Wandlungen im Werk Wolf Biermanns seit 1980


Magisterarbeit, 2004

183 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Grundlagen zu Werk und Person
2.1 Politische und private Einflüsse: Wichtige biographische Daten
2.2 Sozialismus und Demokratie: Biermanns politische Vorstellungen in der DDR
2.3 Schattenbilder in der Höhle des Gemüts: Das Private und das Politische in Biermanns Lyrik
2.4 Zwischen DDR und BRD: Erste Orientierungsversuche nach der Ausbürgerung

3. Die Ankunft in der westlichen Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus
3.1 Das neue Politikverständnis
3.2 Die Auseinandersetzung mit der kommunistischen Ideologie
3.3 Das Verhältnis von Liebe und Politik nach dem Verlust der Utopie
3.4 Zwischenbilanz nach zehn Jahren in der Bundesrepublik

4. Die Wiedervereinigung Deutschlands und das Ende des Ost-West-Konflikts
4.1 Die direkte Einmischung in politische Diskurse: Wolf Biermann als Essayist
4.2 Neue Hoffnung auf einen demokratischen Sozialismus: Die Politik Michael Gorbatschows
4.3 Das Ende der DDR und die Wiedervereinigung
4.4 Die Politische Neuorientierung nach dem Ende der DDR

5. Wolf Biermann als Dichter und Publizist in der Berliner Republik
5.1 Der neue thematische Schwerpunkt: Die jüdische Kultur und der Holocaust
5.2 Gegenwart und Geschichtsbild: Die späten Lieder und Gedichte zum Thema Berlin

6. Vom Klassenkampf zum Kampf der Kulturen: Biermanns politische Entwicklung bis zur Gegenwart

7. Literatur

1. Einleitung

„Ich glaube, dass ein Leben im Westen für mich das Ende meiner schriftstellerischen Arbeit bedeuten würde. Der erste Grund: Ich bin schon zu lange in diesem Land – seit 1953. Meine Kenntnisse – von der Sprache bis hin zur gesellschaftlichen Struktur – sind spezialisiert auf die DDR. Die westdeutsche Sprache kann ich nur nachäffen wie ich den Blues der Amerikaner nachäffe.“[1] Diese Worte, die Wolf Biermann kurz vor seiner Ausbürgerung aus der DDR im Jahr 1976 in einem Interview mit Günter Wallraff äußerte, wirken wie eine treffende Zusammenfassung der Rezeption und der öffentlichen Wahrnehmung des Dichters und Liedermachers. Seine Popularität, die er schon seit den 60er Jahren und spätestens seit seinem Verbot durch das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED im Jahre 1965 genießt, ist untrennbar mit seiner Rolle als oppositioneller Dichter in der DDR verbunden. Seine Wallraff gegenüber geäußerte Befürchtung, im Westen Deutschlands nicht mehr schreiben zu können, macht auch Biermanns thematische Fixierung auf die Auseinandersetzung mit dem DDR-Sozialismus deutlich. Bis zu seiner Ausbürgerung hatten seine Lieder und Gedichte fast ausschließlich seine eigene Situation als verbotener Dichter, die politische Auseinandersetzung mit der SED und seine Vorstellungen von einem fortschrittlichen und demokratischen Sozialismus zum Thema. Seine Kritik am stalinistisch geprägten realexistierenden Sozialismus in der DDR bewirkte, dass Biermanns Werk bis zu seiner Ausbürgerung in der Bundesrepublik weitgehend positiv aufgenommen wurde. Dabei wurden nicht nur seine poetischen Qualitäten von der Kritik gewürdigt, auch seine politischen Überzeugungen wurden in erster Linie als Opposition gegen das DDR-Regime bewertet. Dass Wolf Biermann jedoch trotz aller Kritik überzeugter Kommunist war, dass er ungeachtet aller Probleme die DDR für den besseren Teil Deutschlands hielt und, wie das Walraff-Interview zeigt, die Absicht hatte, in der DDR zu bleiben und sich dort weiterhin zu engagieren, wurde vergleichsweise selten berücksichtigt. Seine kommunistischen und antikapitalistischen Überzeugungen wurden, beispielsweise im Vergleich zu linken Autoren in der BRD, weniger in den Mittelpunkt der Kritik gerückt, da er sich in erster Linie gegen das Regime in der DDR und weniger gegen die Verhältnisse in der BRD wandte. Auf diese Weise entstand in der Bundesrepublik das Bild des in seinem Land verbotenen und bespitzelten Liedermachers, der sich trotz aller von der DDR-Führung auf ihn ausgeübten Repressionen gegen die politischen Missstände im Osten Deutschlands auflehnte. Dieser Eindruck wurde durch die Ausbürgerung noch verstärkt. Durch das große Medieninteresse im Westen und durch die nach Biermanns Ausbürgerung in der DDR entstandene Protestbewegung der Schriftsteller und Künstler war er zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt seiner Popularität angekommen. Der Name Biermann ist bis heute untrennbar mit der DDR und der Ausbürgerung verbunden. Diese für einen linken engagierten Liedermacher und Dichter ungewöhnlich große öffentliche Resonanz resultierte aus der Tatsache, dass seine oppositionelle Haltung in einem Staat, der jegliche Opposition konsequent unterdrückte, ein Sonderfall war. Zwar gab es in der DDR mit Christa Wolf, Sarah Kirsch, Günther Kunert oder Jürgen Fuchs auch andere Autoren, die sich kritisch mit dem sozialistischen Staat auseinander setzten. Biermann konnte jedoch mit seinen Liedern ein größeres Publikum erreichen, als dies anderen Schriftstellern mit dem geschriebenen Wort möglich war. Ein Beispiel dafür ist das Konzert, dass er 1976 unmittelbar vor seiner Ausbürgerung in der Kölner Sporthalle gab und das durch die Übertragung im Fernsehen eine breite Öffentlichkeit erreichte.

Die Ausbürgerung bedeutet jedoch nicht nur einen Höhepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung des Dichters. Für Biermann selbst ist sie ein wichtiger Wendepunkt in seiner Biographie, der gravierende Wandlungen für seine politischen Überzeugungen und damit auch für sein Werk zur Folge hatte. Die öffentliche Wahrnehmung veränderte sich, nachdem das Interesse an der Ausbürgerung nachgelassen hatte. Biermann war durch die Übersiedlung in die Bundesrepublik zwangsläufig aus der Rolle des DDR-Oppositionellen herausgewachsen, er machte früh deutlich, dass er im Westen nicht als Dissident leben wollte. Seine Absicht, sich auch mit der Bundesrepublik kritisch auseinanderzusetzen und sich politisch zu engagieren, führte sowohl in der öffentlichen Diskussion als auch bei Biermann zu einem differenzierteren Umgang mit seiner kommunistischen Überzeugung. Er musste ein neues Verhältnis zur DDR und insbesondere zur westlichen Gesellschaft finden, der er bei seiner Ausbürgerung als Kommunist kritisch und ablehnend gegenüberstand. Auch die westliche Kritik war nun gezwungen, einen neuen Standpunkt zu finden, da Biermann nicht mehr der oppositionelle DDR-Autor, sondern einer unter vielen linken Dichtern und Intellektuellen in der Bundesrepublik war und sich seine Kritik auf politische Ereignisse und Entwicklungen in Westdeutschland übertrug. Dass der Name Biermann auch heute noch in erster Linie im Zusammenhang mit seiner Rolle in der DDR genannt wird, lässt darauf schließen, dass sein im Westen entstandenes Werk und die Veränderungen, die sein politisches Denken seit der Ausbürgerung erfahren hat, deutlich weniger öffentlich wahrgenommen werden als seine vor 1976 entstandenen Schriften.

Auch die Literaturwissenschaft beschäftigt sich wesentlich intensiver mit Biermanns in der DDR entstandenen Gedichten. Außer der Untersuchung „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu – Wolf Biermann im Westen“ von John Shreve, in der Biermanns in den 80er Jahren publizierte Lieder und Gedichte im Zusammenhang mit seiner politischen Entwicklung analysiert werden, sind keine größeren Arbeiten zu diesem Thema erschienen.

Dabei genügt schon ein oberflächlicher Blick auf Biermanns Werk, um festzustellen, dass sich seit der Ausbürgerung aus der DDR seine politischen Überzeugungen grundliegend verändert haben. Schon 1990 sorgte er mit einem Essay, in dem er den Golfkrieg befürwortete, besonders unter bundesdeutschen Linken für Aufsehen und Verwirrung. Ähnlich fielen seine Stellungnahmen zum Krieg in Afghanistan und zum Irakkrieg in den Jahren 2002 und 2003 aus. Auch seine Kommentare und Polemiken zur Wiedervereinigung und die Beiträge zur Stasi-Debatte Anfang der 90er Jahre belegen die Entwicklungen in seinem Werk und seiner politischen Überzeugung. Vergleicht man Biermanns Standpunkte, die er als Kommunist bei seinem Kölner Konzert, das der Anlass für seine Ausbürgerung war, vertrat, mit den Schriften, die in seinem letzten Essay-Band „Über Deutschland unter Deutschen“ im Jahr 2002 erschienen sind, wird deutlich, wie stark sich seine Gedichte, Prosatexte und politischen Ansichten verändert haben.

In dieser Arbeit soll die Entwicklung von Biermanns Werk seit 1980 bis in die Gegenwart untersucht werden. Durch die Tatsache, dass seine Lieder, Gedichte und Essays sich sehr stark auf konkrete politische Ereignisse und Konflikte sowie auf historische Entwicklungen beziehen, ist es besonders wichtig, die Beziehung zwischen dem realen politischen Geschehen und seiner Verarbeitung in der Literatur zu berücksichtigen. Da Biermanns Biographie in seinem Werk allgegenwärtig ist und weil nach seiner Poetik das Private und das Politische nicht voneinander zu trennen sind, ist bei der Untersuchung seiner Texte nicht die objektive Betrachtung von politischen Ereignissen, sondern seine persönliche, subjektive Sicht ausschlaggebend. Deshalb genügt es nicht, die Gedichte und Essays werkimmanent zu untersuchen. Biermanns Arbeitsweise, die das Private auch im politischen Gedicht als zentrales Element voraussetzt, erfordert bei der Untersuchung seines Werks auch seine Biographie und seine persönliche politische Entwicklung in einem besonderen Maße zu berücksichtigen, das bei einer literaturwissenschaftlichen Analyse in einem anderen Zusammenhang als problematisch erkannt werden könnte. Man wird den Texten jedoch nicht gerecht und kann auch die schriftstellerische Entwicklung nicht vollständig nachvollziehen, wenn man die für den Autor wichtige Dimension des Privaten und die durch seine Biographie geprägten politischen Positionen vernachlässigt. Deshalb ist es im Rahmen dieser Arbeit notwendig, auch die persönliche Entwicklung Biermanns mit Bezug auf für ihn gravierende politische Veränderungen mit einzubeziehen.

Zunächst sollen daher in einer einführenden Darstellung zentrale Grundlagen zu biographischen Daten und seiner politischen Position in der DDR zusammengefasst werden. Die Lieder und Gedichte aus den Jahren in der DDR werden dabei nicht berücksichtigt, es sollen lediglich Biermanns Vorstellung von Sozialismus und Kommunismus, sein Verhältnis zur DDR und seine Haltung gegenüber der Bundesrepublik zum Zeitpunkt der Ausbürgerung umrissen werden. Diese Voraussetzungen, unter denen Biermann nach Westdeutschland kam, sind wichtig für die Untersuchung seines späteren Werks, da sie den Ausgangspunkt für darauf folgende politische Entwicklungen darstellen. Außerdem soll ein kurzer Überblick über Biermanns poetische Vorstellungen und seine Definition von politischer Lyrik gegeben werden.

Die Entwicklung von Biermanns Werk in der Bundesrepublik Deutschland seit 1980 unterteile ich in drei Phasen. Diese Unterscheidung ergibt sich sowohl anhand von politischen Ereignissen als auch im Rahmen der damit verbundenen biographischen Veränderungen:

Die 80er Jahre sind eine erste wichtige Phase im Entwicklungsprozess des Biermannschen Werks nach der Ausbürgerung. In dieser Zeit thematisiert er insbesondere seine Situation im Exil, was nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten in der ihm fremden westlichen Gesellschaft zu einer kritischen Auseinandersetzung mit seinem sozialistischen Denken und schließlich zum Bruch mit der kommunistischen Utopie führt. Gleichzeitig findet in dieser Phase eine kritische Annäherung an die politische und gesellschaftliche Realität der Bundesrepublik Deutschland und anderer westlicher Demokratien statt. Trotz dieser Integration in die westliche Welt nimmt aber die Beschäftigung mit der DDR und anderen sozialistischen Staaten weiterhin breiten Raum in seinem Werk ein.

