Um die Auswirkungen von Wissensmanagement auf die Geschäftsprozesse zu beschreiben, ist ein grundlegendes Wissensmanagement-Verständnis zu erreichen. Die Erarbeitung wesentlicher Bestandteile eines ganzheitlichen WissensmanagementAnsatzes stehen im Zentrum der nachstehenden Ausführungen. Die Darstellung eines ganzheitlichen Wissensmanagement-Modells schließt dieses Kapitel ab.

2.1 Wissen und Wissensmanagement

Wissensmanagement ist ein Führungskonzept, mit dem ein Unternehmen seine Wissens- bestände bewusst aktiv und systematisch zu gestalten versucht. In diesem kontinuierlichen Prozess entwickelt es seine organisationale Wissensbasis aus in- dividuellem und organisationalem Wissen so, dass sie langfristig zum Erreichen der Unternehmensziele beiträgt. Um diesen Prozess besser zu verstehen ist es erforderlich, die Bedeutung von Wissen für Unternehmen nachzuvollziehen, sowie den Begriff „Wissen“ zu verstehen.

2.1.1 Bedeutung von Wissen

Durch den strukturellen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft hat die Ressource Wissen in Theorie und Praxis immer mehr an Bedeutung gewonnen [KrVe95, S. 417ff]1. Während der Faktor Boden in der vorindustriellen Agrargesellschaft sowohl für die Produktion als auch für die gesellschaftliche Stellung eine zentrale Rolle spielte, lösten Arbeit und Kapital diesen im Zuge der Industrialisierung ab [NeFe98, S. 194]. Die zunehmende Bedeutung der nicht industriell oder landwirtschaftlich erzeugten Güter hat dazu geführt, dass der tertiäre Sektor Ende der 70er Jahre eine beträchtliche Expansion erfuhr. Neben Arbeit, Boden und Kapital avancierte die Information zum vierten Produktionsfaktor [Capp98, S. 346ff.]. Diese Dienstleistungs- bzw. Informationsgesellschaft scheint wiederum von einer unternehmerischen Wissensgesellschaft abgelöst zu werden. Diesen Verschiebungen liegt eine makroökonomische Dynamik zugrunde, die insbesondere durch die Revolution in der Kommunikationstechnologie gespeist wird [PrRa99, S. 20].

Eine Wertschöpfung, in der Mehrwert nicht über Volumen geschaffen wird, unterscheidet sich in zentralen Aspekten von materieller Produktion, bei der sich die Produktionsfaktoren Arbeit, Rohstoffe und Kapital im Prozess verbrauchen. Im Gegensatz dazu ist Wissen eine Ressource, die sich nicht erschöpft, sondern durch ihren Gebrauch noch vermehrt [PrRa99, S. 17].

Die Automatisierung der Routinetätigkeiten erhöht den intellektuellen Gehalt der verbleibenden Arbeit. Dies erfordert zunehmend Informationen zu verstehen, auf sie zu reagieren, sie zu verwalten und Mehrwert mit ihnen zu schaffen. Immaterielle Komponenten sowie der Umgang mit Wissen erlangen daher einen immer größeren Anteil an der Wertschöpfung. Diese Trends wirken immer deutlicher auf den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen, was eine wachsende Anzahl dazu bewegt, die Ressource Wissen als fundamentale Einflussgröße anzuerkennen [PrRa99, S. 20].

Immer mehr Unternehmensleiter und Berater bezeichnen Wissen deshalb als den wichtigsten Vermögenswert in Organisationen und als Schlüssel für einen auf Dauer angelegten Wettbewerbsvorteil [DaPr98b, S. 21]. Autoren wie Alvin TOFFLER2 oder Brian QUINN3 erachten Wissen als die wichtigste wertgenerierende Quelle in der modernen Organisation [KrVe95, S. 417]. Auch NONAKA beschreibt die Bedeutung von Wissen wie folgt: “In an economy where the only certainty is uncertainty, the one sure source of lasting competitive advantage is knowledge.” [Nona91, S. 96]

Unternehmen wurden bisher an ihren Bilanzen gemessen und nach ihrem Bestand an Waren und Kapital. Tatsächlich verhalten sich die Märkte inzwischen immer mehr wie Finanzmärkte, bei denen sich der Wert an dem vermuteten Potenzial für zukünftige Erträge orientiert. Vor allem im Bereich der New Economy übersteigen die Börsenwerte von erfolgreichen Unternehmen wie Microsoft und SAP deren Buchwerte oft um ein Vielfaches. Ein entscheidender Faktor für diese Bewertungsdifferenz ist das z. B. in Patenten oder Datenbanken explizit oder in den Köpfen von Mitarbeitern verborgen vorhandene Wissen des Unternehmens [HeVo98, S. 5]. Aktienbörsen als sensibles Instrumentarium für Trends und Wettbewerbsfaktoren liefern somit ein weiteres Indiz für die eminente Bedeutung des Wissens in der Wertschöpfung [Klot00a, S. 2].

