Warum sind so wenig Frauen Rettungsassistentin? Eine quantitative Untersuchung mithilfe der Theorien von Gary Becker und Catherine Hakim


Bachelorarbeit, 2015

61 Seiten, Note: 13


Leseprobe


Inhalt

Abstract (Deutsch)

Abstract (Englisch)

1. Debatte über die Branche der präklinischen Notfallmedizin
1.1. Die Gesundheitswirtschaft - Der Rettungsdienst
1.2. Deutsches Rotes Kreuz
1.3. Qualifikationen
1.4. Frauen im Rettungsdienst - Entwicklung und Befunde
1.5. Theoretischer Rahmen
1.5.1.Präferenztheorie
1.5.2.Tast of Discrimination

2. Methodischer Rahmen
2.1. Feldzugang
2.2. Untersuchungsverfahren
2.3. Telefoninterview
2.4. Online Umfrage
2.5. Einschränkungen
2.6. Einordnung der Befragten
2.7. Resultate
2.7.1. Präferenztheorie
2.7.2. Taste of Discrimination
2.7.3. Berufsfeld

3. Resüme

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Grafik- undTabellenverzeichnis

Abstract

Hintergrund: Diese Abschlussarbeit beschäftigt sich mit den Berufen Rettungsassistent (RettAss) und Notfallsanitäter (NotSan) beim hessischen Deutschen Roten Kreuz (DRK). In absehbarer Zeit werden viele dieser RettAss/ NotSan temporär dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Daher wird es in dieser Branche zu einem Fachkräftemangel kommen.

Fragestellung: In dem hessischen Rettungsdienst wurden unterschiedlich hohe Beschäftigungszahlen der Geschlechter festgestellt. Daher ist die Forschungsfrage: „Warum sind so wenig Frauen Rettungsassistentin?“. Mithilfe der Theorie Taste of Discrimination und der Präferenztheorie versucht die Autorin, eine Antwort darauf zu finden.

Methoden: Die Autorin erstellte eine Statistik über die Beschäftigungsanzahl aller 30 DRK Rettungsdienste in Hessen mittels Telefoninterviews. Mithilfe der Literaturrecherche erarbeitete sie den Stand der Forschung. Außerdem erhob sie Daten mit einem OnlineFragebogen. Mithilfe einer Two-Step-Clusteranalyse sowie Kreuztabellen wertete sie diese aus und stellte sie grafisch dar.

Ergebnis

Die Ergebnisse gelten nur für die 30 hessischen Rettungsdienste des DRK. 377 Frauen und 1.803 Männer arbeiten als RettAss sowie 6 Frauen und 48 Männer als NotSan für das DRK. Die Analyse ergab keine Indizien für eine Diskriminierung der weiblichen RettAss oder NotSan durch die Kollegen oder die Vorgesetzten, was auf ihre beruflichen Kompetenzen zurückzuführen ist. Allerdings gibt es Ursachen für die geringe Anzahl von RettAss und NotSan beim DRK Rettungsdienst in Hessen. Die Analyse ergab

- dass der Beruf trotz guter Technik körperlich sehr anstrengend ist.
- dass es kaum Anerkennung durch die Vorgesetzten und die Gesellschaft gibt.
- dass Frauen weniger Respekt erhalten. Sie werden nicht ernst genommen.
- dass Schichtsystem lange Arbeitszeiten beinhaltet. Dies ist schwer mit der Familie zu vereinbaren. Es gibt Indizien für Probleme bei der Kinderbetreuung und mit nicht sehr flexiblen Arbeitgebern.
- dass die unregelmäßigen Zeitabstände zwischen den Einsätzen ist sehr belastend sind.
- dass Frauen ein niedrigeres Gehalt als Männer erhalten. Dies wurde von Interviewten angegeben, und dieser Verdacht konnte für die gesamte Branche aufgrund einer externen Datenbank bestätigt werden. Allerdings nahm die Verfasserin keine Erhebungen diesbezüglich beim DRK vor.