Den wohl wichtigsten Wendepunkt nach der Ausbürgerung markiert die Wiedervereinigung Deutschlands und der Zusammenbruch des realexistierenden Sozialismus in Europa. Diese Entwicklung deutete sich schon in der zweiten Hälfte der 80er Jahre durch Gorbatschows Glasnost und Perestroika an. Das Ende der DDR erforderte eine neue Positionierung, in Deutschland beherrschte eine Debatte über die Art und Weise der Wiedervereinigung, über den Umgang mit der DDR-Vergangenheit sowie über den Weg, den das vereinte Deutschland einschlagen sollte, die Öffentlichkeit. Diese Debatte wurde von Biermann maßgeblich mitgeprägt, die Probleme der Deutschen Einheit wurden bis zum Jahr 1992 sein beherrschendes Thema. In dieser für Biermanns Entwicklung sehr wichtigen Phase, in der aufgrund seiner Einmischung in die Debatte über die Wiedervereinigung auch das öffentliche Interesse an seiner Person im Vergleich zu den 80er Jahren wieder wuchs, hat er nur wenige poetische Texte veröffentlicht. Auffällig ist, dass Biermann sich in dieser Phase verstärkt in öffentlichen Reden (z. B. bei der Verleihung des Büchner-Preises) und durch politische Essays in Tages- und Wochenzeitungen zu Wort meldet. Deshalb soll bei der Analyse dieser Schaffensphase das essayistische Werk im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Die letzte Phase umfasst die zweite Hälfte der 90er Jahre und reicht bis zur Gegenwart. In diesen Jahren wird Biermanns Werk von dem Versuch bestimmt, sich von seinem Hauptthema DDR und den aus der Wiedervereinigung resultierenden Problemen in Deutschland zu lösen und sich auf andere Schwerpunkte zu konzentrieren. Die in den letzten Jahren erschienenen Texte stehen im Zeichen einer sowohl politischen als auch persönlichen Identitätssuche nach dem Zusammenbruch des Kommunismus. Zentral ist dabei seine Rückbesinnung auf seine jüdischen Wurzeln. Die Auseinandersetzung mit jüdischer Kultur und Religion und insbesondere mit dem Holocaust werden bestimmend für Biermanns Entwicklung.

Es muss noch angemerkt werden, dass ich mich bei meiner Untersuchung ausschließlich auf Biermanns Texte beziehe. Auch wenn Lieder untersucht werden, beschränke ich mich auf den Text. Die musikalische Dimension, z. B. das Verhältnis von Text und Musik, kann im Rahmen dieser literaturwissenschaftlichen Arbeit nicht berücksichtigt. werden.

2. Grundlagen zu Werk und Person

2.1 Politische und private Einflüsse: Wichtige biographische Daten

Wenn man sich mit Biermanns Werk beschäftigt, ist es unerlässlich, zunächst auf die Biographie des Dichters kurz einzugehen. Frühe politische Prägungen, der Einfluss der Eltern (insbesondere des Vaters) und die Entwicklung in seiner Jugend, die in die freiwillige Übersiedlung von Hamburg nach Ostberlin im Jahr 1953 mündete, stellen einerseits die Hauptmotivation für sein schriftstellerisches Werk da und sind andererseits selbst häufig Thema in seinen Schriften.

Wolf Biermann wurde im Jahr 1936 in Hamburg geboren. Seine Eltern waren beide aktive Kommunisten, sein jüdischer Vater Dagobert Biermann, der eine Talmud-Schule besucht hatte und später aber den Beruf des Maschinenbauers ausübte, druckte nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten die illegale kommunistische „Hamburger Volkszeitung“. Nach einer zweijährigen Haftstrafe, die er wegen dieser illegalen Tätigkeit verbüßen musste, war er maßgeblich daran beteiligt, im Hamburger Hafen Schiffe, die deutsche Waffenlieferungen zu Francos Truppen im spanischen Bürgerkrieg bringen sollten, zu sabotieren. 1937 wurde er deswegen erneut verhaftet und 1939 zu sechs Jahren Haft verurteilt. 1943 wurde er als Kommunist und Jude nach Auschwitz gebracht und dort umgebracht. Auch die ganze übrige Familie des Vaters wurde von den Nazis ermordet.

Biermann hat seinen Vater nur einmal bewusst zu Gesicht bekommen. Der Vater wurde nur vier Monate nach der Geburt seines Sohnes verhaftet und verbrachte die restlichen Jahre seines Lebens im Gefängnis und in Arbeitslagern. Obwohl er sich also kaum an seinen Vater erinnern dürfte, ist er eine Identifikationsfigur für Biermann. Er nimmt sehr stark die Rolle eines politischen Vorbilds ein, Biermann bezeichnet ihn als seinen „heftigsten Antrieb“.[2] Die starke Identifikation mit seinem Vater geht auf die Erziehung durch die Mutter zurück. Sie sorgte dafür, dass in der Erziehung ihres Sohnes der Vater immer gegenwärtig war. Dies geschah unter anderem aus der politischen Überzeugung, der Sohn solle später in die Fußstapfen des Vaters treten und dessen politisches Werk fortsetzen. Die kommunistischen Ideale und Vorstellungen wurden an den Sohn weitergegeben, verbunden mit der politischen Erwartung, dass das Kind später seinerseits für diese Ideale kämpfen solle. Biermann erinnert sich an diese Art der Erziehung und beschreibt die Absichten und Beweggründe seiner Mutter: „Meine Mutter hat mich in Bezug auf meinen Vater so beeinflusst, man könnte fast sagen, mit einem Fanatismus, der aber nichts fanatisches an sich hatte, mit dem Ziel, dass ich, wie sie es in ihrer Sprache ausdrückt, meinen Vater rächen sollte. Dass sie mich überhaupt, unter den schweren Bedingungen der Nazizeit, am Leben erhalten hat, dass hatte alles eben nicht nur diese fundamentale Mutter-Kind-Beziehung zur Grundlage, sondern war auch eine Art politischer Kampf. Sie wollte, gegen die Nazis, einen kleinen Menschen am Leben erhalten und aufziehen, der eben das weitermacht, was der Vater getan hat. Das hört sich vielleicht etwas naiv und kitschig und romantisch und irgendwie übertrieben an, aber es war nun mal so übertrieben, die Zeiten waren auch übertrieben.“[3]

Man kann sich in der Tat fragen, ob der erzieherische Einfluss der Mutter die politische Entwicklung und sogar die schriftstellerische Produktion auf eine solche starke Weise beeinflussen kann oder ob Biermann mit diesen Erklärungen auch Legendenbildung betreibt. Es ist jedoch unübersehbar, dass der frühe Biermann tatsächlich die kommunistischen Ideale seiner Eltern übernimmt und dass die Rolle des Vaters und die Identifikation mit seinem politischen Handeln in seinem gesamten Werk häufig thematisiert wird. Auffällig ist hierbei auch der Unterschied zu zahlreichen anderen Schriftstellern aus Biermanns Generation, bei denen nicht die Identifikation, sondern die Opposition gegen die häufig mit dem NS-Regime in Verbindung stehenden Eltern zur Antriebskraft für die schriftstellerische Tätigkeit wurde. Bei Biermann entwickeln sich zwei zentrale Haltungen, die sein Werk bestimmen, nicht aus der Auseinandersetzung mit den Eltern, sondern aus einer sehr starken Identifikation: Die kommunistische Überzeugung und die entschieden antifaschistische Haltung.

Biermanns Antifaschismus geht sicher in erster Linie auf den frühen Verlust des Vaters zurück. Das prägende Erlebnis, dass der Vater und dessen ganze Familie von den Nazis ermordet wurden, ist jedoch nicht das einzige, was Biermann in Zusammenhang mit seiner Kindheit und dem Krieg geprägt hat. Besonders in späten Gedichten und Essays erinnert er sich an die Bombenangriffe auf Hamburg, die er als Junge miterlebt hat. Im Jahr 1943 flogen die Alliierten mehrere Luftangriffe auf Hamburg, bei denen ein großer Teil des Wohnraums zerstört wurde und etwa 55000 Menschen ums Leben kamen.[4] Der damals sechsjährige Biermann und seine Mutter waren mitten in einem Angriff, bei dem der Stadtteil Hammerbrook zerstört wurde. Die Mutter konnte sich gemeinsam mit ihrem Sohn retten. Dieses traumatische Erlebnis gehört zu den prägendsten Erinnerungen und hat erheblichen Einfluss auf Biermanns Haltung gegenüber der nationalsozialistischen Vergangenheit. Die Erinnerung an den Bombenangriff wird später insbesondere bei Biermanns Position zum Krieg im Allgemeinen relevant. Im Gegensatz zu seinem Vater, dessen Bild sich in erster Linie aus den Erzählungen der Mutter und ihren erzieherischen Absichten zusammensetzt, ist die Bombennacht in Hammerbrook in Biermanns Erinnerung deutlich präsent. Er schildert die Eindrücke, die sich ihm von diesem Erlebnis eingeprägt haben, sehr detailreich: „Wie Ameisen auf dem Holzscheit im Kamin, so irrten die Menschen durch den Feuersturm. Die ganze Stadt brannte. Brennende Dächer wie Drachen durch die Luft. Das Emaillierte Eimerchen mit Mirabellenkompott in meiner Hand. Immer festhalten. Meine Mutter nahm mich aufn Rücken und schwamm mit mir durch einen Kanal ins offne. Ich weiß noch jeden Geruch, noch jedes rot, jedes gelb, jedes schwarz, jedes Gesicht. Sodom und Gomorra. Feuer vom Himmel aus den eisernen Engeln. Die Tannenbäume. Der Phosphor. Die große Schwangere mit der weggebrannten Gesichtshälfte. Picasso in echt. Über die Gleise. Schwabenstraße. Nagelsweg. Rothenburgsort. Moorweide. Der Fluchtweg aus dem Kamin.“[5]

Die Erlebnisse der frühen Kindheit und die kommunistische Erziehung führten dazu, dass Biermann schon früh politisches Engagement entwickelte. Nach dem Krieg wurde er, obwohl er ein Arbeiterkind war, zum Gymnasium zugelassen. Dort kam es aufgrund seiner politischen Einstellung, für die er eintrat und von deren Richtigkeit er Schüler und Lehrer überzeugen wollte, zu ersten Konflikten. Biermann war als Arbeiterkind ein Außenseiter in der bürgerlichen Umgebung des Gymnasiums, und seine kommunistischen Ideale waren in Westdeutschland, zumal kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Blüte des kalten Krieges, eine Minderheitsmeinung. Die aggressive und leidenschaftliche Art, mit der er seine Mitschüler von seinen Einstellungen überzeugen wollte, zeigt, wie wichtig ihm die Politik schon in dieser Zeit war: „Aber das schlimme war, ich kam nie zum Lernen, alle diese dummen Jungs dort, diese dicken, großen, dummen Kinder waren alle klüger als ich. Ich war der Dumme. Sie konnten besser Latein als ich, besser Mathematik als ich ... und jedes Jahr war die Gefahr, dass ich sitzen bleibe. Ich fühlte mich dort wie im Feindesland. Die Eltern beschwerten sich bei der Schule, dass ich immer ihre Kinder verhauen habe. Ich habe aber auch viel Prügel gekriegt. Ich hatte immer blaue Augen und zerschundene Knie. Ich wollte diese armen, dummen Kinder vom Kommunismus überzeugen, von dem ich ja selbst nichts wusste, und diese Diskussionen gingen immer schnell in Prügeleien über.“[6]

Seine politische Überzeugung und die Außenseiterrolle, in die er als kommunistisch erzogenes Kind geriet, waren der Grund für die Übersiedlung in die DDR. Seine Erfahrungen im Gymnasium sind sicher auch mit ein Grund für Biermanns spätere Ablehnung der westdeutschen Gesellschaft. Biermann war während seiner Schulzeit in der Bundesrepublik bereits Mitglied der jungen Pioniere der KPD. Mit ihnen reiste er 1950 zum Deutschen Jugend-Treffen nach Ost-Berlin. Diesem ersten Aufenthalt in der DDR folgten weitere in den nächsten Jahren, bis er 1953 ganz in den Osten Deutschlands übersiedelte.

Die DDR war für Biermann der Teil Deutschlands, in dem seine politischen Vorstellungen verwirklicht wurden. Wenn man sich daran erinnert, dass seine Mutter ihn dazu erzogen hat, dass er das politische Werk des Vaters fortführen sollte, dann erscheint die Übersiedlung in die DDR als konsequenter Schritt. In der DDR sollten die politischen Ziele des Vaters realisiert werden, es liegt also nahe, dass Biermann in einem sozialistischen Staat eine politische Heimat sah, in der seine Bemühungen für den Kommunismus auf fruchtbareren Boden fallen würden als in der Bundesrepublik.

Aus der Sicht der DDR musste Wolf Biermann willkommen sein. Als Arbeiterkind, als Sohn eines von den Nationalsozialisten ermordeten Vaters und als kommunistisch erzogener Jugendlicher erfüllte er optimal die ideologischen und familiären Voraussetzungen, um in das offizielle Bild zu passen, dass die Führung der DDR ihrem Staat zu geben versuchte. Die DDR verstand sich als Alternative zum kapitalistischen Westen, die den historischen Versuch unternahm, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Dieses Selbstverständnis beruhte insbesondere auf der ideologischen Abgrenzung von der aus DDR-Sicht faschistischen Bundesrepublik. Dazu gehörte auch, dass sich die DDR als neue Heimat für NS-Opfer und insbesondere für von den Nazis verfolgte Kommunisten verstand. Biermann hätte sich gut in die Gesellschaft der DDR integrieren können, zumal das offizielle Erscheinungsbild des Staates mit seinen Absichten, sich von der als feindlich empfundenen Bundesrepublik zu distanzieren und sich als Kommunist für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zu engagieren, korrespondierte.

Neben den bereits erwähnten frühen Erlebnissen und Prägungen war mit der Übersiedlung in die DDR die letzte Voraussetzung für Biermanns schriftstellerische Aktivität erfüllt. Die DDR wurde zum passenden gesellschaftlichen Umfeld für sein politisches Engagement und seine Lieder und Gedichte.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Wolf Biermann durch den Verlust des Vaters und durch seine kommunistische Erziehung schon in der Kindheit so stark geprägt wurde, dass diese frühen Erfahrungen und die Identifikation mit dem Vater als Hauptmotivation für sein Werk gelten können. Durch die frühe Verbindung von persönlichen Erfahrungen mit politischen Überzeugungen erklärt sich Biermanns Verständnis von Politik und politischer Lyrik, auf das ich im Folgenden noch eingehe. Die DDR wurde unter diesen Voraussetzungen der notwendige gesellschaftliche Rahmen für Biermann, seine bei aller Kritik starke Identifikation mit diesem Staat konnte entstehen, da seine kommunistische Überzeugung mit dem Ideal der DDR, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, übereinstimmte. John Shreve unterstreicht die Bedeutung der Übersiedlung in die DDR: „Wolf Biermann ist in der Welt des deutschen Kommunismus aufgewachsen und lernte, die Welt durch kommunistische Augen zu sehen. Er wurde erzogen, die Arbeit seines Vaters fortzusetzen, und in der DDR wollte er den Traum seines Vaters verwirklichen. Seine emotionelle Bindung an die DDR war entsprechend stark. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass die KPD bzw. SED fast zu einem Ersatz für seinen Vater wurde. Trotz aller Kritik hätte er, solange er in der DDR war, einen Bruch mit der SED bzw. mit der DDR beinahe als einen Verrat an seinem Vater empfinden müssen.“[7]

2.2 Sozialismus und Demokratie: Biermanns politische Entwicklung in der DDR

Für Biermanns Verhältnis zur DDR und für seine Einstellung gegenüber dem realexistierenden Sozialismus ist es wichtig, dass er die DDR, die Sowjetunion und den Sozialismus überhaupt niemals grundsätzlich in Frage stellte. Das Gegenteil ist der Fall, der Ursprung für seine Kritik waren die Identifikation mit der DDR und ihrer Gesellschaft sowie die Überzeugung, dass der Versuch, den Sozialismus aufzubauen, eine historische Notwendigkeit gewesen sei. Er änderte seine Überzeugung, die DDR sei der fortschrittlichere der beiden deutschen Staaten, auch kurz vor seiner Ausbürgerung nicht, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits zwölf Jahre Berufsverbot und gravierende staatliche Repressionen erlitten hatte. Diese Haltung der kritischen Solidarität prägte Biermanns Werk während seiner Jahre in der DDR. In einem noch in der DDR entstandenen Lied heißt es:

Es senkt das deutsche Dunkel

Sich über mein Gemüt

Es dunkelt übermächtig

In meinem Lied

Das kommt, weil ich mein Deutschland

So tief zerrissen seh.

Ich lieg in der bessren Hälfte

Und habe doppelt weh[8]

Gerade weil er die DDR für die bessere Hälfte Deutschlands hielt, empfand er sein Leiden an den Zuständen in diesem Staat umso gravierender. Er betrachtete die Tatsache, dass in der DDR (aus seiner Sicht) der Versuch unternommen wurde, den Sozialismus aufzubauen, als Fortschritt gegenüber der kapitalistischen Bundesrepublik. Für ihn genügte diese Absicht, um als Kommunist Solidarität für die DDR zu empfinden. Erst die grundsätzliche Zustimmung zum sozialistischen Versuch bedingte seine Kritik. Diese Überzeugung ging soweit, dass er auch bei westdeutschen Linken ein grundsätzliches Einverständnis mit der DDR voraussetzte und darin erst die Legitimation für Kritik sah: „Denn jeder Linke muss ja die DDR verteidigen, dazu ist er verpflichtet, alle fortschrittlichen Kräfte müssen die DDR verteidigen.“[9]

Es stellt sich die Frage, wie sich Biermann den Sozialismus vorstellte, den er in der DDR gerne verwirklicht gesehen hätte. Im Zusammenhang damit ist für seine Entwicklung und sein politisches Verständnis interessant, was sich in der DDR von seinen Sozialismusvorstellungen unterschied und worauf sich seine Kritik in erster Linie bezog.

Der Fortschritt, den Biermann aus seiner kommunistischen Sicht in der DDR bereits realisiert sah, war die (zumindest offizielle) Entprivatisierung der Produktionsmittel. Dieser erste und wichtige Schritt auf dem Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft war der entscheidende Unterschied zur BRD und anderen kapitalistischen Staaten, Biermann bewertete diese Entwicklung als historischen Vorsprung der DDR gegenüber den bürgerlichen Demokratien. Dieser Schritt war jedoch erst der Anfang eines Prozesses, den sich Biermann wünschte und den er mit seinem politischen Engagement und seinen Gedichten unterstützen wollte. Der zweite wichtige Schritt bestand für ihn in der notwendigen Demokratisierung der Gesellschaft und des politischen Systems. Der von oben verordnete Sozialismus, der in der DDR herrschte, passte nicht mit den Vorstellungen eines demokratischen Sozialismus zusammen. Die mangelnde Demokratie, die Bürokratie innerhalb der Partei und die stalinistische Autorität, mit der die DDR-Führung ihre Politik durchsetzte, waren die Hauptangriffspunkte für die biermannsche Kritik. Auch in diesem Zusammenhang ist wichtig, dass er nicht das politische System der DDR und die SED grundsätzlich kritisierte. Da die Partei den von ihm befürworteten sozialistischen Staat verkörperte, konnte er sie nicht in ihrer Existenz in Frage stellen. Als Fehler bewertete er nur die stalinistische Prägung der Partei, die die notwendige Demokratisierung und damit die positive Weiterentwicklung des sozialistischen Versuchs verhinderte. Das für ihn wünschenswerte Modell eines demokratischen Sozialismus fand seinen Ausdruck im Prager Frühling. Die demokratischen Kräfte und die Tendenzen zur Entstalinisierung der Politik, die in Prag 1968 von den übrigen Staaten des Warschauer Pakts, unter anderem auch unter Beteiligung der DDR, niedergeschlagen wurden, stellten nach Biermanns Überzeugung den richtigen Weg dar und waren die geforderte Alternative zur Politik der SED. Gleichzeitig machten die Ereignisse des Prager Frühlings aber auch die Kräfteverhältnisse innerhalb der sozialistischen Staaten deutlich und zeigten die Differenzen zwischen Biermanns Ideal und den realen Bedingungen in der DDR. Das Spannungsfeld zwischen der solidarischen Unterstützung der DDR und der Unzufriedenheit mit der realen Entwicklung ist das Hauptthema seiner bis 1976 entstandenen Texte. Sein zwischen der Hoffnung auf positive Veränderungen und dem Wissen um die realen Probleme gespaltenes Verhältnis zur DDR wird in einer Bemerkung Biermanns zum Prager Frühling deutlich: „Wie kostbar der kleine, der vielleicht gefährlich kleine Vorsprung ist, den die DDR hat gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft, das habe ich begriffen beim Prager Frühling: Wie schön klein aber auch der Schritt ist um eine zweite Phase der Revolution einzuleiten.“[10]

Biermanns Sozialismusvorstellung ist stark von Rosa Luxemburg, Robert Havemann und den in den 70er Jahren entstandenen Ideen des Eurokommunismus geprägt. Rosa Luxemburgs Schrift „Die russische Revolution“ enthält viele Details, die Biermanns Ideal eines demokratischen Sozialismus und seine Solidarität und Kritik vereinende Haltung gegenüber der DDR stark geprägt haben. Rosa Luxemburg verfährt in der gleichen Weise, in dem sie die russische Revolution von 1917 als historisches Ereignis würdigt und sie gleichzeitig kritisiert.

Luxemburg sieht in der Russischen Revolution ebenfalls einen bedeutenden ersten Schritt auf dem Weg der Verwirklichung einer sozialistischen Gesellschaft. Sie kritisiert jedoch, dass im Zusammenhang mit der Revolution von den Bolschewiki demokratische Grundrechte abgeschafft wurden, und sie fordert die Vereinbarung von Sozialismus und Demokratie. Luxemburg betont dabei ausdrücklich, dass die Demokratie nicht am Ende der sozialistischen Entwicklung stehen dürfe, sondern dass die Demokratisierung unerlässlich für den Entwicklungsprozess selbst ist: „Es ist die historische Aufgabe des Proletariats, wenn es zur Macht gelangt, anstelle der bürgerlichen Demokratie sozialistische Demokratie zu schaffen, nicht jegliche Demokratie abzuschaffen. Sozialistische Demokratie beginnt aber nicht erst im gelobten Lande, wenn der Unterbau der sozialistischen Wirtschaft geschaffen ist, als fertiges Weihnachtsgeschenk für das brave Volk, das inzwischen treu die Handvoll sozialistischer Diktatoren unterstützt hat. Sozialistische Demokratie beginnt zugleich mit dem Abbau der Klassenherrschaft und dem Aufbau des Sozialismus. Sie beginnt mit dem Moment der Machteroberung durch die sozialistische Partei. Sie ist nichts anderes als die Diktatur des Proletariats.“[11]

Der Einfluss dieser Schrift auf Biermanns Verhältnis zur DDR ist unübersehbar. Das wichtige Kriterium der Demokratie in Luxemburgs Vorstellungen übernimmt er in sein Sozialismusideal. Gleichzeitig sieht er in der Politik der SED die Fehler wiederholt, die Luxemburg im Zusammenhang mit der Russischen Revolution kritisiert. Wie stark Luxemburg Biermanns sozialistische Vorstellungen geprägt hat, zeigt eine Strophe aus seinem bekannten Lied „So soll es sein, so wird es sein“, die er auf dem Konzert in Köln 1976 vortrug:

Die DDR braucht endlich – und wie!