2.1.2 Zeichen, Daten, Informationen und Wissen

Das weitere Verständnis des Wissensbegriffs verlangt eine Abgrenzung der Begriffsinhalte von Zeichen, Daten, Informationen und Wissen (s. Abb. 1). Erfolg bzw. Misserfolg von Unternehmen hängen unter Umständen davon ab, zu wissen, ob man Daten, Informationen oder Wissen benötigt, was davon vorhanden ist und was sich damit bewirken lässt [DaPr98b, S. 25f.].

Auf der untersten Stufe der Begriffshierarchie sind die Zeichen angeordnet. Ein Zeichen ist das „kleinste bei einer Programmausführung zugreifbare Datenelement“ [Hans92, S. 111]. Zeichen können u.a. aus Buchstaben, Ziffern oder aus Sonderzeichen bestehen [ReKr96, S. 3]. Die Menge aller verfügbaren Zeichen wird als Zeichenvorrat definiert.

Zeichen werden durch Syntaxregeln zu Daten und bestehen aus einer nahezu unbegrenzten Menge an verfügbaren Fakten, Statistiken, Texten und Bildern, die sich beobachten, messen, ordnen und strukturieren lassen [PrRa99, S. 36]. Auf dieser Stufe der Begriffshierarchie wird aber noch keine Aussage über den Verwendungszweck getroffen.

Daten werden zu Informationen, wenn sie in den Kontext eines Problemzusammenhangs gestellt und für die Erreichung eines Zieles verwendet werden [ReKr96, S. 4]. Nach NONAKA und TAKEUCHI ist Information mit dem Begriff „ message “ bzw. „Nachricht“ erklärbar [NoTa95, S. 58]. Wie alle Nachrichten haben auch Informationen immer einen Absender und einen Empfänger [DaPr98b, S. 29]. Informationen sollen die Wahrnehmung des Empfängers in Bezug auf einen Sachverhalt verändern und sich auf seine Beurteilung und sein Verhalten auswirken. Informationen sind demzufolge mit Bedeutung und Zweck versehene Daten, die beim Empfänger etwas bewirken: „ Think of information as data that makes a difference. “ [DaPr98a, S. 3]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Begriffshierarchie Zeichen, Daten, Information und Wissen4

Im Gegensatz zum Begriff der Information hat der Begriff Wissen nicht annähernd die gleiche Aufmerksamkeit in der betriebswirtschaftlichen Literatur erfahren. Nach allgemeiner Auffassung ist Wissen zunächst einmal die zweckorientierte Vernetzung von Informationen. Diese Vernetzung von Informationen erfordert Kenntnisse darüber, in welchem Zusammenhang die Informationen zueinander stehen und wie sich diese sinnvoll vernetzen lassen, um dem damit verfolgten Zweck zu genügen. Dieses Verstehen von Informationen zur Lösung eines kontextbezogenen Problems bezeichnet STEINMÜLLER als Wissen. [Stein93, S. 236]

PROBST, RAUB und ROMHARDT definieren Wissen als die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen können [PrRa99, S. 48]. Für die neuen Medien sind nach Schindler und Seifried menschliche Individuen als Entität, die Informationen zu Wissen verarbeiten und kontextbezogen und ziel- bzw. problemorientiert einsetzen können, jedoch nicht ausreichend. Deshalb führten SCHINDLER und SEIFRIED den Begriff des Agenten ein [ScSe99, S. 21]. „Agenten können bspw. Menschen, Gemeinschaften (Communities) oder informationsverarbeitende Artefakte sein .“ [LeSc98, S. 203ff.]

In Bezug auf die vorherigen Ausführungen und in Anlehnung an DAVENPORT und PRUSAK lässt sich folgende Arbeitsdefinition von Wissen festhalten: „ Wissen ist eine flie ß ende Mischung aus Kenntnissen, F ä higkeiten, Erfahrungen und Wertvorstellungen, die in ihrer Gesamtheit einen Strukturrahmen zur Beurteilung und Eingliederung neuer Erfahrungen und Informationen bietet. Wissen ist in Agenten wirksam und hat potentiellen Einfluss auf zuk ü nftige Entscheidungen. “ [DaPr98b, S. 32], [ScSe99, S. 21]

Wollen Führungskräfte ein Management der Ressource Wissen betreiben, um die Wissensbasis ihres Unternehmens besser zu nutzen und weiterzuentwickeln, so scheint die Vorstellung eines Kontinuums zwischen den Polen Daten und Wissen tragfähiger zu sein, statt eine strenge Trennung von Daten, Informationen und Wissen vorzunehmen (s. Abb. 2).

Schließlich werden Problemsituationen selten in klar abgrenzbaren Sprüngen verstanden, sondern nähern sich häufig in vielen kleinen Schritten der Lösung an. Auch Fähigkeiten und Wissen werden langsam erworben und setzen sich aus dem Zusammenfügen und Interpretieren einer Vielzahl von Informationen über einen längeren Zeitraum zusammen. Das Kontinuum von Daten über Informationen zum Wissen veranschaulicht diesen Entwicklungsprozess. [PrRa99, S. 38f.]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kontinuum von Daten und Informationen zum Wissen5

2.1.3 Organisationale Wissensbasis

Um die Gesamtheit des relevanten Wissens in Unternehmen zu beschreiben, soll der Begriff organisationale Wissensbasis (organisational memory 6) verwendet werden. Die organisationale Wissensbasis setzt sich aus individuellen und organisationalen Wissensbeständen zusammen, auf die eine Organisation zur Lösung ihrer Aufgaben zurückgreifen kann. Sie umfasst darüber hinaus die Daten- und Informationsbestände, auf welchen individuelles und organisationales Wissen aufbaut [PrRa99, S. 46ff.]. Sowohl individuelles als auch organisationales Wissen kann in impliziter oder expliziter Form vorliegen [Giss99, S. 9].