Es werden gemischte Teams, Frauen und Männer als Schichtpartner, bevorzugt. Die Befragten RettAss und NotSan bescheinigen Frauen verschiedene positive Eigenschaften. So gelten sie als deeskalierend in schwierigen Situationen und sie erhalten einen leichten Zugang zu Patienten und Kindern. Außerdem verbessern sie das Arbeitsklima. Anhand der Daten ist festzustellen, dass es einen positiven Trend bei der Ausbildungen und Einstellung von Frauen in dem Beruf des RettAss beim DRK gibt. Der Beruf muss sich weiterentwickeln. Er muss im Laufe dieser Entwicklung an die Bedürfnisse der Frauen angepasst werden.

Abstract (Englisch)

Background: This thesis deals with the job profiles of RettAss (paramedics) and NotSan (emergency paramedics)at the Hessian German Red Cross (DRK). In the foreseeable future, many of these jobs won't be available at the job market, at least for the time being. Thus there will soon be a skills shortage in this industry.

Aims: Hessian emergency rescue service has varying employment figures concerning male/female gender. My research question therefore is: Why are there so few female paramedics? By means of theories such as Taste of Discrimination and Preference Theory I shall seek to find answers to this question.

Methods: Statistics of employment data of all 30 emergency rescue services using telephone interviews have been compiled. The current state of research is presented with the aid of literary research. Data have been collected via online questionnaires. These questionnaires have been evaluated and graphically presented by means of a two-step cluster analysis as well as cross tabulations.

Results: Results are valid for the 30 Hessian emergency rescue services of the DRK only. 377 women and 1803 men work as RettAss for the DRK, and 6 women and 48 men work as NotSan. The analysis of all data showed no evidence for discrimination of female staff (both RettAss and NotSan) by male coworkers or by superiors based on their job competences.

However there are other reasons for the low employment figures of female staff (RettAss and NotSan) at the DRK emergency rescue service. An analysis has revealed the following factors:

- The job profile is physically very exhausting despite effective technology.
- There is little recognition and appreciation by superiors and by society in general.
- Women are less respected, they aren't taken seriously.
- Shift work means long working hours. Family and work life can't be easily combined. There are indications of problems with adequate childcare and of employers who aren't very flexible regarding this issue.
- Irregular intervals in between assignments are very stressful.
- Women draw lower salaries than men. This has been stated by interviewees. These suspicions could be confirmed for the entire sector with the help of an external database. There isn't any specific data regarding DRK though.

There is a preference for mixed teams (men and women). Women are attributed various positive character traits: deescalating in difficult situations, having easier access to patients and children, and also positively influencing the working atmosphere. Data analysis shows a positive trend regarding vocational training and the employment of women for the job as RettAss at DRK. The job profile requires further enhancement, e.g. slowly adapting to the needs of women.

1. Debatte über die Branche präklinische Notfallmedizin

Im Jahr 2014 haben die Menschen in Hessen mehr als 500.000-mal Hilfe vom hessischen Deutschen Roten Kreuz (DRK) Rettungsdienst (RD) in Anspruch genommen (vgl. DRK über uns). „Täglich verletzen sich in Deutschland - statistisch gesehen - rund 100 Menschen so schwer, dass ihr Leben ernsthaft bedroht ist und sie schnellstmöglich notärztliche und intensivmedizinische Hilfe brauchen“ (Fleck 2012). Die Menschen, die im RD in der präklinischen Notfallmedizin arbeiten, sind nur allzu oft die letzte Rettung für viele Menschen. Aber über die Retter, die 365 Tage im Jahr im Einsatz sind, ist wenig in der Wissenschaft bekannt. So gibt es auch keine Erkenntnisse darüber wie viele Frauen im Rettungsdienst tätig sind. In den Berufsgruppen der Land- und Forstwirtschaft, im produzierenden Gewerbe, in der Energieversorgung sowie im Bergbau waren selbst im Jahr 2011 Frauen in der Minderheit (vgl. Eisenmenger et all. 2014: 552). In der hessischen Notfallrettung des DRK gibt es ebenfalls mehr Männer als Frauen (Stand April 2015). Im RD arbeiten Menschen mit unterschiedlichen beruflichen Qualifikationen. Diese Arbeit legt ihren Schwerpunkt auf den Beruf des Rettungsassistenten (RettAss) und der Rettungsassistentin, des Notfallsanitäters (NotSan) und der Notfallsanitäterin, welche im qualifizierten Krankentransport und in der präklinischen Notfallmedizin des DRK in Hessen beschäftigt sind. 377 Frauen und 1.803 Männer arbeiten als RettAss und 6 Frauen und 48 Männer als NotSan für das DRK in Hessen (Stand April 2015). Aufgrund dieses großen Unterschiedes zwischen der Geschlechteranzahl ist die Forschungsfrage dieser Arbeit: „Warum sind so wenig Frauen Rettungsassistentin?“. Diese Frage untersucht die Arbeit quantitativ. Sie hat einen explorativen Charakter und ist nicht als repräsentativ für die gesamte Branche anzusehen.

Da diese Branche kaum erforscht ist, gibt es sehr viele Forschungslücken. Es gibt in der präklinischen Notfallmedizin keine empirischen Studien über familiäre und soziale Beeinträchtigungen, welche aufgrund von Nacht- und Schichtarbeit zustande kommen. Des Weiteren gibt es noch keine Untersuchungen über die Belastungen, welche durch die langen Arbeitszeiten entstehen können. Diese Arbeit wird einen Teilaspekt dieser Problematiken behandeln. Die Amir Studie soll im Jahr 2016 veröffentlich werden und einige Forschungslücken abdecken. In der Gesundheitswirtschaft herrscht Fachkräftemangel (vgl. Rettungsdienst.de). Mithilfe dieser Ausarbeitung ist es möglich, den Beruf auf die Bedürfnisse der Angestellten anzupassen und somit das Arbeitsfeld Krankentransport und Notfallrettung für mehr potenzielle Mitarbeiter zugänglich und interessant zu machen. Die vorliegende Arbeit ist in drei Abschnitte unterteilt. Zu Beginn stellt sie den Rettungsdienst in Verbindung mit dem Gesundheitssystem dar. Anschließend setzt sie den Beruf in den Kontext mit dem Arbeitgeber DRK. Darauf folgend betrachtet sie in diesem Teil die Qualifikationen RettAss und NotSan. Abschließend stellt sie die Rolle und die Entwicklung der Frau im Rettungsdienst dar. Im theoretischen Teil beschreibt sie die Präferenztheorie. Darauf folgend stellt sie die Taste of Discrimination vor. Mithilfe dieser Theorien analysiert sie in der Diskussion die erhobenen Daten. Im zweiten Abschnitt stellt sie die Untersuchungsverfahren vor. Außerdem wertet sie die erhobenen Daten aus und beschreibt sie anschließend in der Diskussion. Der dritte Teil der Arbeit beinhaltet ein Resümee der Arbeit sowie einen Ausblick über die zukünftigen Veränderungen in der Branche. Außerdem führt sie den weitere Forschungsbedarf auf. Zugunsten einer besseren Lesbarkeit verwendet die Verfasserin in dieser Arbeit generell die männliche Schreibform. Die weibliche Form ist, sofern nicht eindeutig beschreiben, in dieser Form impliziert.