Rosas rote Demokratie

Der hohe Stellenwert, den Biermann der Demokratie zuweist, korrespondiert auch mit seiner Art der Kritik gegenüber der DDR. Da die Kritik an bestehenden Zuständen ein Teil der Demokratie ist und zur positiven Veränderung der Verhältnisse beitragen soll, ist das Prinzip der solidarischen Kritik eine demokratische Auseinandersetzung mit der Politik der SED. Die Partei, die jede Art der Kritik konsequent unterdrückte, verhinderte damit auch eine demokratische Entwicklung in der DDR. Darin besteht der Konflikt Biermanns mit der DDR-Führung, die Folgen der Unterdrückung der Demokratie beschreibt Luxemburg in einer für Biermann zentralen Passage, die er auch auf seinem Kölner Konzert zitierte. Diese Zeilen sind von großer Bedeutung, da sie sich wie ein Kommentar zu den von Biermann kritisierten Verhältnissen in der DDR lesen: „Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, in der die Bürokratie allein das tätige Element bleibt. Das öffentliche Leben schläft allmählich ein, einige Dutzend Parteiführer von unerschöpflicher Energie und grenzenlosem Idealismus dirigieren und regieren, unter ihnen leitet in Wirklichkeit ein Dutzend hervorragender Köpfe, und eine Elite der Arbeiterschaft wird von Zeit zu Zeit zu Versammlungen aufgeboten, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen, vorgelegten Resolutionen einstimmig zuzustimmen, im Grunde also eine Cliquenwirtschaft – eine Diktatur allerdings, aber nicht die Diktatur des Proletariats, sondern die Diktatur einer handvoll Politiker, d. h. Diktatur im bürgerlichen Sinne...“[12]

Aus genau diesen Gründen kritisierte Biermann die Politik der SED. Er empfand sie zwar als sozialistische Politik, da er die DDR und damit auch die Partei befürwortete. Seiner Meinung nach verfolgte die Partei jedoch eine schlechte Politik, da in der DDR demokratische Grundrechte wie Presse- und Kunstfreiheit oder Versammlungsfreiheit nicht existierten. Biermann hatte diese rüde Unterdrückung der Grundrechte am eigenen Leib erfahren, schon in den 60er Jahren geriet er mit seinen politischen Gedichten in Konflikt mit der Partei, und seit dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED im Jahr 1965 bis zu seiner Ausbürgerung 1976 wurde ein Berufsverbot über ihn verhängt, dass ihm jegliche Veröffentlichungen oder Auftritte in der DDR unmöglich machte. Durch diese Maßnahme wurde Biermann die mangelnde Demokratie schmerzlich bewusst, seine Opposition gegen die Politik der SED wurde durch die staatlichen Repressionen verstärkt. Trotzdem war für ihn während seines Aufenthalts in der DDR ein Bruch mit der Partei nicht möglich, da das auch ein Bruch mit dem Sozialismus selbst und damit den Bruch mit den Idealen seines Vaters bedeutet hätte. Aus dieser Tatsache heraus und aus seinem Willen, die Entwicklung des Sozialismus positiv zu beeinflussen, erklärt sich die Verbundenheit mit der DDR und die Überzeugung, in diesem Land zu bleiben und sich zu engagieren, die bis zu der Ausbürgerung ungebrochen war.

Der von der Reformbewegung im Prager Frühling propagierte „Sozialismus mit menschlichen Antlitz“ entsprach ebenso den Vorstellungen Biermanns. Obwohl der Versuch, den Sozialismus zu reformieren, von den Staaten des Warschauer Pakts unterdrückt wurde, bezog Biermann aus der Tatsache, dass zumindest der Versuch einer Reform unternommen wurde, die Zuversicht, dass auch in der DDR eine solche Entwicklung möglich wäre. Entgegen aller realen Erfahrungen bestand die Hoffnung darauf, dass sich die Politik der SED und die der KpdSU verändern würde, wenn demokratische Kräfte konsequent ihren Einfluss geltend machen könnten.

Neben dem Einfluss Rosa Luxemburgs waren für Biermanns politische Position in der DDR die Ziele des Eurokommunismus bedeutend. Von Dieser Entwicklung in den 70er Jahren, die sich in den westeuropäischen kommunistischen Parteien, insbesondere in Italien und Frankreich abzeichnete, erhoffte sich Biermann einen positiven Einfluss auf die sozialistischen Staaten. Im Gegensatz zu Rosa Luxemburgs Schriften bezog sich der Eurokommunismus auf die in den 70er Jahren herrschenden Umstände und übertrug die Vorstellungen eines demokratischen Sozialismus auf die reale Situation in Europa. Diese Ideen waren im Sinne Biermanns, da sie seinen Hoffnungen im Bezug auf die DDR entsprachen. Auf einer Konferenz der kommunistischen Parteien Europas in Ost-Berlin im Jahr 1976 fasste Georges Marchais die Vorstellungen des Eurokommunismus zusammen: „Der Sozialismus, für den wir kämpfen, wird ein zutiefst demokratischer Sozialismus sein, denn er wird auf dem gesellschaftlichen Eigentum der großen Produktions- und Austauschmittel beruhen wie auch auf der politischen Macht der werktätigen Volksmassen, in der die Arbeiterklasse eine entscheidende Rolle spielt. Er wird zutiefst demokratisch sein, nicht nur weil er den Werktätigen durch Abschaffung der Ausbeutung die unerlässliche Bedingung ihrer Freiheit gewährleisten wird, sondern auch weil er alle Freiheiten, die unser Volk sich erkämpft hat, garantieren, entwickeln und erweitern wird. Sei es die Meinungs- und Ausdrucksfreiheit, die Schaffens- und Publikationsfreiheit, die Kundgebungs- und Versammlungsfreiheit und die Freiheit, sich zusammenzuschließen, Die Bewegungsfreiheit für Personen, innerhalb des Landes und im Ausland, die religiösen Freiheiten oder das Streikrecht.“[13]

All diese Rechte, die Marchais in seiner Erklärung für einen demokratischen Sozialismus fordert, existierten nicht in der DDR, sie waren die demokratischen Rechte, die Oppositionelle in der DDR wie Biermann für ihre Gesellschaft erhofften und für die weitere Entwicklung des Sozialismus für unerlässlich voraussetzten. Die „politische Macht der werktätigen Volksmassen“ war im realexistierenden Sozialismus der DDR jedoch angesichts der Monopolherrschaft der SED eine Utopie.

Biermanns politische Position in der DDR, seine Kritik bei gleichzeitiger Solidarität und sein Wunsch, Einfluss auf die weitere Entwicklung des Landes zu nehmen, sind wichtig für die Veränderung, die sein denken und sein Werk nach der Ausbürgerung erfährt. Um zu verstehen, was die Ausbürgerung aus der DDR für ihn bedeutet hat, muss man in Erinnerung behalten, dass er trotz aller Opposition nicht nur in der DDR leben, sondern dort auch politisch aktiv sein wollte. Auch seine sozialistischen Ideale müssen grob präsent sein, um die Veränderung seines Denkens in der westlichen Gesellschaft und sein späteres Verhältnis zum Kommunismus nachvollziehen zu können. Biermanns in der DDR entstandenes Werk beschäftigt sich fast ausschließlich mit der Problematik des Sozialismus. Er hatte eindeutige politische Ideale, in der SED ein eindeutiges Ziel seiner Kritik. Davon sind seine Lieder und Gedichte aus dieser Zeit bestimmt, thematische Umbrüche bzw. eine Veränderung in seinem politischen Denken sind nicht festzustellen. Die aufgrund seiner Biographie emotionale Bindung an die DDR prägte seine politische Haltung.

In einer Kritik zu Biermanns DDR-Schriften bezieht sich Reinhard Baumgart auf diese thematische Beschränkung und auf das Fehlen einer Entwicklung in Biermanns politischen Standpunkten: „Doch wer nun nachblättert, um in Biermanns Texten genau den Umbruch zu finden, von bloßer Stichelei gegen ‚Missstände’ zur Frontalattacke gegen den ‚realen Sozialismus’ der DDR, der kann lange schnüffeln. Kein Umbruch markiert sich. Es waren schon in der ‚Drahtharfe’, vor über zehn Jahren, alle Töne, Farben, Argumente da.“[14] Biermanns emotionales Verhältnis zur DDR und seine politische Prägung in der Kindheit erkennend, schreibt Baumgart weiter: „Solche Kindlichkeit schien mir jetzt beim Wiederlesen, die Stärke und die Schwäche der biermannschen Positionen, gerade der politischen. Kindlich seine Fähigkeit, sein Bedürfnis, die politischen Konflikte der Linken immer als Familienkonflikte zu sehen, sie zu personalisieren und zu psychologisieren. [...] Als müsste der Erbe eines guten Vaters lauter heruntergekommenen Onkeln nur vors Schienbein treten, um ihren bösen Staat zu wenden.“[15]

Wenn Baumgart von „Familienkonflikten“ spricht, charakterisiert er nicht nur treffend Biermanns emotionale Bindung an die für ihn untrennbar mit seinen Eltern verbundenen kommunistischen Ideale. Er beschreibt damit ebenso Biermanns Verständnis von politischer Lyrik und ihrer Funktion. Seine poetischen Vorstellungen ergeben sich unmittelbar aus seinen Erfahrungen in der DDR und aus der sowohl politisch als auch privat motivierten kommunistischen Überzeugung.

2.3 Schattenbilder in der Höhle des Gemüts: Das Private und das Politische in Biermanns Lyrik

Der Begriff politische Lyrik, mit dem Biermanns poetisches Schaffen am treffendsten umschrieben werden kann, könnte den Schluss nahe legen, dass er sich in seinen Gedichten in erster Linie mit politischen Themen befasst und dabei persönliche Empfindungen, private Entwicklungen und Reflexionen über die eigene subjektive Sichtweise nur eine untergeordnete bzw. gar keine Rolle spielen. Politische Lyrik befasst sich mit öffentlichen Fragen, mit Problemen des Gemeinwesens, mit historischen Entwicklungen. Häufig verfolgen politische Gedichte ein konkretes Ziel, der Autor möchte in bestimmten Situationen mit seinen Gedichten Einfluss auf Prozesse ausüben, das Denken und Handeln von Gruppen oder Einzelpersonen in eine bestimmte Richtung lenken oder zumindest Denkanstöße geben. All diese Funktionen, die der politischen Lyrik im Allgemeinen zugeschrieben werden, sind dem Gedicht, dass sich mit privaten Belangen befasst, fremd. In einem privaten Gedicht reflektiert das lyrische Ich seine ganz persönlichen Empfindungen und Erfahrungen. Das Gedicht, in dem das Private im Mittelpunkt steht, soll niemanden in seinem Handeln und Denken beeinflussen und verfolgt keine gesellschaftlichen Ziele. Die Begriffe privat und politisch werden meist streng voneinander abgegrenzt und erscheinen in der Lyrik in ihrer Bedeutung und Funktion als gegensätzlich und schwer vereinbar.

Dass im Falle Biermanns eine solche Trennung schwierig ist, ergibt sich aus seiner Biographie. Die Politik spielte von Beginn an eine so zentrale Rolle in seinem Leben, dass eine Trennung der persönlichen Erfahrungen von politischen Ereignissen nicht denkbar ist. Der Zweite Weltkrieg und die NS-Herrschaft in Deutschland waren politische Ereignisse, die durch den frühen Verlust des Vaters und die Kriegserfahrung eine sehr persönliche Dimension hatten. Unterstützt wurde diese Verbindung von politischer Realität und persönlicher Erfahrung durch die konsequente Erziehung im Sinne der politischen Ideale der Eltern. Zwar haben solche gravierenden Ereignisse natürlich immer auch erhebliche Auswirkungen auf das persönliche Leben. Biermann stellt keinen Einzelfall dar, in seinem Fall waren jedoch durch die Ermordung des Vaters und seine Erziehung, die ihn sehr früh politisch prägte, extreme Umstände gegeben, die einen politischen Dichter in seinem Denken und seiner Ästhetik maßgeblich beeinflussen mussten.

Die extreme Verbindung von Politischem und Privatem findet ihre künstlerische Umsetzung in Biermanns Poetik.