Dabei lässt sich in Anlehnung an NONAKA7 nach der Form der Bindung des Wissens zwischen individuellem und organisationalem Wissen sowie nach der Form des Vorliegens des Wissens zwischen implizitem und explizitem Wissen unterscheiden8 (s. Abb. 3) [ZeWi99, S. 26]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Gliederung des Wissens nach Ansatzpunkten für das Wissensmanagement9

ƒ- Individuelles Wissen bezeichnet das Wissen eines Wissensträgers. Erst durch den Wissensaustausch zwischen Wissensträgern ist individuelles Wissen in organisationales Wissen überführbar.
ƒ- Organisationales Wissen beschreibt das Wissen einer bestimmten Gemeinschaft oder Gruppe zur gleichen Zeit, aber auch die Fähigkeiten einer Institution, neues Wissen zu erzeugen. [Schn96, S. 13ff.]
ƒ- Implizites Wissen (tacit knowledge) stellt das persönliche Wissen eines
Individuums dar, das auf Idealen, Werten und Gefühlen der einzelnen Personen beruht [Nort99, S. 49]. Subjektive Einsichten und Intuition verkörpern tief in den Handlungen und Erfahrungen des Einzelnen verankertes implizites Wissen. Diese Form von Wissen ist sehr schwer zu formulieren und weiterzugeben, da es in den Köpfen einzelner Personen verborgen ist (embodied knowledge) [ReKr96, S. 6]. Um implizites Wissen in einer Organisation verarbeiten, übertragen und speichern zu können, gilt es dieses in explizites Wissen zu überführen [NoTa95, S. 9].
ƒ- Explizites Wissen (explicit knowledge) ist methodisch, systematisch und liegt in standardisierter Form vor [Giss99, S. 9]. Es ist außerhalb der Köpfe einzelner Personen in Medien gespeichert und kann u.a. mit Mitteln der Informations- und Kommunikationstechnologie aufgenommen, übertragen und gespeichert werden [Nort99, S. 49 f.].

Das Management von Wissen muss sich der Aufgabe stellen, die organisationale Wissensbasis optimal und zieladäquat zu gestalten [PrRa99, S. 35ff.]. Die organisationale Wissensbasis erweist sich zunehmend als Wettbewerbsfaktor, den ebenso wie die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zielführend zu bewirtschaften gilt, um Wachstums- und Kostensenkungspotenziale effizient auszuschöpfen [BuOh00, S. 200].

2.1.4 Wissensmanagement

Zahlreiche Autoren10 beschäftigten sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Wissensmanagement. Ebenso widmet eine wachsende Zahl von Artikeln und Studien11 ihre Aufmerksamkeit dem Thema Wissensmanagement. Die zentralen Fragestellungen lauten dabei, ob und wie Unternehmen mit der Ressource Wissen umgehen und wie ein Management dieses Wissens in der Praxis betrieben und entwickelt wird. Die Verbesserung der organisatorischen Fähigkeiten auf allen Ebenen der Organisation durch einen besseren Umgang mit der Ressource Wissen steht im Zentrum des Interesses von Wissensmanagement [PrRa99, S. 61].

Wissensmanagement strebt daher an, F ü hrungskr ä ften Ansatzpunkte f ü r gezielte Interventionen in die organisationale Wissensbasis aufzuzeigen und zu diesem Zweck Konzepte und Methoden zu entwickeln [PrRa99, S. 47]. Da jedes Unternehmen einzigartig ist, muss sich jede Organisation, die ernsthaft Wissensmanagement betreiben will, auf die Suche nach den für sie passenden Begriffsbestimmungen für Wissensmanagement als ganzheitlicher Ansatz 10 „Wissensmanagement" machen [Mitt99]. Die meisten Definitionen für Wissensmanagement können daher nur eine Orientierungshilfe sein, mehr aber nicht.

Ein Problem beinhaltet bereits der Begriff „Wissensmanagement“ selbst. Das Managen von Wissen ist ein abstraktes Objekt und die Absicht, dass Wissen gemanaget werden kann, erweckt nach SVEIBY „den Eindruck eines Oxymorons“ [Svei98]. Auch PRUSAK konstatiert, dass Wissen nicht genug gemanaget werden kann, sondern nur die Be- dingungen gestaltbar sind, in denen Wissen optimal zu gedeihen vermag [Merx99, S. K1]. Wegen der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Faktors Wissen als entscheidenden Produktionsfaktor wird dieser dennoch verstärkt als gestaltbare Größe verstanden. Darauf aufbauend haben verschiedene Wissenschaftler und Berater Modelle12 des Wissensmanagements entwickelt [Tuch00, S. 178]. Basis der meisten Modelle ist ein Lernkreislauf, der von Rahmenbedingungen bzw. von Lernbarrieren13 gehemmt wird, die bisweilen keine einheitliche, allgemeingültige Definition von Wissensmanagement bzw. kein einheitliches Wissensmanagement-Modell zulassen [PrRo97, S. 132]. Die unterschiedlichen Systematisierungsversuche sind stets Ergebnis unterschiedlicher Erkenntnisse und Perspektiven [Giss99, S. 22].

Erfolgreiches strategisches Handeln ist selten Resultat von tiefgehenden Reflexionen und einmaligen kreativen Akten des Top-Managements. Die Erzeugung, Verteilung und Nutzbarmachung von Wissen erfolgen vielmehr als ein Ergebnis kontinuierlicher Lern- und Organisationsprozesse [Deis96, S. 49ff.]. Wie bei jeder substantiellen Leistung einer Organisation empfiehlt es sich daher auch bei Wissensmanagement, in Prozessen14 zu denken [Will98, S. 77].

In Anlehnung an PROBST, RAUB und ROMHARDT lässt sich Wissensmanagement als Prozess beschreiben. Der von ihnen entwickelte Ansatz Bausteine des Wissensmanagements zeigt Themenfelder des Wissensmanagements auf, ver- anschaulicht den Wissensfluss innerhalb der Organisation, strukturiert den Wissensmanagement-Prozess in logische Phasen, bietet Ansätze für Interventionen und verdeutlicht die gegenseitigen Abhängigkeiten von Maßnahmen im Wissensmanagement [PrRa99, S. 49ff.]. Dieses Prozessmodell liefert den wohl umfangreichsten und allgemeingültigen Ansatz [Giss99, S. 22]. Das von einem praxisorientierten Erkenntnisinteresse geleitete Modell entstand im engen Dialog mit Praktikern [PrRa99, S. 131]. Es dient heute vor allem im europäischen Raum als Grundlage zahlreicher Veröffentlichungen und etablierte sich als ein Standardwerk dieses Forschungsgebietes. In starker Anlehnung an dieses Prozessmodell entwickelte das Fraunhofer IPK den Kernprozess des Wissensmanagements. Dieser Kernprozess des Wissensmanagements unterscheidet sich von PROBST, RAUB und ROMHARDTs Ansatz in der Begrenzung der Basisaktivitäten. Diese Vereinfachung macht das Konzept des Wissensmanagements für alle Mitglieder einer Organisation vom Vorstandschef bis zum Handwerker noch kommunizierbarer, verständlicher und anwendbarer, ohne inhaltliche Defizite hinnehmen zu müssen [MeHe97, S. 218].

Gerade im Hinblick auf die Prozess- und Praxisorientierung dieser Arbeit erweist es sich als sinnvoll, den Kernprozess des Wissensmanagements näher zu erläutern und diesen als Grundlage für die weiteren Ausführungen heranzuziehen.

2.2 Kernprozess des Wissensmanagements

Wissensmanagement ist nach dem Verständnis des Fraunhofer IPK in sechs Kernprozessaktivitäten unterteilbar (s. Abb. 4) [HeVo98, S. 6]. Die Anordnung der Kernprozessaktivitäten des Wissensmanagements folgt zwei Prinzipien: Die Kernprozessaktivitäten Wissen identifizieren und Wissensziele formulieren stoßen den eigentlichen Prozess an und kontrollieren seine Dynamik. Der innere Kreislauf zeigt den Prozess der Umsetzung des Wissensmanagements mit den Kernprozessaktivitäten Wissen erzeugen, Wissen speichern, Wissen verteilen und Wissen anwenden, der sich selbst kontinuierlich reproduziert [HeVo98, S. 28].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Kernprozess des Wissensmanagements15

Viele Wissensprobleme entstehen, weil die Organisation einem oder mehreren dieser Kernprozessaktivitäten zu wenig Beachtung schenkt und somit den Wissenskreislauf stört. Die einzelnen Aktivitäten stehen in einem interdependenten Verhältnis zueinander und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden [PrRo97, S. 131]. Nachstehend erfolgt eine inhaltliche Beschreibung der sechs Kernprozessaktivitäten des Wissens- managements.

2.2.1 Definition von Wissenszielen

Der Wissensmanagement-Prozess beginnt mit der Definition von Wissenszielen, die sich aus den Unternehmenszielen ableiten [Mitt00]. Dabei steuern die Wissensziele die Aktivitäten des Wissensmanagements, um existierende und entstehende Bedürfnisse an Wissen zu erfüllen, vorhandenes Wissen optimal zu nutzen und in neue Produkte, Prozesse und Geschäftsfelder umzusetzen [Nort99, S. 145ff.]. Zugleich sind die Wissensziele unabdingbare Voraussetzung, um den Erfolg bzw. Misserfolg überprüfbar zu machen [QuLe97, S. 385ff.]. Die Betrachtung der Wissenszielsetzung geschieht in Anlehnung an das St. Galler Managementkonzept16 auf der normativen, strategischen und operativen Zielebene [PrRa99, S.71ff.]:

ƒ- Normative Wissensziele betreffen die Ebene der grundlegenden unternehmenspolitischen Vision sowie alle unternehmenskulturellen Aspekte, wie
z. B. Definition einer „wissensbewussten Unternehmenskultur“ als Unternehmens- Leitbild.
ƒ- Strategische Wissensziele werden für langfristige Programme festgelegt, die zur Erreichung der Vision entwickelt werden, wie z. B. Definition des organisationalen Kernwissens.
ƒ-Operative Wissensziele sollen schließlich die Umsetzung der normativen und strategischen Programme auf der Ebene der täglichen Aktivitäten des Unternehmens sichern, wie z. B. Herstellen der Verfügbarkeit aller intern erstellten Dokumente der Organisation.

