Historische Wortbildung. Die produktiven Lehnpräfixe "super-" und "top-" im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Lehnwortbildung
2.1 Autonomie
2.2 Isonomie
2.3. Hybridisierung

3. super- als lexikalische Einheit
3.1. Affix oder Affixoid
3.2. Diachrone Merkmale eines Affix nach FLEISCHER (1995:69f)
3.3. Analyse am Beispiel super-
3.4. Beispiele von super-
3.5. Strukturtypen und semantischen Leistungen von super- nach SCHMIDT (1990:206ff)

4. top- als lexikalische Einheit
4.1. Top- als Konkurrenz zu super-
4.2. Strukturtypen und semantische Leistung von top- nach SCHMIDT (1990:209f)

5. Vergleich der Kombinationen super- 2.1 und top- 2
5.1. Semantische Unterschiede

6. Fazit

Bibliographie

1. Einleitung

Das Deutsche hat in seiner Sprachgeschichte mehr oder minder freudig entlehnt. An unserer Sprache lassen sich noch heute die großen Entlehnungswellen beobachten. Jeder Kontakt mit einer anderen Kultur hat sich als sprachlich bereichernd erwiesen und mehr oder weniger deutlich erkennbare Spuren hinterlassen.

Zu Beginn meiner Ausarbeitung möchte ich kurz auf die Lehnwortbildung und die beiden Wortbildungssysteme im Deutschen eingehen. Hierbei wird auch die Hybridisierung angesprochen, die, durch Isonomie ermöglicht, Mischbildungen beider Wortbildungsbereiche zulässt.

Kernbereich der Hausarbeit wird der Vergleich von zwei heute sehr produktiven, und meist ersatzweise verwendeten Lehnpräfixen sein. Die Frage, ob es sich bei super- und top- schon um Affixe oder noch Affixoide handelt, werde ich am Beispiel von super- versuchen zu beantworten.

Anhand der Ursprungsanalyse bzw. der unterschiedlichen Etymologie von super- und top- werde ich herausarbeiten, worin der Unterschied der beiden Lehnpräfixe besteht.

Ich darf vorwegnehmen, dass das Hauptaugenmerk im semantischen Bereich liegt. Dies wird anhand von Beispielen verdeutlicht.

2. Lehnwortbildung

Das Deutsche als germanische Sprache verfügt einerseits über eine Wortbildung mit Grundmorphemen und Wortbildungsmorphemen, die aus dem germanischen Sprachmaterial ererbt und weiterentwickelt wurden, also über eine heimische, indigene oder Erbwortbildung. Daneben steht eine weitere Wortbildung, die sie mit anderen germanischen und romanischen Sprachen gemeinsam hat, eine Wortbildung mit Grundmorphemen und Wortbildungsmorphemen, die aus dem Lateinischen (und Griechischen) stammen und in die germanischen Sprachen entlehnt worden sind, also eine der Herkunft nach fremde, exogene oder Lehn-Wortbildung. Im Hinblick auf die über romanische und germanische Sprachen hinausgehende europäische Verbreitung dieser Wörter, Morpheme und Bildungsmuster kann auch von einer europäischen Wortbildung gesprochen werden (BERGMANN 1998:239ff). Es besteht, wie bereits BERGMANN (1998:239) formuliert, eine Art Parallelität der beiden Wortbildungssysteme (Bsp. Exportieren – ausführen, Export – Ausfuhr).

Der Fremdwortschatz ist im Deutschen ein dynamischer Bereich, in dem Wortbildungsphänomene zu beobachten sind (Lehnwortbildung). Es werden auch bestimmte Integrationsmuster entwickelt, die für die Integration neuer Entlehnungen benutzt werden (Bsp. –ieren-Verben für englische ize-Verben: realize – realisieren, optimize – optimieren). Dadurch wird die Zahl von Fremdwörtern in Eigenproduktion vermehrt. Der Umfang nicht-indigener Wortfamilien wird vergrößert, und charakteristische Fremdmerkmale der Fremdwörter erhalten eine zusätzliche Stützung (MUNSKE 1988:50).

MUNSKE (1988:50) betont in diesem Zusammenhang, dass Fremdwortschatz und indigener Wortschatz aufgrund je spezifischer Reproduktionsmöglichkeiten und je spezifischer ausdruckseitiger Teilstrukturen (Autonomie) partiell eigene Ausdruckssysteme des deutschen Gesamtsystems bilden. Er spricht von der „zweifachen Struktur des Deutschen“ (Mischsprache).

2.1 Autonomie

Beide Systeme sind phonetisch/phonologisch (Bsp. Restaurant in A.P.I.-Umschrift: [€εstԀã]), prosodisch (Akzent), graphematisch (Graphien wie <ph>, <th>, <y>) und morphologisch autonom. Die morphologische Autonomie zeigt sich u.a. in spezifischen Morpheminventaren (–ieren -Verben für englische ize- Verben: realize – realisieren, optimize – optimieren) (vgl. BERGMANN 1998:175).

2.2 Isonomie

Im Hinblick auf die beiden Wortbildungssysteme des Deutschen bemerkt BERGMANN (1998:177), dass auch das europäische System die Lehn-Wortbildung zentripetal organisiert, dass also auch hier das determinierende Element dem determinierten vorausgeht. Unter diesem Aspekt zeigen die beiden Systeme im Deutschen Isonomie.

2.3. Hybridisierung

Mischbildungen aus Morphemen beider Wortbildungsbereiche werden durch deren Isonomie überhaupt erst ermöglicht, wohingegen deren Autonomie sie verhindern müsste. Die Isonomie der beiden Wortbildungssysteme erlaubt die Verwendung heimischer Suffixe oder Präfixe bei entlehnten Grundmorphemen, die einen außerordentlich großen Umfang besitzt (BERGMANN 1998:178). Dagegen sind andere Kombinationen nur eingeschränkt denkbar. In der Regel treten entlehnte Suffixe nur an entlehnte Basen. Ironische Bildungen wie Benehmität, Schwulität machen das deutlich. Andererseits gibt es schon frühe Bsp. einer Überwindung solcher Restriktionen wie Flötist, Hornist oder neuerdings Lagerist. Außer der Dokumentation der einzelnen Präfigierungen und Suffigierungen besteht noch keine Gesamtübersicht über dieses Phänomen, insbesondere nicht über Art und Umfang von Auflösungstendenzen. Vorläufig lässt sich feststellen, dass die drei Typen der Wortbildung – Komposition, Präfigierung und Suffigierung (Derivation) – sich hier sehr unterschiedlich verhalten (MUNSKE 1988:66). Die Lehnpräfixe super- und top- treten vor entlehnte wie vor heimische Basen: Bsp. Supercup, Supergau, superdünn, Top-Manager, Top-Spiel, Top-Leistung. Hier werden die zusätzlichen Möglichkeiten der Modifikation durch Lehnpräfixe ausgiebig genutzt. Dies führt teilweise zu semantischen Differenzierungen.

3. super-als lexikalische Einheit

Bei der Beschreibung der etymologischen Herkunft von super- fällt auf, dass es unterschiedliche Auffassungen bei der Zuordnung der lexikalischen Einheit super- gibt. Einige Autoren zählen super- zu der Kategorie der Affixe:

super- (Lehnaffix) bedeutet "übergeordnet", z.B. Superordination; "sehr groß", z.B. Superlativ; und "großartig, fantastisch", z.B. superklug, häufig ironisch verwendet. Das Affix wurde in lateinischen Entlehnungen ins Deutsche übernommen; sein Ursprung ist das lateinische Adverb super "oben, darüber, von oben herab, über sich, über ... hinaus, jenseits". Auch umgangssprachlich produktiv. (KLUGE 2002)

Super…: Aus dem Lat. stammendes Präfix mit der Bed. „ über, über – hinaus “. Lat. Super „ oben, auf, darüber; über – hinaus “, das mit lat. sub „ unter, unterhalb “ verwandt ist (vgl. sub…). (DUDEN 1997)

Die heutige starke Produktivität der lexikalischen Einheit super- geht jedoch auf das Englisch-Amerikanische zurück. Super- wurde nach dem 2. Weltkrieg nochmals entlehnt (sekundäre Entlehnung).

