Pluralformen des Deutschen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Pluralauffassungen in Gebrauchsgrammatiken
2.1. Pluralformen bei Jung (1968)
2.2. Pluralformen bei Heuer et. al. (2001)
2.2. Fazit

3. Wurzels (1994) Analyse der Pluralflexion
3.1. Vorüberlegungen
3.2. Die Erfassung der Substantivflexion
3.2.1. Getrennte Singular- und Pluralparadigmen
3.2.2. Einheitliche Paradigmen
3.2.3. Einheitliche Paradigmen (unter Betrachtung der Flexionsklassenmarkiertheit)
3.3. Wurzels Beitrag für das Erlernen der Pluralparadigmen

4. Wunderlichs (1999) Erfassung der Pluralflexion
4.1. Die Flexionsklassen
4.1.1. A: Untypische Nomen
4.1.2. B: Typische, nichtfeminine, nichtumlautende Nomen
4.1.3. C: Umlautende Nomen
4.1.4. D: Nichtfeminine mit r-Plural
4.1.5. E: Feminine Nomen ohne Umlaut
4.1.6. F: Nichtfeminine Nomen mit n-Plural
4.1.7. G: Nomen mit unterschiedlichen Singular und Pluralstämmen
4.1.8. H: Reguläre, schwache Nomen
4.1.9. I: Nichtreguläre, schwache Nomen
4.1.10. Zusammenfassende Betrachtung der Flexionsklassen von Wunderlich
4.2. Wunderlichs optimalitätstheoretischer Beitrag zur Pluralflexion
4.3. Wunderlichs Beitrag für das Erlernen der Pluralflexion

5. Zusammenfassender Vergleich der Beiträge von Wunderlich und Wurzel

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die zahlreichen Pluralformen des Deutschen sorgen bei fremdsprachigen Lernern immer wieder für Verwirrung, doch auch die Muttersprachler haben bei einzelnen Beispielen ihre Probleme. Trotzdem zeigen sich im Alltagsgebrauch meist kaum Schwierigkeiten. Wie ist das möglich? Welche Paradigmen und Grundlagen gehen diesem Gebrauch voraus?

Die vorliegende Hausarbeit soll zwei verschiedene Auffassungen der deutschen Pluralflexion und deren Hintergründe vorstellen. Ich möchte ferner ihre Leistung für den Lerner und Fremdsprachler kritisch betrachten.

Die ältere der beiden Auffassungen stammt von Wurzel (1994), der ich mich hier zuerst widmen möchte. Anschließend soll die neuere Theorie von Wunderlich (1999) untersucht werden. Letztendlich möchte ich versuchen, beide Theorien zu vergleichen und gemeinsame Schnittpunkte aufzuzeigen.

2. Pluralauffassungen in Gebrauchsgrammatiken

Vor der Vorstellung von Wurzels und Wunderlichs Versuchen, die Pluralflexion einfacher, übersichtlicher und logischer zu erklären, möchte ich zunächst einmal die "klassische" Darstellung und Erklärung neueren und älteren Gebrauchsgrammatiken aufzeigen.

2.1. Pluralformen bei Jung (1968)

Bei Jung (1968: 281 ff.) finden sich allein zum Plural 9 Paragraphen auf 4 Seiten. Das allein lässt schon auf eine große Vielschichtigkeit (und Schwerverständlichkeit für Lerner) der Pluralauffassung schließen. Er unterscheidet im Wesentlichen 5 Typen von Pluralarten (Jung 1968: 287). Diese möchte ich in untenstehender Übersicht anhand selbstgewählter Beispiele aufzeigen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1

Die Übersicht zeigt eine grobe Kategorisierung der Pluralklassen, gibt aber nur einen kleinen Einblick in die im Deutschen vorkommenden Pluralformen. Zudem ist es für den Fremdsprachler nicht ersichtlich, warum z. B. bei Typ 2 einige Nomen im (Päpste, Künste, Gäste) im Plural umlauten, andere hingegen nicht (Lose, Hunde). Darüber hinaus muss ein Lerner gerade für den Typ 1 und Typ 5 noch einige Zusatzbestimmungen lernen, nämlich für die Typ 1 die Endungen der Nomen im Nominativ Singular und für den Typ 5 existieren außer der s-Plural-Form noch so genannte "assimilierte" (Wegener 2003) Pluralformen, so dass man die betreffenden Nomen aufgrund dieser anderen Endungen genauso gut in andere Pluralklassen (hier: Typ 3) einordnen könnte.

