Das zehnte Buch des "Curtius Rufus". Der Tod Alexanders des Großen.

Übersetzung und Kommentar


Hausarbeit, 2007

18 Seiten, Note: 1,3

Kerstin Köck (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung:

2 Übersetzung der angegebenen Textstelle X, V, 18:

3 Erstellung eines
3.1 philologischen Kommentars:
3.2 historischen Kommentars:

4 Interpretation des Kapitels nach drei Gesichtspunkten:

5 Schlusswort:

6 Quellen- und Literaturverzeichnis:

1 Einleitung:

Die Person Alexanders des Großen hat bereits seine Zeitgenossen fasziniert, und so zeichneten die ersten Historiker ein eher positives Bild von ihm. Möchte man jedoch einen realistischen Eindruck vom Makedonen Alexander dem Großen erhalten, so muss man sich intensiv mit denjenigen Primärquellen beschäftigen, die auch die negativen Seiten dieses Herrschers darstellen. Hierbei ist die älteste erhaltene Monographie die „Geschichte des Makedonen Alexanders des Großen“ („Historiae Alexandri Magni Macedonis“). Diese wurde vom römischen Redner und Historiker Curtius Rufus verfasst und reicht vom ersten bis zum zehnten Buch, wovon aber lediglich die Bücher drei bis zehn erhalten sind. Der Autor lebte vermutlich im1. Jahrhundert nach Christus und war kein Zeitzeuge Alexanders. Er schrieb sein Werk auf der Grundlage verschiedener Quellen, wovon Kleitarchs Werk als Urquelle gilt. Bedauerlicherweise ist die umfangreiche Literatur, die noch zu Lebzeiten Alexanders und kurz nach seinem Tode entstand, für uns nahezu vollständig verloren.[1] Des Weiteren sprechen sich Petersdorff für eine zugrunde liegende arrianische[2] Überlieferung und Rüegg für eine iustinische[3] Tertiärquelle aus.

Die vorliegende Hausarbeit soll sich nun intensiv mit der folgenden Textstelle aus dem zehnten Buch des Curtius Rufus über den Tod Alexanders auseinandersetzen. Zuerst sollen eine möglichst treffende Übersetzung erstellt, daraufhin ein philologischer, sowie historischer Kommentar und anschließend eine Interpretation der Textstelle formuliert werden.

2 Übersetzung der angegebenen Textstelle X, V, 18:

Und wahrhaftig ist es offenbar für einen gerechten Beurteiler, dass die guten Eigenschaften des Königs seine Natur gewesen waren und seine Fehler entweder dem Glück oder dem Lebensalter entstammten.

Eine unglaubliche Geisteskraft, eine fast übermäßige Ausdauer in Strapazen, eine Tapferkeit, nicht nur unter Königen, sondern auch unter jenen herausragend, welche diese einzige Tugend besaßen. Eine Freigebigkeit, die oft größeres (größere Dinge) schenkte, als von den Göttern erbeten. Eine Milde gegenüber den völlig Besiegten, denen er entweder so viele Reiche, die er ihnen im Krieg entrissen hatte, zurückgab oder schenkte. Eine stetige Verachtung des Todes, dessen Furcht den anderen den Atem raubt. Seine Begierde nach Ehre und Ruhm, wenngleich diese größer als recht war, so konnte das, wegen seinen Jugendjahren und bei der Größe seiner Unternehmungen ja kaum ausbleiben.

Ferner die Liebe gegenüber seinen Eltern, wodurch er Olympias die Unsterblichkeit eröffnen wollte und Philipp gerächt hatte, ferner seine Güte gegen fast alle Freunde, sein Wohlwollen gegenüber den Soldaten, eine Klugheit ähnlich der Größe seines Mutes und Geschicklichkeit wie sie kaum dessen Alter zugetraut werden konnte, ferner das Maßhalten in den zügellosen Begierden, die Beschränkung seines Verlangens nach Liebe auf die natürlichen Bedürfnisse und kein Vergnügen außer in den erlaubten Grenzen oder Freuden. Das waren sicherlich außerordentliche Tugenden.

Von seinem Glück dagegen kam, dass er sich den Göttern gleichstellte, sowohl göttliche Ehren für sich beanspruchte, als auch den Orakeln, die solches anrieten, glaubte und denen, die ihm die Anbetung verweigerten allzu heftig zürnte, sich in ausländischer Tracht kleidete, die Sitten der besiegten Völker nachahmte, welche er vor seinem Sieg verachtet hatte.

Denn der Jähzorn und das heftige Verlangen nach Wein waren Folgen der Jugend, die das Alter hätte mildern können.

Dennoch muss bekannt werden, so viel er seiner Tüchtigkeit verdankte, mehr verdankte er dem Glück, welches ihm allein unter den Sterblichen wirksam war. Wie oft hat es jenen vor dem Tod bewahrt! Wie oft hat es ihn, wenn er sich unbesonnen in Gefahr gebracht hatte, mit fortwährendem Segen beschützt.

Und auch seinem Leben setzte es dasselbe Ende, wie seinem Ruhm. Das Schicksal gewährte ihm die Frist, das zu erfüllen, was ein Sterblicher fähig war, den Orient zu bezwingen und bis zum Ozean vorzudringen.

3 Erstellung eines

3.1 philologischen Kommentars:

In diesem Textabschnitt zeigt Curtius Rufus nach dem Tod Alexanders eine gleichsam resümierende Charakteristik. Er zieht eine „Lebensbilanz“, die aber vielmehr seine Charakterzüge, als irgendwelche Leistungen an sich beinhaltet.

Mit der Bezeichnung „ iuste astimantibus“ zielt Curtius Rufus darauf ab, dass nur gerechte Beurteiler einer solchen Einsicht fähig sind und nur eine ausgewählte Zahl der Beobachter die Ursachen für Alexanders Charaktereigenschaften erkennen wird. Der Autor zählt sich persönlich zu dem kleinen Kreis von gerechten und zugleich objektiven Beobachtern Alexanders.

V, 18; 26 – 27: […] bona naturae […]:

Curtius Rufus stellt hier deutlich heraus, dass Alexanders gute Eigenschaften seinem Naturell zuzuschreiben sind und ihm von Grund auf gegeben waren. Er war von seinen Vorfahren mit allem Guten und Nützlichen ausgestattet worden, und sein Wesen war durch und durch gut und als solches vorherbestimmt.

[…] vitia vel fortunae vel aetatis:

Der zweite Teil des Satzes stellt das Gegenstück zum ersten Teil dar. Hier werden die negativen Eigenschaften oder sogar Fehler und Fehltritte Alexanders zwar zugegeben aber mit seinem Schicksal und seinem Lebensalter entschuldigt. Die „fortuna“ wird als eine Macht angeführt, der sich nichts und niemand entziehen kann. Eine Gewalt, die sogar über den Göttern mächtig ist. Aus diesem Grund konnte sich auch Alexander dieser übergroßen Macht und seiner Willkür nicht entziehen und musste sich ihr beugen. Das Schicksal entschied immer mit, und so kam es, dass auch Alexander Fehler machen musste. Die in der Vergangenheit gemachten Fehltritte werden von ihm wegprojiziert und auf jene Macht gelenkt, die für alles Schlechte verantwortlich ist. In Alexander selbst lässt sich also keine eigene, gar angeborene Wurzel für Fehler finden.

Die zweite Ursache für etwaiges Fehlverhalten auf Seiten von Alexander stellt seine Jugend dar. Als er das Reich übernahm war er sehr jung und hatte folglich noch keine großen Erfahrungen im Kriegswesen oder im Leiten eines ganzen Volkes.

