Deutschland (k)ein Einwanderungsland? Thilo Sarrazin und die Integrationsdebatte


Facharbeit (Schule), 2013

30 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort
1.1 Anmerkung

2 Fakten Politik, Gesellschaft, Hintergründe
2.1 Die Situation Deutschlands ab 1950
2.2 Die Situation in der Türkei ab 1950
2.3 Arbeitsmigration ab 1961
2.4 Putsch in der Türkei und politisch bedingte Migration
2.5 Situation in der BRD ab 1980
2.6 Aktuelle Situation

3 Die „Integrationsdebatte“
3.1 Darlegung der Integrationsdebatte
3.2 Resümee

4 Literaturverzeichnis

1 Vorwort

Anfang des Jahres 2013 war es in der Schule nun an der Zeit, das Thema für die Facharbeit festzulegen. Für mich stand bereits fest, dass ich sie in dem Fach Sozialwissenschaften schreiben wollte.

Ich lebe seit meiner Geburt in Duisburg, einer Stadt, dessen Migranten-Anteil bundesweit einen Spitzenplatz erreicht.

In den letzten Jahren habe ich mich vermehrt mit der Vergangenheit der Migranten beschäftigt. Mein Interesse wurde durch mehrere Punkte geweckt. 2011 wurde bundesweit anlässlich der 50 jährigen Einwanderung der Türken in sämtlichen kulturellen Gebieten gefeiert. Mein Großvater gehört zu den besonders Geehrten aus dieser Zeit, da er Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande ist.

Thilo Sarrazin brachte sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ auf den Markt. Ich las es und bildete mir meine Meinung darüber.

Ende 2011 kam mit einem mal heraus, dass es seit über zehn Jahren einen organisierten neonazistischen Terror in der BRD gab, der von einem ganzen Netzwerk und nicht etwa von einer „Zelle“ oder einem „Trio“ ausging. Hinzu kamen die Verstrickungen verschiedener Staatsapparate in diesem Netzwerk. Ich habe versucht, eine kritische Analyse der Integrationsdebatte zu erstellen und hoffe, dass dies auch im Wesentlichen gelungen ist. Mein Ziel war es, den Ansatz, der für die kritische Analyse dieses Themas notwendig ist, logisch herzuleiten. Ich wollte das stumpfe Analysieren vorgehaltener Inhalte umgehen, um hinter diesen Inhalten, auf deren Ursachen zu blicken und diese dann auseinanderzunehmen. Daraus ergibt sich das Fazit der Demokratiefrage. Um nicht im sprichwörtlichen „luftleeren Raum“ zu agieren und argumentieren, beginne ich mit einer doch recht umfangreichen Zusammenfassung von historischen Fakten, in meist chronologischer Reihenfolge.

Ich erkläre, die aktuelle Lage und gleiche die Integrationsdebatte inhaltlich mit dieser ab. Dazu stelle ich die prominenteste Einzelperson dieses Themas, Thilo Sarrazin, vor. Ich analysiere ihn repräsentativ für eine bestehende gesellschaftliche Schicht. Dies tue ich in Bezug auf die Studie „Deutsche Zustände“. Da die EU Bürger kaum mehr als „Ausländer“ bzw. „Migranten“ betrachtet werden und um eine Reduzierung vornehmen zu können, habe ich den Fokus stellvertretend auf die größte Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund gesetzt, nämlich auf die Türkeistämmigen. Ich liefere einen begründeten Lösungsansatz basierend auf meiner Ausarbeitung.

Um meiner Argumentation zu folgen, bedarf es eines gewissen Umdenkens. Jedoch wird zum Schluss die Forderung nach einer wehrhaften, sozialen Demokratie im Mittelpunkt stehen.