Die Pluraldarstellung bei Jung (1968) ist also im Großen und Ganzen zwar hilfreich für ein grobes Ordnen der einzelnen Nomen, kann aber im Einzelfall dem fremdsprachigen Lerner oft nicht weiterhelfen, da logische Erklärungen für Umlautung fehlen und die assimilierten Plurale nicht erklärt werden.

2.2. Pluralformen bei Heuer et. al. (2001)

In neueren Gebrauchsgrammatiken finden sich weniger vielschichtige Darstellungen der Pluralformen. Außerdem werden andere Schwerpunkte gelegt. Hier möchte ich exemplarisch die Pluraldarstellung bei Heuer et. al. (2001) vorstellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2[5]

Diese Tabelle zeigt deutlich, dass hier auf zwei Markierungen der Pluralformen Wert gelegt wird. Zum einen wird hier zwischen endungslosen und mit Endungen versehenen Pluralen unterschieden, zum andern zwischen Formen, die Umlauten und solchen, die nicht umlauten. Die kreuzschematische Darstellung ergibt so im Vergleich zu Jung (1968) statt 5 nur 4 Pluralklassen. Das sieht oberflächlich betrachtet für den Lernern leichter aus, dafür finden sich aber in den 4 Klassen die verschiedenenartigsten Endungen wieder, in denen der Fremdsprachler sich nur unzureichend orientieren kann.

2.2. Fazit

Die Pluraldarstellungen der Gebrauchsgrammatiken zeigen uns die Pluralflexion im Deutschen als ziemlich vielschichtig, uneindeutig[6] und komplex. Die Gebrauchsgrammatiken sind aber nicht dazu geeignet, die Komplexität der Pluralflexion besser verständlich zu machen oder auch nur in allen Facetten darzustellen. Es bleiben offene Fragen. Für die mögliche Beantwortung dieser Fragen werden wir jetzt die theoretischen Ansätze neuerer Zeit betrachten.

3. Wurzels (1994) Analyse der Pluralflexion

Wurzel (1994) betrachtet in seinen Ausführungen die Pluralflexion als solche nicht separat sondern in Verbindung mit der Singularflexion. Darüber hinaus projiziert er seinen theoretischen Ansatz auf der Grundlage mehrerer Vorüberlegungen sowie den so genannten 'Paradigmenstrukturbedingungen' (PSB). Auf dieser Grundlage entwirft er drei Varianten einer Sicht auf die deutsche Substantivflexion, die ich an dieser Stelle vorstellen möchte.

3.1. Vorüberlegungen

Im Deutschen, so Wurzel (1994: 30) gibt es nur wenige Kategoriemarker, die sich direkt an den Wörtern nachweisen lassen: drei Suffixe (-e, -(e)n, -er und der Umlaut.[7] Diese Marker existieren aber in den einzelnen Flexionsklassen in unterschiedlicher Kombination. Die Flexionsklassenzugehörigkeit ergibt sich aber kaum wie in anderen Sprachen aus nichtmorphologischen Gesichtspunkten wie Genus oder Phonologie des Nomens. Allerdings gibt es Präferenzen für die Zugehörigkeit zu bestimmten Flexionsklassen. So bevorzugen bspw. Feminina, die auf verzeigendem Reim enden, meist die schwache Flexion (d. h. kein Marker im Singular, Marker -e im Plural und -n im Dativ Plural).

(1) a. die Gans

b. die Gänse

Zu diesen Grundlagen, die sich bereits bei den Gebrauchsgrammatiken erschließen lassen, stellt Wurzel (1994: 32 f.) zwei großen Prinzipien, die in der Linguistik kaum noch angezweifelt werden:

1. Der Aufbau der Flexionssysteme ist implikativ.
2. Konkurrenz zwischen Flexionsklassen wird durch Präferenz gelöst.

Prinzip 1 stützt sich auf die Tatsache, dass das Auftreten bestimmter nichtmorphologischer Eigenschaften, das gleichzeitige Auftreten bestimmter anderer Eigenschaften bedeutet. Das nennt Wurzel Paradigmenstrukturbedingung. Hier gibt es zwei mögliche Formen. Beim Typ 1 impliziert das Auftreten von lexikalischen Grundformen mit bestimmten nichtmorphologischen Eigenschaften das Auftreten bestimmter Flexionsformen. Typ 2 dagegen bezieht sich auf Zusammenhänge zwischen dem Auftreten bestimmter Marker einer Kategorie und dem Auftreten bestimmter Marker einer anderen Kategorie. Wurzel (1994) geht davon aus, dass derartige Paradigmenstrukturbedingungen auch den Einbau von neu hinzukommenden Nomen in das vorhandene System erleichtern.

Prinzip 2 beschreibt die Beobachtung, dass bei Konkurrenz unter den Flexionsklassen bei Nomen mit gleichen nichtmorphologischen Eigenschaften die Flexionsklasse präferiert wird, zu der bereits die jeweils meisten Nomen mit den entsprechenden Eigenschaften gehören. Letztere Klasse nennt man die präferente Klasse. Im Laufe der Sprachentwicklung gibt es auch Wechsel aus der nicht-präferenten in die präferente Flexionsklasse.

(2) a. die Sucht

b. die Süchte

(3) a. die Sucht

b. die Suchten

2b zeigt die alte Flexionsklasse, nämlich die starke Deklination mit e-Plural, während sich in 3b der (e)n-Plural zeigt.

Wurzel versucht ausgehend von diesen Vorüberlegungen das Flexionsklassensystem angemessen zu beschreiben und dabei die Frage zu beantworten, ob es im Deutschen einheitliche Singular- und Pluralparadigmen gibt, oder ob sie eher getrennt zu betrachten seien.

3.2. Die Erfassung der Substantivflexion

Um bei den nachfolgenden Analysen herauszufinden, welche Betrachtungsweise des deutschen Flexionssystems (getrennte oder gemeinsame Singular- und Pluralparadigmen), die richtige ist bzw. wie die Beschreibung des Flexionssystems angemessen sein muss, gibt Wurzel (1994: 31) noch eine Vorgabe, was "richtig in diesem Fall bedeutet: zum einen, sollen natürlich die "Fakten des gegebenen Bereichs in korrekter Weise" und die Zusammenhänge zwischen diesen möglichst klar und einfach erfasst werden. Außerdem nimmt Wurzel (1994: 31) an, dass:

[...]


[1] der Typ 5 tritt laut Jung vor allem bei Fremdwörtern, Nomen, die auf Vokal enden bzw. Kurznomen, die aus Silben oder einzelnen Buchstaben bestehen, auf.

[2] aber auch: die Balkone

[3] aber auch: die Saunen

[4] aber auch: die Pizzen

[5] Darstellung nach Heuer et. al. (2001: 71)

[6] Immerhin finden wir bei Jung (1968) fünfzehn Klassen, bei Heuer et. al. (2001) dagegen nur vier.

[7] Wurzel klammert hier das s-Plural bei fremdstämmigen Wörtern und Wörtern, die ursprünglich Abkürzungen waren (Typ 5 bei Jung) eher aus, sieht es im Zusammenhang mit dem Genitiv-s des Singulars (Wurzel 1994: 30).

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Pluralformen des Deutschen
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (INstitut für Germanistische Sprachwissenschaft)
Veranstaltung
Nomen und Pronomen
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V30515
ISBN (eBook)
9783638317658
Dateigröße
542 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pluralformen, Deutschen, Nomen, Pronomen
Arbeit zitieren
Sabine Heinichen (Autor:in), 2004, Pluralformen des Deutschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30515

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