1.1. Das Gesundheitssystem - der Rettungsdienst

Das deutsche Gesundheitswesen hat einen ausgeprägten Dienstleistungscharakter. Der Rettungsdienst, der laut §5 SGB als Transportleistung verstanden wird, ist ein Teil dieses Systems. Der Rettungsdienst wird durch die Krankenversicherungen finanziert (vgl. DRK Lippe). Die Aufgaben des RD gliedern sich in die Notfallrettung und den qualifizierten Krankentransport. Unter die Arbeitsaufgaben in der Notfallrettung fällt der Erhalt von Vitalfunktionen am Notfallort sowie die Transportfähigkeit der Patienten herzustellen und diese während des

Transportes aufrechtzuerhalten (vgl. DRK Lippe). Eine weitere Schädigung des Patienten soll verhindert werden. Das Ziel des Transportes über Land, Wasser oder Luft ist es, dem Patienten die bestmögliche medizinische Versorgung in einer geeigneten Gesundheitseinrichtung zukommen zu lassen. Auf den qualifizierten Krankentransport entfällt die Aufgabe, kranken, verletzten oder anderweitig hilfebedürftige Personen fachgerechte Hilfe zukommen zu lassen (vgl. ebd.). Die Patienten werden außerdem während des Transportes betreut.

Die Kompetenzen der Rettungsdienstmitarbeiter unterliegen der Regelung durch Ländergesetze (vgl. Kapitel Qualifikationen auf Seite 5 ff.). Der Landkreis als Träger des Rettungsdienstes verteilt diese an unterschiedliche Leistungserbringer (zum Beispiel DRK, JUH, ASB, private Anbieter etc.) (vgl. §5 HRDG). Diese Gesetze umfassen auch die Hilfsfrist. „Die Hilfsfrist umfasst den Zeitraum vom Eingang einer Notfallmeldung bei der zuständigen zentralen Leitstelle bis zum Eintreffen eines geeigneten Rettungsmittels am Notfallort“ (§ 15 Abs. 2. HRDG). Sie variiert in den Landkreisen zwischen 10 und 15 Minuten. Es gilt als Ziel des RD, diesen Richtwert zu 95 Prozent einzuhalten. Im Landkreis Waldeck-Frankenberg ist die Hilfsfrist zum Beispiel 10 Minuten (vgl. Main-Echo 2014). Die Hilfsfrist beeinflusst direkt die rettungsdienstliche Infrastruktur eines Landkreises. Es muss sichergestellt werden, dass die Lage und Verteilung der Rettungswachenstandorte es ermöglicht, sämtliche Orte innerhalb dieses Zeitraums zu erreichen.

1.2. Deutsches Rotes Kreuz

Der Rettungsdienstanbieter, um den es in dieser Arbeit geht, ist das DRK. Die Geschichte des DRK ist sehr lang, und Mitglieder und Mitarbeiter folgen einer langen Tradition. Eine Vorstufe des IKRK, das Komitee der Fünf, entstand am 17. Februar 1863 (vgl. DRH Hessen-Historie). Henry Dunant gilt als Gründer, und damit ist er auch der Gründungsvater des heutigen DRK. Der erste deutsche Sanitätsverein, der Württembergische Sanitätsverein des souveränen Königreichs Württemberg, woraus sich der deutsche RD entwickelte, entstand am 12. November 1863 (vgl. ebd.). Im Laufe der Zeit entstanden mehr Sanitätsvereine, und diese schlossen sich zu einem Verband zusammen. Während der Weimarer Republik wurde das DRK als Wohlfahrtsorganisation angesehen. Die Organisationsstruktur wurde nach militärischen Vorgaben organisiert, und die Mitglieder hatten Kriegssanitätsdienst abzuleisten. Trotzdem konnte die Organisation ihren Grundsätzen treu bleiben. Während der Regierungszeit integrierten die Nationalsozialisten das DRK in den Staatsapparat (vgl. DRH HessenHistorie). Demnach hatte für das DRK die Mitwirkung im Kriegsdienst oberste Priorität. Alle inneren Strukturen passten die Nazis dem nationalsozialistischen System an.

Am 19. September 1945 wurde das DRK in den westlichen Besatzungszonen aufgelöst (vgl. ebd.). Von 1945 bis 1950 gab es kein Deutsches Rotes Kreuz. Die Neugründung des DRK fand am 4. Februar 1950 in Bonn und 1952 in der DDR statt (vgl. ebd.). Im Rahmen der Wiedervereinigung wurden alle Landesverbände in ganz Deutschland im November 1990 zusammengeschlossen (vgl. ebd.).

Das heutige DRK interagiert ohne den militärischen Zweck und kann all seinen Grundsätzen treu bleiben. Die Aufgabenfelder des DRK haben sich im Laufe der Zeit gewandelt, und dennoch sind die Kernaufgaben die gleichen geblieben.

Die Mitglieder und Mitarbeiter sind zum Beispiel in den Bereichen Katastrophenschutz, Kindertagesstätten, Sozialdienste, Blutspendedienste bis hin zum Rettungsdienst tätig. In Deutschland gibt es 19 Landesverbände, 528 Kreisverbände und 5.075 Ortsvereine bzw. Bereitschaften. Ebenfalls gehören dem Verband 33 DRK-Schwesternschaften und 9 Blutspendedienste an (vgl. DRK über uns). Diese Arbeit wird vom hessischen DRK-Landesverband unterstützt. Der Landesverband gliedert sich in 39 Kreisverbände (vgl. ebd.). Dem hessischen DRK-Landesverband stehen 169 Rettungswachen1 und 463 Einsatz- und Reservefahrzeuge zur Verfügung (vgl. DRK Hessen 2014). Im Jahr 2014 verzeichnete das DRK Hessen 502.089 Einsätze in der Notfallrettung und Krankentransporte (vgl. ebd.). Es gibt 6.527 hauptamtlich beschäftigte Mitarbeiter im DRK Hessen (vgl. DRK über uns).

1.3. Qualifikationen

Im DRK-Rettungsdienst in Hessen arbeiten Menschen mit unterschiedlicher Qualifikation. Diese reicht von Rettungshelfer bis Arzt. Die Zielgruppe dieser Ausarbeitung sind RettAss und NotSan. Im RD gibt es auf Basis von tarifoder einzelvertraglicher Regelung verschiedene Schichtsysteme. Bei der Umfrage der Autorin wurde in einem RD 20 rotierende Schichtsysteme festgestellt. Der Rettungsdienstleiter (RDL) ist für den Schichtplan zuständig. Die Mitarbeiter können im Nachhinein untereinander tauschen. Die Besonderheiten dieses Systems sind, dass die Rettungswagen, Helikopter oder Boote 365 Tage im Jahr und 24 Stunden täglich unabhängig von Feiertagen einsatzbereit sein müssen. Die Arbeiter haben zum Teil sehr lange Dienstzeiten hinzunehmen. Es können Wochenarbeitszeiten zwischen 48 und 54 Stunden entstehen. Während dieser Arbeitszeit ist es die Regel, dass die Einsatzkräfte innerhalb weniger Sekunden zwischen Tiefschlaf/ völliger Ruhe und aktivem Einsatzgeschehen wechseln müssen. Daher müssen die Ruhe- und Pausenzeiten von den Mitarbeitern flexibel gestaltet werden. Rettungsassistent/in RettAss ist ein junger Beruf und in Deutschland erst seit 1989 stattlich anerkannt (vgl. Kessel 2008.120).