V, 18; 27 – 33:

In diesem Textabschnitt, der sich über 18 Zeilen entlang zieht, werden insgesamt vierzehn positive Charaktereigenschaften Alexanders aufgezählt, um den Leser von deren Außerordentlichkeit und Vielschichtigkeit zu überzeugen. Für Alexanders positives Wesen können ein paar vereinzelte Sätze niemals ausreichen, um seine wahre Größe entsprechend abwechslungsreich darzustellen. Auffallend ist hier, dass die positiven Eigenschaften eher unstrukturiert und etwas durcheinander wiedergegeben werden, dies wirkt etwas verwirrend auf den Lesern, was von Curtius Rufus wahrscheinlich auch beabsichtigt war. Außerdem finden sich Parallelismen, welche durch die Konjunktion „iam“ eingeleitet sind: „iam pietas erga […] iam in omnes fere […] iam modus […]“.

V, 18; 28: […] non inter reges modo excellens, sed inter illos quoque […]

In diesem Teil des Satzes verwendet der Autor Curtius Rufus die Wendung „non… modo…, sed“, außerdem finden wir einen Parallelismus. Beide Stilmittel sollen die Bedeutung der Aussage betonen und hervorheben. Die Wichtigkeit des Gesagten tritt somit mehr in den Vordergrund.

V, 18; 28: […] „virtus“ […]:

Das Wort „virtus“ (Tugend) bezieht sich in diesem Satz auf die zuvor von Curtius Rufus erwähnte Tapferkeit („fortitudo“). Die Tapferkeit Alexanders wird hier mit einer Tugend gleichgesetzt, das heißt mit einem naturgemäßen, wie vernunftgeleiteten Handeln. Mit dieser Wortwahl unterstreicht der Autor noch einmal die von Natur aus positiven Charaktereigenschaften Alexanders, welche seinem Selbst entspringen.

V, 18; 28 – 29 […] maiora tribuentis, quam a dis petuntur […]:

In diesem Satz verwendet Curtius Rufus einen Komparativ um die Größe von Alexanders Geschenken an Untertanen und verschiedenen Völkern zu betonen. Gleichzeitig bietet dieser Satz einen Vergleich durch: „quam a dis petuntur“, wodurch die Gaben des Makedonen als besonders groß hervorgehoben werden. Diese waren nämlich größere als von Göttern erbeten, was bedeutet, dass sich Alexander immer wieder mit den Göttern gemessen hat und sie als Vorbild für sich empfand. Er stellte sich mit seinen Gaben sogar über die der Götter und konnte somit die Bitten der Bevölkerung in einem noch größeren Maß erfüllen, als die Götter selbst dies vermocht hätten.

Durch das Adjektiv „perpetua“ (V, 18; 29 – 30) in Zusammenhang mit „mortis“ und „contemptio“ wird die beständige und vor allem lebenslange Todesverachtung betont. Dies soll unterstreichen, dass Alexander bis an sein Lebensende einen Mut hatte, der weit über den der Sterblichen hinausging, und er im Tod nichts Erschreckendes oder gar Beängstigendes sah. Des Weiteren soll hier auf die Tatsache hingewiesen werden, dass Alexander glaubte, wegen göttlicher Abstammung werde sein Leben vor dem Tode bewahrt[4].

Des Weiteren verwendet Curtius Rufus in Zeile 30 das Substantiv „pietas“, was übersetzt Liebe und auch Frömmigkeit heißen kann. Einerseits die Frömmigkeit gegenüber den leiblichen Eltern und auch das Pflichtgefühl gegenüber den Göttern. Mit „pietas“ kann sowohl auf die weltliche, als auch auf die göttliche Abstammung Alexanders angespielt werden.

Die Ausdrucksweise in […] omnes fere amicos […] (V, 18; 31) ist auffallend positiv. Hier muss jedoch eingeschoben werden, dass der Makedone durchaus eine große Zahl von Opfern zu verschulden hatte, und dieser Ausdruck etwas zu beschönigend ist.

