Führungsämter der EU seit dem Vertrag von Lissabon. Präsident des Rates und der Kommission


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

17 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Der Vertrag von Lissabon

3 Die Führungsämter in der Europäischen Union seit dem Vertrag von Lissabon
3.1 Der Präsident des Europäischen Rates
3.2 Der Präsident der Europäischen Kommission
3.2.1 Die Wahl des Präsidenten der Europäischen Kommission
3.3 Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik

4 Bewertung und Zusammenfassung

Abbildungen
Abb. 1 Struktur des Vertrags von Lissabon
Abb. 2 Schematische Darstellung der sieben EU-Organe
Abb. 3 Ablauf der Wahl zum Kommissionspräsidenten

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

Eine Verfassung für ein vereintes Europa. Dieser Traum vieler überzeugter Europäer[1] platzte im Frühjahr 2005 mit der Ablehnung durch die Bevölkerungen Frankreichs und der Niederlanden. Nach diesen ernüchternden Verfassungsreferenden verordnete sich Europa zunächst eine Reflexionsphase und suchte nach neuen Wegen. Sah es zeitweise danach aus, dass es an Konzepten fehlte und am Mut, eine Alternative aufzustellen, so konnte mit dem Vertrag von Lissabon, der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat, dann doch mehr erreicht werden, als viele erwartet hatten (WEIDENFELD 2013:57-61). Denn es gelang, einen Großteil der durch den Verfassungsvertrag vorgesehenen Reformen im Vertrag von Lissabon einzubringen (SEEGER 2008:S63f). Der Vertrag von Lissabon stellt damit den vorläufigen Endpunkt einer Reihe von vertragsrechtlichen Anläufen zur institutionellen Neugestaltung der Europäischen Gemeinschaften (EG) bzw. der Europäischen Union (EU) dar. Vertragsrechtliche Grundlage der Union sind nunmehr zwei Verträge: der „Vertrag über die Europäische Union“ (EUV) und der „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ (AEUV).

Zu den zentralen Errungenschaften gehören insbesondere eine Reihe von Veränderungen, die die Handlungsfähigkeit, die Kohärenz und die demokratische Legitimierung der EU steigern sollten. So wurde der Europäische Rat als zentrales Gremium der Politik- und Systemgestaltung in die Liste der EU-Organe aufgenommen und erhielt einen hauptamtlichen Präsidenten. Des Weiteren sah der Vertrag auch die Einrichtung der Position des „Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik“ vor, der der EU „in der internationalen Politik Gesicht und Stimme verleihen sollte“. Die Rechte des Präsidenten der Europäischen Kommission stärkte der Vertrag von Lissabon und erhöhte seine Legitimation, da er zukünftig unter Berücksichtigung der Europawahl-Ergebnisse von der Mehrheit des Europäischen Parlaments gewählt wird. (WEIDENFELD/WESSELS 2014:443-446)

Doch ist es durch die Veränderungen auch tatsächlich gelungen, dass diese drei Amtsinhaber „die“ neuen Führungspersönlichkeiten Europas sind? Dieser Frage soll die vorliegende Arbeit nachgehen. Hierzu wird im zweiten Kapitel kurz auf den Vertrag von Lissabon eingegangen. Im dritten Kapitel werden dann die Aufgabenbereiche der drei Führungsämter beschreiben und in der dann folgenden Bewertung und Zusammenfassung untersucht, ob und inwiefern diese neue Führungsstruktur jetzt oder in Zukunft zu einer von den Mitgliedstaaten unabhängigeren Politik und Außenwahrnehmung der EU beitragen kann.

2 Der Vertrag von Lissabon

Bei dem Vertrag von Lissabon (abrufbar u.a. auf www.europarl.de) handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag zur Änderung und grundlegenden Umgestaltung des bisherigen EU- und EG-Vertrags. Sein vollständiger Titel lautet „Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“. Die Staats- und Regierungschefs der (damals noch) 27 Mitgliedsstaaten der EU haben ihn am 13. Dezember 2007 in Lissabon feierlich unterzeichnet. Anschließend wurde ihm in allen Mitgliedstaaten in ihren jeweils vorgesehenen innerstaatlichen Verfahren zugestimmt (PACHE 2009:22). Am 1. Dezember 2009 trat er in Kraft.

Strukturell ist er ein reiner Änderungsvertrag zu den bestehenden Verträgen. Er besteht aus sieben Artikeln, zwei Protokollen und Anhängen. Im Amtsblatt der Europäischen Union ist er auf über 200 Seiten veröffentlicht und gliedert sich wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Struktur des Vertrags von Lissabon (Abb. 1)

Durch den Vertrag ist es gelungen, viele wichtige Reformen des ursprünglichen „Verfassungsvertrags“ umzusetzen. Er ist jedoch frei von Verfassungsrhetorik („Union als Staat“) und staatsähnlicher Symbolik (EU-Flagge/-Hymne) (PACHE 2009:22). Das Ziel war, die EU - nach der größten Erweiterung ihrer Geschichte seit 2004 von 15 auf (damals) 27 Mitgliedsländer - handlungsfähiger, demokratischer und transparenter zu machen (BPB 2015). Dies sollte geschehen durch die

- Stärkung der Demokratie und des Grundrechteschutzes

durch die massive Ausdehnung der Befugnisse des Europäischen Parlaments und die Stärkung der Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente; ferner durch neue, direkte Beteiligungsrechte der Unionsbürger im Rahmen einer europäischen Bürgerinitiative sowie durch die neue Verbindlichkeit der Grundrechtecharta.

- Förderung der Verständlichkeit des europäischen Primärrechts

durch Vereinheitlichung der Union und Ablösung der durch den Vertrag von Maastricht eingeführten „Dreisäulenstruktur“. Durch die Vereinfachung des Gesetzgebungsverfahrens und Verpflichtung des Rates zur öffentlichen Beratung.

- Verbesserung der Handlungsfähigkeit der EU

durch die Einrichtung der Ämter eines gewählten Präsidenten des Europäischen Rates und eines Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der gleichzeitig Vizepräsident der Kommission ist.

(HÜTTMANN/WEHLING 2013:375f)

Der politische Wille der EU wird seit dem Vertrag von Lissabon gemäß Artikel 13 EUV von diesen sieben Organen gebildet, geäußert und rechtlich vollzogen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schematische Darstellung der sieben EU-Organe (Abb. 2)

3 Die Führungsämter in der Europäischen Union seit dem Vertrag von Lissabon

Wie in den vorherigen Abschnitten erwähnt, wurden durch den Reformvertrag von Lissabon auch Führungspositionen in der EU verändert, zum Teil neu gegründet. Wesentliche Änderungen kamen hierbei dem Präsidenten des Europäischen Rates, dem Präsidenten der Europäischen Kommission und dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu, welche daher im Weiteren genauer betrachtet werden.

3.1 Der Präsident des Europäischen Rates

Der Europäische Rat ist das höchste politische Gremium der EU-Mitgliedsstaaten und nun ausdrücklich Organ der Europäischen Union (Art. 15 EUV und Art. 235f AEUV). Er besteht aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, einem Präsidenten und dem Präsidenten der Europäischen Kommission. Er tritt zweimal pro Halbjahr zusammen, legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten fest und gibt der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse, ohne jedoch gesetzgeberisch tätig zu werden. (PACHE 2009:26)

Der Vertrag von Lissabon führt das Amt des Präsidenten anstelle der bisherigen sechsmonatigen Rotation der Ratspräsidentschaft neu ein. Gewählt wird er nun auf zweieinhalb Jahre vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit. Einmalige Wiederwahl ist zulässig. Der Präsident darf parallel kein weiteres politisches Amt ausüben.

Durch einen hauptamtlichen Präsidenten sollte eine größere Kontinuität und Effizienz der Arbeit im Interesse der Entscheidungsfähigkeit gewährleistet werden. Seine Rolle ist in Art. 15 Abs. 6 EUV umschrieben. In seiner Funktion ist er für die Vorbereitung und Kontinuitätssicherung der Arbeiten des Europäischen Rates zuständig, wobei er mit dem Präsidenten der EU-Kommission zusammenarbeiten und sich auf die Vorarbeiten des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ stützen soll. Er wirkt darauf hin, dass Zusammenhalt und Konsens im Europäischen Rat gefördert werden und legt dem Europäischen Parlament im Anschluss an jede Tagung des Europäischen Rates einen Bericht vor. Darüber hinaus ist er aufgerufen, "auf seiner Ebene, unbeschadet der Befugnisse des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, die Außenvertretung der Union in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wahrzunehmen". (BPB 2015 und GROßE HÜTTMANN/WEHLING 2013:308-309)

Seine Befugnisse gehen in der Sache nicht über die des bisherigen, nach dem Rotationsprinzip eingesetzten Präsidenten hinaus (GROßE HÜTTMANN/WEHLING 2013:165). Die jeweiligen Amtsinhaber nahmen jedoch zum Teil entscheidende Rollen in den Verhandlungen über weitreichende europäische Vorhaben und Entscheidungen ein. Der neue, ständige Präsident wird eine derartige „Impulsgeberkraft und Repräsentationsleistung“ wohl nicht entwickeln. Gerade die Staats- und Regierungschefs größerer Staaten, insbesondere Deutschlands und Frankreichs, werden sich nicht mit der Rolle „einfacher“ Mitglieder des Europäischen Rates begnügen. Dies haben auch jüngere Entwicklungen der EU im Bereich der Wirtschafts-, Fiskal- und Wirtschaftspolitik gezeigt. Der Präsident des Europäischen Rates nahm dementsprechend eher die Stellung eines Sprechers, Diskussionsleiters und Mediators ein. (MAURER 2010:33-34). Man erwartet von ihm die Vorbereitung der Treffen und die Sitzungsleitung sowie die Ausübung der Position eines Mittelmanns zur Beseitigung von Konflikten unter all den Spitzenpolitikern. Es soll also nach innen agieren. Und hier zeigt sich auch der enorme Vorteil, den er dadurch hat, dass er sich hauptamtlich diesen Aufgaben widmen kann. So verrichtete der erste Präsident nach Lissabon Herman Van Rompuy seine Tätigkeit still und im Hintergrund. Aber er verschaffte sich und seinem Amt durch erfolgreiche Vermittlungsarbeit ein gewisses Ansehen und Beständigkeit. Dies bestätigt auch die Wiederwahl dieses bis heute einer breiteren Öffentlichkeit eher wenig bekannten ersten Amtsinhabers (WEIDENFELD/WESSELS 2014:390). Wie der seit Dezember 2014 im Amt befindliche Donald Tusk dieses Amt ausfüllen wird, bleibt noch abzuwarten.

3.2 Der Präsident der Europäischen Kommission

Die Europäischen Kommission (Art. 17 EUV und Art. 244 bis 250 AEUV) verkörpert wie kein anderes Organ das Interesse der Europäischen Union. Bei ihr vermischen sich legislative, richterähnliche, exekutive und administrative Befugnisse; letztere mit über 30.000 Bediensteten. Das Kollegium tagt einmal wöchentlich und besteht aus je einem Angehörigen jedes Mitgliedsstaates, dessen Amtszeit fünf Jahre beträgt. Die Mitglieder sind nur dem europäischen Gemeinwohl verpflichtet und dürfen keine Weisungen nationaler Regierungen entgegen nehmen. Die Kommission hat das alleinige Initiativrecht für Gesetzgebungsakte und wird daher häufig als „Motor der Integration“ bezeichnet. Außerdem ist sie traditionell die „Hüterin der Gemeinschaftsverträge“, da sie die Einhaltung der EU-Verträge durch die Mitgliedstaaten überwacht. (MÖSTL 2010:91)

Der Kommissionspräsident wird auf Vorschlag des Europäischen Rates unmittelbar durch das Europäische Parlament gewählt. Seine Amtszeit beträgt ebenfalls fünf Jahre. Der Wahl wird hier ein eigener Unterabschnitt 3.2.1 gewidmet, da von ihr die „neue“ demokratische Legitimation der Kommission ausgeht.

Der Vertrag von Lissabon räumt dem Kommissionspräsidenten eine größere Rolle ein als bisher und scheint damit den eingeschlagenen Weg der Präsidentialisierung der Kommission fortzuführen und zu verstärken. So erhält der Präsident eine Leitlinienkompetenz und wird ermächtigt, die Vizepräsidenten der Kommission zu ernennen (mit Ausnahme des Hohen Vertreters) und hat ein Mitspracherecht bei der Ernennung der übrigen Kommissare. Neuerdings kann er diese sogar zum Rücktritt auffordern, wodurch seine Position im Kommissionskollegium deutlich aufgewertet wird. (SEEGER 2008:87)

[...]


[1] Anmerkung: Werden Personenbezeichnungen aus Gründen der besseren Lesbarkeit lediglich in der männlichen oder weiblichen Form verwendet, so schließt dies das jeweils andere Geschlecht mit ein.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Führungsämter der EU seit dem Vertrag von Lissabon. Präsident des Rates und der Kommission
Hochschule
Universität Kassel
Note
2,0
Jahr
2015
Seiten
17
Katalognummer
V305431
ISBN (eBook)
9783668035386
ISBN (Buch)
9783668035393
Dateigröße
578 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
führungsämter, vertrag, lissabon, präsident, rates, kommission
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Führungsämter der EU seit dem Vertrag von Lissabon. Präsident des Rates und der Kommission, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305431

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