„Die Ausbildung soll entsprechend der Aufgabenstellung des Berufs als Helfer des Arztes insbesondere dazu befähigen, am Notfallort bis zur Übernahme der Behandlung durch den Arzt lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchzuführen, die Transportfähigkeit solcher Patienten herzustellen, die lebenswichtigen Körperfunktionen während des Transports zum Krankenhaus zu beobachten und aufrechtzuerhalten sowie kranke, verletzte und sonstige hilfsbedürftige Personen, auch soweit sie nicht Notfallpatienten sind, unter sachgerechter Betreuung zu befördern“(Sanitätsschule Nord). Die Ausbildung des RettAss ist umfassend. Diese beinhaltet mindestens 1.200 Stunden theoretischer Unterricht an einer staatlich anerkannten Schule (vgl. §4 RettAssG) sowie 1.600 Stunden praktischer Tätigkeit an einer anerkannten Lehrrettungswache (vgl. ebd.) unter Anleitung eines Lehrrettungsassistenten (vgl. ebd.). Nach 12 Monaten Ausbildung findet eine staatlich anerkannte Prüfung in schriftlicher, mündlicher und praktischer Form statt (vgl. ebd.). Die gesamte Ausbildung müssen die Auszubildenden privat finanzieren. Nur in Sonderfällen findet eine Übernahme der Kosten durch den Arbeitgeber statt. Die Voraussetzungen für diese Ausbildung sind die Vollendung des 18. Lebensjahres, eine gesundheitliche Eignung sowie mindestens ein Hauptschulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung (vgl. §5 RettAssG). Die Person mit der Qualifikation RettAss übernimmt die erste Position auf dem Rettungswagen und ist weisungsbefugt. Rettungsassistent war bis zur Einführung des NotSan die höchste nicht ärztliche Qualifikation im Rettungsdienst.

Die RettAss haben begrenzte Aufstiegsmöglichkeiten in Form von Zusatzqualifikationen wie zum Beispiel zum Lehrrettungsassistent, Desinfektor oder organisatorischer Leiter/ Einsatzleiter (vgl. §4 DRK-RTV). Jede Zusatzfunktion wird mit einer Funktionszulage vergütet (vgl. ebd.). Diese entschädigt für die zusätzliche Arbeit zum ausgeübten Beruf des RettAss. Der überwiegende Teil der Kreisverbände (KV) bindet sich an den DRK-RTV, der Rest handelt in Anlehnung daran. Die Arbeitszeit der RettAss wird in Bereitschaftsdienst und Arbeitszeit gegliedert (vgl. ebd. §3). Es gibt vier Stufen der Bewertung von einer 40- bis zu einer 80-StundenWoche. Angepasst an die Arbeitszeit erhöhen sich auch der Bereitschaftsdienst und das Gehalt. „‘Wir arbeiten knapp zehn Stunden pro Woche umsonst’, bekräftigt Tobias Hetzel, Betriebsratsvorsitzender der Rettungsdienst gGmbH des DRK in Lörrach“ (Hetzel 2015). Im Rahmen des Tarifvertrages wurde geregelt, dass der Bereitschaftsdienst nicht entlohnt, sondern in Freiheit abgegolten wird (vgl. §3 DRK-RTV). Des Weiteren fällt das Gehalt sehr gering aus. „‘Ein Berufseinsteiger mit qualifizierter Ausbildung […] verdient bei 48 Wochenstunden derzeit zwischen 1300 und 1400 Euro im Monat’ so Hetzel“ (Hetzel 2015). Im Jahr 2013 wurde der Beruf des RettAss von der Bundesregierung mithilfe eines neuen Gesetzes in den Beruf des NotSan transformiert. Notfallsanitäter/in Der Beruf des NotSan „soll entsprechend dem allgemein anerkannten Stand rettungsdienstlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Durchführung und teamorientierten Mitwirkung insbesondere bei der notfallmedizinischen Versorgung und dem Transport von Patientinnen und Patienten vermitteln. Dabei sind die unterschiedlichen situativen Einsatzbedingungen zu berücksichtigen. Die Ausbildung soll die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter außerdem in die Lage versetzen, die Lebenssituation und die jeweilige Lebensphase der Erkrankten und Verletzten und sonstigen Beteiligten sowie deren Selbstständigkeit und Selbstbestimmungin ihr Handeln mit einzubeziehen“ ( Abs.1 §4 NotSanG.)

Das NotSanG regelt ab 2014 die Ausbildungsgrundsätze. Der NotSan ersetzt schrittweise den Beruf des RettAss. Die Änderungen der Ausbildung betreffen die Dauer und den Umfang, die Vergütung sowie anschließend die Kompetenzen des NotSan. Diese Punkte haben beim RettAss zu Problemen geführt und wurden beim NotSan verbessert. In Vollzeitform dauert die Ausbildung nun 3 Jahre, in Teilzeitform 5 Jahre (vgl. §5 NotSanG). Als Ausbildungsstätte bleibt die staatlich anerkannte Rettungsdienstschule (vgl. ebd. §6) sowie die Lehrrettungswache Bestandteil der Ausbildung (vgl. ebd.). Die Voraussetzungen sind nun die gesundheitliche Eignung sowie der mittlere Schulabschluss oder eine gleichwertige Schulbildung (vgl. ebd. §8). Ein Hauptschulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung mit einer Dauer von mindestens 2-jähriger Dauer ermöglichen ebenfalls die Zulassung (vgl. ebd. §§8, 9). Die Auszubildenden müssen die Ausbildungskosten nicht selbst übernehmen sondern erhalten zusätzlich noch eine Ausbildungsvergütung (vgl. §15). Aktuelle RettAss müssen abhängig von ihrer Berufsdauer eine staatliche Ergänzungsprüfung mit vorherigem Vorbereitungslehrgang absolvieren (vgl. Abs. 1. §32 NotSanG). Allerdings sind die RettAss nicht dazu verpflichtet. Sie können auch mit dem Titel RettAss weiterarbeiten. Allerdings haben sie dann weniger Qualifikationen als ein NotSan. Das Problem mit dem geringen Gehalt ist dasselbe wie bei den RettAss.

Durch die Transformation des RettAss in den NotSan müssen viele RettAss die Schulung besuchen. Außerdem müssen die Auszubildenden anstatt einem Jahr nun drei Jahre die Schule besuchen, bis sie voll einsatzbereit sind. In dieser Zeit gehen ältere Mitarbeiter in Ruhestand. Da Frauen ab Bekanntwerden der Schwangerschaft nicht mehr im RD fahren dürfen, kann auch diese Gruppe der Arbeitnehmer ausfallen. Außerdem wird die Vaterzeit bei Männern immer attraktiver. Dieses Angebot nehmen immer mehr Männer an, und damit fallen auch sie aus dem aktiven Arbeitsmarkt für eine gewisse Zeit aus2. Da RettAss und NotSan den Arbeitsmarkt verlassen, aber keine neuen nachkommen, ist in den nächsten Jahren ein enormer Fachkräftemangel zu erwarten.

1.4. Frauen im Rettungsdienst - Entwicklung und Befunde

Im Jahr 2015 arbeiten gerademal 383 weibliche RettAss und NotSan für das DRK in Hessen, im Gegensatz zu 1.851 Männern (Stand April 2015). Im Vergleich zu 2014 ist der Frauenanzahl um 1,59 Prozent angestiegen. Der Männeranteil ist im selben Zeitraum um 2,66 Prozent angestiegen. Auf eine im Jahr 2015 weiblich besetzte Stelle kommen 4,83 Männer in derselben Position. „Zwar hatte die Hilfsorganisation immer schon weibliches Personal beschäftigt, der Rettungsdienst blieb aber für Jahrzehnte eine Männerdomäne“ (Kessel 2008: 121). Diese Aussage ist im Jahr 2015 für das DRK noch immer gültig (Stand April 2015). Aber es ist ein klarer Trend in den Daten. zu erkennen. „Seit rund zehn Jahren steigt der Frauenanteil in Reihen des Rettungsfachpersonals kontinuierlich“ (Krause 2012: 54). Dieser Trend wird von anderen Datensätzen und Aussagen von RDS bestätigt (vgl. Krause 2012: 56).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 1 : Auszubildende RettAss 1994-2003

Das Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen veröffentlichte im Jahr 2004 eine Studie, in der die Auszubildendenzahlen von 1994 bis 2003 dargestellt wurden (siehe Grafik 1; vgl. Schröter 2004: 21). Dieser

Beitrag bezog sich auf ausgebildete RettAss aus dem Land Brandenburg.

