Der Einfluss des Modernisierungsprozesses auf den Freizeitgehalt

Eine Studie


Hausarbeit, 2015

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2.Begriffsklärung
2.1 Freizeit
2.2 Arbeitszeit

3. Modernisierungsprozesse: Einflüsse auf des Freizeitverhalten
3.1.Technischer Fortschritt als zentrales Strukturelement
3.2 Gesellschaftliche Umbrüche im Zuge der industriellen Bewegung
3.2.1 Arbeitszeitveränderungen
3.2.2 Mobilisierung
3.2.3 Digitalisierung und Informatisierung

4. Beschleunigungstheorie
4.1 Dimensionen der Beschleunigung nach Rosa
4.1.1 Technische Beschleunigung
4.1.2 Beschleunigung des sozialen Wandels
4.1.3 Beschleunigung des Lebenstempos
4.2 Der Akzelerationszirkel

5.Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Man denkt mit der Uhr in der Hand, wie man zu Mittag ißt, das Auge auf der Börsenblatt gerichtet, - man lebt wie einer, der fortwährend ,etwas versäumen´ könnte. ,Lieber irgendetwas tun als nichts.'[...]“1 Diese Beschreibung vom alltäglichen Verhalten Vieler beschäftigt derzeit nicht nur die Menschen, sondern auch die Medien und Wissenschaft. Fast regelmäßig werden neue Hilfsmittel, die der Praktik dienen sollen, oder Berichte, die das Nichtstun propagieren, publiziert. Das Leben hat scheinbar sein Tempo verändert, sodass es zunehmlich schwieriger wird Beruf und Privat, zusammen mit Hobby und Ruhephasen, zu vereinbaren. Aber ist es denn logisch, dass die Menschen der Gegenwart trotz einer beobachteten Verkürzung der Arbeitszeiten und somit einer objektiv größer werdenden Freizeit, nicht in der Lage sind, ihren Alltag oder Leben so zu planen, dass sie sich dabei nicht überschlagen müssen?

Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Thema der Zunahme des Freizeitgehalts im Modernisierungsprozess. Die zentrale These hierbei ist, dass sich durch technischen Fortschritt Arbeitsvorgänge soweit verkürzt haben, dass die Spanne der freien Zeit im Umfang gestiegen ist und dass es eine Bewegung von der Arbeitergesellschaft zu einer Gesellschaft der Freizeit gegeben hat. Durch eine anfängliche Begrifflichkeitserklärungen der Frei- und Arbeitszeit soll aufgezeigt werden, dass Arbeit und Freizeit in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Durch Unterbetrachtnahme technischer Innovationen der Industrialisierung wird in dieser Arbeit zu einschlägigen gesellschaftlich Veränderungen hingeführt, die das Handeln der Individuen umstrukturiert haben. In den Erläuterungen der Arbeitszeitveränderungen und wichtiger gesellschaftlicher Umbrüche, wie Mobilisierung und Informatisierung, zeigt die Arbeit den Trend der veränderten Freizeitgestaltung auf. Im vierten Teil der Arbeit soll es mit der Beschleunigungstheorie Hartmut Rosas gelingen darzustellen, dass der objektive Gewinn an Freizeit nicht die Ergebnisse hervorgebracht hat, die man erwarten würde sondern, dass es auch mit mehr Zeit den Individuen nicht gelingt ein der Objektivität entsprechendes Zeitgefühl zu erhalten.

2.Begriffsklärung

Will man Freizeit definieren, ist grundlegend zwischen sogenannten negativen und positiven Definitionen zu Unterscheiden. Negative Definitionen meinen damit Abgrenzungs- definitionen, welche sich als Bezugspunkt der Arbeitszeit bedienen. Freizeit wird in diesem Zusammenhang als die Restkategorie von Zeit gegenüber Arbeit gesehen. Positive Definitionen versuchen Freizeit als übergeordneten Aspekt, wie Interessen oder Erlebnisweisen zu beschreiben.2 Weiterhin ist der historische Entwicklungsverlauf des Begriffs Freizeit bedeutsam, denn dieser war nicht immer eindeutig. Soziologen, Historiker und Pädagogen sind sich dabei einig, dass die Freizeit in Etappen entstand. Erstmals vermerkt im Mittelalter als > freye Zeyt<, beschrieb sie die Marktfriedenszeit. Doch rückte sie erst, im Vollzug der Industrialisierung, nach dem Ende des ersten Weltkrieges, ins Zentrum der Beachtung.3 Die geschichtliche Entwicklung der Arbeit und der Arbeitszeit lässt deutlich werden, dass von einer Arbeitszeit erst dann die Rede sein kann, wenn es für Menschen möglich ist, andere Zeiten des Tages für andere Tätigkeiten zu nutzen. Betrachtungen der vorindustriellen Zeit lassen bemerken, dass das Schicksal, in welchen gesellschaftlichen Stand man hineingeboren wurde, festsetzte, wie lange oder ob gearbeitet werden musste. War es dem Adel vorbehalten, frei von körperlicher Arbeit zu sein, waren die unteren Klassen genötigt ihr Leben mit Arbeit zu verbringen, um ihre Existenz zu sichern.4 Lebenszeit war also Arbeitszeit. Erst im Mittelalter gelang eine Aufwertung des Begriffs, nach dem Arbeit als ein Gut im wirtschaftlichen Tauschprozess und nicht mehr als Strafe für Sünde angesehen wurde. Als eine Aufgabe Gott zu dienen, wurde ein Arbeitsethos geschaffen, der der Arbeit einen moralisch hohen Wert erteilte.5 Zu dieser Zeit lässt sich keine genau Grenze zwischen Arbeitszeit und frei verfügbarer Zeit ziehen. Die Form des 'ganzen Hauses' dominierte und prägte für diese Zeit die Produktion sowie Reproduktion an einem Ort zu vereinen.6

2.1 Freizeit

Aus der gesamten Entwicklung der Herrschafts- und Gesellschaftssysteme mit einer ständigen Veränderung der Arbeitsweisen, -zeiten und -umfängen, ist eine Definition für Freizeit als solche nicht eindeutig bestimmbar. Es existieren mehrere Versuche Freizeit in Abhängigkeit von verschiedenen Bereichen darzustellen. Allen voran ist ihnen die Definition als NichtArbeitszeit, die unter Abzug der Stunden für Schlaf, zur Regeneration übrig bleibt.7 Deutlich weitgreifender zeigt sich die Definition Torkaskis (2000):

„[...] Freizeit beinhaltet nicht nur Vergnügen, Unterhaltung und Abschalten von der Arbeit, sondern auch Bildung, politisches und soziales Engagement sowie gesundheitsorientiertesVerhalten.[...] Freizeit ist das, was der Einzelne darunter versteht. Arbeit und Freizeit sind darüber hinaus keine trennscharfen Lebensbereiche mehr: Arbeit kann zur Freizeit und Freizeitzur Arbeit werden. Darüber hinaus hat sich Freizeit von derüberwiegend reinen ErholungsKonsumzeit der 50er bis 70er Jahre zu einer auf Erlebnisse und Genuss aus-gerichteten Zeit gewandelt, die immer weiter steigende Ausgaben für Freizeitaktivitäten und -güter, Suche nach einzigartigen Reisen sowie Herausforderungen und Ansprüche mit sich bringt. Freizeitist heute der Raum, in dem die Menschen Lebensstile sowie neue Ordnungsdimensionen fürden Alltag entwickeln und sich selbst verwirklichen wollen.“8

Die aktuellste Bedeutung ist dem Duden zu entnehmen, welcher Freizeit definiert als Zeit, in der man nicht zu arbeiten braucht und in der man Zeit für Hobbys und Erholung hat.9 Chronologisch gesehen erweitert sich der Begriff bis in die Gegenwart weiter, jedoch wird er auch heute noch als Gegenereignis zur Arbeit verstanden, weswegen diese ebenfalls definiert werden soll.10

2.2 Arbeitszeit

Entscheidend für eine Definition der Arbeitszeit wie wir sie heute kennen, ist die Durchsetzung der Industriegesellschaft, in der die Zeit für den Arbeitsprozess zu einem deutlichen Faktor wird. Als Zeitinstitution verstanden, umgreift sie eine charakteristisch individuelle und relative Dauer, in der Tätigkeiten koordiniert und funktional aufeinander bezogen werden. Auch werden dazugehörige Regeln, durch soziale Kontrolle überwacht und gegebenenfalls sanktioniert.11 Arbeitszeit, entsprechend dem heutigen Verständnis, kann differenziert definiert werden. So schreibt Raehlmann:

“Unter Arbeitszeit im strengsten Sinne wird die reine Arbeitszeit ohne Pausen verstanden. Sie unterscheidet sich von der im strengen Sinn dadurch, dass nicht vereinbarte, also informelle Pausen, die es immer geben wird, eingerechnet werden. Unter Arbeitszeit im weiten Sinn wird die Anwesenheit, also einschließlich der Pausen, in der Arbeitsstätte verstanden, während bei der Arbeitszeit im weitesten Sinne noch die Arbeitswegzeiten berücksichtigt werden.“12

3. Modernisierungsprozesse: Einflüsse auf des Freizeitverhalten

Dass Arbeitszeit und Freizeit einander bedingen, zeigen bereits die obigen Definitionsversuche. Doch auch wenn wir von einer Freizeit ausgehen, in der das Individuum nach Belieben agieren kann, wenn es derzeit keine Verpflichtungen in Bezug auf den Existenzerhalt hat, wäre es fälschlich zu denken, dass es vorindustriell keine Freizeit gegeben hätte. Man kann bei dieser nur nicht von einer individuellen und freien, aber von einer kollektiv organisierten Freizeit reden. Im Folgenden sollen nun der technische Fortschritt und besondere gesellschaftliche Umbrüche beleuchtet werden, um sie als wichtige Indikatoren der Freizeitzunahme identifizieren zu können.

3.1.Technischer Fortschritt als zentrales Strukturelement

Die Geschichte der Menschheit ist geprägt davon, dass sie sich lange in der ständischen Verteilung befand, in der auch die Arbeitsverteilung nahezu monopolisiert ausgerichtet war. Zeiterleben und natürliche Rhythmen waren grundlegend für die Gestaltung der Tage. „Nicht- Jetzt“ und „Jetzt“ wurden im Verlauf von zyklischen Denkmustern abgelöst, die in lineare übergingen.13 Die Entwicklung der verschiedenen Zeitmodelle machte einen entscheidenden Sprung nach vorn, als man Zeitmessgeräte zu gebrauchen begann. Diese lösten die zyklischen Denkmuster schnell ab. Aufkommende Turmuhren machten Menschen von grobmaschigen Naturrhythmen unabhängiger. Die Erfindung der mechanischen Uhr spielt hier mit die entscheidendste Rolle, denn diese führte, nach ihrer Massenproduktion, nicht nur in den USA im 19. Jahrhundert, zu einer neuen Disziplinierung der Menschen, die jetzt erstmals das Gefühl verspürten wissen zu wollen, wie spät es wäre. Uhrzeiten waren jetzt entscheidender für die soziale Kontrolle. Der italienische Uhrenbaumeister des 15. Jahrhunderts Alberti schrieb: „ Vor der Revolution hatten die Menschen Zeit aber keine Uhr, nach der Revolution haben sie Uhren aber keine Zeit.14 Dieser Ausdruck vermittelt wohl am eindrucksvollsten, wie die Verzeitlichung des Lebens auf die Menschen gewirkt hatte. Das Zeitalter der Industrialisierung, Ende des 18. Jahrhunderts, wirkte jedoch am stärksten auf das Verhältnis von Arbeit und Freizeit. Wichtige Faktoren, wie die Rationalisierung, Arbeitsteilung, der Verkauf der Arbeitskraft gegen Lohn, die Enttraditionalisierung, die Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz, sowie das Einführen von Maschinen zur Massenproduktion und die Elektrizität führten kontinuierlich zu einer Arbeitszeiterweiterung, da natürliche Tagesabläufe nun übergangen werden konnten. Die ohnehin wenige Freizeit wurde damit immer knapper beziehungsweise umgelagert in Arbeitswege und entfiel letztendlich auf Tätigkeiten zu Hause und wieder lediglich auf die Reproduktion der Arbeitskraft. Diese Ausbeutung der Arbeiter fiel jedoch unter eine fragwürdige Sichtweise der Ökonomen und auch mancher Arbeiter, sodass man annehmen könnte, der Luther´sche Ansatz wirkte bis hier immer noch hinein. Arbeit galt nahezu als eine Ersatzreligion.15 So heißt es von Lafargue(1891):

„Eine seltsame Sucht beherrscht die Arbeiterklasse aller Länder, in denen die Kapitalistische Zivilisation herrscht, eine Sucht, die das in der modernen Gesellschaft herrschende Einzel-und Massenelend zur Folge hat. Es ist die Liebe zur Arbeit, die rasende, bis zur Erschöpfung der Individuen und ihrer Nachkommenschaft gehende Arbeitssucht. Statt gegen diese Verir-rung anzukämpfen, haben die Priester, dieÖkonomen und die Moralisten die Arbeit heilig ge- sprochen[...]“16

