Straßenbenutzungsgebühren aus volkswirtschaftlicher Sicht


Bachelorarbeit, 2015

45 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Öffentliche Güter und Kostenwahrheit
2.1 Externe Kosten des Straßenverkehrs
2.2 Verursachungsgerechtigkeit

3 Ziele von Straßenbenutzungsgebühren

4 Instrumente der Gebührenerhebung
4.1 Objektgebühren
4.2 Pauschale Gebühren
4.3 Entfernungsabhängige Gebühren
4.4 Zonenmodelle
4.5 Value Pricing

5 Abschließende Vergleiche und Schlussfolgerungen
5.1 Vergleich der Instrumente
5.2 Schlussfolgerungen
5.3 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wohlfahrtsverlust durch Maut (Jakubowski / Lorenz 2008, S.528)

Abbildung 2: Externe Kosten des Straßenverkehrs in Deutschland (IW 2013, S. 5)

Abbildung 3: Saldo der wichtigsten anrechenbaren Abgaben mit den wichtigsten relevanten volkswirtschaftlichen Kosten des Straßenverkehrs in Deutschland im Jahr 2005 (UBA 2010, S. 4)

Abbildung 4: Übersicht Ziele der Mautarten

Abbildung 5: Denkbare verursachergerechte Anlastung externer Kosten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die folgende Arbeit befasst sich mit dem Thema Straßenbenutzungsgebühren. Die Bepreisung des Gutes Straße ist ein heiß diskutiertes Thema, welches im Prinzip nicht erst seit der aktuellen Debatte um eine PKW-Maut in Deutschland zur Diskussion steht, sondern schon im Mittelalter in der ein oder anderen Form Einzug hielt. Hier soll nun eine Analyse vor allem aus volkswirtschaftlicher Sicht erfolgen, die sich um Fragen der Effizienz unseres Verkehrssystems dreht.

Im weitesten Sinne geht es um Mobilität. Mobilität im Sinne von „Möglichkeiten der Erreichbarkeit von Orten zum Zwecke der Realisierung von Interessen“ (SRU 2005, S.100) ist der über allem stehende Begriff und das sogenannte „Mobility Pricing“ das allumfassende Konzept. Die Arbeit im Speziellen befasst sich jedoch vor allem mit dem Straßenverkehr, der wohl eine Grundvoraussetzung für unsere arbeitsteilige Volkswirtschaft darstellt und außerdem eine soziale und wirtschaftliche Teilhabe ermöglicht.

Zur Ermöglichung von Verkehr bedarf es einer entsprechenden Infrastruktur und wenn diese nun mit einem Preis versehen wird, spricht man von Straßenbenutzungsgebühren. Kosten-Nutzen-Analysen haben ergeben, dass Investitionen von 1 Mrd. Euro in die Straßeninfrastruktur einen etwa fünfmal so hohen Wohlfahrtsgewinn erzeugen können (Hartwig / Marner 2005, S.103). Genau um solche Fragestellungen nach den Kosten, den Nutzen, der Wohlfahrt, der Finanzierung und auch der Allokation soll es hauptsächlich in dieser Arbeit gehen.

Hierfür wird begonnen mit einem kurzen Überblick über die Straße als öffentliches Gut sowie der Betrachtung und Diskussion von externen Kosten, die im Zusammenhang mit Straßenverkehr entstehen. Diese werden in der späteren Analyse eine wichtige Rolle spielen, ebenso wie der Begriff der Verursachungsgerechtigkeit. Nachdem mögliche Ziele von Straßenbenutzungsgebühren aufgezeigt wurden, widmet sich die Arbeit dann schwerpunktmäßig der Untersuchung von den verschiedenen Instrumenten der Gebührenerhebung und inwieweit diese der Zielerreichung dienen. Hierfür lassen sich die einzelnen Instrumente sehr gut anhand von praktischen Beispielen aus Deutschland oder anderen Ländern darstellen.

Inwieweit eine Bepreisung des Gutes Straße wirklich sinnvoll ist und vor allem in welcher Ausgestaltung soll im letzten Abschnitt erläutert werden. Hierfür werden die beschriebenen Instrumente sowie die gewonnen Erkenntnisse gegenübergestellt und es werden Vergleiche angestellt, aus denen Schlussfolgerungen gezogen werden können. Die Frage, ob Straßenbenutzungsgebühren volkswirtschaftlich sinnvoll sind, steht hierbei im Mittelpunkt.