Aber es lässt sich an diesen Zahlen ein klarer Trend erkennen. Im Jahr 1994 gab es 216 männliche und 18 weibliche RettAss in Ausbildung (vgl. Schröter 2004: 21.). 1998, fünf Jahre später, gab es schon 36 weibliche und nur 73 männliche RettAss in Ausbildung (vgl. ebd.). Im Jahr 2003 gab es dagegen

33 weibliche und 107 männliche RettAss, welche sich in der Ausbildung befanden (vgl. ebd.). Nach diesen Zahlen ist ein positiver Trend für die Ausbildung von weiblichen RettAss in Brandenburg zu bescheinigen. Dieses Beispiel ist repräsentativ für den Beruf und beweist einen langfristigen positiven Trend. Somit kann der beobachtete positive Trend, welcher aus den Daten der Umfrage aus dem Jahr 2015 beim DRK hervorgeht, als korrekt angenommen werden.

Wie alles begann

Anfang der 70er Jahre begannen Frauen, sich für die Notfallrettung und den Krankentransport zu interessieren. Meist arbeiteten Frauen ehrenamtlich und erhielten Nacht- und Wochenendschichten. Dies war schwierig mit der Familie zu vereinbaren. Des Weiteren durften Frauen zu dieser Zeit nicht schwer tragen. Beide Gründe führten dazu, dass in den 70er Jahren die Frauen aus diesem Bereich ausgeschlossen wurden (vgl. Kessel 2008: 122f.).

Im Jahr 1990 wurde eine Umstrukturierung des RD durchgeführt. Danach konnten auch Frauen in dem Berufsfeld wieder Fuß fassen (vgl. ebd.: 122f.). Die Gesellschaft hatte damals viele Vorurteile gegenüber Frauen im Rettungsdienst. Diese Vorurteile stammten meist von Ärzten, Vorgesetzten und Patienten, aber weniger von Kollegen. Erstere zweifelten meist an, dass Frauen die häufig nicht gehfähigen Personen von der Wohnung ins Auto tragen könnten (vgl. ebd.: 122). Außerdem

„[…] sahen sich Frauen, neben Zweifeln an ihrer medizinischen Kompetenz, vor allem mit zwei Vorurteilen konfrontiert: Zum einen wurde ihre Fähigkeit Autos, speziell LKW, zu fahren in Zweifel gezogen, zum anderen assoziierte man ‘weiblich’ mit ‘nicht nervenstark’.“ (vgl. ebd.:122)

[...]


1 Diese Zahl umfasst auch die NEF Standorte.

2 Dies wurde von der Autorin im Rahmen einer Hausarbeit belegt (vgl. Kuklovsky 2015).

Ende der Leseprobe aus 61 Seiten

Details

Titel
Warum sind so wenig Frauen Rettungsassistentin? Eine quantitative Untersuchung mithilfe der Theorien von Gary Becker und Catherine Hakim
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Soziologie)
Note
13
Autor
Jahr
2015
Seiten
61
Katalognummer
V308170
ISBN (eBook)
9783668062047
ISBN (Buch)
9783668062054
Dateigröße
1688 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rettungsassistent, Frauen, Gender, DRK, Rettungsdienst, Notfallsanitäter, Familie und Beruf, Fachkräftemangel, Hessen, Taste of Discrimination, Präferenztheorie, Gesundheitswirtschaft
Arbeit zitieren
Katharina Kuklovsky (Autor:in), 2015, Warum sind so wenig Frauen Rettungsassistentin? Eine quantitative Untersuchung mithilfe der Theorien von Gary Becker und Catherine Hakim, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/308170

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