Seine Vorstellungen von politischer Lyrik erläutert Biermann in seinen Düsseldorfer Poetikvorlesungen.[16] Obwohl er diese Vorlesungen an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf erst in den 90er Jahren, also nach dem Fall der Mauer und lange nach der Ausbürgerung aus der DDR gehalten hat, sind die poetischen Grundlagen, die er referiert, nicht nur auf das Spätwerk anwendbar. Er verdeutlicht seine Ausführungen sowohl an Beispielen aus der Zeit in der DDR als auch an Werken, die in der Bundesrepublik entstanden sind. Seine politische Ästhetik hat sich, wie ich im Verlauf dieser Arbeit darlegen werde, mit seinen politischen Überzeugungen und den historischen Veränderungen in Deutschland in einigen Punkten gewandelt. In ihrer Grundtendenz, die in diesem Kapitel umrissen werden soll, ist jedoch während Biermanns gesamtem Werk gleich geblieben.

Das charakteristische an Biermanns Lyrik ist das Verhältnis von Politischem und Privatem. In seinen Gedichten bilden diese beiden Dimensionen keinen Widerspruch. Im Gegenteil, politische und private Erfahrungen bedingen sich gegenseitig und bilden eine Einheit. Für Biermann ist diese Verbindung eine unerlässliche Voraussetzung für ein politisches Gedicht. Er ist sogar der Überzeugung, dass gerade die private Seite im politischen Gedicht notwendig ist, um es für den Leser interessant zu machen. Biermann schreibt schon 1978 in seinem ersten nach der Ausbürgerung in der BRD veröffentlichten Gedichtband über die Voraussetzungen für ein gutes politisches Gedicht: „Da, wo sich der Familienkram überschneidet mit der Geschichte der Klasse, ist der Punkt, wo ein Lied versteckt ist, das vielleicht auch andere brauchen.“[17] Diese Überzeugung erinnert stark an Biermanns eigene Situation: Für ihn bedeutet z. B. der Kommunismus nicht nur eine politische Hoffnung in der Geschichte seiner Klasse, er überschneidet sich mit seinem Familienkram und bietet ihm so ein zentrales Thema für zahlreiche politische Gedichte. In den Düsseldorfer Vorlesungen beschreibt er den Zusammenhang von Privatem und Politik in seinen Gedichten näher.

Zur Erläuterung führt Biermann Platons Höhlengleichnis an. Die Frage, ob der Mensch mit Hilfe seiner Sinne und seines Gehirns in der Lage ist, die Welt zu erkennen, liegt dem Höhlengleichnis zugrunde. Platon geht davon aus, dass der Mensch nicht wahrnehmen kann, was wirklich ist und dass es nicht möglich ist, die Dinge zu erkennen bzw. zu durchschauen. Das bedeutet, dass der Mensch kein objektives Bild von der Wirklichkeit erlangen kann. Im Gleichnis sitzen die Betrachter in einer Höhle, mit dem Rücken zum Eingang und sehen das, was sich außerhalb der Höhle und hinter ihren Rücken ereignet nur als Schatten auf der Höhlenwand. Die Wirklichkeit wird nur als Projektion, als subjektive Wahrnehmung erkannt.

Ähnlich sieht Biermann in seiner Poetik die Entstehung und Wirkungsweise von politischen Gedichten. Es geht ihm nicht um eine objektive Darstellung der Wirklichkeit und nicht darum, dem Leser die wirkliche Welt zu erklären. Die notwendige Voraussetzung für ein Gedicht sieht er im durch die Wahrnehmung des Dichters subjektiv gefärbten Bild der Realität. Nicht die Welt in ihrer realen Erscheinung ist Gegenstand des politischen Gedichts, sondern die Eindrücke, die sie in den Gedanken und in der Vorstellung des Dichters erzeugt. Biermann spricht in diesem Zusammenhang vom Gemüt des Dichters und setzt dieses mit der platonschen Höhle gleich: „Im Lied, im Gedicht will ich gern sehn, welche Schatten die wirkliche Welt in der Steinhöhle des Gemüts eines Dichters wirft. Ob gereimt oder in freien Rhythmen, ob romantisch oder klassisch, ob Lehr- oder Gelegenheitsgedicht, ich will den flüchtigen Höhlenwandschatten vom Dichter fixiert haben, damit ich vergleichen kann mit den diversen Schatten in meiner eigenen Gemütshöhle. Denn das ist so wahr wie peinlich: Am Ende interessiere ich mich am meisten für mich selber. Ich will am Gedicht eines anderen Menschen sehen, welche Wirkungen die Welt, in der ich auch lebe, auf seinen Gefühlshaushalt und Denkapparat hat.“[18] Hier fasst Biermann bereits die wichtigsten Merkmale seiner Ästhetik zusammen: Das Politische und das Private werden bereits dadurch in Übereinstimmung gebracht, dass das politische Ereignis nicht in seiner objektiven Realität Thema des Gedichts ist, sondern die subjektive Wahrnehmung eines Ereignisses, die natürlich sehr stark von persönlichen und privaten Erfahrungen, Standpunkten und Empfindungen bestimmt ist. Auf diese Weise funktioniert auch die Wirkung des Gedichts auf den Leser. Das subjektiv geprägte Bild der Wirklichkeit, das der Dichter vermittelt, trifft auf die ebenfalls von persönlichen Erfahrungen geprägte Wahrnehmung der gleichen Wirklichkeit beim Leser. Dadurch wirkt das politische Gedicht auf den Leser, der sein Bild von der Wirklichkeit mit dem im Gedicht vermittelten Bild vergleicht. Durch diesen Vergleich wird beim Leser im Idealfall die Reflexion über ein Thema erzeugt, er kann sich mit dem Bild im Gedicht identifizieren oder sich davon distanzieren, er kann durch den Vergleich neue Erkenntnisse erlangen bzw. seinen Standpunkt überdenken.

Die Verbindung von Privatem und Politischem ist auch in der Betrachtungsweise präsent. Wenn Biermann vom Gemüt des Dichters spricht, in dem die Schatten der Wirklichkeit entstehen, meint er nicht nur die emotionale Seite des Gemüts, sondern auch das rationale Denken. Also ist beim persönlichen Bild der Wirklichkeit das rationale Nachdenken über die Politik ebenso wichtig wie die emotionale Empfindung, die durch die Politik ausgelöst wird: Biermann verwendet nicht den Gemütsbegriff der Romantik, der sich auf die Gefühlsebene beschränkt, sondern den Begriff, wie er bis in die Klassik gebraucht wird. Das Gemüt umfasst alle geistigen Fähigkeiten des Menschen, das Denken ebenso wie das Empfinden: „Und darum ist das Gemüt, von dem ich hier rede, wo Kopf und Herz noch eins sind oder wieder ein Ganzes wurden.“[19]

Die Verbindung von Privatem und Politischem, wie Biermann sie in seinen Gedichten praktiziert, wirft die Frage nach dem Verhältnis von lyrischem und realem Ich auf. Kann man das lyrische Ich mit dem realen Ich Biermanns gleichsetzen? Biermanns Lyrik ist sehr stark an seine Biographie gebunden. Wie bereits erwähnt behandelte er während seiner DDR-Jahre fast ausschließlich seine Situation im realexistierenden Sozialismus als Thema seiner Lieder und Gedichte. Wichtige Stationen in seiner Biographie wie das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED, seine Überwachung durch das Ministerium für Staatssicherheit und die Ausbürgerung werden in den Gedichten konkret angesprochen. Diese Tatsache legt die Vermutung nahe, dass das lyrische Ich mit dem realen Ich des Autors gleich zu setzen ist. Andererseits wird durch die Vermittlung durch das lyrische Werk von der Wirklichkeit abstrahiert, die im Gedicht reflektierte Wirklichkeit enthält nur ein Abbild der realen Person Biermanns. Ähnlich wie bei Ereignissen, die auf den Dichter wirken, wird die Person Biermann nur durch das lyrische Bild, also der im lyrischen Ich projizierten subjektiven Wahrnehmung des realen Ich transportiert. So wie die im Gedicht vermittelte Wirklichkeit nicht mit der objektiven Realität identisch ist, kann auch das lyrische Ich nicht mit der realen Person gleichgesetzt werden. Sowohl die Realität als auch der Autor Biermann sind im Gedicht zu erkennen, allerdings beides nur als künstlerisches Bild der Wirklichkeit. Eine Gleichsetzung von lyrischem und konkretem Ich ist deshalb nicht möglich, die Texte müssen jedoch trotzdem in direktem Zusammenhang mit Biermanns Biographie interpretiert werden, da sie seine subjektiven Eindrücke der Wirklichkeit vermitteln: „[...] die reale Welt ist schon präsent im Gedicht, aber der Dichter eben zuallererst. Und deshalb ist das Ich des dichtenden Subjekts im lyrischen Gedicht immer beides: Es ist ein Kunst-Ich, und ist zugleich auch das konkrete Ich-Ich dieses einen bestimmten Dichters und Sängers.“[20]

Da in Biermanns Sichtweise im politischen Gedicht der Dichter zuallererst präsent sein muss, geht er davon aus, dass es für einen politischen Dichter unerlässlich ist, eine außergewöhnliche Biographie vorweisen zu können bzw. in einem besonderen Konflikt mit der Wirklichkeit zu stehen, da ihm dies erst den Stoff für seine Gedichte liefere. Die Betonung des Privaten und des eigenen Ich muss stets einen Bezug zur Öffentlichkeit haben. Das bedeutet, dass das Gleichgewicht zwischen Politik und Privatem gewahrt bleiben muss, ein Gedicht darf nicht zu sehr zum Privaten tendieren. Jay Rosellini merkt dazu an: „Die ausschließlich privaten Freuden und Leiden seien höchstens im Familien- und Freundeskreis von Interesse. Die Subjektivität müsse auch eine gesellschaftliche Dimension besitzen – und umgekehrt.“[21] Im Fall Biermann ist eindeutig eine solche außergewöhnliche Biographie die Motivation für sein Schreiben, seine Rolle in der DDR bot ihm reichlich Stoff für Lieder und Gedichte. Seine Ästhetik konnte sich in der DDR, in der aufgrund der gegen ihn verhängten staatlichen Repressionen sein Leben und Schreiben unmittelbar mit der Politik verbunden war, nur bestätigen und entfalten. Das Berufsverbot, die Überwachung und letzten Endes die Ausbürgerung waren Folgen seiner politischen Opposition, seine Standpunkte wurden in einer Gesellschaft wahrgenommen, in der keine Meinungsfreiheit herrschte und die oppositionelle Tendenzen konsequent unterdrückte. Die außergewöhnliche Wirkung, die er mit seinen Liedern und Gedichten in der DDR erreichte, ist für sein Werk in zweierlei Hinsicht von großer Bedeutung. Auf der einen Seite ist sie mit ein Grund dafür, dass er Privatleben und Politik als Einheit sieht und diese beiden Seiten in seiner Poetik als untrennbares Ganzes betrachtet. Schließlich bestätigt seine Situation in der DDR, in der die Politik sein Privatleben bedeutend beeinflusste, diese poetische Haltung. Andererseits erzeugte seine Wirkung die Vorstellung, mit politischer Literatur maßgeblich die Entwicklung einer Gesellschaft beeinflussen zu können. Er sah seine literarische Produktion als Beitrag zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft, und die heftige Reaktion des kritisierten Staates konnte er in seiner Situation nur als Bestätigung der politischen Tragweite seiner Gedichte verstehen. Diese Umstände muss man im Gedächtnis behalten, da sich für Biermann in der Bundesrepublik nicht nur sein politisches Umfeld, sondern auch die künstlerischen Voraussetzungen und die Wirkung seines Schreibens maßgeblich veränderten.

Anhand der in diesem Kapitel dargelegten politischen, biographischen und literarischen Grundlagen kann nun Biermanns in der Bundesrepublik Deutschland entstandenes Werk ab 1980 untersucht werden. Dabei wird es immer wieder notwendig sein, auf seine Biographie, seine Entwicklung in der DDR und auf seine Poetik zurück zu greifen, um die Veränderung seiner Positionen im Gesamtkontext seines Werkes zu verstehen.

2.4 Zwischen DDR und BRD: Erste Orientierungsversuche nach der Ausbürgerung

Biermanns erste Jahre in der Bundesrepublik müssen als Übergangsphase und als Beginn einer Neuorientierung verstanden werden. Auf seinem Kölner Konzert im November 1976 ist er als DDR-Bürger aufgetreten, hat trotz seiner Kritik keinen Zweifel daran gelassen, dass er die DDR für den besseren Teil Deutschlands hielt und dass er nicht die Absicht hatte, sein Land zu verlassen. Kurz nach dem Konzert wurde ihm die Staatsbürgerschaft der DDR aberkannt. Biermann war innerhalb weniger Tage Bürger der Bundesrepublik Deutschland geworden. Nach seiner Überzeugung und in seinem politischen Denken fühlte er sich jedoch weiterhin der DDR zugehörig, er lehnte es zunächst ab, in der Bundesrepublik zu bleiben und hoffte auf eine Rückkehr in die DDR. In seinem kommunistischen Denken konnte er sich keine Zukunft in der bürgerlichen Gesellschaft vorstellen, da er sein politisches Betätigungsfeld darin sah, sich in einem sozialistischen Staat für die in seinem Sinne positive Entwicklung des Sozialismus einzusetzen. In einer kapitalistischen Gesellschaft sah er sich der Grundlage seines politischen Engagements beraubt: „Ich sehe große Möglichkeiten für mich, hier in der Bundesrepublik tätig zu sein. und zwar in einem einzigen Sinne und mit einem einzigen Ziel: nämlich wieder in die DDR zurückzukommen. Ich habe nicht die Absicht, mich als sogenannte Bereicherung des westdeutschen Kulturlebens in den wie auch immer verwelkten oder blühenden Strauß westdeutscher Kultur einbinden zu lassen... Ich bin 40 Jahre alt geworden und habe die Hoffnung, dass ich mich noch entwickeln kann. In diesem Sinne komme ich mir jeden Tag wie am Anfang vor. Aber was meine Haltung als Kommunist angeht, der eine bestimmte Position im politischen Koordinationssystem der Welt einnimmt, aber auch im politischen Koordinationssystem des östlichen Teils der Welt, da wird sich wohl nichts ändern. Jedenfalls möchte ich mir und meinen Genossen das wünschen.“[22] Da sehr bald feststand, dass es für Biermann keine Rückkehr in die DDR geben würde, musste er sich zwangsläufig in die westliche Gesellschaft integrieren. Wenn er einerseits von der Fähigkeit spricht, sich zu entwickeln und andererseits das Beharren auf seinen kommunistischen Überzeugungen in Aussicht stellt, fasst er das Problem seiner ersten Jahre in der BRD treffend zusammen. Sein Erfahrungshorizont beschränkte sich bis zu diesem Zeitpunkt weitestgehend auf die Gesellschaft der DDR. Er lehnte die westliche Gesellschaft ab, obwohl er seit über 20 Jahren nicht mehr in ihr gelebt hatte. Die politische und gesellschaftliche Realität der Bundesrepublik war ihm fremd, er musste einen neuen Anfang machen, sich in die bundesdeutsche Gesellschaft integrieren und ihr politisches System kennen lernen. In diesem Zusammenhang war es für ihn unvermeidlich, sich zu entwickeln und seinen Erfahrungshorizont zu erweitern. Dem stehen sein Festhalten am Kommunismus und die Ablehnung einer politischen Entwicklung entgegen. Eine Integration in die Gesellschaft der BRD bei gleichzeitiger politischer Unbeweglichkeit war jedoch kaum denkbar, da seine Überzeugungen untrennbar mit der DDR verbunden waren. Die Spannung zwischen der Notwendigkeit, sich zu entwickeln und der Überzeugung, an seiner kommunistischen Position nichts ändern zu wollen, prägt Biermanns Situation unmittelbar nach der Ausbürgerung.

Ein weiteres Problem war für Biermann in dieser Phase zentral: Er musste als Bürger der BRD Gedichte für ein bundesrepublikanisches Publikum schreiben. Er konnte und wollte aus dem Westen nicht mehr für die Menschen in der DDR schreiben. Im Interview mit Günter Wallraff sagte er schon vor seiner Ausbürgerung: „Wie sollte ich vom Westen aus meinen Freunden über die Mauer hinweg Ratschläge erteilen? Da käme ich in eine pharisäische Pose. Und es ist leicht, mit eines anderen Mannes Arsch durchs Feuer zu reiten.“[23] Für einen politischen Dichter ist es jedoch wichtig, die Gesellschaft zu kennen, in der er lebt und über die er schreibt. Dieses Problem stellte sich für Biermann in besonderer Weise. Denkt man an sein literarisches Vorgehen, politische Beobachtungen im Spiegel der subjektiven Wahrnehmung und mit starkem Bezug auf das eigene Ich poetisch zu verarbeiten, so erkennt man die Tragweite, die die Unkenntnis der westlichen Gesellschaft für das Werk Biermanns haben musste. Die Grundlage für ein gelungenes Gedicht war im Westen nicht gegeben, so lange er sich nicht in die gesellschaftlichen Strukturen in der Bundesrepublik eingefunden hatte. Er spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit, sich auf einen „Stoffwechsel mit dieser Gesellschaft“[24] einzulassen. Mit diesem Begriff beschreibt er die Wechselseitigkeit des Prozesses: Es ist die Voraussetzung, sich auf eine Gesellschaft einzulassen, um mit politischen Gedichten in derselben wirksam werden zu können.

Die Übergangsphase, in der sich Biermann nach seiner Ausbürgerung befand, lässt sich an seinem ersten in der Bundesrepublik veröffentlichten Gedichtband „Preußischer Ikarus“ ablesen. Hier zeigt sich, dass Biermann bei der Veröffentlichung kein DDR-Bürger mehr war, dass er aber gleichzeitig noch nicht in der westlichen Gesellschaft angekommen war. Der Band versammelt die letzten in der DDR entstandenen Gedichte und die ersten im Westen entstandenen Versuche. Die Gedichte aus Ost und West sind in zwei Abteilungen strikt voneinander getrennt, was die völlig unterschiedlichen Umstände ihres Entstehens verdeutlicht.

Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, Biermanns noch stark von den Eindrücken der Ausbürgerung geschriebene Gedichte zu analysieren, da der Schwerpunkt auf seinen ab 1980 publizierten Werken liegt. Ein kurzer Blick auf die Themen und Standpunkte, die in den im ‚Preußischen Ikarus’ veröffentlichten Schriften enthalten sind, ermöglicht jedoch einen genaueren Einblick in die späteren politischen und literarischen Veränderungen.

Ein großer Teil der ersten im Westen entstandenen Gedichte und Lieder beschäftigt sich mit Biermanns Situation im Westen, die er selbst als Exil bezeichnet. Biermann erkennt, dass dieser Begriff im Zusammenhang mit seiner Ausbürgerung nicht unbedingt passend ist, da er zwar aus seinem Staat, nicht aber aus Deutschland ausgebürgert wurde. Westdeutschland war ihm nicht fremd, schließlich hatte er bis zu seinem 17. Lebensjahr in Hamburg gelebt. In seinem Fall muss von einem politischen Exil gesprochen werden, da ihm nur das politische und gesellschaftliche System fremd waren. Biermann geht in den „Vorworten“, seinen ersten Prosaversuchen, die ebenfalls im ‚Preußischen Ikarus’ veröffentlicht sind, auf die beiden Seiten seines Exils ein: „Hamburg. Ja, ich bin wieder zu Hause hier in der Fremde. Und Böll hat es auf den Punkt gebracht: Jetzt bist du ein in-die-Heimat-Vertriebener.“[25]

Mit dieser zentralen Problematik beschäftigt sich auch eines der bekanntesten Lieder aus dieser Zeit, das „Deutsche Miserere“. In diesem Lied, das in der BRD bei seiner Veröffentlichung viel Kritik erntete, vergleicht Biermann die beiden Teile Deutschlands. Es ist jedoch nicht nur ein nüchterner Vergleich der beiden Staaten, insbesondere ist es von Wut und einer gewissen Orientierungslosigkeit geprägt:

Hier fallen sie auf den Rücken

Dort kriechen sie auf dem Bauche

Und ich bin gekommen

Ach kommen bin ich

Vom Regen in die Jauche[26]

Hier wird die zunächst ablehnende Haltung gegenüber der westlichen Gesellschaft deutlich. Mit dem Vergleich, vom Regen in die Jauche gekommen zu sein, drückt Biermann die Überzeugung aus, in der DDR in einem Staat gelebt zu haben, der trotz aller Schwächen für ihn der bessere deutsche Staat blieb. Die Bezeichnung Jauche für die westliche Gesellschaft lässt nur Ablehnung und eine durchweg negative Bewertung der Bundesrepublik erkennen. An dieser Tatsache entzündete sich auch die heftige Kritik an Biermann, die in erster Linie von der konservativen Presse geübt wurde: „Wie steht es also mit dem ‚Exil’ des Mannes Biermann, der zwar eine widernatürliche Grenze überschritt, aber trotzdem im eigenen Land blieb? Kann hier von Exil überhaupt die Rede sein? Selbstverständlich nicht. Jedoch, wenn der Barde ausdrücklich und leidenschaftlich darauf beharrt, im Exil zu sein, dann müsste er sich an die Regeln von Höflichkeit und Anstand halten, die man einem Gastland schuldig ist. Welcher ausgebürgerte Dissident aus dem Bereich des sowjetischen Imperiums beschimpfte je sein Gastland in der groben Weise, die Biermann sich öffentlich leistet?“[27]

Wenn man jedoch die Strophen des Liedes näher betrachtet, fällt der Vergleich zwischen DDR und BRD gar nicht so positiv für die DDR aus, wie es die Zeilen des Refrains erwarten lassen. Es findet viel eher eine qualitative Gleichstellung beider Staaten statt, die zwar die unterschiedlichen Voraussetzungen des sozialistischen und des kapitalistischen Systems betont, die aber letztendlich die Realität in beiden Teilen Deutschlands gleichermaßen negativ bewertet:

Und im Westen die Zeitungsschreiber

sie lügen, frech wie sie wolln

Aber ihre Kollegen im Osten

Sie lügen korrekt, wie sie solln

Und Kernkraftwerke in Sachsen

Und Kernkraftwerke am Rhein

Und hüben und drüben heucheln sie

Das soll für den Fortschritt sein[28]

In allen Strophen des Liedes stellt Biermann solche Vergleiche an, die den Eindruck vermitteln, es mache keinen wirklichen Unterschied, in welchem Staat man lebe, da sich die Verhältnisse letzten Endes ähnelten. Dies steht jedoch im Widerspruch zum drastischen Vergleich von Regen und Jauche im Refrain, und es stimmt auch nicht mit der Absicht Biermanns, in die DDR zurückzukehren, überein. Der Sinn der Vergleiche kann also nicht sein, die offensichtlichen Unterschiede zwischen DDR und Bundesrepublik zu leugnen. Sie sind vielmehr ein Ausdruck für die Schwierigkeiten, sich nach der Ausbürgerung politisch zu orientieren. Das Verhältnis zur DDR musste durch die Ausbürgerung zwangsläufig negativ beeinflusst werden, und die Bundesrepublik bot für den Kommunisten Biermann ebenfalls keine politische Heimat. Deshalb enthält das ‚Deutsche Miserere“ neben dem „Rundumschlag gegen die beiden deutschen Staaten“ auch „gesamtdeutsche Hoffnungen“.[29]

Die politischen Ideale Biermanns hatten sich nicht geändert, die kommunistische Überzeugung war zu diesem Zeitpunkt ungebrochen. In der Bundesrepublik hatten sich jedoch die Voraussetzungen für seine Arbeit verändert, die neue Situation musste Biermann dazu bringen, seine Standpunkte zu überdenken. Er konnte seine politischen Hoffnungen nicht mehr auf die DDR projizieren, seit er nicht mehr in diesem Staat leben und arbeiten konnte. Für den Kommunisten Biermann war es jedoch unrealistisch, sich ausschließlich auf die Bundesrepublik zu konzentrieren. Diese Situation und die Unzufriedenheit mit beiden deutschen Staaten eröffnen im ‚deutschen Miserere’ eine neue Perspektive: Biermann hofft darauf, dass sich die politischen Verhältnisse in einem wiedervereinigten Deutschland in seinem Sinne, also unter sozialistischen Vorzeichen, verändern:

Das wird sich noch alles ändern!

Das bleibt nicht so, wie es ist:

Die Mauer wird fallen, und fallen

Wird manch einer auf den Mist

Der Weltgeschichte: da drüben

Die Bonzen – die Bosse hier!

Sie werden fluchen und flennen

aber lachen werden mal wir[30]

Die Hoffnung auf ein sozialistisches Deutschland wirkt im Kontext des Gedichts utopisch, sie hebt sich jedoch von der pessimistischen Sicht der Realität ab und bietet Biermann den Anlass, weiter Gedichte zu schreiben und sich politisch zu betätigen. Auch in seinen DDR-Schriften ist die utopische Hoffnung auf einen demokratischen Sozialismus allgegenwärtig und stellt die Motivation für das Schreiben dar. Das ‚deutsche Miserere’ zeigt, dass Biermanns noch in der DDR geäußerte Befürchtung, ein Leben im Westen könnte das Ende seiner schriftstellerischen Arbeit bedeuten, nicht zutreffend war. Das Lied macht deutlich, dass er sich weiterhin für seine kommunistischen Vorstellungen einsetzen wollte. Der Weg, den Biermann damit einschlug, wiedersprach den Erwartungen der bürgerlichen Kritik, die sich einen DDR-Dissidenten erhoffte, der seine Kritik auf den Osten Deutschlands konzentrierte und den Status Quo der westlichen Gesellschaft akzeptierte. Diese Haltung wird in der oben zitierten Kritik aus der ‚Welt’ deutlich.

In den Gedichten des ‚Preußischen Ikarus’ wird jedoch neben der Absicht, unter veränderten Bedingungen weiterhin das Engagement für den Sozialismus fortzusetzen, ein zentrales Problem Biermanns in der Bundesrepublik deutlich. In der DDR fiel die politische Orientierung leicht, Biermann gehörte zur Opposition gegen die Monopolherrschaft der SED. In der Bundesrepublik, in der es eine größere Vielfalt an linken Gruppierungen gab und in der ein differenzierter öffentlicher Meinungsstreit herrschte, gab es keine homogene Gruppe, zu der er sich zugehörig fühlen konnte. Auch war es nicht möglich, sich mit Gedichten gegen einen deutlich umrissenen Gegner zu richten. Biermann war klar, dass er nun zwangsläufig ein westdeutscher Linker sein würde: „Ob sie mir gefallen oder nicht – ich bin nun ein Linker in der BRD.“[31] Diesen westdeutschen Linken stand Biermann jedoch sehr kritisch gegenüber: Er versucht im ‚Preußischen Ikarus’, sich gegenüber der westdeutschen Linken zu positionieren. In den Vorworten und in vielen Gedichten wird sie direkt angesprochen, und obwohl Biermann seine Zugehörigkeit selbst betont, schreibt er wie ein außenstehender, sehr kritischer Beobachter:

Ach an den Leiden aus zweiter Hand

Wie ihr euch daran labt

Ihr schmückt euch mit den Wunden

Die ihr ja gar nicht habt

Helft euch man ersteinmal selber

Und seid euch selber gut

Dann kriegt ihr endlich auch echte

Verzweiflung und echten Mut.[32]

Biermann kritisiert die bundesdeutschen Linken als nicht ‚echt’ und wirft ihnen vor, nicht wirklich unter den gesellschaftlichen Problemen zu leiden, gegen die sie aufbegehren. Im Gedicht „Wenn die ungezogenen Bürgerkinder“ spricht er davon, dass sie in den „Uni-Hallen“ die „Arbeiterfaust ballen.“[33] Die Arbeiterfaust im Zusammenhang mit der Universität verdeutlicht Biermanns Kritik: Er wirft ihnen vor, dass sie sich für etwas einsetzen, wozu sie keine reale Verbindung haben. Die Bezeichnung ‚Bürgerkinder’ soll auf die bürgerliche Herkunft vieler westdeutscher Linker hinweisen. Dadurch grenzt sich Biermann jedoch bewusst ab, da er sich auf eine proletarische Familiengeschichte berufen kann. Diese Kritik muss man zwar durchaus als selbstgerechte Berufung auf die eigenen kommunistischen Traditionen verstehen, da Biermann den in der linken Bewegung der Bundesrepublik verbreiteten Abnabelungsprozess der jungen Generation von der großteils in die NS-Verbrechen involvierten Elterngeneration übersieht bzw. mit dem Begriff ‚Bürgerkinder’ ironisch in Frage stellt. Diese Haltung ist jedoch von zentraler Bedeutung bei den Versuchen in den ersten Jahren in der BRD, sich politisch zu positionieren. Er grenzt sich von seinem Publikum ab, obwohl er weiß, dass er seine Lieder und Gedichte an die westdeutsche Linke richten muss und nicht mehr für ein Publikum in der DDR schreiben kann.

Neben der Abgrenzung sind jedoch auch Versuche der Annäherung in den Gedichten zu finden. In dem Gedicht „Streikposten vor Eurokai“ beschreibt Biermann einen Streik. In diesem Gedicht nimmt er jedoch nicht die Rolle des kritischen Beobachters ein, sondern demonstriert Zugehörigkeit und Solidarität: „So war das vier Tage vor Euro-Kai / an uns kam keiner vorbei“ Der Versuch wirkt jedoch wenig überzeugend, er sucht „Nestwärme bei streikenden Hafenarbeitern“,[34] erreicht dabei aber eher ein für seine Verhältnisse stark von revolutionärer Romantik geprägtes Gedicht. Das Gedicht dokumentiert die Suche des Dichters nach einer Gruppierung, der er sich zugehörig fühlen kann und für deren Belange er sich mit seinen Gedichten und Liedern engagieren kann. Dieser Zwiespalt zwischen der Annährung einerseits und der demonstrativen Abgrenzung von linken Gruppierungen der Bundesrepublik andererseits ist im ‚Preußischen Ikarus’ allgegenwärtig und wird das gesamte spätere Werk begleiten.

Jay Rosellini bezeichnet die ersten Jahre im Westen zu Recht als „Aufenthalt im kulturellen Durchgangslager.“[35] Biermann hatte sich noch nicht in der westlichen Gesellschaft orientiert, er war auf der Suche nach politischer Zugehörigkeit und beschäftigte sich literarisch stark mit seiner Situation nach der Ausbürgerung. Erste Versuche, für ein neues Publikum zu schreiben und sich literarisch gesellschaftlichen Problemen in der BRD anzunehmen, sind entweder von einer wenig überzeugenden Demonstration der Zugehörigkeit oder von bewussten Abgrenzungsversuchen gegenüber seinem Publikum geprägt. Biermanns Standpunkte in den frühen westdeutschen Gedichten zeigen, dass es ihm bis dahin nicht gelungen ist, sich in den „Stoffwechsel“ mit der westlichen Gesellschaft einzulassen.

3. Die Ankunft in der westlichen Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus

Dies änderte sich mit dem zweiten Gedichtband, den Wolf Biermann in der Bundesrepublik veröffentlichte. Nach der großen öffentlichen Aufmerksamkeit, die um seine Person nach der Ausbürgerung entstanden war, zog sich Biermann ab 1980 für zwei Jahre aus der Öffentlichkeit zurück. Die Gedichte und Lieder, die in dieser Zeit entstanden sind, publizierte er in dem Band „Verdrehte Welt – Das seh’ ich gerne“ im Jahr 1982.[36] Schon der Titel der Sammlung lässt ahnen, dass sich in den zwei Jahren des Entstehens einiges an Biermanns Standpunkten geändert hat.

Das Buch enthält neben den Gedichten auch einige Prosatexte, die als Kommentare zu politischen Ereignissen und sehr persönlichen Erlebnissen die in den Gedichten ausgedrückte Wandlung unterstreichen. Die Texte sind in vier Kapitel unterteilt, die die einzelnen Themenschwerpunkte zusammenfassen: Das Kapitel „Von den Menschen“ enthält neben sehr privaten Gedichten Überlegungen über die menschliche Natur und das menschliche Zusammenleben. Es ist eines der wichtigsten Kapitel, da sich darin ein neues Verständnis von Politik und eine für Biermann bis dahin untypische Art des politischen Gedichts manifestieren. Das Kapitel „Im Tagesdreck“ hebt sich davon mit den explizit auf tagespolitische Themen bezogenen Gedichten ab. Die häufig polemischen Gedichte, die z. B. im Kontext der Bundestagswahl 1980 entstanden sind, werde ich in dieser Arbeit nicht berücksichtigen, da sie für die Wandlung in Biermanns Werk nicht von großer Bedeutung sind. Ähnlich verhält es sich mit dem Kapitel „A Paris“, das neben Eindrücken von Biermanns Aufenthalten in Paris insbesondere die Wahl von Francois Mitterrand zum französischen Präsidenten zum Thema hat. Das Kapitel „Gott in Polen“ enthält die für Biermanns Entwicklung im Westen in den 80er Jahren wahrscheinlich wichtigsten Gedichte. Darin setzt er sich im Zusammenhang mit der Niederschlagung des Arbeiterstreiks der polnischen Gewerkschaft Solidarität mit dem Kommunismus und insbesondere mit den kommunistischen Parteien sowjetischer Prägung auseinander. Die Kapitel „von den Menschen“ und „Gott in Polen“ werde ich deshalb im Zusammenhang mit den Wandlungen in Biermanns Werk näher analysieren.

3.1 Das neue Politikverständnis

Biermanns neue Gedichte unterscheiden sich radikal von seiner Produktion in der DDR und auch von seinen ersten Versuchen in der Bundesrepublik. Nach seiner zweijährigen schöpferischen Pause gestand Biermann ein, vorher die westliche Gesellschaft zu wenig gekannt zu haben, um gute politische Gedichte schreiben zu können. Er räumte in einem Interview Vorurteile ein und distanzierte sich von einigen seiner ersten Versuche in der BRD: „Als ich rüberkam, kannte ich ja den Westen ausgezeichnet. Ich war ja gut informiert, und deshalb kam ich mir auch so schlau vor, musste dann aber immer mehr sehen, dass ich noch sehr wenig wusste, viel zu wenig, um lebendige gute Lieder schreiben zu können. Denn um etwas schreiben zu können, dass die Leute gebrauchen können, die hier in diesem Land leben und die ihr Land natürlich besser kennen, da musste man schon mehr wissen, und es war kein Zufall, dass ich am Anfang ja fast von oben herab, oder von daneben, meine marxistischen Kommentare zum Problem des Terrorismus lieferte, und erst auf meiner neuen Platte (Wir müssen vor Hoffnung verrückt sein) wieder ‚ich’ sagen kann.“[37]

Biermann beschreibt hier das Problem, dass er in den Gedichten des „Preußischen Ikarus“ (s. Kapitel 2.4) noch in den politischen Kategorien dachte, die sein Leben und Denken in der DDR bestimmt hatten, d. h. dass er als Kommunist keinen Platz für sich in der bürgerlichen Gesellschaft sah und diese unter marxistischen Vorzeichen bewertete. Das Ziel seiner politischen Gedanken war die Entstehung einer sozialistischen Gesellschaft, und er bewertete gesellschaftliche Vorgänge immer unter dieser Voraussetzung. Durch die ideologische Prägung erhielten seine Gedichte eine Eindeutigkeit in ihrer politischen Absicht, die den Problemen in ihrer Komplexität nicht gerecht werden konnte.

Es ist eine der wichtigsten Veränderungen, die in den Gedichten aus ‚Verdrehte Welt’ deutlich werden, dass diese Eindeutigkeit nicht mehr festzustellen ist.

Wenn man sich Biermanns poetische Vorstellung ins Gedächtnis ruft, nur politische Gedichte über Dinge schreiben zu können, die ihn selbst betreffen, so erkennt man die Bedeutung, die es für seine neuen Gedichte hatte, wieder ‚ich’ sagen zu können. Sie mussten sich dadurch zwangsläufig von den früheren unterscheiden. In der Bundesrepublik hatte die Politik keinen so starken Einfluss auf den Alltag wie in der DDR, da es keine Zensur und keine Überwachung mehr gab und Biermann nicht mehr die eindeutige Rolle des Oppositionellen spielte. Seine Gedichte wurden in dieser Zeit deutlich privater, befassten sich eher mit persönlichen und alltäglichen Themen. Das Kapitel ‚Von den Menschen’, in dem diese privaten Gedichte versammelt sind, enthält keinerlei direkte Kommentare zum politischen Tagesgeschehen und die Gedichte verfolgen kein eindeutiges Ziel mehr.

Das Gegenteil ist der Fall: Die Gedichte sind von dialektischem Denken geprägt. Das Denken in Widersprüchen dient nicht mehr dazu, zu einem vorbestimmten Ziel zu führen. Es geht Biermann darum, durch das widersprüchliche Denken die Wirklichkeit in ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität zu begreifen. Für den Leser bieten die Verse keine vorgefertigten Lösungen der Probleme, sie erzeugen eine produktive Verunsicherung, verdeutlichen Zusammenhänge und lassen Raum für eigene Überlegungen und Schlussfolgerungen.

Das Denken in Widersprüchen ist am konsequentesten im Gedicht „Von den Menschen“[38] umgesetzt. Hier denkt Biermann über die widersprüchliche Natur des Menschen nach. Die Eindeutigkeit und die Kraft der Überzeugung, die er früher aus der Ideologie bezog, sind in diesem Gedicht völlig verschwunden. Die Abwendung von vorgefertigten Lösungen nimmt die Sicherheit und macht die Besinnung auf das eigene Wesen und auf die allgemeine menschliche Natur notwendig:

Krieg raus, wer du bist!

Und schnüffel nicht Gott hinterher!

Denn das was die Menschheit ist

Begreifst du am besten an dir[39]

Die Besinnung auf sich selbst hat zunächst die totale Verunsicherung zur Folge. Der Mensch in seinen Wiedersprüchen wirkt unentschlossen, seine Überzeugungen und sein Wissen werden wertlos. Das zielstrebige Verfolgen einer Überzeugung wird zum Taumeln, zur unsicheren Suche:

Ich taumel, wie du, auf dem schmalen Grat

Bin ganz – und vom Zweifel zerrissen

Denn wo wir glänzen, da sind wir fad

Sind albern in all unserm Wissen[40]

Das Bewusstsein der menschlichen Unzulänglichkeit führt Biermann zu der Überzeugung, dass nur die Veränderung des einzelnen Menschen Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben, also auch auf die Politik, haben kann. Die Abwendung von ideologischen Überzeugungen verlagert die Politik auf das menschliche Verhalten. Die Menschen sind gegen Naturgewalten besser gewappnet als gegen sich selbst, Gefahren und damit auch die mögliche Abwendung derselben gehen nur von den Menschen selbst aus:

- Der Mensch tappt rum im Erdenrund

Ist Herr über alle Dinge hier

(und vorzüglich in der Meute)

Gewappnet gegen Gott und Tier

Nur seinesgleichen ist der Mensch so leichte Beute[41]

Welche Folgen hatte das Wegfallen eines eindeutigen Ziels auf Biermanns politische Vorstellungen? Anfang der 80er Jahre war die potentielle atomare Bedrohung allgegenwärtig, in der Bundesrepublik formierte sich eine Friedensbewegung. Außerdem drang die Gefahr der Zerstörung der Umwelt stärker ins Bewusstsein der Menschen, die Ökologiebewegung fand mit der Gründung der Grünen ihren Ausdruck. Diese Probleme beeinflussten auch Wolf Biermann in seinem Denken und boten neue Perspektiven für seine Dichtung. Apokalyptische Vorstellungen vom Untergang der Menschheit spiegeln sich in seinen Äußerungen aus dieser Zeit. Das Denken in Widersprüchen bestimmt jedoch auch diese Thematik. Der Titel der Platte ‚Wir müssen vor Hoffnung verrückt sein’ drückt die Haltung aus, die Biermann angesichts der Bedrohung der Menschheit einnimmt. Das Bewusstsein der Bedrohung steht neben der Hoffnung auf Veränderung. Dabei handelt es sich um eine Hoffnung, die rational nicht zu begründen ist, die aber trotz des Mangels an vernünftigen Gründen besteht, weshalb Biermann sie als verrückt bezeichnet: „Ja, ich bin verrückt. Ich hoffe, ich bin genügend radikal verrückt, und ich bin voller Hoffnung. Wenn ich hoffe so verzweifelt voller Hoffnung, wie es wohl nötig ist, wenn wir noch irgendwie rauskommen wollen aus dem Zug, in dem wir alle sitzen. Der Zug, der in die Selbstvernichtung der Menschheit führt und der scheinbar nur eine Weiche vor sich hat, wo er so oder so fahren kann: nämlich dass wir uns durch den Krieg selbst vernichten oder durch den Frieden. Diesen Frieden, der in einem Chaos von Hunger und Elend enden wird, auf einer Erde, die ein unbewohnbarer Müllberg geworden ist. Es scheint so, als ob wir keine Chance mehr haben, und wenn wir überhaupt noch in eine menschlichere Menschheit uns verwandeln können dann nur durch solche Menschen, die in diesem guten Sinne verrückt sind, in diesem guten Sinne voller Hoffnung. [...] Nur mit dem Mut der radikalen Verzweiflung werden wir die Kraft finden, das Verrückte zu schaffen, nämlich uns selbst am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, in dem wir versinken werden.“[42]

Die Begriffe Hoffnung und Verzweiflung bestimmen Biermanns politisches Denken Anfang der 80er Jahre. Die Verzweiflung erzeugt keine Resignation, sie soll produktiv sein und den Antrieb zum politischen Handeln darstellen. Neben dieser dialektischen Überzeugung, die sich häufig in den Gedichten und Liedern aus dieser Zeit findet, kann man an dieser Äußerung Biermanns eine weitere zentrale Veränderung in seinem Denken ablesen: Seine Hoffnung begründet sich nicht mehr auf eine Ideologie, sondern auf den einzelnen Menschen, der durch sein Handeln Einfluss ausüben kann. Die Politik wird nicht mehr als die Politik von Parteien, Regierungen und Organisationen verstanden. Biermanns neues Politikverständnis beruht auf dem Umgang der Menschen miteinander. Die Politik soll vom Handeln einzelner Menschen beeinflusst werden, wie es im Gedicht ‚Von den Menschen’ bereits angedeutet ist. Diese Sichtweise ist ein weiterer Grund dafür, dass die Gedichte in dieser Zeit privater werden. Die Besinnung auf das Private bedeutet jedoch keinen Rückzug aus der Politik, die Gedichte haben im Kontext von Biermanns neuem Verständnis eine politische Dimension, die sich im alltäglichen Handeln der Menschen bewegt.

Die Politik ist nicht mehr abstrakt und nicht mehr auf Theorien begründet, auch die Menschheit wird nicht als abstraktes Ganzes verstanden. Die Gedichte handeln von Einzelschicksalen, anhand derer größere politische und historische Zusammenhänge erkennbar werden. Biermann verwirklicht seine poetischen Vorstellungen in diesen Gedichten konsequent, die große Politik wird durch sehr subjektive Erlebnisse und Eindrücke begreifbar, das lyrische Ich steht im Mittelpunkt.

Am deutlichsten wird diese neue Haltung im „Willkommenslied für Marie“.[43] Es ist eins der sehr privaten Lieder, ein Willkommenslied für Biermanns Tochter Marie. Trotz des sehr privaten Anlasses sind die politischen Probleme, die ihn zu dieser Zeit beschäftigten, allgegenwärtig. Dies kommt bereits in der ersten Strophe zum Ausdruck: Die Hoffnung, die die Geburt eines Kindes bedeutet, wird mit der Situation der Welt kontrastiert. Es ist die Hoffnung, die keine vernünftige Begründung hat und die Biermann als verrückt bezeichnet:

[...]


[1] Interview mit Günter Wallraff im Oktober 1976. In: Roos, Peter (Hrsg.): Exil: Die Ausbürgerung Wolf

Biermanns aus der DDR; Eine Dokumentation. Köln 1977. S. 15.

[2] Zitiert nach Shreve, John: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu: Wolf Biermann im Westen. Frankfurt

am Main 1989. S.2.

[3] Ebenda, S. 3.

[4] Vgl. Ebenda.

[5] Biermann, Wolf: Bomben auf Engellant. In: Ders.: Klartexte im Getümmel: 13 Jahre im Westen; Von der Ausbürgerung bis zur November-Revolution. Hrsg. Hannes Stein. Köln 1990. S. 239.

[6] Zitiert nach Shreve, John: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu: Wolf Biermann im Westen. Frankfurt am Main 1989. S.4

[7] Ebenda, S. 5.

[8] Biermann, Wolf: Es senkt das deutsche Dunkel. In Ders.: Nachlaß 1. Köln 1977. S. 341

[9] „Die rechte Bande nimmt mich nicht mehr an die Brust.“ Interview mit Wolf Biermann. Zitiert nach: Shreve, John: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu: Wolf Biermann im Westen. Frankfurt am Main 1989. S. 10.

[10] Ebenda.

[11] Luxemburg, Rosa: Die Russische Revolution. In: Luxemburg, Rosa: Politische Schriften. Frankfurt am Main 1968. Bd. 3, S. 106 – 141.

[12] Ebenda.

[13] Zitiert nach: Shreve, John: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu: Wolf Biermann im Westen. Frankfurt am Main 1989. S.25f.

[14] Zitiert nach: Shreve, John: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu: Wolf Biermann im Westen. Frankfurt am Main 1989. S.14.

[15] Ebenda.

[16] Biermann, Wolf: Wie man Verse macht und Lieder: Eine Poetik in acht Gängen. Köln 1997.

[17] Biermann, Wolf: Preußischer Ikarus. Köln 1978. S. 110.

[18] Biermann, Wolf: Wie man Verse macht und Lieder: Eine Poetik in acht Gängen. Köln 1997. S. 39 f.

[19] Ebenda, S. 75.

[20] Ebenda, S. 75 f.

[21] Rosellini, Jay: Wolf Biermann. München 1992. S. 19.

[22] Anon.: Biermann: Brutale Deutlichkeit. In: Frankfurter Rundschau, 12.02.1977.

[23] Interview mit Günter Wallraff im Oktober 1976. In: Roos, Peter (Hrsg.): Exil: Die Ausbürgerung Wolf

Biermanns aus der DDR; Eine Dokumentation. Köln 1977. S. 15.

[24] Biermann, Wolf: Preußischer Ikarus. Köln 1978. S. 115.

[25] Ebenda, S. 110.

[26] Ebenda, S. 199ff.

[27] Zitiert nach: Shreve, John: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu: Wolf Biermann im Westen. Frankfurt am Main 1989. S. 59.

[28] Biermann, Wolf: Preußischer Ikarus. Köln 1978. S. 199ff.

[29] Shreve, John: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu: Wolf Biermann im Westen. Frankfurt am Main 1989. S. 60.

[30] Biermann, Wolf: Preußischer Ikarus. Köln 1978. S. 202.

[31] Ebenda, S. 125.

[32] Ebenda, S. 170.

[33] Ebenda, S. 163.

[34] Rosellini, Jay: Wolf Biermann. München 1992. S. 105.

[35] Ebenda, S. 123.

[36] Biermann, Wolf: Verdrehte Welt – Das seh’ ich gerne: Lieder, Balladen, Gedichte, Prosa. Köln 1982.

[37] Zitiert nach: Shreve, John: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu: Wolf Biermann im Westen. Frankfurt am Main 1989. S. 105f.

[38] Biermann, Wolf: Von den Menschen. In: Ders.: Verdrehte Welt – Das seh’ ich gerne: Lieder, Balladen, Gedichte, Prosa. Köln 1982. S. 19ff.

[39] Ebenda.

[40] Ebenda.

[41] Ebenda.

[42] Shreve, John: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu: Wolf Biermann im Westen. Frankfurt a. M. 1989. S.110.

[43] Biermann, Wolf: Willkommenslied für Marie. In: Ders.: Verdrehte Welt – Das seh’ ich gerne: Lieder, Balladen, Gedichte, Prosa. Köln 1982. S. 51ff.

Ende der Leseprobe aus 183 Seiten

Details

Titel
Wandlungen im Werk Wolf Biermanns seit 1980
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Neuere deutsche Literatur und Medien)
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
183
Katalognummer
V30557
ISBN (eBook)
9783638317955
ISBN (Buch)
9783638703345
Dateigröße
1086 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wandlungen, Werk, Wolf, Biermanns
Arbeit zitieren
Markus Busche (Autor:in), 2004, Wandlungen im Werk Wolf Biermanns seit 1980, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30557

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Wandlungen im Werk Wolf Biermanns seit 1980



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden