Der Zwei-plus-Vier-Vertrag. Ende oder Wende im Kalten Krieg?


Masterarbeit, 2015

69 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Teilung Deutschlands und der Kalte Krieg
2.1 Institutionen und Mechanismen der Westbindung
2.1.1 Die NATO
2.1.2 Die Europäische Integration
2.2 Das Ende des Kalten Krieges
2.2.1 Der NATO-Doppelbeschluss
2.2.2 Die Reformpolitik Gorbatschows
2.2.3 Der Mauerfall

3. Die Zwei-plus-Vier-Gespräche
3.1 Die deutsche Wiedervereinigung und die deutsche NATO-Mitgliedschaft
3.2 Die Rolle des wiedervereinigten Deutschland in der Europäischen Union
3.3 Die Vision einer „Neuen Weltordnung“ von

4. Die institutionelle Entwicklung von NATO und EU ab
4.1 Die NATO-Osterweiterung
4.2 Die EU-Osterweiterung

5. Schlussbetrachtung

6. Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1 Quellen
6.2 Literatur

1. Einleitung

Die Weigerung des ukrainischen Präsident Janukowitsch das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen führte im November 2013 zur Entstehung pro-westlicher Proteste seitens der Bevölkerung, die durch eine monatelange Besetzung des Maidan-Platzes in Kiew und massive Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Ordnungskräften schließlich im Februar 2014 zum Sturz des Staatsoberhaupts und dessen Flucht nach Russland führte. In Folge des Regierungswechsels änderte sich auch deren Haltung, sodass man die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommen mit der EU fokussierte, um sich dem Westen öffnen zu können. Dieser Kurswechsel führte zur Radikalisierung separatistischer Bewegungen, die offen gegen die Regierung rebellierten. Seitdem eskalierte der Konflikt zwischen der Ukraine und den von der Russischen Föderation unterstützten Separatisten immer weiter und mündete schließlich nicht nur in einer völkerrechtlich stark anzuzweifelnden Abspaltung der Halbinsel Krim, sondern auch in offenen Kampfhandlungen mit militärischem Kriegsgerät im Osten des Landes. Aufgrund dieser Entwicklung herrschen immense Spannungen zwischen der Ukraine, den Nationen der EU und den Vereinigten Staaten auf der einen, sowie den ukrainischen Separatisten und der Russischen Föderation auf der anderen Seite, welche bisher in gegenseitigen Wirtschaftssanktionen ihren Ausdruck fanden.

Um die Beweggründe hinter der Haltung Russlands gegenüber den innenpolitischen Vorgängen in der Ukraine zu begreifen werden verschiedene Theorien diskutiert, wie beispielsweise nicht verhandelte Probleme nach Ende des Kalten Kriegs oder dem jüngsten Vorwurf Michail Gorbatschows, der Westen habe sich bei dessen Ostpolitik nach der Wende nicht an Absprachen, die im Zuge der deutschen Wiedervereinigung und des Auflösungsprozesses des Ostblocks getroffen wurden, gehalten. Die Ausdehnung des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses, welches auch nach dem Untergang der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Pakts Bestand hatte, sowie die Erweiterung der Europäischen Union hätten mit einem Beitritt der Ukraine zum ersten Mal seit Eingliederung der baltischen Staaten in die westlichen Organisationen die Grenzen Russlands erreicht. Es scheint nachvollziehbar, dass der russische Präsident Putin durch die offensive und revisionistische Politik gegenüber dem Westen lediglich versucht, die in der Vergangenheit gemachten Versäumnisse auszugleichen und die Interessen seines Landes auf diese Weise bestmöglich zu wahren. In diesem Zusammenhang kommen die Fragen auf, ob das Ende des Ost-West-Konflikts in den 90ern als Startschuss eines neuen Kalten Krieges bezeichnet werden kann oder ob dieser überhaupt jemals beendet war und aus welcher Dynamik überhaupt erst eine Zuspitzung auf die Osterweiterungen der NATO und der EU möglich wurde. Diese Arbeit versucht aufzuzeigen, dass die Institutionen und Mechanismen, die zur Sicherung amerikanischer Hegemonie in den späten 40er und frühen 50er Jahren in Europa installiert wurden, im Zuge der Zwei-plus-Vier-Gespräche erneut zur Sicherung der von den USA propagierten „Neuen Weltordnung“ reaktiviert wurden, damit der amerikanische Einfluss in Europa ausgeweitet und zementiert werden konnte. Die Erweiterung der entsprechenden Institutionen entwickelte dann letztendlich eine Eigendynamik, die spätestens mit der Ausweitung der EU bis an die ukrainisch-russische Grenze einen für die Russische Föderation nicht hinnehmbaren Einschnitt in die eigene Peripherie bedeuten würde.

Der Verlauf des Kalten Krieges, die deutsche Wiedervereinigung und die Geschichte der übernationalen Institutionen wurden aufgrund ihrer politischen Tragweite gut dokumentiert und durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen untersucht, die sich bis in die Gegenwart finden. Um einen ersten Einblick in die deutsche Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg bis zum Fall der Mauer zu erlangen, eignen sich besonders die zeitnah veröffentlichten Werke Heinrich August Winklers aus den Jahren 2010[1] und 2014[2], da sie eine detaillierte Zusammenfassung der historischen Abläufe innen-, wie außenpolitischer Natur beinhalten. Um die Anfangszeit der Bundesrepublik und deren Konsolidierung historisch kontextualisieren und die westdeutschen Bestrebungen zur Europäischen Integration einordnen zu können, empfiehlt sich eine Beschäftigung mit ausgewählten und online verfügbaren Verträgen, wie dem Nordatlantikvertrag[3], dem Deutschlandvertrag[4], dem Moskauer Vertrag[5] und dem Grundlagenvertrag[6], sowie dem Aufsatz von Ludolf Herbst über die westdeutsche Integrationspolitik von 1990,[7] und dem Werk von Sascha Dietrich über die Entwicklung der sicherheitspolitischen Kooperation in Europa von 2005[8].