Heute hat sich diese Haltung, unter Beachtung der gestiegenen Lebenserwartungen, den harten Kämpfen um kürzere Arbeitszeiten, mehr Urlaubstage und freie Wochenenden, sowie das (Wieder-)Eintreten der Frauen in die Berufswelt wieder geändert. Leicht lässt sich darauf schließen, dass es im Zeitalter der Maschinen zu viele Menschen für jene Arbeiten gibt, die bereits zum Großteil durch Technik übernommen beziehungsweise technologisiert wurden. Auch der aktuelle Trend der Arbeitszeitverkürzungen und das Nachlassen der sicheren Arbeitsplätze, erfordern neue Handlungsstrukturen der Individuen. Die grundlegenden Folgen des technischen Fortschritts, in Form von Computern, dem Internet und vor allem die Verknüpfung Mehrerer, unabhängig vom jeweiligen Standort, wälzt die Verhältnisse von Raum, Zeit und Arbeit in der Gegenwart grundlegend um. Irene Raehlmann spricht hierbei von Telearbeit, als ein neues Paradigma der Produktivitätssteigerung. Hierunter versteht man die von Räumlichkeiten getrennte Leistungserbringung mithilfe von Informations- und Kommunikationstechniken. Diese Arbeit kann also außerhalb des Betriebes durchgeführt werden und führt dadurch zu einer Flexibilisierung des Raumes und damit einhergehend auch zu einer Flexibilisierung der Arbeitszeit. Diese Tendenz erweist sich geradezu als paradox denn genau diese Flexibilität in Raum und Zeit kann eine bedürfnisorientierte und optimierte Zeitnutzung hervorbringen aber eben auch zu einer immensen Herausforderung werden. Wenn es darum geht, einer auferlegten Selbstorganisation gerecht zu werden, die neben der Selbstdisziplinierung, der Eigenkontrolle und dem Selbstmanagement für die Individuen17

[...]


1 Nietzsche, Friedrich, in: Paradiso.Besser leben. Weiter denken. Nr. 1, 2015, S. 29.

2 Vgl. Schulze Buschoff, Karin: Chancen und Risiken des Freizeitbereichs in der „ rund um die Uhr aktiven Gesellschaft“.Studien zur Politikwissenschaft, Bd.73, Hamburg, 1992, S.16.

3 Vgl. Nahrstedt, Wolfgang: Die Entstehung der Freizeit, Göttingen, 1972, S.22.

4 Vgl. Prahl, Hans-Werner: Soziologie der Freizeit, Paderborn, 2002, S. 87-94.

5 Vgl. Vester, Heinz Günter: Zeitalter der Freizeit. Eine soziologische Bestandsaufnahme, Darmstadt, 1988, S. 32.

6 Vgl. Prahl, Hans-Werner: S. 95.

7 Vgl. Prahl, Hans-Werner: S. 139.

8 Prahl, Hans-Werner zit. nach Tokariski, in: Soziologie der Freizeit, Paderborn, 2002, S. 134.

9 o.A.http://www.duden.de/rechtschreibung/Freizeit zuletzt geprüft 03.06.2015,19:56.

10 Vgl. o.A, Duden-online

11 Vgl. Raehlmann, Irene: Zeit und Arbeit. Eine Einführung, Wiesbaden, 2004, S. 35-37.

12 Raehlmann, Irene: S. 38.

13 Vgl. Benthaus-Apel, Friederike: Zwischen Zeitbindung und Zeitautonomie, Wiesbaden, 1995, S. 52.

14 Prahl, Hans-Werner: S. 21

15 Vgl. Prahl, Hans-Werner: S. 98.

16 Ebd.: S. 99.

17 Vgl. Raehlmann, Irene: S.118 - 125.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss des Modernisierungsprozesses auf den Freizeitgehalt
Untertitel
Eine Studie
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Soziologie)
Veranstaltung
Seminar Theorien der Moderne
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
17
Katalognummer
V307875
ISBN (eBook)
9783668060449
ISBN (Buch)
9783668060456
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beschleunigung, Arbeitszeit, Freizeit, modernisierung, einflss, wandel, beschleunigungstheorie, akzelerationszirkel, hartmut rosa
Arbeit zitieren
Laura Richter (Autor:in), 2015, Der Einfluss des Modernisierungsprozesses auf den Freizeitgehalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307875

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