Attribute zu Nichtkernen


Trabajo, 2003

19 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklärung
2.1. Komposita
2.2. Attribute

3. Attribute zu Nichtkernen - Beschreibung des Phänomens
3.1. Das Verständnis der Gebrauchsgrammatiken
3.2. Theoretische Ansätze
3.2.1. Bergmann und Sandberg
3.2.2. Fabricius-Hansen

4. Zum Umgang mit Attributen zu Nichtkernen
4.1. Der Fragebogen
4.1.1. Zur Aufstellung des Fragebogens
4.1.2. Zur Auswertung des Fragebogens
4.2. Wie ist mit Attributen zu Nichtkernen umzugehen?

5. Literatur

6. Anhang

1. Einleitung

Attribute zu Nichtkernen als Phänomene des Deutschen begegnen uns im Alltag häufig, ohne dass wir uns darüber bewusst werden. Die in dem Titel dieser Arbeit auftretende Wortgruppe hört beispielsweise jeder Gast des Jenaer Nahverkehrs, wenn er mit der Straßenbahn bestimmte Verkehrsknotenpunkte passiert.

Attribute, die sich auf die Nichtkerne zwei- oder mehrteiliger Komposita beziehen geben aber, wenn sie auffallen, oftmals Anlass zur Heiterkeit. Man denke z. B. an den vielzitierten mehrköpfigen Familienvater.

Meine Arbeit wird die verschiedenen Theorien, die es zu diesem Phänomen gibt, ausgehend von Duden und anderen Gebrauchsgrammatiken vorstellen, diskutieren und Teile daraus prüfen. Darüber hinaus werde ich mich mit Möglichkeiten zum Umgang mit diesem Phänomen in der Praxis beschäftigen.

2. Begriffsklärung

2.1. Komposita

Komposita sind im Deutschen wichtige sprachliche Mittel zur Wortneubildung. Sie bestehen im Allgemeinen aus zwei Konstituenten. Dabei wird die zweite Konstituente als Head, Kern oder Grundwort bezeichnet. Dieses Zweitglied bestimmt normalerweise das Gesamtwort hinsichtlich Genus, Wortart und Flexionstyp. Das Erstglied dagegen hat Einschränkungsfunktion.

(1) die Tür
(2) die Haustür

Bei (2) ist die Einschränkung lokal – gemeint ist die Tür des Hauses, nicht des Ofens oder des Schrankes.

Das Grundwort wir also durch das Bestimmungswort links erweitert. Diese Linkserweiterung lässt sich nahezu beliebig fortsetzen. Es kann auch ein Kompositum zu einem neuen Grundwort gestellt werden.

(3) Ernte

(4) Obsternte

(5) Steinobsternte

Einige Arten von Komposita weisen eine andere Struktur auf:

(6) Lobeda

(7) Lobeda-Ost.

Hier ist das Zweitglied dasjenige, das das Gesamtwort hinsichtlich seiner Gültigkeit determiniert. Bei (6) ist eben der östliche Teil Lobedas gemeint und nicht der westliche.[1]

Um der Semantik eines Kompositums auf die Spur zu kommen, muss man es in eine Paraphrase auflösen. Nur auf Ebene einer Wortgruppe kann es namentlich ausgedrückt werden. So wird z. B. (2) als die Tür des Hauses paraphrasiert.

Obwohl die Bildung von Komposita im Deutschen recht einfach und frei gehandhabt wird, ist es meist vonnöten "eine gewisse semantische Kongruenz (Kompatibilität)"[2] der einzelnen Konstituenten zu beachten. Dieser Umstand wird bei weiteren Betrachtungen noch zu bedenken sein.