1.1 Anmerkungen

In dieser Arbeit werden einige sprachliche Mittel, Sprach- und Ausdrucksweisen auffallen. So schon allein das Wort „ Türkeistämmig “. Ich benutze es in den meisten Fällen, wenn es um Migranten/innen aus der Türkei geht. Grund dafür liegt in der Anerkennung der Identitäten verschiedener Volksgruppen und innigeren Völker innerhalb der Türkei, welche auf ihre Andersartigkeit, wenn nicht gar auf ihre Autonomie oder Unabhängigkeit beharren (wie den Kurden, Tscherkessen, Aramäern und einigen mehr). Wohingegen „ Türke/Türkin “, „türkischstämmig“ oder „türkische/r MigrantIn/n/ en“ speziell Personen aus dem Türkischen Volk oder deren Nachfahren bezeichnet. Im Falle einer ganzen Volksgruppe benutze ich nur die geschlechtslose Normalform. Begriffe wie „links“ „mitte“ oder „rechts“ im politischen Sinne werde ich in Anführungsstriche setzen, da diese Begriffe auf eine historisch parlamentarischen Zusammensetzung zurück basiert, die mit heutigen politischen Inhalten meist nichts mehr gemein hat. Außerdem in Anführungsstriche gesetzt sein werden die Begriffe „extrem“ (auch hier liegt eine Manipulation zugrunde), „Ausländer/in“ (aufgrund der unbegründeten Zusammenfassung verschiedenster Menschen ungeachtet der Herkunft, Nationalität, Identität oder Biographie des Einzelnen), und der des/der „Gastarbeiter/s/in“ (dieser Begriff rückt die Situation der Arbeitsmigranten auf zynische Weise in ein Licht der Idylle, denn die angenehme Rolle des „Gastes“ steht im Widerspruch zu dem Beruf des Arbeiters).

2 Fakten Politik, Gesellschaft, Hintergründe

2.1 Die Situation Deutschlands ab 1950

Das zweigeteilte Deutschland befand sich nach dem Krieg im Wiederaufbau.

Die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte der wachsenden Wirtschaft genügten nicht. Der Bergbau und damit ein besonders wichtiger Zweig der deutschen Wirtschaft besonders betroffen und litt unter Arbeitskräftemangel. 1955 wurde dementsprechend das Anwerbeabkommen mit Italien, das von 1937-1945 gegolten hatte, erneuert. Es folgten 1960 die Abkommen mit Spanien und Griechenland und 1961 mit der Türkei.

2.2 Die Situation in der Türkei ab 1950

Aufgrund starker ökonomischer und demographischer Wandlungen herrschte in der Türkei eine hohe Arbeitslosigkeit.1 Um dieser entgegenzuwirken, aber auch um Fachkräfte im Ausland ausbilden zu lassen,2 schloss die Regierung 1961 das Anwerbeabkommen mit der BRD, die vorsah, türkische Arbeitskräfte auszulesen und sie für zwei Jahre nach Deutschland zu schicken

2.3 Arbeitsmigration ab 1961

Zwischen 1961 und 1973 bewarben sich aus der Türkei 2.659.512 Personen für eine Stelle in der BRD,3 davon 20% Frauen.4 Dies gab den Anwerbern die Möglichkeit, bei der Auslese sehr wählerisch vorzugehen. So wurde nicht mal jeder Vierte ausgewählt.5 Vorausgesetzt wurden Alphabetisierung, i.d.R eine beruflich spezifische Qualifikation, sowie das Nichtvorhandensein von körperlichen Beeinträchtigung (z.B. gesundes Zahnwerk, keine Narben, keine Krankheiten, nicht schwanger).6 Die ArbeiterInnen waren für körperliche Arbeiten vor allem im Bergbau vorgesehen. In Deutschland wurden die „GastarbeiterInnen“ von den Arbeitgeberbetrieben in sog. Arbeiterwohnheimen mit bis zu sechs Personen in einem Zimmer untergebracht.7

Die größten Differenzen lagen in den soziokulturellen Unterschieden zwischen Deutschen und ArbeiterInnen aus der Türkei, was im „Gastland“ oft zu Erschwernissen für die MigrantInnen führte.8 Neben der unbekannten Sprache waren Unterschiede in puncto Essensvorschriften und Religionsausübung besonders problematisch.9 In Fragen der Essensvorschriften waren die ArbeitgeberInnen i.d.R entgegenkommend. So wurden in den Kantinen auch schweinefleischfreie Alternativgerichte angeboten. Jedoch existierte die freie Möglichkeit zur Religionsausübung real meist nur auf Papier.10

Max Frisch hatte bereits 1965 treffend festgestellt:

„ Man hat Arbeitskräfte gerufen,

Und es kommen Menschen. “ 11

1964 ließ die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeiterverbände (BDA) durch das Bundesministerium die 2-Jahresbegrenzung, die die ausländischen ArbeiterInnen zwang nach zwei Jahren in ihr Heimatland zurückzukehren, aus wirtschaftlichen Gründen aus den Verträgen streichen.12