V, 18; 32 – 33 […] ingentes profecto dotes erant.

Dieser eingeschobene Satz zeigt eine moralische Beurteilung des bereits Gesagten. Curtius Rufus äußert sich persönlich und sehr subjektiv zu den Charaktereigenschaften des Alexanders.

Der folgende Satz „ille fortunae“, stellt dabei den Gegensatz zum vorher Gesagten dar, einen Einschub, der nun die andere Seite der Medaille beleuchten soll. Der Autor beginnt nun, die Geschehnisse aufzuzählen, die einer übermenschlichen und übernatürlichen Kraft zu verdanken sind, durch die Alexander so viel Gelingen hatte.

Hier ist auch auffallend, dass der Autor mehrere Sätze bildet, und die negativen Eigenschaften Alexanders viel strukturierter wiedergegeben werden. Diese Charakterzüge werden durch eine polysyndetische Reihung miteinander verbunden (dis aequare se et … accersere et … credere et dedignantibus … irasci“).

Im Abschnitt 35 – 36 verwendet Curtius Rufus das Stilmittel des Vergleichs und einen Komparativ: „plus debuisse fortunae, quam solus omnium mortalium in potestate habuit“. Dies soll betonen, dass überwiegend das Schicksal für die zahlreichen Erfolge und Eroberungen Alexanders verantwortlich war, und er ohne die Gunst der Götter keine derartigen Triumphe hätte feiern können. Hier hat das Glück „plus debuisse fortunae“ einen größeren Anteil an den Leistungen des Makedonen als die Natur.

Des Weiteren wird Alexander durch den Vergleich mit den Sterblichen aus dieser Menge als besonders begünstigter Mensch hervorgehoben, sozusagen als „Kind des Glücks“ („quam … in potestate habuit“).

V, 18: Quotiens illum a morte revocavit! Quotiens temere in pericula vectum perpetua felicitate protexit!

Hier verwendet der Autor Ausrufesätze, die den Leser direkt ansprechen und zum Denken anregen sollen. Durch die Umwandlung in einen Aussagesatz gibt Curtius Rufus gleichsam selbst die Antwort auf die Fragen, so könnte man übersetzen: So oft hat sie jenen vor dem Tod bewahrt. So oft hat sie ihn, wenn er sich unbesonnen in Gefahr brachte, vor dem Tode bewahrt.

Hier findet sich auch ein Paradox, denn auch im Angesicht des Todes war der König vom Glück begünstigt, denn es wartete so lange, bis sein Ruhm erreicht war, bevor es ihn aus dem Leben riss: „quidquid mortalitas capiebat“.

[...]


[1] Vgl.: Gehrke, H.-J.: Alexander der Große. München 42005. Seite 12.

[2] Vgl.: Egge, R.: Untersuchungen zur Primärtradition bei Q. Curtius Rufus. Die alexanderfeindliche Überlieferung. Freiburg 1978. Seite 33.

[3] Vgl.: Egge, R.: Untersuchungen zur Primärtradition bei Q. Curtius Rufus. Die alexanderfeindliche Überlieferung. Freiburg 1978. Seite 33.

[4] Vgl.: Hammond N.: Alexander der Große. Feldherr und Staatsmann. Biographie. Berlin 22004.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das zehnte Buch des "Curtius Rufus". Der Tod Alexanders des Großen.
Untertitel
Übersetzung und Kommentar
Hochschule
Universität Stuttgart  (Historisches Institut Abteilung Alte Geschichte)
Veranstaltung
Lektürekurs: Curtius Rufus: Alexander der Große
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V305905
ISBN (eBook)
9783668041417
ISBN (Buch)
9783668041424
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Alexander der Große, Makedonien, Curtius Rufus, Latein, Übersetzung
Arbeit zitieren
Kerstin Köck (Autor:in), 2007, Das zehnte Buch des "Curtius Rufus". Der Tod Alexanders des Großen., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305905

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