2.2.2 Wissensidentifikation

Bevor Unternehmen mit aufwändigen Bemühungen zum Aufbau organisationaler Kompetenzen beginnen, gilt es eine angemessene interne und externe Transparenz über kritische Wissensbestände zu schaffen, um ineffiziente, uninformierte Entscheidungen und Doppelspurigkeiten zu vermeiden und Ansatzpunkte für die Erfüllung der Wissensziele zu identifizieren [PrRo97, S. 132]. Die Schaffung interner Wissenstransparenz umfasst die Feststellung der eigenen sowohl personellen als auch kollektiven Fähigkeiten [Romh97, S. 77ff.]. Welche Wissensträger über welches Wissen zum Aufbau organisationaler Kompetenzen verfügen, ist die zentrale Fragestellung zur Feststellung der personellen Fähigkeiten [HeVo98, S. 29]. Die Feststellung kollektiven Wissens muss sich vor allem mit den Fragestellungen beschäftigen, nach welchen Regeln Wissensteilungsprozesse ablaufen und welche internen Netzwerke beim Austausch von Informationen Bedeutung besitzen [PrRo97, S. 78].

Die Hauptaufgabe der Schaffung externer Wissenstransparenz liegt in der systematischen Erhellung des relevanten Wissensumfeldes einer Organisation, um Kooperationschancen mit externen Experten oder wichtige Netzwerke außerhalb der Organisationsstrukturen nutzen zu können [Romh97, S. 90ff.].

Die Analyse und Identifikation von Fähigkeitsdefiziten und Wissenslücken bildet den Ausgangspunkt für die Gestaltung der Kernprozessaktivität Wissen erzeugen [Romh97, S. 100]. fördern

2.2.3 Wissenserzeugung

Organisationen vermögen neue Fähigkeiten, neue Produkte, bessere Ideen und leistungsfähigere Prozesse sowohl durch Entwicklung aus eigener Kraft als auch durch Erwerb auf verschiedensten Wissensmärkten zu erzeugen [PrRa99, S. 174ff.]. Die Wissensentwicklung umfasst alle Managementanstrengungen, mit denen die Organisation sich bewusst um die Entwicklung intern noch nicht bestehender bzw. extern noch nicht existierender Fähigkeiten bemüht. Wissensentwicklung lässt sich auf der individuellen und auf der kollektiven Ebene umsetzen. [PrRo97, S. 136] Prozesse der individuellen Wissensentwicklung beruhen auf Kreativität und systematischer Problemlösungsfähigkeit. Während Kreativität eher als einmaliger Schöpfungsakt gedacht werden kann, folgt die Lösung von Problemen vielmehr einem Prozess, der mehrere Phasen beschreibt. Kreativität ist als chaotische und Problemlösungskompetenz als systematische Komponente des Wissensentwicklungs- prozesses begreifbar. Beide Komponenten sind durch Maßnahmen der Kontextsteuerung17 förderbar, die das Individuum in seiner Wissensproduktion unterstützen. [PrRa99, S. 187f.]

Kollektive Prozesse der Wissensentwicklung folgen häufig einer anderen Logik als individuelle [PrRo97, S. 136]. Nimmt man das Team als Keimzelle kollektiven Lernens in der Unternehmung, dann gilt es auf die Schaffung komplementärer Fähigkeiten in der Gruppe und die Definition sinnvoller und realistischer Gruppenziele zu achten [KaSm93, S. 118ff.]. Nur in einer Atmosphäre von Offenheit und Vertrauen, die durch eine hinreichende Kommunikationsintensität unterstützt und erzeugt werden kann, sind kollektive Prozesse der Wissensentwicklung individuellen Bemühungen überlegen [PrRo97, S. 136].

Die weltweite Wissensexplosion18 versetzt immer weniger Unternehmen in die Lage, sämtliches für den Erfolg notwendige Wissen aus eigener Kraft zu entwickeln. Deshalb müssen heute kritische Fähigkeiten auf den verschiedensten Wissensmärkten erworben werden. Dabei lassen sich folgende Aktivitäten wie der Erwerb von Wissen externer Wissensträger (z. B. Berater, Spezialisten), der Erwerb von Wissen anderer Firmen, der Erwerb von Stakeholderwissen (z. B. Kundenwissen) und der Erwerb von Wissensprodukten (z. B. CD-ROMs, Software) auf den externen Wissensmärkten unterscheiden, die gezielte Beschaffungsstrategien19 erfordern. [PrRa99, S. 150f.]

2.2.4 Wissensspeicherung

Die gezielte Speicherung von Wissen und Fähigkeiten, um Wahrgenommenes, Erlebtes oder Erfahrenes über den Augenblick hinaus zu bewahren und es zu einem späteren Zeitpunkt wieder abrufen zu können, stellt deshalb für das Wissensmanagement eine elementare Aufgabe dar [PrRo97, S. 139]. Nach PROBST, RAUB und ROMHARDT setzt das Speichern von Wissen drei Grundprozesse des Wissensmanagements voraus: Selektieren, Speichern und Aktualisieren von Wissensbestandteilen.

Die Organisation muss aus der Vielzahl organisatorischer Ereignisse, Personen und Prozesse die bewahrungswürdigen selektieren. Für Kernbereiche der organisationalen Wissensbasis sollten Anstrengungen zur sinnvollen Selektion und Dokumentation unternommen werden. Dabei gilt die Leitregel, dass nur was in der Zukunft für Dritte nutzbar sein könnte es auch verdient, bewahrt zu werden.

In einem nächsten Schritt sind die bewahrungswürdigen Wissensbestandteile in angemessener Form in der organisationalen Wissensbasis zu speichern. Dabei lassen sich individuelle Speicherungsformen zur Bewahrung des in den Köpfen der Mitarbeiter verankerten Wissens, kollektive Speicherungsformen zur Bewahrung des in geschlossenen Teams vorhandenen Wissens und elektronische Speicherungsformen zur Bewahrung von Wissen in digitalisierter Form unterscheiden. [PrRa99, S. 295ff.]

Neben hinreichender Selektion und datengerechter Speicherung gilt es daraufhin noch die Aktualisierungsprozesse zu betrachten. Eine veraltete Datenbank wirkt sich sehr rasch negativ auf die Nutzungsbereitschaft der Anwender aus, hingegen sich eine aktuelle Datenbank als Fundgrube nützlichen Wissens zu etablieren vermag [PrRa99, S. 315f.].

2.2.5 Wissensverteilung

Der Begriff der Wissensverteilung bezieht sich je nach Kontext entweder auf die zentral gesteuerte Verteilung organisationalen Wissens auf eine festgelegte Gruppe von Mitarbeitern oder auf das simultane Verteilen von Wissen unter Individuen bzw. im Rahmen von Teams und Arbeitsgruppen.

Eine Hauptaufgabe der Wissensverteilung besteht zum einen in der Multiplikation20 von Wissen, die eine zentral gesteuerte und schnelle Wissensverteilung an größere Mitarbeitergruppen zum Ziel hat [PrRa99, S. 235ff.]. Das ökonomische Prinzip der Arbeitsteilung verlangt jedoch eine sinnvolle Beschreibung und Steuerung des Umfangs der Wissensverteilung, die Individuen oder Gruppen den Zugang zu jenen Wissens- beständen ermöglichen soll, die für ihre spezifische Aufgabenerfüllung und damit für den reibungslosen Ablauf organisatorischer Prozesse notwendig sind [PrRa99, S. 233].

Zum anderen setzt die Schaffung von Wissensnetzwerken bei den Bedürfnissen des Wissensnutzers an. Dieser simultane, fallweise Wissensaustausch21 in der Organisation verlangt eine geeignete Infrastruktur22 und geeignete Rahmenbedingungen, um eine Justin-time -Lieferung des benötigten Wissens zu ermöglichen. [PrRa99, S. 238f.]

2.2.6 Wissensanwendung

Die Anwendung von Wissen, also der produktive Einsatz organisationalen Wissens zum Nutzen des Unternehmens, ist Ziel und Zweck des Wissensmanagements, um Wissen in profitable Produkte und Dienstleistungen zu transferieren [Star92, S. 713ff.]. Die Nutzung „fremden“ Wissens wird jedoch durch eine Reihe von Barrieren beschränkt. Fähigkeiten oder Wissen „fremder“ Wissensträger zu nutzen, ist für viele Menschen ein „widernatürlicher Akt“ (Not-invented-here-Syndrom23 ), den sie nach Möglichkeit vermeiden [Dave96, S. 37]. Deshalb müssen Unternehmen durch die Gestaltung von Rahmen- bedingungen24 sicherstellen, dass mit großem Aufwand erstelltes und als strategisch wichtig eingeschätztes Wissen auch tatsächlich im Alltag genutzt wird, und nicht dem generellen Beharrungsvermögen der Organisation zum Opfer fällt [PrRo97, S. 138] . Mit der Kernprozessaktivität „Wissen anwenden“ schließt sich der Kernprozess des Wissensmanagements und beginnt erneut mit der Erzeugung von neuem Wissen [MeHe97, S. 219]. Die Potenziale, die der effiziente Einsatz der Kernprozessaktivitäten des Wissensmanagements bietet, lassen sich dimensionsübergreifend nur dann optimal ausschöpfen, wenn ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird [BuOh00, S. 203]. Die Qualität dieser Kernprozessaktivitäten regulieren verschiedene Gestaltungsfelder des Wissens- managements, deren Beschreibung im folgenden Abschnitt erfolgt [HeVo98, S. 7].