2.2. Attribute

Attribute werden zumeist als Beiwörter bezeichnet. Sie bestimmen Nomen, Pronomen, Adjektive oder Adverbien näher, erklären ihr Bezugswort sozusagen, und können verschiedene Formen und Stellungen aufweisen (Klassifikation aus Duden, Bd.9)[3]:

1. vorangestellte Adjektive und Partizipien

(8) das offene Feuer

(9) die ausgestreckte Hand

2. voran- und nachgestellte Adverbien

(10) nur eine Mark

(11) dein Benehmen gestern

3. nachgestellte Substantive (inkl. Appositionen und Genitivattribut)

(12) die Vögel Südostasiens

(13) die Ursache der Katastrophe

4. nachgestellte Infinitivkonstruktionen und Teilsätze.

(14) dein Unwillen aufzuräumen

(15) der Ärger, den ich mit ihm habe

Die inhaltliche Leistung von Attributen liegt in der genaueren Kennzeichnung ihres Bezugswortes. Häufig vervollkommnen Attribute eine Aussage und "schmücken" eine Phrase, sind aber nicht immer nötig.[4]

3. Attribute zu Nichtkernen – Beschreibung des Phänomens

3.1. Das Verständnis der Gebrauchsgrammatiken

Der Duden geht mit dem Phänomen einerseits sehr rigide, andererseits ziemlich undurchsichtig vor. Es wird davon ausgegangen, dass sich Adjektive vor einem Kompositum "formal auf das Grundwort des Kompositums, inhaltlich aber auf das ganze Kompositum"[5] beziehen. Eine Kombination von Zusammensetzung und Adjektiv sei dann falsch, wenn sich letzteres inhaltlich nur auf das Bestimmungswort bezieht. Gleiches gilt für Kombinationen mit Genitivattributen.[6]

(16) das reichhaltige Mittag essen

(17) "der vierstöckige Hausbesitzer"[7]

(18) der Krankengeld anspruch des Arbeiters

(19) die Absturz ursache des Flugzeuges

Demnach sind (17) und (19) als unkorrekt, (16) und (18) aber als richtig anzusehen.

Diese Einteilung ließe sich verstehen und im Umgang mit derartigen Phänomenen umsetzen, wenn Duden nicht andererseits einige der nach bisheriger Definition als falsch anzusehenden Wortgruppen überraschenderweise als richtig ansehen würde:

(b)estimmte Fügungen mit einem Genitivattribut haben sich durchgesetzt und sind sprachüblich geworden: der Geschichtsschreiber Karls des Großen (…).[8]

Gerade dieses Kriterium der "Sprachüblichkeit" werden wir nachher noch näher untersuchen müssen, da es schwer zu definieren und deshalb diese Regel schwer nachzuvollziehen ist.

Ebenfalls als etabliert betrachtet Duden Wortverbindungen, die aus einigen als falsch klassifizierten Wortgruppen hervorgegangen sind.

(20) lose Blatt sammlung

(21) Loseblatt sammlung

(20) ist laut Duden als falsch anzusehen, da lose sich auf Blatt - aber nicht auf -sammlung bezieht. (21) ist nun aber richtig, "weil die Beziehung des Adjektivs (…) zu dem eigentlichen Bezugswort (…) eindeutig ist."[9] Auch diese Regelung ist nicht leicht nachvollziehbar, zumal hier die Unterscheidung von richtig oder falsch nur in der Schriftsprache eine Rolle spielt, in der gesprochenen Sprache dagegen nach meiner Meinung überhaupt nicht auffällt. Aber selbst in der Schriftsprache kann man davon ausgehen, dass der Leser die Zuordnung des Adjektivs zum eigentlichen Bezugswort richtig macht und zwar ohne größeres Nachdenken.

Jungs Auffassung zum hier diskutierten Phänomen ist nicht ganz so rigide wie bei Duden:

Fügungen, in denen das Attribut inhaltlich oder syntaktisch zum Bestimmungswort gehört, sollten vermieden werden.[10]

Allerdings zeigt sich auch Jung in seinen Ausführungen inkonsequent. Er rät dazu, falsche Fügungen durch Zusammenschreibungen oder durch die Bildung zusammengesetzter Bestimmungswörter zu umgehen.[11] Darüber hinaus wird hier ebenfalls von Einbürgerung falscher Fügungen gesprochen. So gilt z. B. nach Jung "deutscher Sprach unterricht" nunmehr als richtig. Jung gibt im Übrigen einen Hinweis, der im Duden nicht betrachtet wird, nämlich dass manche Kombinationen von Kompositum und Attribut derart gestaltet sein können, das sich letzter auf beide Konstituenten des Bezugswortes beziehen kann.[12]

3.2. Theoretische Ansätze

Dem teilweise unbefriedigenden Umgang der Gebrauchsgrammatiken mit Attributen zu Nichtkernen stehen verschiedene theoretische Ansätze gegenüber, die im Laufe der Jahre versuchten, ein tiefergehendes Verständnis zu diesem Phänomen zu entwickeln.

3.2.1. Bergmann und Sandberg

Rolf Bergmann untersuchte das Phänomen "Attribute zu Nichtkernen" 1980 näher. In seinem Artikel[13] etabliert er aufgrund von Korpus-Untersuchungen eine Art System dieser besonderen Fälle und äußert sich zu ihrer Akzeptabilität.

Bergmann nennt vier Arten von Attributen:

1. Attribute, die sich auf den Kern beziehen
2. Attribute, die sich auf das Bestimmungswort beziehen
3. Attribute, die auf beide Konstituenten beziehbar sind
und 4. Attribute, die sich nur auf das gesamte Kompositum beziehen lassen.

Er vergleicht die adjektivisch attribuierten Komposita mit dreiteiligen Komposita, Zusammensetzungen, die aus einem Grundwort und aus einem zweiteiligen Bezugswort bestehen. Derartige Zusammensetzungen können seiner Meinung nach als Zusammenrückungen aus ehemals "problematisch" attribuierten Komposita verstanden werden.[14]

[...]


[1] vgl. Fleischer, Wolfgang/

Barz, Irmhild: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. Vollständige Neufassung. Tübingen: Niemeyer 1992, S. 87f.

[2] Fleischer/Barz 1992, S. 89

[3] vgl. Duden "Richtiges und gutes Deutsch". Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle. Hrsg. von der Dudenredaktion. Beteiligt: Annette Klosa, Anette Auberle und Günther Drosdowski. 5., neu bearb. Aufl. Mannheim/Wien/Zürich: Bibliographisches Institut 2001 (Bd. 9), S. 109

[4] Jung, Walter: Grammatik der deutschen Sprache. 3., unveränderte Auflage. Leipzig: Bibliographisches Institut 1968, S. 89 f.

[5] Duden "Richtiges und gutes Deutsch" 2001, S. 507

[6] Jung 1968, S. 508f.

[7] Jung 1968, S. 507

[8] Jung 1968, S. 509

[9] Jung1968, S. 508

[10] Jung 1968, S. 398

[11] Jung 1968, S. 93

[12] vgl. Jung 1968, S. 93

[13] Bergmann, Rolf: Verregnete Feriengefahr und Deutsche Sprachwissenschaft. Zum Verhältnis von Substantivkomposition und Adjektivattribut. In: Sprachwissenschaft 7/1980. S. 234-265.

[14] vgl. Bergmann 1980, S. 247f.

Final del extracto de 19 páginas

Detalles

Título
Attribute zu Nichtkernen
Universidad
http://www.uni-jena.de/  (Germanistische Sprachwissenschaft)
Curso
Norm und Varianz
Calificación
1,0
Autor
Año
2003
Páginas
19
No. de catálogo
V30506
ISBN (Ebook)
9783638317566
Tamaño de fichero
490 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Attribute, Nichtkernen, Norm, Varianz
Citar trabajo
Sabine Heinichen (Autor), 2003, Attribute zu Nichtkernen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30506

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