Eine umfangreichere Auseinandersetzung mit dem deutschen Einigungsprozess, dem Zwei-plus-Vier-Vertrag[9], sowie dessen Vorgeschichte und Folgen findet sich vor allem in Gerhard Ritters Buch von 2013[10], in den Aufsätzen von Gerhard Wettig[11] und Michael Ploetz[12] zum NATO-Doppelbeschluss, die 2011 in einem unter anderem von Philipp Gassert herausgegebenen Sammelband veröffentlicht wurden, in den 2009 erschienen Werken Helmut Altrichters[13] und Steven Rosefieldes[14], die die Aspekte für den Niedergang der Sowjetunion und des Ostblocks untersuchten und in den Aufsätzen von Sebastian Harnisch[15], Hanns W. Maull[16] und Joachim Schild[17], die 2014 in einem unter anderem von Joachim Schild selbst herausgegebenen Sammelband erschienen sind und sich wie der Aufsatz Gunther Hellmanns von 2012[18] mit der neuen Rolle des wiedervereinigten Deutschland in der europäischen Staatengemeinschaft auseinandergesetzt haben. Eine reichhaltige Sammlung an Dokumenten zur Politik Thatchers in Bezug auf die deutsche Einheit ist online auf der Homepage der Margaret-Thatcher-Foundation zu finden. Zur näheren Beschäftigung mit dem Prinzip der „Neuen Weltordnung“ und dessen Interpretation eigneten sich besonders die von George H. W. Bush gehaltene Rede vor dem Kongress von 1990[19], der Aufsatz von Dr. Heinz Gärtner von 1992[20] und das 1999 erschienene Werk von Robert L. Hutchings[21].

Die deutsche NATO-Politik nach der Wende und die damit zusammenhängende Osterweiterung, sowie die Beziehungen zwischen Russland und dem nordatlantischen Bündnis, werden ausführlich im Werk von Marco Overhaus,[22] welches unter der Betreuung von Hanns W. Maull und Joachim Schild an der Universität Trier als Dissertationsschrift entstanden ist und 2009 veröffentlicht wurde, behandelt. Die von Peter Becker 2011[23] erschienene Arbeit setzt sich kritisch mit der deutschen Europapolitik und deren Einfluss auf die Osterweiterung auseinander. Insgesamt haben sich die im Baden-Badener Nomos-Verlag erschienenen Werke aus der von Hanns W. Maull herausgegebenen Reihe „Außenpolitik und Internationale Ordnung“ als fundamental für die Erarbeitung von Teilaspekten des Rahmenthemas herausgestellt.

Es wurde bewusst zu einem großen Teil Literatur aus Deutschland verwendet, da diese sich für die Darstellung der Auswirkungen des Zwei-plus-Vier-Vertrages auf die Bedeutung der Politik des geeinten Deutschlands im Zusammenhang mit NATO- und EU-Osterweiterung als äußerst umfassend und kritisch herausstellte. Allerdings wurden auch punktuell Werke aus dem englischen Sprachraum verwendet, um eine Art „Blick von Außen“ auf die Geschehnisse in Europa gewährleisten zu können.

2. Die Teilung Deutschlands und der Kalte Krieg

Mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reichs am 8. Mai 1945 begann die Besatzungszeit Deutschlands. Durch die sich stetig steigernde Verschärfung des Konflikts zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion, welche auf die unterschiedlichen, beiden Seiten zugrundeliegenden Weltanschauungen zurückzuführen war, sah man sich außerstande dem Gegenüber Zugeständnisse bei den Verhandlungen über die Umsetzung einer Nachkriegsordnung in Europa zu machen, was letztendlich zu einer Verhärtung der diplomatischen Fronten führte.[24] Der Westen befürchtete im Falle einer Wiedervereinigung Deutschlands eine zu starke Einflussnahme seitens der UdSSR auf den noch vom Krieg geschwächten Staat. Allerdings fand auch der Gedanke eines eigenständigen und erstarkenden Deutschland in der Mitte Europas, welches sich, wie bereits in der Vergangenheit geschehen, zur Durchsetzung seiner politischen Ziele mit dem östlichen Machtblock arrangieren konnte, wenig Anklang bei westlichen Politikern, sodass man letztendlich eine Teilung Deutschlands bevorzugte.[25] Aus den von den westlichen Siegermächten besetzten Gebieten, mit Ausnahme des Saarlandes, ging 1949 die Bundesrepublik Deutschland hervor, aus der Besatzungszone der Sowjetunion im selben Jahr die Deutsche Demokratischen Republik.

Noch im April 1949 verhandelte man auf einer Konferenz in Washington über die Möglichkeit der Bildung eines einheitlichen deutschen Staates, wobei allerdings die Westalliierten freie Wahlen zur Konsolidierung einer Regierung forderten, was die Sowjetunion fürchtete, da die sozialistischen und kommunistischen Parteien diese durchaus verlieren konnten.[26] Dies hätte Moskaus Einflussnahme auf die deutsche Politik erheblich erschwert, außerdem bestand in dem Szenario die Option der Einbindung der gesamtdeutschen Streitkräfte in ein westliches Militärbündnis, was ebenfalls völlig entgegen der sowjetischen Interessen gewesen wäre. Man war darauf erpicht jede Art von Westbindung Deutschlands zu verhindern. Dies versuchte man 1952 zu erreichen, indem die Wiedervereinigung der beiden Staaten in Aussicht gestellt wurde, jedoch nur bei Akzeptanz ganz bestimmter Bedingungen. Den Kern des Angebots stellte dabei die angestrebte Neutralität des vereinigten Deutschlands dar, die dem Staat zwar das Aufstellen von Streitkräften zu Defensivzwecken erlaubt, jedoch die Mitgliedschaft in Militärbündnissen verboten hätte.[27]

Da weder die Westalliierten, noch die Regierung Adenauer an einer verteidigungspolitischen Isolation Deutschlands interessiert waren, kam es nicht zu der in den Stalin-Noten angebotenen Wiedervereinigung. Die politische Führung der BRD verfolgte im Gegenteil aktiv eine Bindung an den Westen,[28] welche durch eine ökonomische Verflechtung mit Frankreich, den Benelux-Ländern und Italien und die Mitgliedschaft in entsprechenden Militärbündnissen, sowie diversen wirtschaftlichen- und politischen Organisationen erreicht werden sollte. Tragende Säulen der internationalen Zusammenarbeit, der Europäischen Integration und der Westbindung Deutschlands stellten in diesem Zusammenhang die Westeuropäische Union und die NATO als Ausdruck militärischer-, die OEEC, welche vor allem bei der Umsetzung des Marshall-Plans und der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl eine entscheidende Rolle spielte, als Ausdruck wirtschaftlicher- und der Europarat als Ausdruck politischer Kooperation dar. Zudem bedeutete die Mitgliedschaft Westdeutschlands in diesen Organisationen die Möglichkeit der Kontrolle[29] durch andere europäische Staaten.

2.1 Institutionen und Mechanismen der Westbindung

2.1.1 Die NATO

Bereits im Jahr 1948 wurde mit dem Brüsseler Beistandspakt ein Verteidigungsbündnis westeuropäischer Nationen geschlossen, welches ursprünglich als Versicherung für die Mitgliedsstaaten im Fall einer erneuten deutschen Expansion angedacht war. Nach der Machtübernahme der kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei und der Blockade Westberlins durch sowjetische Truppen stufte man die Gefahr durch den von der UdSSR geführten Ostblock jedoch als die tatsächliche Bedrohung für die freie Welt ein,[30] sodass den Staaten Westeuropas eine Bindung der eigenen Sicherheit an die amerikanische Atommacht als wesentlicher Faktor erschien,[31] um dauerhaft größtmögliche Unabhängigkeit gewährleistet zu haben. Im Zuge dieser Entwicklungen kam es jedoch nicht nur zu einem einseitigen Schutzbekenntnis durch die USA, sondern zum Inkrafttreten des Nordatlantikvertrags im Jahr 1949, der vor allem durch korrelatives Eingreifen im Falle eines Angriffs auf ein Mitgliedsland durch Dritte geprägt war. Die NATO wurde auf diese Weise als institutioneller Garant für die militärische Umsetzung der amerikanischen Containment-Politik, die die Abgrenzung und Eindämmung des sowjetischen Einflussbereichs beinhaltete, konzipiert, durch den die Vereinigten Staaten ihre eigene Zukunft untrennbar mit der Europas verwoben.[32]

Unter dem Eindruck der Korea-Krise entstand der Gedanke einer gesamteuropäischen Verteidigungsstreitmacht, die auch unter deutscher Beteiligung aufgebaut werden sollte. Das Vorhaben scheiterte jedoch aufgrund der Ablehnung durch Frankreichs Nationalversammlung und führte zur Umwandlung des Brüsseler Beistandspaktes in die Westeuropäische Union, in der die einzelnen Mitglieder nationale Truppenkontingente aufstellten, die letztendlich unter Oberbefehl der NATO standen.[33] Die Stationierung amerikanischer Atomraketen in Großbritannien, der Türkei und Italien in den 1950er Jahren manifestierte endgültig den militärischen Ansatz der US-Hegemonie über Europa.

Die Gründung des Bündnisses stand ganz im Zeichen der 1947 neu aufgestellten außenpolitische Maxime der Vereinigten Staaten, die in der Truman-Doktrin formuliert wurde.[34] Im Grunde ging es darum, dass die USA allen freien Völkern, die der Gefahr einer Unterwerfung durch Minderheiten oder andere Nationen ausgesetzt waren, Hilfestellung zu leisten versprach, ob diese durch wirtschaftliche Zuwendungen erreicht werden konnte oder militärischer Natur sein musste, sollte von Fall zu Fall entschieden werden. Die Abkehr vom Isolationismus und die Assimilation der Interessensphäre der europäischen Politik durch die Vereinigten Staaten stellte letztendlich einen Bruch der Monroe-Doktrin[35] dar, welche die amerikanische Außenpolitik über mehr als 120 Jahre bestimmt hatte und machte die USA auf diese Weise zur unumstritten führenden Macht der westlichen Welt.

Durch den Deutschlandvertrag, welcher im Rahmen der Pariser Verträge ausgehandelt worden war, wurde das Besatzungsstatut der drei westlichen Siegermächte in Bezug auf Westdeutschland aufgehoben. Auf diese Weise erlangte die BRD Mitte der 1950er Jahre weitgehende außenpolitische Souveränität. Gleichzeitig trat sie auf Drängen der ihren Führungsanspruch untermauernden Vereinigten Staaten, jedoch entgegen misstrauischer Stimmen aus anderen europäischen Nationen, die ihrerseits Vorbehalte gegenüber einer deutschen Widerbewaffnung hegten, der Westeuropäischen Union und der NATO bei. Deutschland war in seinem verteidigungspolitischen Handlungsspielraum allerdings so eng mit dem amerikanischen Militär verzahnt, dass eine alleinstehende westdeutsche Armee nicht in der Lage gewesen wäre, ihren Defensivauftrag zufriedenstellend auszuführen.[36]

Die bündnispolitische Konsolidierung und die damit verbundene Wiederbewaffnung Westdeutschlands schürte in der UdSSR die Befürchtung, dass militaristische Tendenzen in der Bundesrepublik wiederaufleben konnten, was sowjetische Politiker dazu veranlasste, eine konkrete Bedrohung für die eigene Interessensphäre abzuleiten. Dies führte letztendlich zur Gründung des Warschauer Pakts als Pendant zum westlichen Militärbündnis, mit dessen Hilfe die Kontrolle über die Satellitenstaaten Osteuropas ausgeübt und die Herrschaft der jeweiligen kommunistischen Partei gesichert werden sollte, indem beispielsweise Unabhängigkeitsbestrebungen seitens der Bevölkerung niedergeschlagen wurden.[37] Breschnew versuchte 1968 in der nach ihm benannten Doktrin dieses repressive Vorgehen gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Verteidigung des Sozialismus gegen konterrevolutionäre Tendenzen zu legitimieren. Mit Gründung der beiden Militärbündnisse war die Teilung Deutschlands und Europas letzten Endes institutionalisiert worden und vorerst unumkehrbar.

2.1.2 Die Europäische Integration

Bereits in den 1920ern gab es Menschen, die den Zusammenschluss der europäischen Staaten anstrebten, wie die Mitglieder der von Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi gegründeten Pan-Europa-Bewegung.[38] Jene Idee aufgreifend beschreibt der Begriff der „Europäischen Integration“ keine Institution an sich, sondern eine nach dem zweiten Weltkrieg offen angelegte Politik der intereuropäischen Zusammenarbeit verschiedener Nationen auf unterschiedlichen Ebenen, um einem erneuten Konflikt innerhalb der kontinentalen Staatengemeinschaft schon vor Ausbruch entgegenwirken zu können. Da Großbritannien sich selbst nicht wirklich als Teil des Kontinents sah und sich eher auf eigene politische Probleme, wie den Abbau der hohen Kriegsschulden, die Erholung der Wirtschaft und den Umbau des Empire in ein Commonwealth von eigenständigen Staaten, zu konzentrieren gedachte, kam die Führungsrolle der westeuropäischen Staaten Frankreich zu.[39] Grundlage der Strategie des Wiederaufbaus bildete eine umfassende wirtschaftliche Kooperation der Länder, die durch die Hilfeleistungen des Marshall-Plans gefördert wurden.

Unter dem Eindruck der durch den Krieg verursachten Armut der Bevölkerung Europas erlebten sozialistische und kommunistische Gruppierungen regen Zulauf, was die Befürchtung der Amerikaner, der Kommunismus könnte sich auch über die Grenzen des Einflussbereichs der UdSSR ausbreiten, bestärkte. Um dagegen vorzugehen, beschloss die US-Regierung ein umfassendes, auf vier Jahre beschränktes Programm wirtschaftlicher Hilfeleistungen, welches kurzfristig die akute Not der Menschen lindern, sowie langfristig für einen nachhaltigen Aufbau der jeweiligen Wirtschaften sorgen und damit zu einer Schwächung revolutionärer Tendenzen beitragen sollte. Die westeuropäischen Nationen, die diese Hilfe annahmen, gründeten 1948 die OEEC, die erste intereuropäische Organisation, in der verschiedene Staaten politische Zusammenarbeit betrieben, mit deren Hilfe die Verteilung der Hilfsmittel verwaltet werden sollte, während die im Einflussbereich der UdSSR angesiedelten Länder auf Druck Moskaus auf die westlichen Zuwendungen verzichten mussten. Das Hilfsprogramm betrieb die wirtschaftliche Abgrenzung des sowjetischen Einflussbereichs, kann deshalb als institutioneller Garant für die wirtschaftliche Umsetzung amerikanischer Containment-Politik bezeichnet werden und bildete gleichzeitig den wirtschaftlichen Ansatz amerikanischer Hegemonie über Europa. Zudem schaffte es neue Absatzmärkte für die Überproduktion von US- Firmen und stellte aufgrund dessen auch eine Investition zugunsten der eigenen Wirtschaft dar.[40]

Die Verwirklichung des Schuman-Plans durch die 1951 von Frankreich, Deutschland, Italien und den Beneluxstaaten gegründete Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die die gesamte Produktion und Verarbeitung der namensgebenden Utensilien unter die Aufsicht einer gemeinsamen Behörde stellte und den Vertrieb für Mitgliedsländer zollfrei gestaltete, schuf eine weitere intereuropäische Organisation zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und bildete letztendlich den Kern für die Europäische Union unserer Zeit. Ziele Frankreichs waren die Erleichterung des eigenen Stahlexports und durch die gemeinschaftliche Verwaltung der beiden kriegswichtigen Güter die Schaffung einer Kontrollinstanz, die sicherstellte, dass Deutschland keine übermäßige Rüstung, sondern der Aufbau der Wirtschaft betrieb. Deutsche Vertreter waren sich unsicher, ob das Vorhaben für die Bundesrepublik rentabel sein konnte,[41] nahmen aber gewisse Nachteile in Kauf, um den Integrationsprozess des eigenen Landes in die bestehende Staatengemeinschaft Westeuropas nicht zu gefährden, zumal durch die Entstehung der Montanunion auch der Vorteil entstand, dass das Ruhrstatut aufgehoben und die Internationale Ruhrbehörde aufgelöst wurde.[42]

Nachdem 1954 eine gesamteuropäische Zusammenarbeit im militärischen Sektor gescheitert war, die wirtschaftliche Kooperation innerhalb der EGKS aber zu funktionieren schien und für die Mitglieder Vorteile generierte, schuf die Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahr 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Grundlagen dieser Verträge waren eine gemeinsame Handelspolitik gegenüber Drittsaaten, die Schaffung übernationaler Institutionen, die schrittweise Abschaffung von Zollbarrieren, sowie eine Anpassung nationaler Wirtschaften an für alle geltende Reglements.[43] Die vollständige Zollunion wurde allerdings erst im Jahr 1968 erreicht. Außerdem betrieb man eine gemeinsame Atompolitik, welche durch die ebenfalls in den Verhandlungen von Rom gegründete Europäische Atomgemeinschaft vertreten werden sollte.[44]

Die älteste intereuropäische Organisation, die heute noch weitestgehend unverändert Bestand hat, stellt der 1949 gegründete Europarat dar, der die politische Einigung des Kontinents, sowie das Bewahren des europäischen Erbes und wirtschaftlichen-, und sozialen Fortschritts zum Ziel hatte.[45] Der Rat bildete von Beginn an eine unabhängige Institution und war nie mit der EGKS, der EWG oder einer anderen internationalen Organisation verbunden. Er begriff sich selbst als eine Art offenes Forum, in dem allgemeine Fragen des europäischen Interesses diskutiert wurden, um gegebenenfalls für die Mitglieder verbindliche Abkommen, wie beispielsweise die Europäische Menschenrechtskonvention, auszuhandeln.

2.2 Das Ende des Kalten Krieges

2.2.1 Der NATO-Doppelbeschluss

Die Stationierung von amerikanischen Atomwaffen in Europa Ende der 1950er Jahre führte dazu, dass auch die UdSSR mit nuklearen Sprengköpfen bestückte Raketen in ihren Westen entsendete, was das atomare Wettrüsten in Gang setzte. Besonders das Aufstellen von US-Flugkörpern in der Türkei hatte weitreichende Folgen, weil aufgrund dessen 1962 sowjetische Raketen auf Kuba stationiert wurden. Im Zuge des als Kuba-Krise bekannt gewordenen vorläufigen Höhepunkts ost-westlicher Spannungen wurde der breiten Öffentlichkeit die Gefahr eines weltumspannenden Atomkriegs, der die Vernichtung eines Großteils der Menschheit zur Folge gehabt hätte, zum ersten Mal wirklich bewusst.

Unter dem Eindruck der bestehenden Gefahr einigten sich beide Parteien darüber, dass die Notwendigkeit gegenseitiger Rüstungskontrolle bestand, um ein machtpolitisches Gleichgewicht aufrechterhalten zu können. Nach fast drei Jahren andauernden Verhandlungen konnte man 1972 mit dem SALT I-Abkommen schließlich einen Erfolg vorweisen, der die Anzahl von Raketenabwehrsystemen und Interkontinentalraketen streng limitierte. Jedoch wurde weder über die Produktion, noch eine Begrenzung der Stückzahl für Mittel- und Kurzstreckenraketen gesprochen, was die UdSSR dazu nutzte, Mitte der 70er Jahre die gealterten Bestände durch neue, modernere Raketen zu ersetzen und auf diese Weise die nukleare Bedrohung für Westeuropa wesentlich zu verschärfen. Insgesamt erarbeitete sich die Sowjetunion in den späten 60er und frühen 70er Jahren ein beachtliches militärisch-strategisches Potenzial, das dem der USA fast ebenbürtig war.[46] Aufgrund des Glaubwürdigkeitsverlusts der amerikanischen Strategie, hauptsächlich ausgelöst durch die Führungskrise während der Kennedy-Ära, zweifelten europäische Politiker daran, dass die Vereinigten Staaten im Falle eines begrenzten nuklearen Übergriffs die Vernichtung des eigenen Landes in Kauf nehmen würden, um ihren Bündnispartnern beizustehen, so wie es der Nordatlantikvertrag eigentlich verlangte.[47]

Europäische Regierungsvertreter drängten den US-Präsidenten James Carter deshalb zu Beginn des Jahres 1979 bei einem Treffen auf Guadeloupe dazu, eine angemessene Reaktion auf die als offene Drohgebärde interpretierte Stationierung modernster Mittelstreckenraketen der UdSSR zu zeigen. Die Idee zur Lösung des Problems regte Bundeskanzler Helmut Schmidt bereits 1977 in seiner Rede vor dem IISS an, in dem er vorschlug, das Gleichgewicht strategischer Waffen innerhalb Europas wiederherzustellen, indem man es ebenfalls in die Abrüstungsverhandlungen mit einbezog. Im Falle des Scheiterns der Verhandlungen sollte die gewünschte Balance jedoch durch Aufrüstung des Westens in Form amerikanischer Mittelstreckenraketen hergestellt werden. Eine bereits erreichte Einigung über die Limitierung besagter ballistischer Waffensysteme in Europa in Form des SALT II-Abkommens vom Sommer 1979 wurde gegen Ende desselben Jahres zurückgenommen, da die Sowjetunion eine Invasion Afghanistans durchführte.[48] Man entschied sich stattdessen im Dezember dafür, den NATO-Doppelbeschluss, der den Vorschlag Schmidts aufgriff und Verhandlungen über beidseitige Abrüstung des nuklearen Arsenals anbot, allerdings bei gleichzeitiger Angleichung westeuropäischer Bestände an die des östlichen Kontrahenten, zu verabschieden. Der außenpolitische Stellenwert der Bundesrepublik stieg durch das diplomatische Ringen um den Doppelbeschluss, da ein deutscher Regierungschef es geschafft hatte, sicherheitspolitische Ansprüche Westeuropas gegenüber der NATO und der US-Administration durchzusetzen.[49]

Nach dem Scheitern der im Doppelbeschluss angeregten Verhandlungen gegen Ende des Jahres 1983 folgte die Ausstattung Westeuropas mit weiteren amerikanischen Nuklearwaffen. Die sowjetische Führung hatte allem Anschein nach nicht damit gerechnet, die diplomatische Auseinandersetzung mit dem Westen zu verlieren, weshalb man nicht wusste, wie man der Bewaffnung begegnen sollte. Man entschied sich letzten Endes dazu, selbst weitere Atomraketen zu produzieren und auf diese Weise das nukleare Wettrüsten zu befeuern. Die folgenden zwei Jahre bis zum Regierungsantritt Michail Gorbatschows 1985 stellten die sowjetische Wirtschaft vor fast unüberwindbare Aufgaben, Reagan hatte mit seinem Plan, die UdSSR sollte sich „totrüsten“, weitestgehend Erfolg. Da Gorbatschow für die von ihm angestrebten Reformen zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Sowjetunion dringend Geld benötigte, kürzte er den Verteidigungshaushalt erheblich, vereinbarte deshalb mit den USA nicht nur einen beidseitigen Verzicht auf weitere Aufrüstung, sondern schlug auch den Abbau der vorhandenen Nuklearwaffen vor.[50]

2.2.2 Die Reformpolitik Gorbatschows

Die ökonomischen Gegebenheiten der UdSSR verschlechterten sich in den 1980er Jahren zusehends und mündeten in einer „period of protracted stagnation“[51], die rückblickend als bis in die 2000er andauernd beschrieben werden kann.[52] Den meisten Mitgliedern der Führungsriege war bewusst, dass „die Krisensymptome im Lande […] als ein Potential in Rechnung gestellt [wurden], das die Legitimationsgrundlagen des Herrschaftssystems selbst bedrohte“[53] und ein Fortbestand der UdSSR nur dann gewährleistet werden konnte, wenn die anhaltenden Krisen durch Reformen überwunden werden würden. Oft wird das Reformprogramm Gorbatschows auf die beiden bekanntesten Schlagworte Glasnost und Perestroika reduziert, es kann jedoch auf einige weiterer Begriffe wie Demokratizatsia, Novoe Myslennie und Uskorenie ausgedehnt werden.[54]

Demokratizatsia und Novoe Myslennie standen für den liberalen und auf Dialog abzielenden Kurs der neuen Sowjet-Regierung. Gorbatschow plante „eine „Demokratisierung“ des bestehenden sowjetischen Herrschafts- und Gesellschaftssystems bei gleichzeitiger Herausbildung eines „sozialistischen Rechtsstaates““[55], wollte jedoch weiterhin am Einparteienstaat festhalten, den er als freiheitlich-autoritär interpretierte. Seine Auffassung der zukünftigen Ausrichtung der sozialistischen Großmacht kann daher als eine stark autoritär anmutende Staatsform mit „demokratischeren“ Zügen charakterisiert werden.

Als Novoe Myslennie wurde das Umdenken bezeichnet, das die sowjetische Führung dazu bewegte eine Entspannungspolitik mit dem Westen, allen voran den USA, zu verfolgen und den Kalten Krieg zu beenden. Im Mittelpunk standen vor allem Verträge, die den Abbau von Mittelstreckenraketen in Europa und das Einfrieren des Kernwaffenarsenals beinhalteten,[56] sowie die Beendung des militärischen Arrangements in Afghanistan und die Abkehr von der Breschnew-Doktrin, was einen Abzug eines Großteils der sowjetischen Truppen aus den Satellitenstaaten des Warschauer Pakts und die Gewährung von mehr Autonomie für ebendiese Länder bedeutete, die sich dadurch frei entscheiden konnten, ob sie weiterhin am Sozialismus festhielten oder Änderungen durchführen wollten, die die über 40 Jahre fremdbestimmten Staats- und Gesellschaftsformen durch andere ersetzten.

Um der stagnierenden wirtschaftlichen Lage entgegenzuwirken sah Gorbatschow die Uskorenie vor, die die Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklungen zum Ziel hatte. Vorrangig plante die Sowjet-Führung lediglich eine Erhöhung der wirtschaftlichen Produktivität durch Modernisierung der Produktionsstätten und eine damit verbundene Intensivierung der Industrie,[57] mit der Zeit wurde allerdings deutlich, dass wirksame Veränderungen des wirtschaftlichen Systems nur dann möglich sein würden, wenn damit gleichzeitig eine „Umgestaltung des gesamten politischen und sozialen Systems“[58] einherginge. Diese Erkenntnis gebar schließlich den Begriff Perestroika, was gemeinhin als „Umgestaltung“ übersetzt werden kann. Die Autoren Steven Rosefielde und Stefan Hedlund gehen in ihrer Schilderung der Geschehnisse soweit, die Perestroika, in Anlehnung an das englische Wort „catastrophe“, als „catastroika“[59] zu bezeichnen. Ihrer Interpretation nach ließ sich der Zusammenbruch der Sowjetunion nicht an der „liberalized command economy“[60] nach 1953 festmachen, sondern eben an den Reformen Gorbatschows, die es Privatpersonen möglich machten Staatseinnahmen zu veruntreuen, Materialien zu stehlen, diese schwarz zu verkaufen, auf diese Weise der sowjetischen Wirtschaft nachhaltig zu schaden und sie zu desorganisieren.[61]

Eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Perestroika stellte die Glasnost dar. Glasnost, vom russischen Wort „glas“ stammend, kann mit „sich eine Stimme geben“ oder „offen seine Meinung sagen“ übersetzt werden.[62] Um die den Staat lähmende „aufgezwungene ideologische Orthodoxie“[63] überwinden zu können, tat Gorbatschow „etwas für einen kommunistischen Machthaber Ungewöhnliches: Er bemühte sich um ein politisches Bündnis mit der Intelligenz“[64]. Die Vorstellungen, die der Generalsekretär von Presse- und Redefreiheit hatte und die, die die progressiven Intellektuellen besaßen, gingen anfänglich allerdings auseinander. Glasnost konnte in diesem Zusammenhang nicht als Pressefreiheit verstanden werden, wie sie im Westen etabliert war und „obwohl Gorbatschow bereits Anfang 1987 ein Gesetz versprochen hatte, das die Presserechte garantieren sollte, dauerte es mehr als drei Jahre, bis ein solches Gesetz am 12. Juni 1990 verabschiedet wurde“[65]. Offenheit, Öffentlichkeit und Freiheit von Zensur schufen Voraussetzungen, die es so vorher in der Sowjetunion noch nie gegeben hatte und stellten die Weichen für die „politischen Kämpfe der Gorbatschow-Ära“[66], da sich alle vorher isolierten kritischen Denker vernetzen und ihre Ideen und Vorstellungen frei von der Furcht vor Repressalien austauschen konnten. Ohne diesen Vorstoß in Richtung Meinungsfreiheit wären keine der anderen Reformen möglich gewesen.[67]

2.2.3 Der Mauerfall

Die Reformen in der Sowjetunion hatten zwangsweise auch Auswirkungen auf deren Satellitenstaaten in Osteuropa. Vor allem die rigorose Kürzung des Verteidigungshaushaltes, die den Abzug einer Vielzahl der im Ostblock stationierten Truppen der Roten Armee zur Folge hatte und mit gesellschaftlicher Öffnung einhergehend die Abkehr Gorbatschows von der Breschnew-Doktrin manifestierte, stellte die kommunistischen Regime der Mitglieder des Warschauer Pakts vor große politische Herausforderungen, weil dadurch militärische, sowie wirtschaftliche Unterstützung der UdSSR bei der Aufrechterhaltung der jeweiligen Machtverhältnisse versiegte. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, die sich weigerte Reformen wie in der Sowjetunion anzustreben, geriet zusehends durch Aktivitäten der Bevölkerung unter Druck, die gegen die vorherrschenden Verhältnisse protestierte, Freiheit und Selbstbestimmung forderte oder schlichtweg einfach das Land in Scharen verließ.[68]

Im Jahr 1989 versuchten viele Bürger der DDR über die ständige Vertretung der BRD in Ostberlin ihre Ausreise in den Westen zu erzwingen, sodass diese schließlich am 8. August für den Publikumsverkehr geschlossen werden musste. Bis Ende des Monats wurden zudem die Botschaften der Bundesrepublik in Budapest und Prag aus demselben Grund geschlossen. Die ungarische Regierung entschloss sich letztendlich dazu, durch das Versprechen hoher Wirtschaftshilfen von Seiten der BRD beeinflusst, die Verpflichtung der Beteiligten des Warschauer Pakts, flüchtige Bürger des Ostblocks an ihr jeweiliges sozialistisches Heimatland auszuliefern, aufzukündigen. Ungarn war damit seit Ende August nur noch formell Mitglied im östlichen Verteidigungsbündnis und befand sich in einem Prozess des ideologischen Wandels zur Anerkennung westlicher Werte. Am 11. September desselben Jahres wurde die Grenze zu Österreich geöffnet, was bis Ende des Monats ungefähr 25.000 ostdeutschen Übersiedlern die Abwanderung in die BRD ermöglichte. Auch den in der Prager Botschaft auf eine Möglichkeit zur Reise in den Westen wartenden DDR-Bürgern konnte durch Verhandlungen zwischen Genscher, Schewardnadse und Fischer bis Anfang Oktober sicheres Geleit über das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik garantiert werden, sodass eine Vielzahl weiterer, sich noch in der Tschechoslowakei und der westdeutschen Botschaft in Warschau aufhaltender Ostdeutscher die Chance ergriff und die bereitgestellten Züge Richtung Westen bestieg.[69]

[...]


[1] Winkler, August Heinrich: Vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung, in: Der lange Weg nach Westen, Band II, siebte, durchgesehene Auflage, München 2010.

[2] Winkler, August Heinrich: Vom Kalten Krieg zum Mauerfall, in: Geschichte des Westens, Band 3, München 2014.

[3] Nordatlantikvertrag, http://www.nato.int/cps/en/natolive/official_texts_17120.htm (25.07.2015).

[4] Deutschlandvertrag, http://www.documentarchiv.de/brd/dtlvertrag.html (25.07.2015).

[5] Moskauer Vertrag, http://www.documentarchiv.de/brd/1970/moskauer-vertrag.html (25.07.2015).

[6] Grundlagenvertrag, http://www.documentarchiv.de/brd.html (25.07.2015).

[7] Herbst, Ludolf: Vom Marshallplan zur EWG. Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Welt. Stil und Handlungsspielräume westdeutscher Integrationspolitik, in: Ludolf Herbst u. A.(Hrsg.): Quellen und Darrstellungen zur Zeitgeschichte. Herausgegeben vom Institut für Zeitgeschichte, Band 30, München 1990, S. 3 – 18.

[8] Dietrich, Sascha: Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Die Entwicklung der rechtlichen und institutionellen Strukturen der sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusammenarbeit im Europäischen Integrationsprozess von den Brüsseler Verträgen bis zum Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: Prof. Dr. Ingolf Pernice (Hrsg.): Schriftreihe Europäisches Verfassungsrecht, Band 23, Marburg 2005.

[9] Zwei-plus-Vier-Vertrag, http://www.documentarchiv.de/brd/2p4.html (25.07.2015).

[10] Ritter, Gerhard A.: Hans-Dietrich Genscher, das Auswärtige Amt und die deutsche Vereinigung, München 2013.

[11] Wettig, Gerhard: Sowjetische Euroraketenrüstung und Auseinandersetzung mit den Reaktionen des Westens. Motivationen und Entscheidungen, in: Philipp Gassert u. A. (Hrsg.): Zweiter Kalter Krieg und Friedensbewegung. Der NATO-Doppelbeschluss in deutsch-deutscher und internationaler Perspektive, München 2011, S. 49 – 64.

[12] Ploetz, Michael: Erosion der Abschreckung? Die Krise der amerikanischen Militärstrategie am Vorabend des NATO-Doppelbeschlusses, in: Philipp Gassert u. A. (Hrsg.): Zweiter Kalter Krieg und Friedensbewegung. Der NATO-Doppelbeschluss in deutsch-deutscher und internationaler Perspektive, München 2011, S. 31 – 48.

[13] Altrichter, Helmut: Russland 1989. Der Untergang des sowjetischen Imperiums, München 2009.

[14] Rosefielde, Steven, u.A.: Russia since 1980. Wrestling with Westernization, Cambridge 2009.

[15] Harnisch, Sebastian: Deutsche Führung in der internationalen Gesellschaft: Ein rollentheoretischer Ansatz, in: Sebastian Harnisch, Joachim Schild (Hrsg.): Deutsche Außenpolitik und internationale Führung. Ressourcen, Praktiken und Politiken in einer veränderten Europäischen Union, Baden-Baden 2014, S. 17 – 55.

[16] Maull, Hanns W.: „Zivilmacht“: Ursprünge und Entwicklungspfade eines umstrittenen Konzepts, in: Sebastian Harnisch, Joachim Schild (Hrsg.): Deutsche Außenpolitik und internationale Führung. Ressourcen, Praktiken und Politiken in einer veränderten Europäischen Union, Baden-Baden 2014, S. 121 – 147.

[17] Schild, Joachim: „Ohne Frankreich ist alles nichts.“. Frankreich als Partner der Zivilmacht Bundesrepublik, in: Sebastian Harnisch, Joachim Schild (Hrsg.): Deutsche Außenpolitik und internationale Führung. Ressourcen, Praktiken und Politiken in einer veränderten Europäischen Union, Baden-Baden 2014, S. 174 – 198.

[18] Hellmann, Gunther: Europa spricht deutsch. Die wachsende Macht der Berliner Republik und ihre Tücken, in: Reinhard Meier-Walser u. A. (Hrsg.): Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Anspruch, Realität, Perspektiven, München 2012, S. 41 – 55.

[19] Bush, George H.W.: Rede vor dem Kongress am 11.09.1990, http://millercenter.org/president/speeches/speech-3425 (25.07.2015).

[20] Gärtner, Dr. Heinz: Die neue Weltordnung, in: Jörg Calließ, Bernhard Moltmann (Hrsg.): Loccumer Protokolle 9/92. Jenseits der Bipolarität: Aufbruch in eine „Neue Weltordnung“, Rehburg-Loccum 1992, S. 275 – 282.

[21] Hutchings, Robert L.: Als der Kalte Krieg zu Ende war. Ein Bericht aus dem Innern der Macht, Berlin 1999.

[22] Overhaus, Marco: Die deutsche NATO-Politik. Vom Ende des Kalten Krieges bis zum Kampf gegen den Terrorismus, Baden-Baden 2009.

[23] Becker, Peter: Die deutsche Europapolitik und die Osterweiterung der Europäischen Union, Baden-Baden 2011.

[24] Wiggershaus, Norbert: Von Potsdam zum Pleven-Plan. Deutschland in der internationalen Konfrontation 1945 – 1950, in: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945 – 1956, Band I, München 1982, S. 55.

[25] Ibidem: S. 57 – 61.

[26] Kinder, Hermann u. A.: dtv-Atlas Weltgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2000, S. 497, 1. Spalte.

[27] Maier, Klaus A.: Die internationale Auseinandersetzung um die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland und um ihre Bewaffnung im Rahmen der europäischen Verteidigungsgemeinschaft, in: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945 – 1956, Band 2, München 1990, S. 109 – 111.

[28] Herbst: S. 3.

[29] Hacke, Christian: Weltmacht wider Willen. Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt 1993, S. 79.

[30] Dietrich: S. 43 – 44.

[31] Haftendorn, Helga: Sicherheit und Entspannung. Zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1955 – 1982, Baden-Baden 1983, S. 36.

[32] Winkler: Vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung, S. 131.

[33] Kinder: S. 523, 1. Spalte.

[34] Winkler: Vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung, S. 128.

[35] Kinder: S. 331, 1. Spalte.

[36] Dietrich: S. 51 – 53.

[37] Haftendorn: Sicherheit und Entspannung, S. 62 – 63.

[38] Feld, Werner J.: West Germany and the European Community. Changing Interests and Competing Policy Objectives, New York 1981, S. 2.

[39] Dietrich: S. 41.

[40] Ibidem.

[41] Feld: S. 31 – 32.

[42] Winkler: Vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung, S. 142 – 143.

[43] Haftendorn, Helga u. A.: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1982, S. 114 – 117.

[44] Feld: S. 4 – 6.

[45] Kinder: S. 523, 1. Spalte.

[46] Ploetz: S. 32 – 33.

[47] Angster, Julia: Die Bundesrepublik 1963 – 1982, in: Kai Brodersen u.A. (Hrsg.): Geschichte Kompakt, Darmstadt 2012, S. 108 – 109.

[48] Ploetz: S. 41 – 44.

[49] Angster: S. 109 – 111.

[50] Wettig: S. 63 – 64.

[51] Rosefielde, Steven, u.A.: Russia since 1980. Wrestling with Westernization, Cambridge 2009, S. 1.

[52] Ibidem.

[53] Adomeit, Hannes u.A. (Hrsg.): Die Sowjetunion unter Gorbatschow. Stand, Probleme und Perspektiven der Perestrojka, Stuttgart Berlin Köln 1990, S. 71.

[54] Rosefielde: S. 1.

[55] Meissner, Prof. Dr. Boris: Perestroika – Ursachen, Ziele Vorgehen, Chancen, in: Prof. Dr. Willy Linder (Hrsg.): Sozialwissenschaftliche Studien des schweizerischen Instituts für Auslandsforschung, Band 19: Glasnost und Perestroika. Der Sozialismus im Wandel, Grüsch 1990, S. 18.

[56] Altrichter: S 18.

[57] Ibidem: S. 14.

[58] Adomeit: S. 9.

[59] Rosefielde: S. 49.

[60] Ibidem.

[61] Ibidem.

[62] Smith, Hedrick: Die neuen Russen, Hamburg 1991, S. 119.

[63] Ibidem.

[64] Ibidem.

[65] Ibidem: S. 121.

[66] Ibidem: S. 122.

[67] Ibidem.

[68] Winkler: Vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung, S. 489 – 491.

[69] Ibidem.

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Der Zwei-plus-Vier-Vertrag. Ende oder Wende im Kalten Krieg?
Hochschule
Universität Trier  (Fachbereich III)
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
69
Katalognummer
V306043
ISBN (eBook)
9783668041639
ISBN (Buch)
9783668041646
Dateigröße
729 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kalter Krieg, zwei plus vier Vertrag, deutsche Einheit, NATO, EU
Arbeit zitieren
Thomas Weber (Autor:in), 2015, Der Zwei-plus-Vier-Vertrag. Ende oder Wende im Kalten Krieg?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306043

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