Leben im Licht des Todes. Søren Kierkegaards "An einem Grab"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

14 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Ernst und Stimmung

Die Entscheidung des Todes

Die Gleichheit des Todes

Die Ungleichheit des Todes

Die Unerklärlichkeit des Todes

Angst vor dem Tod

Das Individuum und der Tod des Anderen

Abschluss

Bibliographie

Einleitung

Wenn es einen Philosophen gibt, der den Tod häufig und hautnah erfahren hat, dann ist es Søren Kierkegaard. Geboren in einer Familie mit sieben Kindern, verlor er bevor er dreißig war schon fünf seiner Geschwister und seine Eltern an den Tod. Seine Tagebucheinträge zeigen, dass Kierkegaard sich intensiv mit dem Sinn und der Bedeutung von diesem auseinandergesetzt hat. Außerdem hat er geglaubt, dass er selber auch nicht alt werden würde.[1] Es ist daher nicht verwunderlich, dass Sterben und Tod eine große Rolle in seinem Denken spielen. Während der ganzen Vielfalt und Komplexität von Kierkegaards Werken, kommt der Tod als Thema immer wieder vor. Die Bedeutung des Todes in Kierkegaards Arbeit kann auch auf unterschiedliche Weise und aus verschiedenen Perspektiven angegangen werden.[2] In diesem Aufsatz wird der Fokus auf einem Text liegen, den Kierkegaard schrieb als er 31 Jahre alt war. Der Text heißt ‚An einem Grabe‘ und wurde als eine Rede anlässlich einer Beerdigung geschrieben. Kierkegaard hat ihn unter seinem eigenen Namen veröffentlicht, was bedeutet, dass die Rede in einem relativ direkten Sinne seine eigenen Absichten zeigt. Wie im Rest seines Werks, ist seine Absicht in erster Linie den Leser in seiner Existenz anzusprechen. Nicht der Tod als ein Problem für das Denken ist von zentraler Bedeutung, aber die Bedeutung des Todes im konkreten Leben. Die eigentliche Frage für Kierkegaard ist eine die wir schon bei Sokrates finden, nämlich, die Frage nach dem guten Leben im Angesicht des Todes, genauer gesagt die Frage, was ein gutes Verhältnis zur eigenen Sterblichkeit sei.[3] Es braucht keine Erläuterung, dass diese Frage auch heute noch von großer existentieller Bedeutung ist und sie wird daher auch das Leitmotiv dieser Hausarbeit sein. Der erste und größte Teil der Arbeit wird aus einer vollständigen Erörterung der Rede ‚An einem Grab‘ bestehen. Danach werden dann kurz zwei Themen besprochen, die in der Rede nicht im Vordergrund stehen, nämlich die Angst und der Tod des anderen.

Ernst und Stimmung

Anhand des Beispiels einer tatsächlichen Beerdigung, nimmt Kierkegaard den Hörer zuerst mit auf die konkrete Situation einer Grabrede. Auffällig ist, dass er das Beispiel beginnt mit „So ist es denn vorüber!“ und auch endet mit „und so ist es denn vorüber.“ Obwohl es sich um eine religiöse Rede handelt, geht Kierkegaard in der Rede davon aus, dass der Tod das Leben begrenzt. Er postuliert kein Jenseits womit der Tod im Voraus als Übergang zum nächsten oder sogar ewigen Leben verstanden werden würde. Der Tod macht dem Leben ein Ende, sowie auch die Verbindung zwischen dem Verstorbenen und der Hinterbliebenen, was in Kierkegaards Kopenhagen ebenso wenig selbstverständlich war.[4] Drittens klingt in diesem „So ist es denn vorüber!“ im Diapositiv bereits die Ermahnung zur Ernsthaftigkeit, welche in der ganze Rede immer wieder klingen wird: dem Hörer ist es noch nicht vorüber!

In der Fortsetzung der Einführung ist sofort klar, dass der Ernst auch der Kern der Sache ist von dem, worum es Kierkegaard geht. Die gute Beziehung zum Tod ist eine Beziehung, die durch Ernst gekennzeichnet wird. Um zu zeigen, was Ernst ist, betont Kierkegaard zuerst, was kein Ernst ist. Der Ernst liegt nicht im Äußerlichen. „das Ernste liegt nicht in der Begebenheit, nicht im Äußerlichen: daß da nun wiederum ein Mensch gestorben ist.“[5] Ebenso wenig ist jemand der unter Leiden und Unglück gebückt geht grundsätzlich ernst, oder jemand der oft in Todesgefahr ist, oder jemand der Bestatter von Beruf ist – denn Ernst ist eine Sache der Innerlichkeit, er liegt in der Beziehung, die jemand zu etwas hat.

Aber welche Art von Innerlichkeit ist der Ernst dann? Was ist in jemandem, das ihn zu einem ernsten Menschen macht? Um dies deutlicher zu machen, stellt Kierkegaard den Ernst neben ein anderes Phänomen, nämlich der Stimmung. Ebenso wenig wie im Äußerlichen, liegt der Ernst in den Gefühlen die jemand bei etwas hat. Der Tod einer geliebten Person kann dazu führen, dass jemand von einer großen Ansammlung von vielen unterschiedlichen Gefühlen überwältigt werden kann. Dies hat Kierkegaard selbst aus erster Hand erfahren, allerdings ist auch das noch nicht Ernst. Der Ernst ist nämlich keine direkte, unmittelbare Beziehung zur Realität, sondern eine vermittelte von dieser. Es ist eine Beziehung, die durch Selbstreflexion vermittelt wird. In anderen Worten: der Ernst liegt in der Beziehung die man zu sich selbst hat. Es ist die Bereitschaft, sich selbst zu erkennen wie man ist und aufgrund dieser Innerlichkeit zu handeln. Während Gefühle oder Stimmungen, wie stark und überwältigend sie auch sein mögen, unbeständig und vorübergehend bleiben, liegt in der ernsthaften Beziehung zu sich selbst die Möglichkeit, etwas dagegen zu setzen, eine Möglichkeit, die nach Kierkegaard das Ewige im Menschen berührt: die Entscheidung. Eine Entscheidung ist eine Wahl, die durch Ernst genommen wurde. Sie macht es möglich aus ethischer Überzeugung zu leben, statt vollständig durch Gefühle und Umstände bestimmt zu werden. Es ist dieser Ernst, den ein Mensch durch den Tod lernen kann.

Wie lernt man den Ernst des Lebens vom Tod? Das ist, was Kierkegaard im Hauptteil der Rede anhand von einigen Kernideen ausarbeiten wird. Entscheidend ist auf jeden Fall die Bereitschaft sich ernst gegenüber dem Tod zu verhalten, und so bereit ist zu erkennen, dass der Tod auch persönlich betrifft, dass er ein Schicksal ist.

Der Ernst ist, daß du wirklich den Tod denkst, und daß du somit ihn denkst als dein Los, und daß du somit vollziehst, was der Tod ja nicht vermag, daß du bist und der Tod ebenfalls ist. Denn der Tod ist der Lehrmeister des Ernstes, eben daran aber wird seine ernste Unterweisung wiederum erkannt, daß er es dem Einzelnen überläßt sich selbst aufzusuchen, um alsdann ihn Ernst zu lehren, so wie der Mensch diesen nur durch sich selber lernt.[6]

Kierkegaard stellt sich also diametral dem griechischen Philosophen Epikur gegenüber. Sein bekanntes Sprichwort, dass es nicht nötig ist Angst vor dem Tod zu haben, „denn wenn er ist, bin ich nicht, und wenn er ist, bin ich nicht“, wird von Kierkegaard als „Scherz, mit dem der listige Betrachter sich selbst außerhalb stellt“ abgetan.[7] Während Epikur den Tod außerhalb vom Leben setzt, ist für Kierkegaard gerade die Erkenntnis, dass den Tod Teil des Lebens ist, entscheidend, damit man ihn im Leben integrieren und Ernst von ihm lernen kann.

Dies erfordert aber etwas vom Individuum. Es ist deshalb nicht selbstverständlich, dass dieser Aufsatz für seine Leser oder Verfasser eine Sache des Ernstes wird. Dass kann es werden, wenn das Lesen oder Schreiben eine Gelegenheit, über sich selbst nach zu denken und zu bedenken, dass der Tod irgendwann eintreten wird. Dafür muss es aber die Bereitschaft geben, sich selbst und seine Angst vor dem Tod ins Gesicht zu schauen, was keineswegs eine einfache Sache ist.

[...]


[1] Kierkegaards Vater hat geglaubt, dass ein Fluch auf der Familie ruhte und er alle seine Kinder sterben sehen würde. Keiner würde älter als 33 Jahre, wie Jesus Christus werden. Obwohl der Mythos nach dem Tode seines Vaters, als Kierkegaard 27 war, entlarvt wurde, zeigt Kierkegaard jedoch ein großes Erstaunen über das Erreichen des Alters von 34 Jahren. Stokes, P. (2013). Death und der Philosoph.

[2] Einen Überblick finden Sie in: Stokes, P., & Buben, A. (2011). Kierkegaard and death.

[3] Platon, Phaidon, S. 64-69.

[4] Birkenstock, E. (1997). Heisst philosophieren sterben lernen: Antworten der Existenzphilosophie: Kierkegaard, Heidegger, Sartre, Rosenzweig. Alber. S. 30-31.

[5] Kierkegaard, S., An einem Grab, S. 176. In: Kierkegaard, Sören, Gesammelte Werke, 13. Und 14. Abteilung.

[6] Ebd., S . 178.

[7] Ebd., S. 176.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Leben im Licht des Todes. Søren Kierkegaards "An einem Grab"
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Philosophie des Alterns
Note
1.3
Autor
Jahr
2015
Seiten
14
Katalognummer
V307737
ISBN (eBook)
9783668059320
ISBN (Buch)
9783668059337
Dateigröße
428 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar der Dozentin, zusammengefasst: Ich habe Kierkegaard sehr gut interpretiert und es sei eine wirklich gelungene Arbeit, hätte mich für eine 1,0 aber noch mehr mit der Forschungsliteratur und mögliche Einwänden gegen Kierkegaard auseinandersetzen müssen.
Schlagworte
Kierkegaard, An einem Grab, existenzphilosophie, At a Graveside
Arbeit zitieren
Floris Vergunst (Autor:in), 2015, Leben im Licht des Todes. Søren Kierkegaards "An einem Grab", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307737

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Leben im Licht des Todes. Søren Kierkegaards "An einem Grab"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden