Rechtserhaltende Markenbenutzung im österreichischen und europäischen Recht. Ausgehend von EuGH 5.7.2012, C-149/11, ecolex 2012, 803


Diplomarbeit, 2015

62 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Rechtsquellen des Markenrechts
2.1 Österreichisches Markenrecht
2.2 Deutsches Markenrecht
2.3 Europäisches Markenrecht
2.3.1 Markenrichtlinie
2.3.2 Gemeinschaftsmarkenverordnung

3 Grundsätze des Gemeinschaftsmarkenrechts
3.1 Grundsatz der relativen Autonomie
3.2 Grundsatz der Einheitlichkeit
3.3 Grundsatz der Koexistenz
3.4 Grundsatz der Äquivalenz
3.5 Grundsatz der Permeabilität

4 Markenfunktionen
4.1 Herkunftsfunktion
4.2 Unterscheidungs-/Kennzeichnungsfunktion
4.3 Qualitäts-, Garantie- oder Vertrauensfunktion
4.4 Identifizierungsfunktion
4.5 Kommunikations-, Suggestiv- oder Werbefunktion

5 Markenrechtlicher Benutzungsbegriff
5.1 Bestimmung des Benutzungsbegriffs
5.2 Rechtserhaltende und ernsthafte Benutzung
5.3 Rechtsverletzende Benutzung

6 Markenrechtlicher Benutzungszwang
6.1 Benutzungszwang im österreichischen Markenrecht
6.2 Benutzungszwang im deutschen Markenrecht
6.3 Gemeinschaftsrechtlicher Benutzungszwang

7 EuGH, C-149/11, Leno Merken /Hagelkruis Beheer
7.1 Ausgangsverfahren
7.2 Vorlagefragen an den EuGH
7.3 Urteil des EuGH vom 19.12.2012
7.4 Schlussanträge

8 Benutzung der Gemeinschaftsmarke
8.1 Ernsthafte Benutzung
8.2 Mengenmäßiger Umfang der Benutzung
8.3 Zeitraum und Dauer der Benutzung
8.4 Geographischer Umfang der Benutzung
8.5 Abweichende Form der Benutzung
8.6 Benutzungshindernisse und berechtigte Nichtbenutzung

9 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Rechtsprechung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Marken besonders attraktiv, denn sie signalisieren jene Eigenschaften, die der Markenartikelhersteller den Produkten gibt und die mittels Werbung entsprechend propagiert werden. Durch Marken werden Marktpositionen gesichert und Markeninhaber können ihren eigenen Geschäftsbereich von jenem der Konkurrenz abgrenzen.1

Der Hauptzweck der Verwendung von Marken im geschäftlichen Verkehr besteht in der Unterscheidung gekennzeichneter Waren oder Dienstleistungen von solchen konkurrierender Anbieter. Darauf gründet sich auch die Erwartung des Konsumenten, mit der gleichen Marke angebotene Waren und Dienstleistungen gleichbleibender Qualität zu erhalten.2 Mit Marken verbindet der Verbraucher ferner Dynamik, Lebenskultur und Lebensfreude, die durch die Werbung transportiert werden.3

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden unter Berücksichtigung richtungsweisender Rechtsakte des Unionsrechts Fragen im Zusammenhang mit der rechtserhaltenden Markenbenutzung auf nationaler und europäischer Ebene behandelt.

Zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eingetragene Marken rechtserhaltend benutzt werden müssen, sind zunächst grundlegende Begriffe aus dem österreichischen und europäischen Markenrechtssystem zu erläutern.

Ausgehend von EuGH 5.7.2012 C-149/11 werden Erfordernisse des Markenrechts, insbesondere der markenrechtliche Benutzungszwang und die ernsthafte Benutzung beleuchtet. Ferner wird auf den territorialen Umfang, in dem die Benutzung der Marke zu erfolgen hat, eingegangen. Hier wird insbesondere der Blick darauf gerichtet, ob für das Vorliegen einer rechtserhaltenden Benutzung der Gemeinschaftsmarke eine Benutzung in nur einem Mitgliedstaat ausreichend ist, oder ob hierfür eine Benutzung in einem wesentlichen Teil der Europäischen Union zu erfolgen hat.

2 Rechtsquellen des Markenrechts

Bereits im 18. Jahrhundert wurden Kennzeichnungspflichten für Warengruppen normiert, wodurch aufgrund ordnungspolitischer Überlegungen eine Überwachung der erzeugten Waren und deren Qualität, einzuhaltende Maß- und Gewichtseinheiten sowie die rechtmäßige Berufsausübung sichergestellt werden sollte. Ein weiteres Ziel der Warenkennzeichnung war die Gewährleistung der Herkunftsfunktion, weshalb es verboten war, fremde Waren mit eigener Warenkennzeichnung zu charakterisieren.4

2.1 Österreichisches Markenrecht

Die materiell rechtlichen Rahmenbedingungen zum Markenschutz in Österreich wurden im Jahr 1858 durch das Kaiserliche Patent festgelegt. Dieses enthielt bereits eine Legaldefinition der Marke, wonach unter Marken besondere Zeichen verstanden wurden, die „ dazu dienen, die zum Handels-Verkehr bestimmten Erzeugnisse und Waren eines Gewerbetreibenden von jenen anderer Gewerbetreibenden zu unterscheiden. “ Mit diesem ersten österreichischen Markenschutzgesetz wurde eine Pflicht zur Registrierung bei den Handels- und Gewerbekammern eingeführt und der Schutz der Marke für bestimmte Gattungen von Waren eingeräumt.5

Das MSchG 1890 richtete ein „Zentralmarkenregister“ beim Handelsministerium ein, wodurch erstmals die gerichtliche Strafverfolgung von Markenrechtsverletzungen ermöglicht wurde. Die MSchG Novelle 1895 schaffte die Voraussetzungen zur Registrierung reiner Wortmarken für die Teilnehmer am geschäftlichen Verkehr. Die in Schweden, Norwegen, USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland geschützten Wortmarken mussten aufgrund zwischenstaatlicher Übereinkommen in Österreich anerkannt werden. Österreichern hingegen war es nicht möglich, Markenschutz für Wortmarken in oben angeführten Ländern zu bekommen, da hierfür die Erlangung des Schutzes im Heimatstaat Voraussetzung war.6

Das Zentralmarkenregister wurde durch die Markenschutznovelle 1934 an das Patentamt übertragen, welches auch die Prüfungen der bei der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie durchgeführten Registrierungen vornahm. Das Patentamt war somit einzige Anmeldestelle für das Markenwesen.7

Es folgten weitere Novellen und Wiederverlautbarungen des MSchG, die letztlich zum derzeit in Geltung stehenden MSchG 1970 führten.8

Der Begriff der Marke wird in § 1 MSchG wie folgt definiert:

Marken k ö nnen alle Zeichen sein, die sich graphisch darstellen lassen, insbesondere W ö rter einschlie ß lich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Diese Definition der Marke wurde mit der Markenrechtsnovelle 1999 an die MarkenRL angepasst. Nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Interpretation haben die österreichischen Gerichte Rechtsbegriffe, welche sowohl in der MarkenRL als auch im MschG enthalten sind, anhand der Richtlinie auszulegen.9

Das MSchG 1970 beinhaltet Regelungen der nationalen österreichischen Marke, die im Gebiet der Republik Österreich Schutz genießt. Im MSchG 1970 werden nicht nur das materielle Markenrecht (§§ 1-15), sondern auch die markenrechtlichen Verfahren vor dem Österreichischen Patentamt sowie die Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Österreichischen Patentamts vor den ordentlichen Gerichten (Registrierung, Umschreibung und Löschung der Marken, Widerspruchsverfahren und Nichtigkeitsverfahren) geregelt.10

Mit der Patentrechts- und Gebührennovelle 2004 sind weitere Änderungen des MSchG in Kraft getreten und es wurde ein eigenes Patentamtsgebührengesetz erlassen, in dem alle an das Österreichische Patentamt zu zahlenden Gebühren geregelt sind. Mit der Novelle infolge BGBl I 126/2009 wurde die Möglichkeit eines Widerspruches für die Inhaber älterer Marken gegen Markenanmeldungen eingeführt. Durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 126/2013 erfolgten letzte wesentliche Änderungen des MSchG, wo vor allem das markenrechtliche Rechtsmittelverfahren ab 1.1.2014 neu geregelt wurde.11

Die Marke erfüllt als individualisierendes Kennzeichen eine Unterscheidungsfunktion bestimmter Waren und Dienstleistungen und kennzeichnet die Herkunft von Gütern.12 Aus diesem Grund ist die Herkunftsfunktion der Marke ist für ihre Eintragungsfähigkeit von maßgeblicher Bedeutung.13

Das Markenrecht entsteht durch Eintragung bzw. Registrierung in das Markenregister. Die eingetragene Marke ist nur für den Zeitraum von zehn Jahren geschützt und kann danach unter Voraussetzung rechtzeitiger Verlängerung immer wieder um zehn Jahre verlängert werden.14 Das Markenrecht zählt zu den gewerblichen Schutzrechten und gewährt dem Inhaber ein exklusives subjektives Recht an der Verwendung eines Zeichens als Marke.15

Das österreichische Patentamt agiert im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung als Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz. Gegen die Entscheidungen stehen Berufung und Rekurs an das Oberlandesgericht Wien offen. In letzter Instanz können Urteile und Beschlüsse vor dem OGH bekämpft werden.16

2.2 Deutsches Markenrecht

Aufgrund einer Petition der Firma A.W. Faber wurde bereits im Jahr 1874 vom Reichstag die Frage des Markenschutzes zur Vorbereitung eines Markenschutzgesetzes behandelt. Der im Anschluss ausgearbeitete Entwurf regelte materielle und formelle Voraussetzungen des Schutzes von Fabrikzeichen.17

Aktuell werden in Deutschland das materielle Markenrecht wie auch das Verfahren in Markenangelegenheiten durch das Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz - MarkenG) geregelt. Das Kennzeichenrecht ist Regelungsgegenstand des MarkenG. Unter dem Begriff „Kennzeichen“ sind Marken, geschäftliche Bezeichnungen und geografische Herkunftsangaben zu verstehen. Im MarkenG werden sowohl das materielle Markenrecht, das materielle Recht der geschäftlichen Bezeichnungen als auch die Verfahren in Markenangelegenheiten geregelt . Der Aufbau des MarkenG richtet sich nach der Struktur der GMV.18 In der Entscheidung „shell.de“ BGH 22.11.2001, I ZR 138/99 hat der BGH festgestellt, dass das MarkenG eine „umfassende, in sich abgeschlossene kennzeichenrechtliche Regelung“ darstellt.19

Nach § 1 MarkenG werden Marken, geschäftliche Bezeichnungen und geographische Herkunftsangaben geschützt. Damit wollte der Gesetzgeber die Einheit des Kennzeichenrechts betonen und die Rechtsanwendung durch Zusammenführung verwandter Vorschriften erleichtern. Das Gesetz differenziert, indem auf einzelne Kennzeichenarten Bezug genommen wird.20 Durch den Kennzeichenschutz nach dem MarkenG wird die Anwendung anderer als markengesetzlicher Vorschriften zum Schutz der Kennzeichen gem § 2 MarkenG nicht ausgeschlossen. Vielmehr besteht zwischen dem Kennzeichenschutz nach dem MarkenG und dem Kennzeichenschutz nach anderen Vorschriften des Zivilrechts eine Anspruchskonkurrenz.21

Da verschiedene Schutzrechte des gewerblichen Rechtsschutzes, wie etwa Patent-, Gebrauchs- und Geschmacksmusterrechte unabhängig nebeneinander stehen, können an einem bestimmten Produkt unterschiedliche Schutzrechte gleichzeitig oder nacheinander bestehen. Gewerbliche Schutzrechte an einem Gegenstand können daher auch unterschiedlichen Inhabern zustehen.22

2.3 Europäisches Markenrecht

Im Schutzgebiet der Europäischen Union stellt die Gemeinschaftsmarke ein von den nationalen Markenrechten unabhängiges und eigenständiges Schutzrecht dar.23 Die Harmonisierung einzelstaatlicher Regelungen sowie die Beseitigung bestehender Hindernisse aufgrund unterschiedlicher nationaler Bestimmungen sind bedeutende Ziele der Europäischen Union im Bereich des Markenrechts.24

2.3.1 Markenrichtlinie

Durch die MarkenRL, Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, sollen jene Unterschiede zwischen den Markenrechten der Mitgliedstaaten eliminiert werden, durch die der freie Warenverkehr und der freie Dienstleistungsverkehr behindert wird und die Wettbewerbsbedingungen im gemeinsamen Markt verfälscht werden könnten. Die Markenrechte der Mitgliedstaaten wurden im Rahmen einer Teilharmonisierung angeglichen, um das Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten.25

Auch das österreichische Markenrecht wurde durch die MarkenRL bedeutend geprägt, da letztere Anlass zur großen Novelle des MSchG war. Aufgrund des Art 288 AEUV mussten sämtliche Regelungen des MSchG, die nicht mit der MarkenRL übereinstimmten, angepasst werden.26

Diese Angleichung betrifft insbesondere jene Rechtsvorschriften, die Auswirkungen auf einen funktionierenden Binnenmarkt haben, etwa die den Erwerb und die Schutzwirkung der Marke charakterisierenden Bestimmungen. Sanktionsnormen und Verfahrensbestimmungen wurden hingegen nicht harmonisiert.27

Von der Europäischen Kommission wurde am 27.3.2013 ein Vorschlag für eine Neufassung der MarkenRL vorgelegt, wodurch der Markenschutz an die veränderten wirtschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen angepasst wird und die Unternehmen von vereinfachten Verfahren und einem effektiveren Rechtsschutz profitieren sollen.28 Im Mai 2015 verhandelten Vertreter des Rates und des Europäischen Parlaments über Kompromissvorschläge, die noch vor Ende des Jahres 2015 angenommen werden sollen.29

2.3.2 Gemeinschaftsmarkenverordnung

Auf Ebene der Europäischen Gemeinschaft wurde mit Verordnung 40/94/EG des Rates vom 14. Jänner 1994 über die Gemeinschaftsmarke ein eigenes europäisches Markenrecht geschaffen. Die GMV wurde mehrfach novelliert und mittlerweile durch eine neue GMV 2009/207/EG vom 26.2.2009 ersetzt.30 Die GMV bietet den großen Vorteil, dass ein einheitliches Recht für das Gebiet der Gemeinschaft gewährleistet wird. Dadurch ist eine Anmeldung neuer und die Aufrechterhaltung bestehender nationaler Marken entbehrlich.31

Nach dem zweiten Erwägungsgrund der GMV erfordert das Funktionieren des Binnenmarkts die Schaffung rechtlicher Bedingungen, „ die es den Unternehmen erm ö glichen, ihre T ä tigkeiten in den Bereichen der Herstellung und der Verteilung von Waren und des Dienstleistungsverkehrs an die Dimensionen eines gemeinsamen Markts anzupassen. Eine der besonders geeigneten rechtlichen M ö glichkeiten, ü ber die die Unternehmen zu diesem Zweck verf ü gen m ü ssten, ist die Verwendung von Marken, mit denen sie ihre Waren oder Dienstleistungen in der gesamten Gemeinschaft ohne R ü cksicht auf Grenzen kennzeichnen k ö nnen.“32

Zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft ist nach dem dritten Erwägungsgrund der GMV ein Markensystem der Gemeinschaft erforderlich, „ das den Unternehmen erm ö glicht, in einem einzigen Verfahren Gemeinschaftsmarken zu erwerben, die einen einheitlichen Schutz genie ß en und im gesamten Gebiet der Gemeinschaft wirksam sind. Der hier aufgestellte Grundsatz der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke sollte gelten, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.“33

Die unmittelbar anwendbare GMV ist ein eigenständiges Markenrecht und unabhängig von nationalen Markenrechten mit Wirkung für das Gesamtgebiet der Europäischen Union. Der Erwerber einer europäischen Marke ist Inhaber eines Rechts, das überall denselben Inhalt hat. Nationale Markenrechte werden nicht durch die Gemeinschaftsmarke verdrängt, sondern ältere nationale Rechte setzen sich gegenüber jüngeren Gemeinschaftsmarken durch. Neben der Anmeldung einer europäischen Marke bleibt die Möglichkeit zur internationalen Markenanmeldung nach dem Madrider Markenabkommen MMA aufrecht.34

Gerichtliche Verfahren über die Verletzung einer Gemeinschaftsmarke werden auf nationaler Ebene geführt. In Österreich ist das zuständige Gemeinschaftsgericht erster Instanz in Zivilsachen das Handelsgericht Wien und in Strafsachen das Landesgericht für Strafsachen Wien.35

Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt HABM wurde zur Administration des Gemeinschaftsmarkensystems errichtet und ist eine Einrichtung der Gemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit. Beim HABM, dessen Sitz sich in der spanischen Stadt Alicante befindet, können Gemeinschaftsmarkenanmeldungen eingereicht werden.36

Die in Art 4 GMV enthaltene Definition der Gemeinschaftsmarke ist inhaltlich ident zu jener in § 1 MSchG und Art 2 MarkenRL. Markenfähige Zeichen müssen demnach eine Eignung zur Unterscheidung von Marken oder Dienstleistungen anderer Unternehmen aufweisen. Diese Unterscheidungseignung wird angenommen, sofern die Zeichen zur Übermittlung eindeutiger Informationen über die Herkunft von Waren oder Dienstleistungen geeignet sind.37

Die Europäische Kommission hat am 27.3.2013 einen Vorschlag zur Änderung der GMV vorgelegt, in dem Neuerungen vorgesehen sind, die sich vor allem aus der Rsp des EuGH ergeben.38

Beispielsweise soll eine im Einklang mit der Sieckmann-Entscheidung, EuGH Rs C-273/00 stehende Formulierung betreffend den Schutzgegenstand für das Amt sowie für Dritte geschaffen werden und das derzeit in Geltung stehende Kriterium der graphischen Darstellbarkeit von Marken aufgegeben werden.39

3 Grundsätze des Gemeinschaftsmarkenrechts

Die Gemeinschaftsmarkenverordnung beinhaltet Regelungen zu Entstehung, Inhalt, Umfang und Erlöschen der Rechte an Gemeinschaftsmarken. Die meisten dieser Grundsätze sind auch in der Markenrichtlinie enthalten. Einige Fragen, die in der MRL ausgeklammert worden sind, ergänzt die Gemeinschaftsmarkenverordnung durch Bestimmungen, etwa zur Inhaberschaft oder Übertragung von Gemeinschaftsmarken. Die GMV regelt hingegen keine Rechtsfolgen bei Verletzung einer Gemeinschaftsmarke, sondern sieht nur einen Unterlassungsanspruch vor.40

3.1 Grundsatz der relativen Autonomie

Nach dem Grundsatz der relativen Autonomie richtet sich der Schutz der Gemeinschaftsmarke ausschließlich nach der GMV mit Wirkung für alle Mitgliedstaaten. Relativ ist der Grundsatz insofern, als neben den Bestimmungen der GMV auch andere Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und Vorschriften des nationalen Rechts hinsichtlich Voraussetzungen, Wirkungen und Schranken der Benutzung der Gemeinschaftsmarke sowie der jeweiligen Verfahren herangezogen werden können.41

3.2 Grundsatz der Einheitlichkeit

Nach Art 1 Abs 2 GMV ist die Gemeinschaftsmarke einheitlich und hat auch einheitliche Wirkung für die gesamte Gemeinschaft. Sie kann nur für das gesamte Gebiet eingetragen oder übertragen werden oder Gegenstand eines Verzichts oder einer Entscheidung über den Verfall der Rechte des Inhabers oder die Nichtigkeit sein. Die Benutzung der Gemeinschaftsmarke kann nur für die gesamte Gemeinschaft untersagt werden.42

Angesichts der einheitlichen Wirkung der Gemeinschaftsmarke für das gesamte Unionsgebiet hat der Grundsatz der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke sowohl Bedeutung für die Rechtsbegründung als auch den Rechtserhalt einer Gemeinschaftsmarke.43 Der Grundsatz der Einheitlichkeit hat auch Gültigkeit für das Recht zur Untersagung der Benutzung einer Gemeinschaftsmarke und für den Unterlassungsanspruch, der sich gegen die Benutzung einer Gemeinschaftsmarke richtet.44

Erwerb, Fortbestand und Erlöschen der Gemeinschaftsmarke sind einheitlich und mit Wirkung für das gesamte Unionsgebiet möglich. Die Gemeinschaftsmarke ist ein supranationales Schutzrecht und kann nur mit Wirkung für die gesamte Union angemeldet und eingetragen werden.45 Ein Vorteil der Registrierung einer Gemeinschaftsmarke liegt darin, dass eine einzige Gemeinschaftsmarkenanmeldung beim HABM Schutz in sämtlichen Mitgliedstaaten gewährt, der ansonsten nur durch jeweils nationale Markenanmeldungen erlangt werden könnte.46

3.3 Grundsatz der Koexistenz

Der Grundsatz der Koexistenz besagt, dass das Gemeinschaftsmarkensystem neben nationalen Markenrechtssystemen besteht und beide einander ergänzen. Innerhalb der Union kann ein Zeichen als Gemeinschaftsmarke und zugleich als nationale Marke geschützt werden. Bestehende nationale Markenrechte werden somit gleichwertig neben die Gemeinschaftsmarken gestellt. Der Koexistenzgrundsatz beinhaltet materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Regelungen, wie etwa die Anerkennung des Unterlassungsanspruchs aus allen älteren Rechten gegen die Benutzung von jüngeren Gemeinschaftsmarken und die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Seniorität der nationalen Marke zugunsten der Gemeinschaftsmarke.47

Aus Sicht der Studie des Max-Planck-Instituts zum Funktionieren des europäischen Markensystems ist das Prinzip der Koexistenz ein unverzichtbarer Baustein des europäischen Markenrechts. Zwar sind im Gegensatz zum Gemeinschaftsmarkensystem die Anzahl der nationalen Markenanmeldungen beträchtlich im Sinken, dennoch steht die Abschaffung nationaler Markensysteme nicht im Raum.48

3.4 Grundsatz der Äquivalenz

Der Grundsatz der Äquivalenz wird als Unterfall der Koexistenz gesehen und besagt, dass nationale Marken und Gemeinschaftsmarken im Verhältnis zueinander gleichwertig sind, insbesondere in Bezug auf die Wirkung als älteres Recht und die Anforderungen an den Benutzungszwang.49

Die Rechtsinstitute der Umwandlung und des Zeitrangs (Seniorität) richten sich nach dem Grundsatz der Äquivalenz. Wird eine Gemeinschaftsmarke in eine nationale Marke umgewandelt, so ist nach Art 112 GMV das Anmelde- oder Prioritätsdatum der Gemeinschaftsmarke für die nationale Anmeldung heranzuziehen. Im Hinblick auf die Rechtswirkungen auf nationalem Gebiet gewährleisten die Zeitrangansprüche eine wechselseitige Austauschbarkeit von Gemeinschaftsmarke und nationalen Marken.50

3.5 Grundsatz der Permeabilität

Die Gemeinschaftsmarke ist durch spezielle Vorschriften privilegiert, mit welchen sie stärker mit nationalen Markensystemen verzahnt werden soll und die den Rechtsschutz von der Gemeinschaftsmarke zum nationalen System und umgekehrt durchlässig gestalten sollen.51

[...]


1 Vgl Kucsko, Wozu Marken? ecolex 2012, 563.

2 Vgl Koppensteiner, Markenrecht4 (2012) 53.

3 Vgl Nave, Markenrecht in der Unternehmenspraxis (2004) 23.

4 Vgl Handig, Geschichte des Markenrechts, in Kucsko/Schumacher (Hrsg), marken.schutz² (2013) 6.

5 Vgl Engin-Deniz, MSchG² (2010) 33.

6 Vgl Engin-Deniz, MSchG² (2010) 34.

7 Vgl Engin-Deniz, MSchG² (2010) 35.

8 Vgl Handig, Geschichte des Markenrechts, in Kucsko/Schumacher (Hrsg), marken.schutz² (2013) 9.

9 Vgl Gr ü nzweig (Hrsg), Markenrecht, § 1 MSchG Rz 1.

10 Vgl Gr ü nzweig (Hrsg), Markenrecht, Einleitung Rz 2.

11 Vgl Gr ü nzweig (Hrsg), Markenrecht, Einleitung Rz 1.

12 Vgl Hauer in Kucsko/Schumacher (Hrsg), marken.schutz² (2013) § 1 Rz 3.

13 Vgl Hauer in Lange (Hrsg), Internationales Handbuch des Marken- und Kennzeichenrechts (2009) Rz 3269.

14 Vgl Hauer in Lange (Hrsg), Internationales Handbuch des Marken- und Kennzeichenrechts (2009) Rz 3297.

15 Vgl Gr ü nzweig (Hrsg), Markenrecht, § 1 MSchG Rz 11.

16 Vgl Gratzl, Grundriss der gewerblichen Schutzrechte (2013) 20.

17 Vgl Wadle, Fabrikzeichenschutz und Markenrecht (1977) 249.

18 Vgl Fezer, Markenrecht, Überblick über die gesetzliche Regelung des MarkenG Rz 1.

19 Vgl Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann, Markenrecht - Markengesetz und Markenrecht ausgewählter ausländischer Staaten, Heidelberger Kommentar (2014) 23.

20 Vgl Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 1 Rz 1.

21 Vgl Fezer, Markenrecht, Vorbemerkung zu den §§ 1 und 2 Rz 2.

22 Vgl Ingerl/Rohnke, MarkenG, Einleitung zum Markengesetz Rz 7.

23 Vgl Gr ü nzweig (Hrsg), Markenrecht, Überblick über das Gemeinschaftsmarkenrecht Rz 1.

24 Vgl Engin-Deniz, MSchG² (2010) 39.

25 Vgl Gr ü nzweig (Hrsg), Markenrecht, Einleitung Rz 4.

26 Vgl Koppensteiner, Markenrecht4 (2012) 5.

27 Vgl Engin-Deniz, MSchG² (2010) 39.

28 Vgl Lerach, Modernisierung des Europäischen Markensystems: Ein erster Blick auf den Vorschlag der EU-Kommission, GRUR-Prax 2013, 195.

29 Vgl von Bomhard, BeckOK, MarkenR, MarkenG Rz 67.

30 Vgl Gr ü nzweig (Hrsg), Markenrecht, Einleitung Rz 5.

31 Vgl Hayb ä ck, Marken- und Immaterialgüterrecht (2014) 59.

32 Verordnung 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke, ABl 2009 L 78/1.

33 Verordnung 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke, ABl 2009 L 78/1.

34 Vgl Koppensteiner, Markenrecht4 (2012) 15.

35 Vgl Gratzl, Grundriss der gewerblichen Schutzrechte (2013) 19.

36 Vgl M ü ller/H ö ller-Prantner, Markenrecht kompakt (2013) 172.

37 Vgl M ü ller/H ö ller-Prantner, Markenrecht kompakt (2013) 174.

38 Vgl Gr ü nzweig (Hrsg), Markenrecht, Einleitung Rz 5.

39 Vgl von Bomhard, BeckOK, MarkenR, MarkenG Rz 81.

40 Vgl Knaak, Grundzüge des Gemeinschaftsmarkenrechts und Unterschiede zum nationalen Markenrecht, GRUR Int 2001, 667.

41 Vgl Schennen in Eisenf ü hr/Schennen, Gemeinschaftsmarkenverordnung Kommentar, Art 1 Rz 4.

42 Vgl Art 1 Abs 2 GMV.

43 Vgl Ebert-Weidenfeller, Markenrecht: „Ernsthafte Benutzung“ einer Gemeinschaftsmarke in nur einem Mitgliedstaat, EuZW 2013, 232.

44 Vgl Knaak, Grundzüge des Gemeinschaftsmarkenrechts und Unterschiede zum nationalen Markenrecht, GRUR Int 2001, 668.

45 Vgl Schennen in Eisenf ü hr/Schennen, Gemeinschaftsmarkenverordnung Kommentar, Art 1 Rz 29.

46 Vgl Engin-Deniz, MSchG² (2010) 649.

47 Vgl Knaak, Grundzüge des Gemeinschaftsmarkenrechts und Unterschiede zum nationalen Markenrecht, GRUR Int 2001, 668.

48 Vgl Knaak, Kur, von M ü hlendahl, Die Studie des Max-Planck-Instituts für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht zum Funktionieren des europäischen Markensystems, GRUR Int 2012, 198.

49 Vgl Schennen in Eisenf ü hr/Schennen, Gemeinschaftsmarkenverordnung Kommentar, Art 1 Rz 46.

50 Vgl von Bomhard, BeckOK, MarkenR VO (EG) 207/2009, Art 1 Rz 11.

51 Vgl Schennen in Eisenf ü hr/Schennen, Gemeinschaftsmarkenverordnung Kommentar, Art 1 Rz 51.

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Details

Titel
Rechtserhaltende Markenbenutzung im österreichischen und europäischen Recht. Ausgehend von EuGH 5.7.2012, C-149/11, ecolex 2012, 803
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz  (Unternehmensrecht)
Note
2
Autor
Jahr
2015
Seiten
62
Katalognummer
V307554
ISBN (eBook)
9783668057340
ISBN (Buch)
9783668057357
Dateigröße
615 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rechtserhaltende, markenbenutzung, recht, eugh, c-149/11
Arbeit zitieren
Beate Ebersdorfer (Autor:in), 2015, Rechtserhaltende Markenbenutzung im österreichischen und europäischen Recht. Ausgehend von EuGH 5.7.2012, C-149/11, ecolex 2012, 803, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307554

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