2.3 Gestaltungsfelder des Wissensmanagements

Die Befragungsergebnisse der Benchmarking studie Wissensmanagement25 des Fraunhofer Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) geben Auskunft über die kritischen Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements, aus denen sich die wesentlichen Gestaltungsfelder identifizieren lassen (s. Abb. 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Erfolgsfaktoren des Wissensmanagements26

2.3.1 Unternehmenskultur

Den Befragungsergebnissen zufolge wiegen Aspekte der Unternehmenskultur am stärksten, die eng mit der Gestaltung einer wissensorientierten Organisation zusammenhängen [HeVo98, S. 24]. Im Rahmen der Unternehmenskultur sind deshalb Maßnahmen zu treffen, damit innerhalb der Organisation eine positive Einstellung zum Wissen entsteht und wissenshinderliche Barrieren vermieden werden [DaPr98b, S. 293]. Dabei lohnt sich die Beachtung einiger grundlegender Kontextfaktoren, wie z. B. Schaf- fung von Freiräumen, Schaffung einer offenen Kommunikation, Entwicklung von Offenheit und Vertrauen, Schaffung von Fehlerfreundlichkeit in gewissem Rahmen [PrRa99, S. 187ff.].

Eine weitere mögliche Maßnahme zur Unterstützung einer wissensorientierten Unternehmenskultur ist die Belohnung von Wissenserzeugung, -speicherung, -verteilung und -anwendung im Rahmen bestehender Anreiz-27 und Bewertungsmechanismen, wie z. B. eine Belohnung für vorbildliche ,,Wissensteiler", die Evaluation der Qualität der eingebrachten Beiträge eines Mitarbeiters unter Einbezug in seine Gehalts- und Karriereaussichten [PrRa99, S. 76f.].

2.3.2 Personalmanagement

Aspekte des Personalmanagements bilden mit 29 Prozent das zweitgewichtigste Gestaltungsfeld, das die erfolgskritischen Faktoren „Motivation und Qualifikation der Mitarbeiter“, „Training und Weiterbildung“ und „Belohnung“ umfasst. Das an der vorgegebenen Unternehmens- und der darin enthaltenen Wissensstrategie auszurichtende Personalmanagement muss die Unternehmensbereiche mit geeigneten Qualifikationen ausstatten und versuchen, die Mitarbeiter zu effektivem Wissensmanagement zu motivieren. [HeVo98, S.19ff.]

Der Zusammenhang zwischen Belohnung und Motivation der Mitarbeiter bestätigte sich in früheren Befragungen des Fraunhofer IPK mehrfach [HeVo98, S. 21]. Der Stellenwert des klassischen Motivators durch finanzielle Belohnung das Engagement der Mitarbeiter zu erhöhen, sollte allerdings nicht überschätzt werden. Eine wesentlich nachhaltigere Wirkung besitzen so genannte „intrinsische“ Motivatoren [Schü96, S. 203]. Diese können in Form von Feedback oder auch der Erweiterung des Tätigkeits- und Entscheidungs- spielraums Anwendung finden. Des weiteren setzen im Rahmen eines effektiven Wissensmanagements immer mehr Unternehmen auf die „Visualisierung“ des Erfolges, z. B. mit Preisen oder öffentlicher Anerkennung, um diese als Erfolgsstories zum internen Marketing bzw. Wettbewerb zu nutzen. [HeVo98, S. 21f.]

2.3.3 Management/Führung

Das Gestaltungsfeld Management bzw. Führung ist mit 25 Prozent durch die Kategorien „Förderung durch das Top-Management“ und „Klare Zieldefinitionen“ vertreten. Aspekte des Führungsstils sind stark mit Aspekten der Unternehmenskultur und des Per- sonalmanagements verbunden. Führungskräfte vermögen mit einer offenen Kommuni- kation und dem Vorleben von Verhaltensweisen, die dem Wissensmanagement dienlich sind, ein Klima des Vertrauens und der Akzeptanz aufzubauen, um eine positive Ein- stellung der Mitarbeiter zur wissensorientierten Organisation zu fördern [Heis99a, S. 46]. Auf der individuellen Ebene sollte das Management die Bereitschaft zur kontinuierlichen Hinterfragung bestehender Abläufe unterstützen, um dem Not-invented-here-Syndrom vorzubeugen. Auf organisationaler Ebene muss das Management das Verständnis von Wissen als wettbewerbsentscheidende Ressource begünstigen, die es unabhängig von ihrem Ursprung zum gemeinsamen Nutzen der Organisation einzusetzen gilt [PrRa99, S. 276]. Sieht man in einem Unternehmen Wissen als strategische Ressource an, dann ist damit eine wichtige Voraussetzung geschaffen, um Wissensmanagement erfolgreich zu bewältigen [Mitt99].

Die Ausrichtung der wesentlichen Prozesse des Unternehmens durch die Formulierung von Zielen stellt eine der Kernaufgaben des Managements dar [PrRa99, S. 65]. Klare Zielformulierungen sind unabdingbare Voraussetzung, den Erfolg bzw. Misserfolg der Wissensmanagement-Aktivitäten überprüfbar zu machen [QuLe97, S. 385ff.].

2.3.4 Prozesse

Fast 24 Prozent aller befragten Unternehmen nannten als kritische Erfolgsfaktoren „Strukturen und Prozesse“, worunter die adäquate Integration von Wissensprozessen in die Geschäftsprozesse zu verstehen ist.

Die Ausrichtung auf und die Optimierung von Geschäftsprozessen sind die notwendigen Voraussetzungen für ein wissensorientiertes Unternehmen. Für ein wissensorientiertes Geschäftsprozessmanagement bedarf es der Strukturierung von Geschäftsprozessen, um durchgängige, schnittstellenarme Prozessketten zu schaffen, die den Wissensfluss in den Unternehmen verbessern. [HeVo98, S. 20]

2.3.5 Technologie

Viele Konzepte des Wissensmanagements verfolgen ausschließlich einen technikzentrierten Ansatz, in dessen Mittelpunkt der Einsatz von Informations- und Kom- munikationstechnologien zur Unterstützung der Kommunikation, Kooperation, Koordination und dem bedarfsgenauen Zugriff auf Informations- und Wissensbestände steht [BuOh00, S.202]. Reine Technologielösungen dürften allerdings kaum die notwendige Wissenstransparenz innerhalb von Organisationen schaffen, da sie immer der Faktor Mensch ergänzen muss, der seine Expertise im persönlichen Gespräch28 anderen Organisationsmitgliedern zur Verfügung stellt [PrRo97, S. 134]. Die Einrichtung einer modernen Informationsstruktur ist jedoch notwendige Voraussetzung, um den Kernprozess des Wissensmanagements zu beschleunigen [HeVo98, S. 25]. Sie erleichtert den Austausch von Informationen im ganzen Unternehmen (z. B. Email), schafft die Basis für das räumlich und zeitlich unabhängige Arbeiten in Arbeitsgruppen (z. B. Groupware -Anwendungen), bietet Speicherungs- und Wiederauffindungsmöglichkeiten in internen und weltweiten Netzen (z. B. Intra-/Internet) und stellt Werkzeuge für bestimmte Aufgaben des Wissensmanagements zur Verfügung.

[...]


1 Siehe [Nort99], [NoTa95], [PrRa99].

2 Siehe [Toff90].

3 Siehe [Quin92].

4 In Anlehnung an [ReKr96, S. 6].

5 Siehe [PrRa99, S. 38].

6 Siehe [Lehn00].

7 Siehe [NoTa97].

8 Weitere Unterscheidungen von Wissensarten sind bewusstes/latentes Wissen [ReKr96, S. 7], internes/externes Wissen [Giss99, S. 9], objektiviertes/kontextgebundenes Wissen [Schn96, S.13ff.].

9 Siehe [ZeWi99, S. 26].

10 Siehe z. B. [DaPr98a], [Leon95], [NoTa95].

11 Siehe z. B. [HeVo98], [ILOI97], [BuWö97].

12 Siehe [NoTa95], [KrVe95], [ReKr96], [Will98], [Schü96], [Eck97].

13 Siehe [Bürg98], [DaJa96], [Güld97], [KrRo96], [PrRa99].

14 Siehe Kapitel 3.1.

15 In Anlehnung an [Heis01, S. 28], [HeVo98, S. 6].

16 Siehe [Segh96].

17 Siehe Kapitel 2.3.1.

18 In vielen Bereichen führen heute gesellschaftliche, technische und wissenschaftliche Veränderungen zu einer raschen Erneuerung relevanten Wissens [PrRa99, S. 150ff.].

19 Siehe Kapitel 5.2.1.

20 Die Wissensmultiplikation folgt der „ Push -Strategie“: Es wird zentral entschieden, welches

Wissen in welchem Umfang zu verteilen und dann in die Organisation „zu drücken“ ist [PrRa99,

S. 239].

21 Die Schaffung von Wissensnetzwerken folgt der „ Pull -Strategie“. Sie setzt bei den Bedürfnissen der Nutzer an. Information wird zur Holschuld [PrRa99, S. 239].

22 Siehe Kapitel 5.2.1.

23 Kommunikationsphänomen, bei dem Mitarbeiter versuchen eigene Fehler zu machen, anstatt von den Erfahrungen anderer zu profitieren [PoPo00, S. 291ff.].

24 Siehe Kapitel 2.3.

25 Siehe [HeVo98].

26 Siehe [HeVo98, S. 19].

27 Siehe [Schü96, S. 203f.].

28 Aktuelle Untersuchungen aus den USA ergaben, dass zwischen 50 und 95 Prozent des Informations- und Wissensaustauschs verbal erfolgen [Bair98].

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Auswirkungen von Wissensmanagement auf die Geschäftsprozesse eines Unternehmens
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik II)
Note
2.0
Autor
Jahr
2001
Seiten
84
Katalognummer
V3083
ISBN (eBook)
9783638118606
ISBN (Buch)
9783638716918
Dateigröße
867 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Diplomarbeit behandelt das Thema der Auswirkungen von Wissensmanagement auf die Geschäfsprozesse eines Unternehmens. Die Thesen wurden anhand einer Fallstudie über eine große Unternehmensberatung überprüft.
Arbeit zitieren
Dipl. Kfm Georg Riedel (Autor:in), 2001, Auswirkungen von Wissensmanagement auf die Geschäftsprozesse eines Unternehmens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3083

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