Das Problem der Stabilität. Sprecherfluktuation und Sprachwandel im Berlinischen


Referat (Ausarbeitung), 2015

13 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Dialekt & Standardsprache
1.1 Dialekt
1.2 Standardsprache

2. Berlinisch als Stadtsprache

3. Der Berliner Dialekt heute

4. Code-Switching & Code-Mixing
4.1 Code-Switching
4.2 Code-Switching im Berlinischen
4.3 Code-Mixing

5. Literaturverzeichnis

1. Dialekt und Standardsprache

1.1 Dialekt

Den Dialekt kann man als die diatopische Varietät einer Sprache in einem Sprachraum bezeichnen. Die verschiedenen Sprachräume grenzen sich lokal oder regional voneinander ab, wodurch eine Verschiedenheit im Raum besteht. Dialekte kommen an verschiedenen Orten eines Sprachgebiets vor.1 Sie sind daran zu erkennen, dass sie sich laut der Sprachwissenschaft in verschiedenen Bereichen von der Standardsprache unterscheiden. Hierbei sind die Bereiche der Idiomatik, der Syntax, der Lexik, der Morphologie und der Phonologie zu beachten. Viele unserer heutigen Standardsprachen gehen auf die Dialekte zurück. Auch daher ist der Dialekt nicht minderwertig in Bezug auf das Lautsystem und die Grammatik zu betrachten, denn wie soeben beschrieben, kann sich der Dialekt im Ausbau zur Standardsprache entwickeln. Da sich ein Dialekt meist aus verschiedenen Sprachvarietäten heraus bilden kann, kann auch er über umfangreiche literarische Traditionen verfügen.2 Jedoch ist ein bestimmter Dialekt durch geographische Daten abgrenzbarer Sprachgemeinschaften eher gering ausgedehnt und leicht einzugrenzen.

1.2. Standardsprache

Die Standardsprache, auch als gesprochene Standardsprache bekannt, ist hingegen überregional einzuordnen. Darunter ist die „[...]normgerechte Realisierung der deutschen Aussprache [zu verstehen].“3, auch als Hochdeutsch bekannt, wie sie in Wörterbüchern wie zum Beispiel dem Duden oder dem Brockhaus zu finden ist. Natürlich kann die gesprochene Standardsprache, so wie sie in den Wörterbüchern, als Regel festgelegt ist in der Praxis variieren, denn „[e]in ,akzentfreies lautreines´ Hochdeutsch gibt es nicht.“4 Durch die soziale Bedingtheit in der Bundesrepublik Deutschland jedoch ist besonders in sozial niederen (meist ländlichen) Gebieten, die gesprochene Standardsprache eher dialektal einzuordnen, was dazu führt, dass der Dialekt teilweise schon als Soziolekt5, durch Raum und soziale Schicht bedingt, bezeichnet werden kann. Die ´reine´ gesprochene Standardsprache, wird in Abgrenzung dazu eher in Mittel- und Oberschicht gebraucht.6

2. Berlinisch als Stadtsprache -

Geschichte, Verstädterung, sprachliche Entwicklung

Die einstigen Siedlungen Cölln und Berlin wachsen im 13. Jahrhundert zu einer Stadt zusammen7, 1244 kommt es zur ersten urkundlichen Erwähnung Berlins.8 Im Grenzraum zweier wendischer Volksgruppen (Heveller, Spreewanen) entwickeln sich noch heute bekannte sprachliche Relikte aus slawischer Besiedlung, wie beispielsweise Teltow, Spandau, Lanke und Kiez.9

