Das Reich am Nil und Alexander der Große


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

26 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Blick aus Ägypten
2. 1. Der Pharao – ein göttlicher Herrscher
2. 2. Von den libyschen Königen bis zu den persischen Eroberern

3. Das Wirken Alexanders in Ägypten
3. 1. Die Herrschaftsübernahme
3. 2. Die Gründung Alexandrias und der Marsch zum Orakel von Siwa
3. 2. 1. Eine neue Metropole
3. 2. 2. Die Befragung des Ammonorakels

4. Alexander der Große in Ägypten und sein Nachwirken - eine Zusammenfassung

5. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Der Name Alexander bezeichnet das Ende einer Weltepoche, den Anfang einer neuen.“[1]

Mit diesen Worten begann der bedeutende Historiker Johann Gustav Droysen seine „Geschichte des Hellenismus“. Und durch diese Worte werden gleich zwei Sachverhalte deutlich: Erstens, wie sehr das Wirken Alexanders die damalige Gesellschaft verändert hat und die Folgen seiner Taten der Welt ein vollkommen neues Gesicht verliehen. Zweitens, wie stark die Gestalt Alexanders des Großen zu einem personalisierten Geschichtsbild verlockt, in dem historische Ereignisse stets aus der Sicht Alexanders erklärt und verstanden werden – der Geschichtsverlauf stets mit dem Leben dieser „großen Persönlichkeit“ gleichgesetzt wird.

Doch man kann Droysen kaum einen Vorwurf machen, dass er die Entwicklung und Ausbreitung der hellenistischen Kultur so sehr mit Alexander in Verbindung setzte, denn dieser makedonische Herrscher ist „vielleicht das beste Beispiel dafür, daß in der Tat ganz erhebliche Veränderungen von welthistorischer Bedeutung durch das Handeln eines Individuums möglich sind.“[2]

Aber trotz der immensen Bedeutung Alexanders des Großen sollte man bei historischer Forschung das Blickfeld nicht bloß auf ihn verengen. Wie der Philosoph Walter Benjamin treffend feststellte, läuft der Historiker schnell in Gefahr, sich zu sehr in die Sieger einzufühlen; die Besiegten erfahren dabei nur geringe Beachtung.[3] Und so erinnern viele Forschungsarbeiten an eine Kamerafahrt um Alexander, bei der allein seine Motive und Handlungen im Vordergrund stehen. Was in den Jahren vor seiner Ankunft in den später eroberten Gebieten geschehen war, oder was die Motive der Unterworfenen waren, sich Alexander gegenüber so zu verhalten, wie sie es taten, das wird meist nur am Rande erwähnt.

Das Thema der vorliegenden Arbeit ist Alexanders Zug nach Ägypten – seine Gründe für den Ägyptenmarsch, sein Vorgehen und die Herrschaftssicherung. Dabei sollen aber auch die Ägypter selbst und ihre Kultur gewürdigt werden. Insofern beschäftigen folgende Seiten sich nicht nur mit der Frage, was die Ziele Alexanders waren und wie er sie durchsetzte, sondern auch damit, wie die Ägypter auf den neuen Herrscher reagierten und warum sie so wenig Widerstand leisteten.

Gerade die Aufmerksamkeit, die das Ägypten der alten (einheimischen) Pharaonen erfährt, zeigt, wie sehr Geschichte immer noch Geschichte der Sieger ist. Während die ägyptische Vergangenheit vom Alten Reich bis zu den Ramessiden weltweit Faszination und Interesse weckt, bleibt jene Epoche des Alten Ägyptens, in der die Politik nicht mehr vom nationalen Ägyptertum sondern von fremdländischen Herrschern bestimmt wurde, meist unberücksichtigt. So wird die Entwicklung seit der Eroberung durch die Perser bis zur Eingliederung ins römische Reich (also ca. 550 Jahre) in Breasteds „Geschichte Ägyptens“ auf nur einer Seite abgehandelt.[4] Speziell zu Ägypten in hellenistischer Zeit gibt es kaum Gesamtdarstellungen; seit E. Bevans „A history of Egypt under the Ptolemaic dynasty“ aus dem Jahre 1927 wäre nur die erst in jüngster Zeit erschienenen Publikationen von Günther Hölbl, „Geschichte des Ptolemäerreiches“ zu nennen – eine Querschnittsuntersuchung bietet noch der Band „Ägypten in hellenistischer Zeit 332-30 v. Chr.“ von Werner Huß.

Es würde bei weitem den Rahmen dieser Arbeit sprengen, diese so wenig beachtete Spätzeit des Alten Ägypten in ihrer Gänze darzustellen, aber dort wo sie eine Erklärung für das Verhalten der Ägypter gegenüber den Makedonen liefert, soll der geschichtliche Hintergrund auch beleuchtet werden. Um jene Prozesse, die zu Alexanders Machtübernahme in Ägypten führten und sie begünstigten, vollständig zu verstehen, darf man Geschichte nicht nur aus Sicht der Makedonen erzählen; man muss auch den Blick den Ägypter mitberücksichtigen. Und weil das Denken eines Volkes entscheidend durch seine Traditionen und Vergangenheit geprägt wird, erzählt das folgende Kapitel zunächst vom Herrschaftssystem und der Geschichte Ägyptens vor der Ankunft Alexanders. Die anschließenden Kapiteln werden sich dann direkt mit den Taten des makedonischen Königs in Ägypten beschäftigen.

2. Der Blick aus Ägypten

2. 1. Der Pharao – ein göttlicher Herrscher

Um zu beantworten, wie Alexander seine Herrschaft in Ägypten durchsetzen und festigen konnte, muss man zunächst wissen, auf welche Herrschervorstellung die Makedonen stießen, als sie in das fremde Land eindrangen. Erst wenn man beurteilen kann, inwieweit das von Alexander eingeführte Herrschaftssystem der vorangegangenen Regierungsform entsprach und wo es Differenzen gab, kann man auch seinen Erfolg in Ägypten erklären. Dabei ist vor allem zu beachten, dass in kaum einem anderem Land die Verflechtung von religiös-kultureller und politischer Entwicklung so eng war wie im Alten Ägypten. Dies wird vor allem an der Gestalt des Pharaos deutlich.

Die Regierungsform in Ägypten war seit Beginn des dynastischen Zeitalters immer die absolute Monarchie - mit dem Pharao als Herrscher.[5] Dieser wird begriffen als Horus (bzw. als irdische Erscheinungsform des Gottes) und als Sohn des Ra, somit steht er auf einer Ebene mit den Göttern. Das Niltal gilt als sein königliches Grundeigentum; er allein verfügt über sämtliche Produktionsmittel und entsendet die Beamten. Von den Alleinherrschern anderer Gebiete heben sich die ägyptischen Könige aber vor allem dadurch ab, dass sie „auf kultischem Gebiet eine Monopolstellung für den Verkehr mit der göttlichen Welt beanspruchen und erhalten, die ihresgleichen sucht.“[6] Im Alten Ägypten scheint der Glaube zu herrschen, dass Kulthandlungen nur dann wirkungsvoll sind, wenn sie von „von Göttern für Götter“ durchgeführt werden – und der Pharao gilt als solch göttliches Wesen. Kulthandlungen von Menschen gelten nur als wirkungsvoll, wenn sie indirekt königliche Handlungen sind. Aus diesem Grund war die Darbringung von Opfern immer mit einer Weiheformel verbunden, die mit den Worten „Ein Opfer, das der König gibt“ bzw. „der König gibt ein Opfer“ begann.[7] Die Ägypter waren davon überzeugt, dass der Pharao die Aufgabe habe, die von den Göttern geschaffene Ordnung aufrechtzuerhalten. Diese Aufgabe des Königs wird auch in folgendem ägyptischen Text beschrieben:

Re hat den König eingesetzt

Auf der Erde der Lebenden

Für immer und ewig,

indem dieser den Menschen Recht spricht

und die Götter zufrieden stellt,

die ‚Maat’ verwirklicht und die ‚Isfet’ vernichtet.[8]

Der Begriff „Maat“ bezeichnet die Idee einer alles gestaltenden kosmischen Ordnung, wie sie vom Schöpfergott geschaffen und erwünscht wurde. Dieses Ideal, dass nach religiöser Vorstellung in der Vergangenheit geschützt war, ist nun durch negative Kräfte einer beständigen Bedrohung ausgesetzt. Das Wort „Isfet“ fasst diese negativen Kräfte zusammen; es bildet praktisch den Sammelbegriff für alle chaotischen, destruktiven Elemente wie Krankheit, Tod, Unrecht, Krieg, Gewalt und Feindschaft.[9] Da die Maat beständig durch die Isfet geschwächt wird, muss der Pharao die bestehende Ordnung in einem fortwährendem Schöpfungsakt aufrechterhalten. Diese Bewahrung der Ordnung wird nicht nur durch das Zurückschlagen von Feinden, sondern vor allem in kultischen Handlungen vollzogen. Eine längere Unterbrechung dieser Kulthandlungen hätte nach ägyptischen Verständnis das Ausbrechen des Chaos zur Folge.

Hinsichtlich des Pharaos haben sich die Forscher jedoch bis heute nicht auf ein eindeutiges Bild festlegen können. Dies liegt in seinen scheinbar widersprüchlichen Eigenschaften auf der einen Seite als Mensch, auf der anderen als Gott. Vor allem französische und deutschsprachige Ägyptologen haben in den letzten Jahren versucht, eine tatsächliche Vergöttlichung des Pharaos zu relativieren. Auf der einen Seite bezeichnen die Ägypter den Pharao als Sohn des Re, womit er göttlicher Abstammung wäre, auf der anderen Seite nimmt der König gegenüber den anderen Göttern eine Dienerstellung ein, in der zwischen göttlicher und irdischer Welt vermitteln muss. Nach Meinung einiger Historiker spricht auch die detaillierte Beschreibung menschlicher Schwächen einzelner Pharaonen dafür, dass nicht die eigentliche Person göttlichen Status genoss. Einen Ausweg sehen sie in der Annahme, dass der menschliche Pharao als Stellvertreter die Rolle des Schöpfergottes übernimmt, um die bestehende Weltordnung aufrechtzuerhalten. Bei dieser Interpretation wäre es weniger die Person, als vielmehr das Amt des Pharaos, das vergöttlicht wird.[10]

Bei der langen Geschichte Ägyptens kann jedoch keineswegs davon ausgegangen werden, dass man dem Gottstatus und der angeblich göttlichen Herkunft der Pharaonen über Jahrtausende gleichbleibend gegenüberstand. Einen Kompromiss bietet daher die These, dass im Vergleich zum Alten Reich der Glaube an eine personelle Göttlichkeit des Pharaos später immer mehr abgenommen hat. Für eine Schwächung dieser Art der Pharaonenverehrung spricht auch Hölbls Kommentar, dass nach den vielen fremdländischen Regenten „im Laufe der Spätzeit der Glaube an die Rechtmäßigkeit und kultische Relevanz des irdischen Herrschers [im Verhältnis zur Vergangenheit] dahingeschwunden war“.[11] Desweiteren findet man bei Schubart die Überzeugung, dass während der ptolemäischen Herrschaft dem Untertan „der König, den er als Gott verehrt, [...] als ein Mensch bewusst“ ist.[12]

Im Folgenden wird daher davon ausgegangen, dass bei Ankunft Alexanders in Ägypten der Glaube an die Göttlichkeit des Pharaos schon nicht mehr personell gedacht wurde, sondern der König nur durch das Amt eine quasi göttliche Position einnahm, durch die er die „Maat“ erhalten konnte.

Da der Pharao „als einziger durch sein Amt fähig ist, mit den Göttern zu verkehren“, bildet er auch das religiöse Oberhaupt Ägyptens – „in diesem Sinne ist der ägyptische König der einzige Priester, und die Priester sind nur seine Stellvertreter in der praktischen Durchführung seines Kultes.“[13] Durch seine Nähe zu den Göttern ist er in der Lage, aber auch verpflichtet, das geordnete Weltgefüge zu erhalten, denn eine Unterbrechung der täglichen Kulthandlungen in den ägyptischen Tempeln im Namen des Pharaos hätte nach damaliger Vorstellung den Ausbruch eines kosmischen Chaos zur Folge . Angesichts der Notwendigkeit eines Pharaos, um einen Rückfall ins Chaos zu verhindern, waren die ägyptischen Priester gezwungen, selbst einen fremdländischen Herrscher als ihren Horus-König anzuerkennen – und dies taten sie auch, solange er sich in die ägyptische Tradition einfügte. Andererseits bedurfte ein Pharao der Unterstützung durch die Priesterschaft, damit er rechtmäßig herrschen konnte. Die Priester übten erheblichen Einfluss auf das Volk aus, und so war an eine friedliche Herrschaft ohne ihre Anerkennung nicht zu denken. Insofern kann von einer wechselseitigen Abhängigkeit von Priesterschaft und ägyptischen König gesprochen werden. Ein Pharao, der gegen die Interessen der ägyptischen Priester handelte, musste damit rechnen, dass diese die Bevölkerung gegen ihn aufwiegelte, wie auch die persischen Eroberer feststellen mussten.

2. 2. Von den libyschen Königen bis zu den persischen Eroberern

Die hohe Blütezeit der ägyptischen Herrschaft sowie ihre Vormachtstellung in Afrika und dem Mittleren Osten neigte sich dem Ende zu, schon lange bevor die fremdländischen Eroberer Ägypten einnahmen. So führten die Nachfolger Ramses des Dritten zwar ebenfalls alle den Namen „Ramses“ - als Hommage an den großen Ramses II. – doch fand sich unter diesen Nachfolgern kein ähnlich herausragender König; Breasted fasst dies sehr kurz und heftig zusammen: „Auf den Tod Ramses des Dritten folgte eine Reihe von neun Schwächlingen, die alle den großen Namen Ramses führten, ohne sich seiner auch nur im entferntesten wert zu zeigen. Unter ihrer Herrschaft erlosch innerhalb weniger Jahrzehnte die Macht der ägyptischen Könige fast völlig.“[14] Politisch war diese Zeit von den Auseinandersetzungen zwischen Priesterschaft und Pharao geprägt, welche um die Vorherrschaft in Ägypten stritten. Und ungefähr in dem Maße, wie die Macht der Pharaonen abnahm, gewannen die Hohepriester an Ansehen hinzu. Deutlich wird diese Machtverschiebung unter anderem durch zwei Reliefs an den Tempelwänden von Karnak, die zeigen, wie Ramses IX. dem Hohepriester Amenhotep Geschenke überreicht. Waren in früheren Darstellungen die Beamten und anderen Untergebenen des Pharaos deutlich kleiner als der König selbst, so erscheint Amenhotep nun in derselben Größe wie Ramses IX..[15]

Die Herrscher der 21. Dynastie, die die Ramessiden ablösten, fielen ebenfalls kaum durch politische Leistungen auf, vielmehr wuchs weiterhin die Macht der Priester, so dass sich um 1100 v. Chr. unter der Führung des Amun-Hohepriesters in Theben ein ägyptischer Staat im Staate gebildet hatte, während im nördlich gelegenen Tanis ein schwacher König regierte.

Nachdem Psusennes II., der letzte Pharao dieser Dynastie, gestorben war, kam es mit der Eroberung Thebens durch Scheschonk I., dem früheren Heerführer des Psusennes, zu einem Dynastiewechsel. Scheschonk I. übernahm die Herrschaft im Lande, in dem er sich 945 v. Chr. in seiner neuen Residenzstadt Bubastis selbst zum König erklärte.[16] Damit war die letzte Entwicklungsphase, die politisch vom nationalen Ägyptertum getragen wurde, beendet, denn Scheschonk und seine Nachfolger waren nicht ägyptischer Herkunft, sondern entstammten einem Libyerstamm. Die libyschen Stämme, die Ramses der Dritte knapp 200 Jahre zuvor immer wieder zurückgeschlagen hatte, waren nun die neuen Herren Ägypten, doch ihre Machtübernahme ging relativ unblutig und ohne größeres Blutvergießen vonstatten. Möglicherweise wurde dies dadurch begünstigt, dass viele Libyer schon seit Jahrhunderten in Ägypten ansässig waren und daher in so hohem Maße ägyptisiert, dass sie nicht als Fremdherren empfunden wurden.[17] So gelang es den libyschen Herrschern schließlich pharaonische Würden anzunehmen und die Kontinuität mit vergangenen Dynastien herzustellen – vor allem durch geschickte Heiratspolitik.

Um 721 v. Chr. fand die Herrschaft der Libyer ihr jähes Ende durch eine militärische Eroberung geführt von Pianchi aus Nubien, der ebenfalls eine volle kultische Legitimierung als Pharao anstrebte: „Obwohl Nubien und sein Königtum durchaus von ägyptischer Kultur geprägt waren, trachteten auch diese Könige nach voller kultischer Legitimierung als Pharaonen. Herrschaftsverleihung durch Amun, religiöse Feiern nach der Einnahme einer jeden Stadt zur Gewinnung des Wohlwollens der Götter, d. h. in der Praxis der lokalen Priesterschaften, sowie die Durchführung der königlichen Rituale in Memphis (Ptahtempel) und Heliopolis, die z. T. einer Krönung gleichkamen, kennzeichneten die politische Ideologie Pianchis“.[18] Er ließ jedoch nach Art eines „Großkönigs“ die libyschen Könige in Ägypten bestehen, was zu einer ständigen Opposition durch die Libyer im Norden führte.

Das Ägypten der 25. Dynastie, die von Pianchis Bruder Schabaka begründet worden war, fiel im 7. Jh. dem assyrischen Eroberer in die Hände, „dieser unterschied sich aber von den anderen wesentlich dadurch, daß er im Ausland wohnte und nicht die geringste Zuneigung zu ägyptischen Einrichtungen und Gebräuchen zeigte.“[19] Da die Herrscher dieser asiatischen Weltmacht kein Interesse am Pharaonentitel zeigten, tauchen sie auch nicht in den ägyptischen Königslisten auf. Dieser mangelnde Respekt vor der ägyptischen Tradition führte dazu, dass in der Folgezeit die Ägypter immer wieder versuchten, das assyrische Joch abzuschütteln. Die große Entfernung zum Assyrerreich begünstigte den Erfolg dieses stetigen Widerstandes, wie Hölbl in seiner Geschichte des Ptolemäerreiches treffend feststellt: „Glück für Ägypten war die abgelegene Lage, die Wüsten des palästinensisch-arabischen Raumes, die das Nilland vom Zentrum des Assyrerreiches abschirmten. Die kostspieligen Fernexpeditionen, die für die Niederhaltung Ägyptens notwendig waren, konnten sich auf Dauer auch assyrische Könige nicht leisten.“[20] Dies führte dazu, dass die Assyrer schließlich Necho und seinen Sohn Psammetich I. als Könige inthronisierten, und kaum noch direkt in die ägyptische Politik eingriffen.

Unter Psammetich I. , der als Begründer der 26. Dynastie gilt, erlebte Ägypten nocheinmal so

etwas wie eine Renaissance, eine kurze Zeit der Erholung und des Aufschwungs. Herrschaftszentrum dieser neuen Dynastie war Sais, weswegen sie auch die Saitendynastie genannt wird. Seine Macht sicherte der junge Regent durch den Aufbau einer schlagkräftigen Armee, die durch Söldener des gesamten Mittelmeerraumes – vor allem aus Griechenland - verstärkt wurde. Seine freundschaftlichen Beziehungen zu den mittelägyptischen Fürsten ermöglichten ihm sogar, Theben in seinen Herrschaftsbereich einzugliedern und sich schließlich zum legitimen „Herr der Beiden Länder“ – also ganz Ägyptens – aufzuschwingen. Während der Regentschaft Psammetich I. erblühte Ägypten für eine kurze Zeit: „Es folgten Jahre, die dem Land noch einmal wirtschaftliche Kraft und Stabilität verliehen. Der allgemeine Aufschwung brachte auch eine kulturelle Erneuerung, bei der man trotz fremder Einflüsse am großen Erbe der Vergangenheit festhielt und sich vor allem an Relief- und Skulpturwerken der weit zurückliegenden Epoche des Alten Reiches orientierte.“[21]

Nachdem das assyrische Reich durch einen langandauernden Krieg mit Babylon geschwächt worden war, sagte sich Psammetich 653 v. Chr. von der assyrischen Schutzmacht los und führte Ägypten damit wieder in die Unabhängigkeit. Dennoch stand Ägypten Assyrien bei seinen weiteren Konflikten zur Seite, zum Einen, weil die saitischen Herrscher sich immer noch Assyrien verbunden fühlten, zum Anderen weil das assyrische Reich Ägypten als eine Art Pufferstaat vor der Macht anderer Staaten schützen sollte.[22] Als im Jahre 612 v. Chr. das assyrische Herrscherhaus trotz dieser Hilfe ausgelöscht worden war und zwei Jahre später auch Psammetich I. in der Hauptstadt Sais verstarb, wandte Ägypten seinen Blick in Richtung Griechenland.

[...]


[1] Johann Gustav Droysen: „Geschichte des Hellenismus. Band 1: Geschichte Alexanders des Großen“. München: 1980 . S. 3

[2] Hans Joachim Gehrke: „Alexander der Große“. München: 2000. S. 99

[3] siehe „Walter Benjamin: Gesammelte Schriften I. 2“, hrsg. v. Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser. Frankfurt am Main: 1974. S. 696

[4] Dies stellt keineswegs eine Schwäche dieses inzwischen zum Standardwerk avancierten Buches dar, denn eine thematische Begrenzung ist aufgrund der über dreitausendjährigen Geschichte des Alten Ägyptens absolut notwendig. Es verdeutlicht jedoch, dass auch in der Forschung ein unbesiegtes Ägypten mehr Interesse hervorruft als ein besiegtes. Die betreffende Seite findet man bei: James Henry Breasted: „Geschichte Ägyptens”. Reprint der Ausgabe von 1957. Dt. von Hermann Ranke. Köln: 2001. S. 317

[5] Der Titel Pharao, wörtlich „das große Haus“, als Bezeichnung für Palast und König war übrigens erst seit dem Neuen Reich gebräuchlich. Wenn ich nun behaupte, dass der Pharao bereits seit 3000 v. Chr. Herrscher war, dann wird dieser Titel der Einfachheit halber „missbraucht“, um auch die früheren Formen des ägyptischen Königtums zu benennen.

[6] Klaus Koch: „Geschichte der ägyptischen Religion. Von den Pyramiden bis zu den Mysterien der Isis“ Stuttgart; Berlin; Köln: 1993. S. 52

[7] Die Ansicht, dass die Person des Pharao als göttlich galt und die hier dem Buch von Robert Koch entnommen wurde, ist allerdings durchaus umstritten, da einige Forscher meinen, dass allein die Institution des Pharaos göttlich war. Vgl. Koch, Klaus: „Geschichte der ägyptischen Religion“. S. 72 f.

[8] ÄHG Nr. 20, 31 - 37

[9] Vgl. Jan Assmann: „Ägypten: Theologie und Frömmigkeit einer früheren Hochkultur“. Stuttgart; Berlin; Köln; Mainz: 1984. (Urban-Taschenbücher; Bd. 366) S. 11

[10] Bei einer Kritik am personellen Gottesstatus sollte man aber berücksichtigen, dass in den polytheistischen Religionen der Begriff „GOTT“ nicht dasselbe bezeichnet wie in den monotheistischen, wo der Gott immer als allmächtiges unsterbliches Wesen beschrieben wird. In vielen alten Mythen konnten schließlich auch Götter sterben und waren in ihrer Macht durch andere Götter beschränkt.

Siehe hierzu: Jan Assmann: „Ägypten. Theologie und Frömmigkeit einer frühen Hochkultur“. S. 20 f. Oder: Klaus Koch: „Geschichte der ägyptischen Religion“. S. 73

[11] Günther Hölbl: „Geschichte des Ptolemäerreiches. Von Alexander dem Großen bis zur römischen Eroberung“. 2. Auflage. Stuttgart: 2004. S. 69

[12] In diesem Zusammenhang weist Schubart auf die Zusätze „Theos“ und „Soter“ bei der ptolemäischen Titulatur hin, derer ein wirklicher Gott nicht bedarft. W. Schubart :„Das Königsbild des Hellenismus“, in: „Die Antike. Zeitschrift für Kunst und Kultur des klassischen Altertums. Band 13“ , 1937. S. 285 f.

[13] Günther Hölbl: „Geschichte des Ptolemäerreiches“. S. 1

[14] James Henry Breasted: „Geschichte Ägyptens”. Reprint der Ausgabe von 1957. Dt. von Hermann Ranke. Köln: 2001. S. 271

[15] Vgl. BAR IV. S. 486 - 498

[16] Aufgrund ihrer Herkunft und der neuen Residenzstadt nennt der ägyptische Historiker Manetho die Herrscher der 22. Dynastie daher auch schlicht „die Könige aus Bubastis“. Siehe Manetho: Fragment 60 (Syncellus gemäß Julius Africanus)

[17] Vgl. Günther Hölbl: „Geschichte des Ptolemäerreiches“. S. 2

[18] Ebd.

[19] James Henry Breasted: „Geschichte Ägyptens”. S. 293

[20] Günther Hölbl: „Geschichte des Ptolemäerreiches”. S.3

[21] Hermann A. Schlögl: „Das Alte Ägypten“. München: 2003. S. 129

[22] Günther Hölbl: „Geschichte des Ptolemäerreiches“. S. 3

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Das Reich am Nil und Alexander der Große
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
26
Katalognummer
V30532
ISBN (eBook)
9783638317771
Dateigröße
588 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Aufenthalt Alexanders des Großen in Ägypten und den Folgen seines Ägyptenfeldzuges. Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass Geschichte nicht nur aus der Sicht Alexanders erzählt wird, sondern auch die ägyptische Sichtweise und altägyptische Traditionen miteinbezogen werden. Dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand.
Schlagworte
Reich, Alexander, Große
Arbeit zitieren
Marcel Egbers (Autor:in), 2004, Das Reich am Nil und Alexander der Große, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30532

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