Mythologische Strukturen des Sportfernsehens


Hausarbeit, 2004

28 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Mythos nach Roland Barthes
2.1 Eine erste Definition
2.2 Der Mythos ist eine Aussage

3. Die Großerzähler Mythos und Fernsehen
3.1 Kollektive Bedeutung von Mythos und Fernsehen
3.1.1 Der Mythos in der griechischen Antike
3.1.2 Mythos und Fernsehen als Weltvermittler
3.1.3 Vermittlung von Werten und Verhaltensanweisungen
3.2 Die Medien und ihr mythisches Potential
3.3 Sport im Fernsehen – Fernsehsport
3.3.1 Kult, Information und Unterhaltung
3.3.2 Inszenierung und Dramatisierung
3.3.3 Ritual und Mythos im Sportfernsehen

4. Zur mythologischen Struktur des Sportfernsehens
4.1 Das Narrationssystem Mythos
4.1.1 Die Vermittlungsstrukturen des Mythos
4.1.2 Symbole und ihre Verweisfunktionen
4.2 Analogien zwischen Mythos und Fernsehen auf formaler Ebene
4.2.1 Die additive Struktur der Narrationen
4.2.2 Die doppelte Vermittlungsstruktur
4.2.3 Zur mythischen Zeitstruktur
4.2.4 Das Programm als Narrationsstruktur des Fernsehens
4.2.5 Programmformen
4.3 Narrative Grundelemente des Sportfernsehens
4.3.1 Formen des Zeigens
4.3.1.1 Die Live- Übertragung
4.3.1.2 Die Live- Reportage
4.3.2 Formen des Berichtens
4.3.2.1 Sportnachrichten
4.3.2.2 Das Sportmagazin
4.3.3 Formen des Spiels
4.4 Die Personengebundenheit im Sportfernsehen
4.4.1 Götter des Sports
4.4.2 Zur Heldenstruktur sportiver Informationssendungen

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Bereits zu Zeiten der griechischen Antike erklärte man die Welt anhand einer Vielzahl symbolischer Erzählungen – den Mythen. Diese weit verbreiteten Mythologien boten den Menschen auch, anders als die Religion, irdische Erklärungen für „die Welt“ an.

„Mythen sind […] Deutungen und Darstellungen lebensweltlicher, natürlicher und kosmischer Zusammenhänge […]. Sie geben Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Es sind aber in der Regel Antworten, die den Menschen nicht in seiner Vereinzelung, sondern als Gemeinschaftswesen ansprechen. Mythen haben eine praktische Funktion: Sie wirken mit an der Herausbildung und Festigung eines gesellschaftlichen Ethos.“[1]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat nun das Massenmedium Fernsehen jenen Platz eingenommen, den in der Antike der Mythos innehatte. Dieser beinhaltet unter anderem eine zentrale Rolle als Vermittler kultureller, aber auch gesellschaftlicher Werte. Das Fernsehen, mit seiner stets präsenten Angebotsstruktur, erzählt wie der Mythos rund um die Uhr endlose Variationen von Geschichten. Fügt man diese einzelnen Erzählungen zusammen, so ist es möglich, die Welt in ihrer gesamten Komplexität wahrzunehmen und zu verstehen.

In dieser Arbeit soll am Beispiel des Sportfernsehens und den Mythologien der griechischen Antike gezeigt werden, dass Mythos und Fernsehen aber nicht nur inhaltliche Analogien aufweisen. Es soll herausgestellt werden, dass unsere eigentlich nicht mythologische Gesellschaft noch wesentlich mehr von den Eigenschaften und der Erzählstruktur des antiken Mythos übernommen hat.

Zunächst wird versucht, dem Mythos aus Sicht des französischen Strukturalisten Roland Barthes auf die Spur zu kommen. Er erklärt mit Hilfe der Semiotik, was Mythos ist und wie sich jener definiert. Danach werden Mythos und Fernsehen in ihrer kollektiven Bedeutung analysiert, um später das mythische Potential des Mediums Sportfernsehen herauszustellen.

Im nächsten Kapitel folgt dann eine Betrachtung des Sportfernsehens als Narrationssystem, welches im Vergleich mit dem Erzählsystem Mythos dargestellt wird. Der letzte Abschnitt widmet seine Aufmerksamkeit schließlich den eigentlichen Helden von Mythos und Fernsehen, in dem die Personengebundenheit der einzelnen Narrationen näher analysiert wird.

2. Der Mythos nach Roland Barthes

In unserem heutigen Sprachgebrauch wird der Begriff des Mythos als Selbstverständlichkeit gehandelt. Er ist geprägt von einem universalen Charakter, der es ihm ermöglicht, in mitunter allen Wissensgebieten präsent zu sein; ganz gleich ob in der Religion, der Literaturgeschichte, in Politik und Sport, oder als Floskel in der umgangssprachlichen Kommunikation.

Mit dem Begriff des Mythos werden dabei eine Vielzahl von Phänomenen erfasst, die ein Kollektiv – eine Gemeinschaft – als Adressaten besitzen: „ […] standardisiertes Sozialverhalten, Kollektivsymbole, Ideologien, Weltansichten, Göttergeschichten, Volksmärchen, religiöse Zeugnisse, Heldensagen, […], usw.“[2]

Anhand der Analyse vielfältiger Mythen aus dem französischen Kleinbürgertum und der Bourgeoisie hat Roland Barthes, bedeutende Gestalt des Strukturalismus im 19. Jahrhundert, die Bedeutung des Mythosbegriffes in seinem semiologischen Kontext entlarvt.

Was ist ein Mythos heute, worüber definiert sich jener und was kann Mythos sein oder werden?

2.1 Eine erste Definition

Nach Roland Barthes ist der Mythos kein Objekt und auch kein Begriff. Er ist vielmehr eine Art Mitteilungssystem oder eine Botschaft. Und wenn man alles um ihn herum auf ein mögliches Minimum reduziert, ist der Mythos schlicht eine Aussage, die eine Botschaft innehat. Diesem Wesen nach kann also alles Mythos sein, „ […] wovon ein Diskurs Rechenschaft ablegen kann.“[3]

Es gibt keinerlei inhaltliche Grenzen – alles kann Mythos sein oder auch werden, wenn dieses in einer Gemeinschaft Aufmerksamkeit und Bedeutung erhält. Alles Unbekannte, Bedeutungslose, kann von einer stummen Existenz zu einem „Ding“ werden, von dem gesprochen wird. Sportler werden, wenn sie Erfolg verkörpern und in der Öffentlichkeit stehen, vergöttert. Moderatoren und Kommentatoren erhalten im Zuge eines Sportereignisses Kultstatus und der Mythos der „Tour de France“ macht aus seiner Sportart etwas derart Bedeutungsvolles, dass fast jeder an der übermenschlichen Leistung der Radfahrer teilhaben möchte. Der antike Held wird geprüft, opfert sich - in Radsportkleidung – und der Zuschauer vor dem Fernseher rezipiert.

2.2 Der Mythos ist eine Aussage

Ausgehend von einem semiologischen Ansatz und der Analyse sprachlicher Symbolsysteme bezeichnet Roland Barthes den Mythos als eine Aussage.

Er verweist diesbezüglich auf die Bedeutung „nichtsprachlicher“ Zeichensysteme, deren Verständnis auf bestimmten Wahrnehmungskonventionen beruht. Der Mythos werde „nicht durch das Objekt seiner Botschaft bestimmt, sondern durch die Art und Weise, wie er diese ausspricht.“[4]

Jeder Mythos enthält nach Barthes also eine bestimmte Aussage, die das Zentrum bildet und so seine Botschaft vermittelt. Dem Inhalt sind, wie im vorherigen Kapitel erläutert, ebenso wie der äußeren Darstellungsform keine Grenzen gesetzt. Egal ob ein geschriebener Diskurs, eine Photographie, der Sport, ein Schauspiel oder eine Reklame- diese Formen können alle Träger mythischer Aussagen sein. Es gelte dann, so Barthes, den Informationsgehalt der jeweiligen Aussage unter Berücksichtigung von Text-, Bild- und Symbolebene zu decodieren.[5]

Ein Bild kann demnach, wenn es etwas bedeutet, gleichermaßen eine Aussage sein wie ein Buch. Aber auch die Dinge selbst können zu einer Aussage werden, sofern sie etwas bedeuten. Zum Beispiel Zeichnungen wie Bilderschriften, Mahnmale oder als aussagekräftigeres Beispiel die Bibel - ein Objekt, dessen Wesen für das Christentum den Mittelpunkt des Glaubens darstellt.

Ihren Stellenwert als Mythos erhalten diese „Aussagen“ aber dennoch erst im Zuge eines öffentlichen Diskurses, d. h. einem Kollektiv als Adressaten; einer Gemeinschaft, die über sie spricht.

3. Die Großerzähler Mythos und Fernsehen

Das Medium Fernsehen hat in unserem Jahrhundert einen Stellenwert oder vielmehr Platz eingenommen, welcher in unserer heutigen Gesellschaft als unabkömmlich eingestuft werden kann.

Es ist, wie in der griechischen Antike der Mythos, das „Fenster zur Welt“ und eröffnet seinen Rezipienten zahlreiche verschiedene Möglichkeiten, Einblicke in das globale Geschehen nehmen zu können.

Der Mythos damals und das Fernsehen heute verbergen darüber hinaus zahlreiche andere Funktionen für Individuum und Gesellschaft, welche in den folgenden Kapiteln aufgezeigt werden.

3.1 Kollektive Bedeutung von Mythos und Fernsehen

Das Fernsehen als Massenmedium hat sich im Laufe des historischen Prozesses als „Weiter- oder Fortentwicklung“ des Mythos etabliert.

Seine Geschichten und Erzählungen sollen, „ […] ähnlich den antiken Mythen, bei den Zuschauern „Zeit und Furcht“ vertreiben […].“[6] Aber mehr noch: Fernsehen fungiert, wie der antike Mythos damals, auch als soziales Gedächtnis der Gesellschaft.

Es vermittelt Wertvorstellungen und Verhaltensanweisungen, bindet den Einzelnen an das gesellschaftliche Kollektiv, gilt als Sinnstifter und liefert darüber hinaus ebenso Erklärungen für die Phänomene der Welt.

3.1.1 Der Mythos in der griechischen Antike

Bereits die klassischen Mythen der griechischen Antike hatten ihre Funktion unter anderem in der Bildung von Normen und Werten inne. Einige „Bespiel – Mythen“ verdeutlichen, dass sie aber auch Wissenspeicher ihrer Gesellschaft waren und darüber hinaus verschiedenste Verhaltensmodelle bereitstellten.

Letzteres beispielsweise könnte das „Konfliktlösungsmodell“ des Prometheus widerspiegeln. Er brachte den Menschen mit List das Feuer, welches von den Göttern nicht mehr zurückgeholt werden konnte. Glaubt man also der Überlieferung, kann man mit der List und Tücke eines Prometheus die eigenen Interessen in einer Konfliktsituation durchsetzten und damit eine gewisse Autonomie erreichen.

Seine Hauptaufgabe fand der Mythos, neben der Bereitstellung von jenen Konfliktlösungsmodellen, aber hauptsächlich auch in seiner Funktion als Wissensspeicher der Gesellschaft und der Erklärer der Welt.

3.1.2 Mythos und Fernsehen als Weltvermittler

Aufgrund seines großflächigen Angebotes, welches rund um die Uhr für den Rezipienten abrufbar und präsent ist, bietet das Fernsehen nahezu alle Möglichkeiten, um in erster Linie Einblicke in das Weltgeschehen zu geben. Ob Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Umwelt oder Sport, national oder international – nahezu kein Ereignis oder Thema bleibt in der Fernsehberichterstattung undiskutiert und damit für jeden Zuschauer erfassbar. Vergleicht man diesen Aspekt mit dem Inhalt und der Funktion klassischer Mythen, so geht es hier im eigentlichen Sinne um die Vermittlung und Erklärung von Welt- und Naturphänomenen.

„Mythos und Fernsehen machen durch unterschiedliche Erzählungen Wirklichkeit für ein Kollektiv verstehbar […].“[7]

Sie bieten symbolhafte Geschichten an, die die Welt erklären beziehungsweise „irdische“ Erklärungen für Geschehnisse in der Welt geben. Durch Aufgliederungen innerhalb des Programms wird es im Fernsehen möglich, das tägliche Weltgeschehen „geordnet“ zu rezipieren, da es in seiner Komplexität durch den Einsatz einzelner Erzählungen zuvor reduziert wurde. Die Phänomene der Welt und das gesamte Weltgeschehen werden in einzelnen, verschiedenartigen Erzählungen erklärt. Thematisiert werden dabei neben diesen öffentlichen Themen, wie Autoritätsstrukturen oder Weltereignisse, aber ebenso menschliche „Grunderfahrungen“ wie Liebe, Trauer, Krankheit oder Tod.[8]

3.1.3 Vermittlung von Werten und Verhaltensanweisungen

Mythos und Fernsehen agieren durch die Addition ihrer einzelnen Erzählungen als Großerzähler. Allein aber durch Geschichten über die Götter, Volksmärchen, religiösen Zeugnissen und Heldensagen, oder durch die Vermittlung von Ideologien und Weltansichten haben Mythos und Fernsehen ihre entscheidende Rolle in der Gesellschaft. Diese liegt dennoch nicht nur, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, in der Welterklärung. Ebenso vermitteln Mythos und Fernsehen Werte und Normen, und sind damit an der Bildung eines gesellschaftlichen Ethos beteiligt. Was gut und richtig ist, wird belohnt und was falsch und böse ist, von den Göttern in der Antike beziehungsweise der Gesellschaft in der heutigen Zeit „bestraft“. Die Inhalte der Erzählungen können aber beispielsweise auch bildend wirken, indem der Wissensstand der Gesellschaft archiviert sowie ständig aktualisiert wird und zu jeder Zeit „abrufbar“ ist. In der Antike lag diese Verantwortung in der Hand von Mythenerzählern; heute wird dies durch das Medium Fernsehen ausgeübt.

Die Erzählungen können aber auch meinungsbildend wirken. Das Fernsehen zum Beispiel vermittelt nach unserem Ermessen Wahrheiten und Meinungen, die wir als Zuschauer rezipieren, soweit keine anderen Quelle hinzugezogen werden, auch als maßgebend ansehen – die wir glauben.

[...]


[1] Safranski, Rüdiger (1993): Kunst und Mythos: Richard Wagner und Friedrich Nietzsche, in: Funkkolleg Moderne Literatur, Studieneinheit 3, Tübingen, 1993, S. 4.

[2] Frank, Manfred (1982): Der kommende Gott: Vorlesungen über die Neue Mythologie, Frankfurt am Main, 1982, S.76.

[3] Barthes, Roland (1964): Mythen des Alltags, 1. Auflage, Frankfurt am Main (Suhrkamp), 1964, S. 85.

[4] Barthes, Roland (1964), S. 85.

[5] Vgl. Bleicher, J. K. (1999), S. 51.

[6] Bleicher, J. K. (1999), S. 36.

[7] Bleicher, J. K. (1999), S. 21.

[8] Vgl. Bleicher, J. K. (1999), S. 21.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Mythologische Strukturen des Sportfernsehens
Hochschule
Bauhaus-Universität Weimar
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
28
Katalognummer
V30571
ISBN (eBook)
9783638318068
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mythologische, Strukturen, Sportfernsehens
Arbeit zitieren
Katja Funk (Autor:in), 2004, Mythologische Strukturen des Sportfernsehens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30571

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