Andere wiederum sehen super- noch auf dem Weg zum Affix und sprechen noch von einem Affixoid oder „Halbaffix“. Deshalb ist es wichtig, diesen Punkt etwas näher zu beleuchten.

3.1. Affix oder Affixoid

FLEISCHER (1995) betrachtet das vorliegende Problem in erster Linie unter dem diachronen Gesichtspunkt der Entwicklung einzelner Konstituenten von einer Kategorie zur anderen:

Der Übergang vom Kompositionsglied zum Suffix vollzieht sich allmählich. Die betreffenden Elemente haben zunächst nur mehr oder weniger partiell die Eigenschaften eines Ableitungssuffixes, bis sie schließlich ganz zum Suffix geworden sind. Man ist an der Lösung dieses Problems bisher vielfach recht mechanisch herangegangen. Weil in Konstruktionen wie Pflanzenwerk und Schreibzeug eine zweite unmittelbare Konstituente vorkommt, die eine formale Entsprechung in dem freien Substantiv Werk bzw. Zeug hat, will man die betreffenden Konstruktionen noch „als Zusammenfassungen auffassen“, obwohl sie sich „ihrer Art nach den Ableitungen“ nähern […] (FLEISCHER 1995:67f.)

Etwas weiter weist Fleischer darauf hin, dass die Existenz eines lautgleichen freien Wortes nicht in jedem Fall dazu berechtigt, ein Morphem synchron zu den Kompositionsgliedern zu rechnen, und gibt Merkmale an, mit denen ein Morphem bereits Suffixcharakter hat.

3.2. Diachrone Merkmale eines Affix nach FLEISCHER (1995:69f)

1) Die zweite unmittelbare Konstituente muss im starken Maße reihenbildend geworden sein. Ein Fall wie /statt/ in Heimstatt, Werkstatt, Wohnstatt ist deshalb nicht ohne weiteres hierher zustellen.
2) Die Bedeutung der zweiten Konstituente ist gegenüber der Bedeutung des freien Morphems stärker verallgemeinert, weitgehend entkonkretisiert.
3) Im Bedeutungsverhältnis der beiden Konstituenten ist eine Verschiebung eingetreten. In der Konstruktion Hydrierwerk z.B., die als Determativkompositium zu betrachten ist, trägt –werk als „Grundwort“ den semantischen Kern „Fabrik“. Hydrier- ist die zusätzliche Bestimmung, ein Hydrierwerk ist ein „Werk“. Die erste Konstituente ist „weglassbar“, und die zweite Konstituente „kann auf alle Sachverhalte angewendet werden, für die die ganze Verwendung gilt“. In den Konstituenten Laubwerk, Pflanzenwerk jedoch trägt die erste Konstituente den semantischen Kern; Laubwerk ist kein „Werk“, sondern „Laub“ Dass mit Hilfe der hier erörterten Elemente nicht Wörter anderer Wortart gebildet werden könnten, trifft nicht zu, man vgl. die Deverbativa Näh-, Schreib- und Strickzeug. […]
4) Ob dem Ableitungsmorphem ein formales Äquivalent im freien Gebrauch und mit anderer Bedeutung gegenübersteht, ist von untergeordneter Bedeutung. Wie bei Homonymen allgemein, so besteht aber auch hier eine Tendenz zur Beseitigung der Homonymie, indem der freie Gebrauch eingeschränkt wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Historische Wortbildung. Die produktiven Lehnpräfixe "super-" und "top-" im Vergleich
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Thematisches Proseminar: Historische Wortbildung
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V305745
ISBN (eBook)
9783668036956
ISBN (Buch)
9783668036963
Dateigröße
521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
historische, wortbildung, lehnpräfixe, vergleich
Arbeit zitieren
Jens Allendorff (Autor:in), 2004, Historische Wortbildung. Die produktiven Lehnpräfixe "super-" und "top-" im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305745

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