2 Öffentliche Güter und Kostenwahrheit

In der ökonomischen Theorie werden Straßen zu den sogenannten öffentlichen Gütern gezählt, d.h. Güter, die gemeinsam konsumiert werden können. Standardbeispiele hierfür sind häufig Leuchttürme oder die Landesverteidigung. Charakterisiert wird so ein öffentliches Gut dabei meist auch nach den beiden Prinzipien der Nicht-Ausschließbarkeit sowie Nicht-Rivalität im Konsum. Um die Ausschließbarkeit jedoch soll es in dieser Arbeit ja gerade gehen. Ausschließbarkeit durch Straßenbenutzungsgebühren ist technisch möglich und kann durch moderne Technik auch zu immer geringeren Kosten realisiert werden. Eine Rivalität im Konsum des Gutes Straße gibt es im Prinzip nicht, wenn man sich eine schwach ausgelastete Straße vorstellt. In der innerstädtischen Rush-Hour jedoch kann man ganz klar von einer Rivalität im Konsum ausgehen, welche sich durch die Verkehrsstaus ausdrückt.

Eine Standard-Annahme ist in Lehrbüchern häufig, dass ein weiteres Fahrzeug auf einer bestehenden staufreien Straße keine weiteren Kosten verursacht und somit das Verlangen einer Gebühr (P1) auf der entsprechenden Straße per se zu Ineffizienzen führt. Personen, die einen positiven Nutzen durch die Nutzung der Straße haben und gleichzeitig keine weiteren Kosten verursachen, würden durch die Gebühr zum Teil von der Nutzung ausgeschlossen. Hierdurch entstünde ein Wohlfahrtsverlust, exemplarisch dargestellt an der folgenden Abbildung in Form des schraffierten Bereichs. P0 steht für den optimalen Mautpreis in Höhe der Grenzkosten, welcher in diesem Beispiel gleich null ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Wohlfahrtsverlust durch Maut (Jakubowski / Lorenz 2008, S.528)

Auch wenn die verlangte Gebühr der Finanzierung eines entsprechenden Straßenabschnittes dienen soll, so ist es aus wohlfahrtsökonomischer Sicht im Prinzip sinnvoller, die Straße über allgemeine Steuern zu finanzieren, sofern der Gesamtnutzen aller Nutzer größer ist als die Investitionskosten. Sollte eine Finanzierung über steuerliche Mittel aus irgendwelchen Gründen nicht möglich sein, so kann es jedoch sinnvoller sein die Straße über eine Maut zu finanzieren, als sie gar nicht zu bauen und somit überhaupt keinen Nutzen zu realisieren. Weitere Ungenauigkeiten dieses Lehrbuchbeispiels sind die möglicherweise außer Acht gelassenen nutzungsabhängigen Instandhaltungskosten sowie externe Kosten (werden genauer im nächsten Kapitel betrachtet), aus welchen sich Grenzkosten pro Fahrzeug ergeben, die eine Gebühr rechtfertigen könnten.

Eine stark befahrene Straße zum Beispiel zeichnet sich durch eine Rivalität im Konsum aus, d.h. die Nutzer der Straße behindern sich gegenseitig. Die Nichtberücksichtigung dieser Tatsache durch den einzelnen Nutzer verursacht einen externen Effekt. Diese negativen externen Effekte verursachen einen Wohlfahrtsverlust und führen somit zu einem Marktversagen, welches Hartwig / Marner (2005, S.104) besonders gut am Beispiel Staus verdeutlichen:

„Staus sind die Folge von temporären oder dauerhaften Nachfrageüberhängen, bei denen der Engpassfaktor Infrastruktur nach dem für sozialistische Mangelwirtschaften typischen Prinzip der Warteschlange verteilt wird. Folge sind massive Wohlfahrtseinbußen durch Zeitverluste, steigende Unfälle, erhöhten Treibstoffverbrauch und entsprechende Umweltbelastungen.“