Die niederdeutsche Mundart, das Plattdeutsche, gilt als älteste gesprochene Sprache der Berliner Bürger.10 Heute ist der Großteil des Niederdeutschen aus dem Berlinischen verschwunden, jedoch zeichnet es sich noch in 'ick', 'wat' und 'det' ab.11 Durch die verkehrsgünstige Lage an der Havel liegt Berlin auf vielen Handelswegen12, was die Mitgliedschaft bei der Hanse ermöglicht. Dabei verfestigt sich das Mittelniederdeutsche, denn es wird sich an der prestigereichen Hansesprache des Nordens orientiert. Der Wechsel vom Niederdeutschen zum Hochdeutschen ist Ende des 14. Jahrhunderts abgeschlossen.13 Allerdings zieht der Niedergang der Hanse im 16. Jahrhundert entscheidende Veränderungen für das Berlinische nach sich. Die Sprecher orientieren sich nun aufgrund Handelsbeziehungen an den ostmitteldeutschen Sprachgebieten wie Meißen, Dresden und Leipzig.14 Durch Luthers Bibelübersetzung wird das moderne Neuhochdeutsch verbreitet, welches eine gemeinschaftliche Orientierung ermöglicht. Es ist die Norm und gleichzeitig der Kompromiss zwischen niederdeutschen und hochdeutschen Mundarten.15

Diese Neuorientierung führt zum Überschichtungsprozess: aus dem mittelniederdeutschen Sprachgebrauch, der ostmitteldeutschen Schriftsprache und der obersächsischen Umgangssprache entwickelt sich allmählich die Berliner Varietät.16 Somit durchläuft das Berlinische dynamische und organische Sprachwandelprozesse.17

1504 wird die hochdeutsche Schriftsprache als Verwaltungssprache eingeführt.18 Allerdings begründet das keine einheitliche Sprache im Alltagsleben, denn es werden weiterhin unterschiedliche Varietäten am Hofe, in der Stadt und in den unteren Schichten genutzt.19

Das Niederdeutsche, welches noch immer Verwendung findet, entwickelt sich währenddessen Ende des 16. / Anfang des 17. Jahrhunderts zum Soziolekt der Unterschicht. Also zu einem Dialekt, der nur in bestimmten sozialen Bereichen anzutreffen ist. Von dort aus setzt sich das Berlinische als Alltagssprache der bürgerlichen Oberschicht durch.20 Nach und nach entsteht eine Stadtsprache mit zahlreichen Mundartmerkmalen, welche sich allmählich zu einer städtischen Umgangssprache mit lokalen Besonderheiten entwickelt.21

Zum Ende des 18. Jahrhunderts fordert die Dominanz der Kultursprachen Latein und Französisch die Verfeinerung der Landessprache.22 Dies bewirkt die „[...] rückläufige Entwicklung; gleichzeitig wird die Unterschicht, die das Niederdeutsche am längsten bewahrt hatte, zum Hauptträger des Berlinischen.“23

Immer mehr zeichnen sich die Auswirkungen der Industrialisierung auch in Berlin ab. 1871 wird Berlin zur Reichshauptstadt und zur Residenz des deutschen Kaisers; neue Handelswege werden erschlossen und die Industrie wird aufgebaut24 ; bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ist Berlin die größte Stadt Deutschlands und gilt als Zentrum der Aufklärung und sozialen Bewegungen.25 Die ehemalige Residenz - und Handelsstadt wandelt sich zum größten industriellen Ballungsgebiet. Auf den steigenden Druck durch die enorme Zuwanderung vor allem durch Industriearbeiter, aber auch durch Angehörige der bürgerlichen Mittelschicht, die auf bessere Berufsaussichten hoffen, muss mit umfangreichen Wohnungs-baumaßnahmen reagiert werden. Während sich proletarische Wohnquartiere vorwiegend im Norden und Osten der Stadt konzentrieren, entstehen unter anderem in Grunewald, Wannsee, Dahlem und Tiergarten Stadtvillen. Die dynamische Großstadt Berlin präsentiert sich.26

Durch die Verstädterung entwickelt sich der Berliner Dialekt zu einem Stadtdialekt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ergeben sich neue Sprachebenen, wobei viele alte Elemente bewahrt, einige abgelegt und neue geschaffen werden.27 Um 1830 ist in etwa der heutige Stand erreicht, insbesondere die Lautung betreffend.28 1920 entsteht die Gemeinde Groß-Berlin, es erfolgt, die heute noch existente Einteilung in 20 Bezirke.29 Durch die Teilung der Stadt 1963-1989 ergibt sich auch eine geteilte Kommunikationsgemeinschaft mit Auswirkungen auf die Weiterentwicklung des Berlinischen.30

Mittlerweile hat sich durch das Pendeln ins Umland das Berlinische auf fast ganz Brandenburg ausgedehnt und erweitert damit nicht nur den eigentlich regional begrenzten Sprachraum, es ergeben sich auch diastratische Überlappungen.31

3. Der Berliner Dialekt heute

Im Herbst 2014 führte das Meinungsinstitut Forsa im Auftrag der Gesellschaft für deutsche Sprache eine Umfrage zum Berliner Dialekt durch.32 Dabei stellte sich heraus, dass 62% der Berliner Befragten hin und wieder berlinern. Hauptsächlich wird der Dialekt im Ost-Teil der Stadt gesprochen, sowie von Männern über 45, Befragten mit niedriger bis mittlerer Bildung und Alt-Berlinern (bereits vor 1990 in Berlin wohnhaft). Neu-Berliner (nach 1990 zugezogen) und Befragte mit höherem Bildungsabschluss (Abitur, Studium) tendieren eher weniger zum Berlinern.33 Vorwiegend berlinert wird in Lichtenberg-Höhenschonhausen, Marzahn- Hellersdorf, Pankow, Reinickendorf, Spandau und Treptow-Köpenick, hingegen taucht das Berlinische in Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte eher selten auf.34 Die Akzeptanz

[...]


1 Vgl. Kabatek: Spanische Sprachwissenschaft, S. 226- 230.

2 Ebd. S.226- 230.

3 Schönfeld: Berlinisch heute, S. 42.

4 Ebd. S. 42.

5 Sprachgebrauch einer sozialen Gruppe (z. B. Berufssprache, Jugendsprache) in http://www.duden.de/rechtschreibung/Soziolekt 27.04.2015.

6 Vgl. Studienbuch Linguistik, S. 347

7 Vgl. Entstehung Berlins: http://www.berlin.de/775/stadt-im-mittelalter/2724-2254-berlin-eine-stadt- entsteht.html.

8 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 5.

9 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 5.

10 Vgl. Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 194.

11 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 15.

12 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 5.

13 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 6.

14 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 6.

15 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 7.

16 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 4/7.

17 Vgl. Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 194.

18 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 6.

19 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 8.

20 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 8.

21 Vgl. Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 194.

22 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 9.

23 Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 9.

24 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 9.

25 Vgl. Urbanisierung im Deutschen Reich: www.dhm.de.

26 Vgl. Urbanisierung im Deutschen Reich: www.dhm.de.

27 Vgl. Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 195.

28 Vgl. Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 195.

29 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 9.

30 Vgl. Schlobinski: Stadtsprache Berlin, S. 9.

31 Vgl. Dittmar: Grundlagen der Soziolinguistik, S. 195.

32 Vgl. Forsa: http://gfds.de/epub/berliner_dialekt.pdf, S. 3.

33 Vgl. Forsa: http://gfds.de/epub/berliner_dialekt.pdf, S. 4.

34 Vgl. Forsa: http://gfds.de/epub/berliner_dialekt.pdf, S. 5.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Das Problem der Stabilität. Sprecherfluktuation und Sprachwandel im Berlinischen
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Stadtsprachenforschung: Spanische und italienische Varietäten in den Amerikas
Note
1,3
Jahr
2015
Seiten
13
Katalognummer
V307116
ISBN (eBook)
9783668052864
ISBN (Buch)
9783668052871
Dateigröße
594 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stadtsprachenforschung, Sprachstabilität, Sprecherfluktuation, Dialekt, Berlinisch, Berlinerisch, Code-Mixing, Code-Switching, Code-Shifting, Berliner Dialekt, Standardsprache
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Das Problem der Stabilität. Sprecherfluktuation und Sprachwandel im Berlinischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/307116

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