1973 wurde aufgrund der Ölkrise und der folgenden Rezession ein kompletter Anwerbestopp verhängt, um die weitere Einwanderung von „Gastarbeitern“ zu verhindern.13 Ungeachtet dessen, konnte die Familie nachziehen, da dieses 1974 vom Gesetz gedeckt war.14 15

2.4 Putsch in der Türkei und politisch bedingte Migration:

1971 ereignete sich ein Putsch in der Türkei. Es wurde das Kriegsrecht verhängt, die Regierung musste abdanken, Tausende wurden verhaftet und Hunderte durch Militärgerichte abgeurteilt.16 Es kam zu Massenstreiks und Demonstrationen.17

Mit dem zweiten Putsch von 1980, kamen weitere große Einwanderungswellen in die BRD. Diesmal aber waren es in erster Linie politisch und kulturell Verfolgte (Demokraten, Linke, Intellektuelle und ethnische/kulturelle Minderheiten)18 19 20, die in Deutschland Asyl suchten.

Warum der Großteil der Asylsuchenden aus der Türkei in die BRD kam, ist wohl am einfachsten mit der Tatsache zu erklären, dass dort bereits eine große Zahl an Menschen mit türkischem Migrationshintergrund lebte (weit über 1 Million).21 Schwierigkeiten sind hingegen für diese Gruppe entstanden, die durch gesetzliche Verordnung vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wurden. Zum Teil unterlagen sie über Jahrzehnte einem Arbeitsverbot und waren auf Sozialhilfe angewiesen. Sie durften die Stadt nicht verlassen und bekamen Verzehrgutscheine ausgehändigt.

2.5 Situation in der BRD ab 1980

Die liberal-konservative Regierung (CDU/CSU, FDP) griff die inzwischen ausländerkritische Haltung der Bevölkerung22 auf und machte das Thema Ausländerpolitik zu einem wegweisenden Schwerpunkt.23 Ziel sollte eine rasche und erhebliche Verminderung der Zahl der in der BRD lebenden „Ausländer“ sein,24 indem

1. die dort lebenden „Ausländer“ integriert werden sollten. Hier tauchte zum ersten Mal der Begriff Integration auf und wurde vielseitig bzw. irreführend benutzt.
2. die Rückkehrbereitschaft mit materiellen Anreizen gefördert wurde und
3. Ein Zuzug von weiteren „Ausländern“ verhindert werden sollte.25

Zu Punkt 2 wurde ein Gesetz zur (finanziellen) Förderung der Rückkehrbereitschaft erlassen26.Zu 3 wollte man mit Mitteln der begrenzten Aufenthalts-Erlaubnis bewirken,27 während zu Punkt 1 nur eine „ Integration auf Zeit “ bedacht wurde.28 Im Zuge dessen kam es zu Debatten zu Fragen der Aufenthalts und Rückführungspolitik, sowie der „ Integration “ allgemein, sogar innerhalb der Koalition.29

Gastarbeiter “ wurden nun „ Ausländer “!

Mit der Wiedervereineigung von DDR und BRD kam es zu millionenfacher Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland.30 31

Mit dieser Entwicklung gewann die BRD nicht nur an Staatsgebiet, sondern auch an Bevölkerung, über 16 Millionen Menschen.32

Es folgten im Sommer 1990 von der Union (CDU/CSU) im Vorfeld der Bundestagswahlen eine bundesweite Kampagne zur enormen Verschärfung des Asylrechts.33 Mit der Folge, dass bspw. nicht einmal drohende Folter im Heimatland als Asylgrund anerkannt34 und Listen von Ländern erstellt wurden, in denen keine politische Verfolgung stattfände. Aus diesen Ländern durfte kein Asylantrag gestellt werden.35 Dieses sollte das im GG festgelegte Recht auf Asyl eingrenzen. Unterstützt und befeuert wurde diese Kampagne vor allem durch den Axel-Springer-Konzern, der in seinen Medien über die „Tricks der lügnerischen Asylbetrüger“, die „mit orientalischer Leidenschaft“ Märchen

[...]


1 Vgl. Karin Hunn: „Nächstes Jahr kehren wir zurück...“ - Die Geschichte der Türkischen „ Gastarbeiter“ in der Bundesrepublik, Göttingen 2005, S.33

2 Vgl. Vera Gerling: Soziale Dienste für zugewanderte Senioren/innen: Erfahrung aus Deutschland

3 Vgl. DOMiT - Dokumentationszentrum und Museum über die Migration aus der Türkei: „Materialsammlung zur Geschichte der Arbeitsmigration aus der Türkei: Anwerbung, Reise nach Deutschland, Fremdheiten“, Köln 2000, S.8

4 Vgl. Ebenda, S.8

5 Ebenda, S.8

6 Ebenda, S.13

7 Vgl. DOMiT - Dokumentationszentrum und Museum über die Migration aus der Türkei: Arbeiterwohnheime für die Migranten im Ruhrgebiet - Eine historische Darstellung der 60er und 70er Jahre, Essen 1996, S.12

8 Vgl. DOMiT - Dokumentationszentrum und Museum über die Migration aus der Türkei: „Materialsammlung zur Geschichte der Arbeitsmigration aus der Türkei: „Materialsammlung zur Geschichte der Arbeitsmigration aus der Türkei: Anwerbung, Reise nach Deutschland, Fremdheiten“, Köln 2000, S.50ff

9 Vgl. Ebenda, S.50ff.

10 Vgl. Ebenda, S.50ff.

11 http://www.berliner-zeitung.de/archiv/der-schweizer-schriftsteller-max-frisch-1965- zum-thema-immigration------und-es-kommen-menschen-,10810590,10247142.html

12 Vgl. DOMiT - Dokumentationszentrum und Museum über die Migration aus der Türkei: Arbeiterwohnheime für die Migranten im Ruhrgebiet - Eine historische Darstellung der 60er und 70er Jahre, Essen 1996, S.22

13 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Themenblätter im Unterricht / Extra: 50 Jahre Deutsch-türkisches Anwerbeabkommen, 2011, S.6

14 Vgl. AufenthG §§27-36

15 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Themenblätter im Unterricht / Extra: 50 Jahre Deutsch-türkisches Anwerbeabkommen, 2011, S.6

16 Vgl. Der Spiegel: Falsches Licht, 15/1972

17 Vgl. Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen: Historische Entwicklung der politischen Linksbewegung in der Türkei, 2006, S.7

18 Vgl. http://www.migration.boell.de/web/integration/47_1853.asp

19 Vgl. Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen: Historische Entwicklung der politischen Linksbewegung in der Türkei, 2006, S.6

20 Vgl. Kooperation für den Frieden: Der türkisch-kurdische Konflikt, Bonn 2007, S.7f.

21 Vgl. Wikimedia: http://de.wikipedia.org/wiki/ Türkeistämmige_in_Deutschland#Zahl_der_t.C3.BCrkischen_Staatsb.C3.BCrger_in_ Deutschland_.28bis_1990_nur_altes_Bundesgebiet.29

22 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, Bonn 2003, S.249

23 Vgl. Ebenda, S.249f.

24 Vgl. Ebenda, S.249

25 Vgl. Ebenda S.250

26 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Themenblätter im Unterricht / Extra: 50 Jahre Deutsch-türkisches Anwerbeabkommen, 2011, S.6.

27 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, Bonn 2003, S.250

28 Vgl. Ebenda S.250

29 Vgl. Ebenda S.251

30 Vgl. http://www.bpb.de/wissen/ 0736680692293833626916316093699,6,0Soziale_MarktWirtschaftspolitik.html

31 Vgl. http://www.wecowi.de/Währungs-,_Wirtschafts-_und_Sozialunion

32 Vgl. http://www.pdwb.de/deu50-00.html

33 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Geschichte der Ausländerpolitik in Deutcshland, Bonn 2003, S.299f

34 Vgl. Ebenda S.299

35 Vgl.Ebenda S.301

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Deutschland (k)ein Einwanderungsland? Thilo Sarrazin und die Integrationsdebatte
Autor
Jahr
2013
Seiten
30
Katalognummer
V306082
ISBN (eBook)
9783668041653
ISBN (Buch)
9783668041660
Dateigröße
606 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutschland, (k)ein Einwanderungsland, Einwanderung, Migranten, Duisburg, Türken, Einwanderungsland
Arbeit zitieren
Nesimi Can Ilbeyoglu (Autor:in), 2013, Deutschland (k)ein Einwanderungsland? Thilo Sarrazin und die Integrationsdebatte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306082

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