Ein Stau ist also eine zeitlich auftretende, starke Nachfrage nach dem Gut Straße, bei welchem die vorhandene Kapazität der Infrastruktur nicht ausreicht um einen reibungslosen Verkehrsfluss sicherzustellen. Es entstehen zusätzliche Zeitkosten durch die Verlangsamung des Verkehrs. Zwar ist es theoretisch weiterhin jedem Nachfrager möglich die Straße zu nutzen, doch die Kosten hierfür werden nun auch durch die anderen Nutzer bestimmt. Je nach Ausmaß der Verkehrsüberlastung steigen die Kosten für die Autofahrer stark an. Somit erfolgt die Verteilung des knappen Gutes Straße nicht nach der Höhe der individuellen Zahlungsbereitschaften, sondern lediglich nach der jeweiligen Stautoleranz (Jakubowski / Lorenz 2008, S.528). Ein Preismechanismus in Form einer Straßenbenutzungsgebühr kann dieses Problem lösen, die Höhe bemisst sich hierbei im Idealfall an der Höhe der Kosten, die man unbeteiligten Dritten mit der eigenen Fahrt auferlegt (Roth 2009, S.61-62).

2.1 Externe Kosten des Straßenverkehrs

Externe Effekte lassen sich insbesondere dadurch charakterisieren, dass ihre Auswirkungen nicht vom Verursacher getragen werden, sondern bei unbeteiligten Dritten anfallen. Diese vom Verursacher nicht berücksichtigten negativen externen Effekte werden somit auch als externe Kosten des Straßenverkehrs bezeichnet (Tiedtke 2013, S.4). Die Existenz solcher Externalitäten führt in der Regel zu einem gesellschaftlich ineffizienten Überkonsum (IW 2013, S.4).

Im Prinzip ist allgemein anerkannt, dass der Verkehr vielfältige externe Kosten verursacht, wie z.B. Umweltbelastungen durch Lärm, Luftverschmutzung und Klimabelastung, aber auch weitere große Kostenblöcke wie die Unfall- und Staukosten. Deutlich umstrittener ist dagegen in vielen Fällen die genaue Ermittlung dieser Kosten und die durchgeführten Studien hierzu unterscheiden sich teilweise enorm wie die folgende Grafik zu den von verschiedenen Instituten ermittelten Werten, darstellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Externe Kosten des Straßenverkehrs in Deutschland (IW 2013, S. 5)

Die Werte schwanken hierbei in erheblichem Maße zwischen ca. 40 Mrd. Euro im Jahr bis hin zu über 120 Mrd. Euro jährlich. Somit sollte keine Angabe über die externen Kosten als gegeben hingenommen werden, sondern gleichzeitig immer eine Prüfung der getroffenen Annahmen und Definition stattfinden, da hier eine normative Beeinflussung der absoluten Zahlen teilweise unausweichlich ist (IW 2013, S.5). Im Rahmen dieser Arbeit wird auf eine dezidierte Prüfung der externen Kosten verzichtet, jedoch wird das Problem der ungenauen Kostenermittlung noch eine Rolle spielen, wenn man versucht, aus diesen eine optimale Straßenbenutzungsgebühr abzuleiten.

Für die weitere Analyse von Straßenbenutzungsgebühren sollen hier nur grundlegend einige der bedeutendsten Kostenblöcke der externen Effekte im Straßenverkehr dargestellt werden. Diese werden insbesondere auch bei der Wahl geeigneter Instrumente der Gebührenerhebung eine Rolle spielen.

In fast allen Studien machen dieUnfallkostenden größten Anteil der externen Kosten des Straßenverkehrs aus. Diese setzen sich zusammen aus humanitären Kosten, Kosten für medizinische Behandlungen, Verwaltungskosten der Rettungskräfte sowie Kosten durch Produktionsverluste. Sachschäden sind in der Regel bereits über Versicherungen internalisiert (IW 2013, S.11). Ein Problem in der Bewertung machen insbesondere die humanitären Kosten, da hier ein Wert für Leid, Trauer und Schmerz sowie auch für ein menschliches Leben festgelegt werden muss. Hier wird schnell deutlich, wie schwer ein allgemein anerkannter Wertansatz festzulegen ist. Des Weiteren besteht Uneinigkeit darüber, inwieweit sich die Nutzer über die Risiken von Unfällen bewusst sind und diese eventuell schon in ihre Entscheidung mit einbeziehen, dann würde ein Teil davon als internalisiert anzusehen sein (Tiedtke 2013, S.8).

Die durch den CO2 Ausstoß verursachtenKlimakosten, die wahrscheinlich erst bei späteren Generation anfallen, sind sehr schwer zu quantifizieren und werden daher sehr unterschiedlich bewertet. Institutionen wie die EU, das Umweltbundesamt und verschiedene andere Forscher ermittelten hierzu verschiedene Kostensätze pro Tonne CO2, die sich in etwa zwischen 25 € und 250 € bewegen (IW 2013, S.24). Ein Vorteil bei der Berechnung der Klimakosten ist jedoch, dass sie in direktem Verhältnis zu dem verbrauchten Kraftstoff anfallen. Das bedeutet, anhand des Absatzes kann man über einen Umrechnungsfaktor die CO2 Emissionen ziemlich genau berechnen und, sofern man sich für einen Kostenansatz entschieden hat, daraus die Klimakosten ableiten.

Die Kosten durchLärmsowieLuftverschmutzunglassen sich nicht so einfach dem Kraftstoffverbrauch bzw. den gefahrenen Kilometern zuordnen. Lärmbelastung ist etwas, dass jeder Mensch sehr subjektiv empfindet. Sie ist außerdem abhängig vom Ort, an dem sie stattfindet, sowie von der Zeit. Auch andere Faktoren wie der Straßenbelag, Lärmschutzmaßnahmen sowie raumplanerische Konzepte können hierfür eine Rolle spielen. Für die Luftbelastung gilt im Prinzip ähnliches. Die Emission von bestimmten gesundheitsschädlichen Partikeln kann zwar relativ gut ermittelt werden, jedoch ist die Belastung Dritter sehr abhängig davon, ob die Fahrt zum Beispiel außerorts auf einer Landstraße stattfindet oder durch die dicht besiedelte Innenstadt führt. Auch hier lassen sich Gesundheitsschäden nicht immer direkt kausal auf die Emissionen des Verkehrs zurückführen und selbst wenn, bleibt das Problem der Monetarisierung dieser Schäden, um die genauen Kosten zu bestimmen.

Der letzte große Kostenblock sind dieStaukosten. Gerade im Berufsverkehr und insbesondere in Metropolregionen gehören Verkehrsstaus fast schon zur Normalität. Die Kosten durch Zeitverluste sind enorm und der volkswirtschaftliche Gesamtschaden wird von Jakubowski / Lorenz (2008, S.529) sogar auf mindestens 120 Mrd. Euro im Jahr geschätzt. Die Entstehung von Staus und den damit verbundenen Kosten ist abhängig von der Verkehrsauslastung und Infrastrukturkapazität. Meist gibt es Zeiten, in denen regelmäßig Verkehrsüberlastungen bestehen, namentlich vor dem allgemeinen Arbeitsbeginn und nach dem Feierabend. Strittig bei den Staukosten ist, ob man sie zu den externen Kosten hinzuzählen soll. Die in Abbildung 2 dargestellten Werte klammern die Staukosten explizit aus, mit dem Argument, dass diese auch jeden Nutzer selbst treffen und somit bereits in die Fahrtentscheidung einkalkuliert werden und damit internalisiert sind. Entscheidend für das Vorhandensein externer Kosten ist jedoch, dass die Fahrtentscheidung ohne die Berücksichtigung der Kosten, die man unbeteiligten Dritten auferlegt, getroffen wird. Somit sollten Staukosten auch zu den externen Kosten gerechnet werden. Gerade aufgrund der Dimension dieses Kostenblocks wäre es fahrlässig, diesen einfach mit dem Argument, die Autofahrer wären Verursacher und Betroffene zugleich, auszuklammern.

Insgesamt zeigt sich, dass die verschiedenen externen Kosten sehr unterschiedlich zu charakterisieren sind. Während einige von einer zeitlichen und örtlichen Komponente abhängig sind, stehen andere lediglich in Zusammenhang mit der Fahrleistung bzw. dem Kraftstoffverbrauch. Manche Kosten lassen sich generell sehr schwer ermitteln und zu diesen sind nur sehr ungenaue und stark schwankende Schätzungen vorhanden. In jedem Fall ist es wichtig, sich Gedanken über die Art und Höhe der externen Verkehrskosten zu machen, um daraus später eventuell eine Gebührenlösung herzuleiten. Deshalb fördert auch die EU‑Kommission Forschungsprojekte zur Quantifizierung der externen Kosten des Verkehrs (Nash / Shires / Link 2010, S.14).

Das Umweltbundesamt kommt nach Betrachtung der Kosten des PKW-Verkehrs (interne und externe Kosten) und der Gegenüberstellung dieser mit den Steuern und Abgaben der PKW‑Nutzer zu dem Ergebnis, dass ca. 47 Mrd. Euro an Kosten nicht durch die Verursacher gedeckt werden und sieht daher Straßenbenutzungsgebühren als gerechtfertigt an (UBA 2010, S.14). Dies führt zu der Frage nach der Verursachungsgerechtigkeit.

2.2 Verursachungsgerechtigkeit

Der Begriff Verursachergerechtigkeit oder alternativ auch das Verursacherprinzip besagt, dass die Verursacher auch alle von ihnen erzeugten Kosten tragen sollen. Synonym wird auch der Begriff der Kostenwahrheit verwendet. Im Prinzip geht es um die Internalisierung der externen Kosten bei den Verursachern. Das heißt, im konkreten Fall geht es also darum, die Verkehrsteilnehmer mit den von ihnen verursachten externen Kosten in Form einer Abgabe zu konfrontieren und diese damit entscheidungsrelevant zu machen (Gerike et al. 2006, S.9). Dieses Konzept geht auf Pigou zurück, der erstmals feststellte, dass die Erhebung einer Steuer (Pigou-Steuer) gerechtfertigt sei, wenn Externalitäten vorliegen (Gerike et al. 2006, S.10-11).

In Deutschland werden Nutzer des Straßenverkehrs vor allem durch die Kfz-Steuer sowie die Energiesteuer auf Kraftstoffe belastet. Eine Straßenbenutzungsgebühr für Lastkraftwagen trägt ebenfalls zu den Einnahmen bei. In der folgenden Grafik sind die Einnahmen und Kosten des Straßenverkehrs dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Saldo der wichtigsten anrechenbaren Abgaben mit den wichtigsten relevanten volkswirtschaftlichen Kosten des Straßenverkehrs in Deutschland im Jahr 2005 (UBA 2010, S. 4)

Aus der Auswertung der Grafik ergibt sich ein Betrag von knapp 60 Mrd. Euro für das Jahr 2005, der nicht durch die Abgaben des Straßenverkehrs gedeckt wird. In diesem Sinne befände sich der Straßenverkehr weit entfernt von einer verursachergerechten Ausgestaltung. Ausschlaggebend hierfür scheint vor allem die große Kostenstelle der externen Kosten zu sein. Diese den Nutzern der Straßen anzulasten, scheint bisher noch nicht gewollt zu sein, mit Ausnahme der Energiesteuer auf Kraftstoffe, die wohl zumindest einen Teil der negativen externen Effekte internalisieren dürfte. Die LKW-Maut hat im Wesentlichen die Finanzierung der Infrastruktur als Ziel, wie sich noch zeigen wird.

Wenn man sich nun zum Ziel setzt, alle verursachten Kosten verursachergerecht anzulasten, stößt man neben der Ungenauigkeit der externen Gesamtkosten auf ein weiteres Problem. Um mit preislichen Maßnahmen einzuwirken, muss man eine entsprechende Gebühr festlegen. Hierfür gibt es verschiedene Ansätze. Neben den durchschnittlichen externen Kosten, d.h. die gesamten externen Kosten geteilt durch die gesamte Fahrleistung, ist im Prinzip auch die Kenntnis der externen Grenzkosten unabdingbar für eine optimale Straßenbenutzungsgebühr, (Gerike et al. 2006, S.11).

„Hierbei handelt es sich um die Kosten, die ein zusätzliches Fahrzeug unter bestimmten Bedingungen an einem bestimmten Ort Dritten verursacht“

Bei diesem sogenannten Grenzkostenansatz würde sich die Nachfrage auf das optimale Niveau einstellen und die negativen externen Effekte würden komplett internalisiert werden (Roth 2009, S.61-62). Demnach empfahl auch die EU in ihrem Weißbuch des Jahres 1998, Straßenbenutzungsgebühren an den Grenzkosten zu orientieren (Knieps 2006, S.1). Die Intention war demnach, die größten externen Effekte wie Stau, Lärm- und Luftverschmutzung, bis 2020 zu internalisieren (European Commission 2012, S.2). Eine ausführlichere Diskussion der verschiedenen Kostenansätze erfolgt in Kapitel 5.

Ein sehr wichtiges Argument, das bei der Internalisierung negativer externer Effekte und der kompletten verursachergerechten Kostenanlastung zu nennen ist, ist, dass mit diesen Maßnahmen zwar eine maximale Effizienz zu erzielen ist, soziale Gerechtigkeitsziele jedoch möglicherweise zu kurz kommen (Tiedtke 2013, S.12). Tiedtke schreibt dazu weiter:

„Die Betroffenheit von Verkehrskosten ist von besonderer sozialpolitischer Bedeutung, wenn sie im Kontext der mobilitätsbedingten Teilhabe betrachtet wird. Denn zusätzliche Belastungen durch eine Internalisierung externer Verkehrskosten können eine Ursache für verringerte Mobilitätsmöglichkeiten […] sein“

Einkommensschwache Gruppen könnten bei einer zu hohen Gebühr somit in ihren Möglichkeiten der sozialen Teilhabe eingeschränkt werden. Außerdem wird das Argument angeführt, dass insbesondere in Hauptverkehrszeiten sowie in Ballungsgebieten, wo eine besonders hohe Nachfrage nach Verkehr besteht, Wohlhabende die einkommensschwachen Gruppen von den Straßen verdrängen (Hartwig / Marner 2005, S.107-108).

Solch soziale Argumente sollten ebenfalls im Auge behalten werden bei der Frage einer optimalen Ausgestaltung von Straßenbenutzungsgebühren. Der mögliche Zielkonflikt zwischen Effizienz und Gerechtigkeit wird hier sehr deutlich. Einige Autoren zeigen jedoch auch, dass unerwünschte Verteilungswirkungen ausgeglichen werden können, beispielsweise durch eine pauschale Rückerstattung der Gebühren vor allem an die ärmeren Gruppen, aber auch durch die Förderung alternativer bzw. öffentlicher Verkehrsmittel, welche die Befriedigung der Mobilitätsbedürfnisse auch ohne die Teilnahme am motorisierten Individualverkehr sicherstellen (Tiedtke 2013, S.18-19). Außerdem wird den sozialen Argumenten entgegengehalten, dass auch die aktuelle Situation ohne Internalisierung der externen Kosten ungerecht bzw. unsozial sei, da die verursachten Belastungen bei unbeteiligten Anwohnern sowie der gesamten Gesellschaft anfallen (Gerike et al. 2006, S.24-25).

Eine Internalisierung externer Effekte und verursachergerechte Kostenanlastung scheint somit aus Effizienzgesichtspunkten notwendig zu sein. Allgemein sollten hierbei jedoch soziale Aspekte in jedem Falle eine Rolle spielen. Was in diesem Zusammenhang als gerecht anzusehen ist, bleibt eine subjektive Frage, die im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden kann, sondern nach einer politischen Antwort verlangt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Straßenbenutzungsgebühren aus volkswirtschaftlicher Sicht
Hochschule
Universität Hamburg  (Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
45
Katalognummer
V305501
ISBN (eBook)
9783668034129
ISBN (Buch)
9783668034136
Dateigröße
767 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Straßenbenutzunsgebühren, Maut, Verkehrsökonomie, Verkehr, Verkehrsinfrastruktur, Mobilität, Öffentliche Güter, Kostenwahrheit, Verursachergerechtigkeit, City-Maut, Vignette, Externe Effekte, Staukosten, PKW-Maut, Externe Kosten, Stau, Klimakosten, Lärmkosten, Umweltkosten, LKW-Maut, Wegekosten, LSVA, Value Pricing, zweiteilige Tarife, Daseinsvorsorge
Arbeit zitieren
Jan Bielig (Autor:in), 2015, Straßenbenutzungsgebühren aus volkswirtschaftlicher Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305501

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