Menschen, Tiere, wilde Kinder? Frühe Erziehung im Kontext zeitgeschichtlicher Natursystementwürfe

Eine historische Annäherung zur Erfassung möglicher Abhängigkeiten zwischen der Vorstellung von Erziehung und der systematischen Konstruktion der Mensch-Tier-Beziehung


Hausarbeit, 2015

22 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Aktualität und Ambivalenz der Mensch-Tier-Beziehung

2 Charakterisierung der Mensch-Tier-Beziehung zwischen Bibel und Früher Neuzeit
2.1 Die Frühe Neuzeit – Ordnungssysteme und die Entdeckung der Kindheit

2.1.1 Wilde Kinder – Beschreibung, Abgrenzung und das aufkommende Interesse an ihren raren Quellen durch die zeitgenössische Wissenschaft

3 Einbindung der Wilden Kinder in den neuzeitlichen Diskurs über Wesen und Wertigkeit des Menschen
3.1 Gestaltwandel der Erziehung am Beispiel Locke
3.2 Das „Systema Naturae“ von Linne. Versuch einer übersichtlichen und überdauernden Gliederung der Natur
3.2.1 Folgen des Systema Naturae für die Erziehung

4 Analyse der literarischen Klassifikation der Wolfskinder von Midnapur als Beispiel der Moderne
4.1 Erzieherische Konsequenzen für die Wilden Kinder
4.2 Erzieherische Konsequenzen der Wilden Kinder
4.2.1 Intersystemischer Interpretationsspielraum – eine Konklusion

5 Darstellung der Ergebnisse und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Ordnung Anthromorpha im Systema Naturae

1 Aktualität und Ambivalenz der Mensch-Tier-Beziehung

Den Hund im Bett, die Kuh im Schrank, das Schwein auf dem Teller (vgl. Joy o.S.) – so paradox zeichnet sich das moderne „Miteinander“ von Mensch und Tier. Einerseits öffnet der Mensch zunehmend seinen Lebensraum für das Tier, auf der anderen Seite beutet er dessen Leben und Lebensraum immer weiter aus.

Analog zum zunehmenden Voranschreiten des Zivilisationsprozesses innerhalb einer Gesellschaft kommt es zur kontinuierlichen Verstärkung der Ambivalenz zwischen Emotionalität und Brutalität. Während in vielen ärmeren ländlichen Gebieten der Erde menschliches und tierisches Wohlergehen noch miteinander einher gehen, zeigt sich in den westlich-industrialisierten Ländern ein hochgradig zerrissenes Bild (vgl. Pollak S. 3): Schlachthöfe automatisieren und ökonomisieren ihren Betrieb; gleich um die Ecke werden Tiersalons, Kostümläden, Praxen und Schulen für Tiere errichtet. Hier hat der Mensch das Tier domestiziert und benötigt es fortan nur noch zum „[B]etüddeln“ (Scheuer 2013, S. 46).

Schlägt man sodann die Zeitung auf und liest von der Forderung nach „Grundrechte[n] für Menschenaffen“ (Nakott 2012, o.S.), ist es durchaus legitim, danach zu fragen, welcher Floh den Menschen da wohl geritten haben muss. Es scheint, als würde der Durchschnittsbürger den Widerspruch im eigenen Denken und Handeln nicht bemerken. Von Situation zu Situation modifiziert er seine Einstellung wie ein Chamäleon, das sich trotz schwarz-weiß gesprenkelter Umgebung nicht von der Gesellschaft abzuheben vermag.

Aber woher nimmt sich die Krone der Schöpfung all die Rechte und das Selbstbewusstsein? Gibt es eine Kluft zwischen Mensch und Tier, die von beiden Seiten weder durch Vormachen und „Nachäffen“, noch durch angeborene Eigenschaften, höhere Mächte oder biologisch-phylogenetischen Zufallsschwankungen überwunden werden kann? Oder macht sich der Mensch durch derartigen Übereifer bloß zum Affen und hat die Krone gar wie eine diebische Elster den Tieren gestohlen? Hat er seinen vermeintlich hohen Status vielleicht sogar denselben zu verdanken und steht womöglich auf deren Stufe, holt man ihn erst von seinem hohen Ross ?

All diese Überlegungen stellen eine Art Bauplan für die Konstruktion klassifizierender Natur- oder Biosysteme dar, die die verschiedensten Bestandteile eines Organismus in Beziehung zueinander erfassen. Um diese soll es in der vorliegenden Hausarbeit nun gehen. Zentrales Thema wird es sein, die Frage nach einer vermuteten Abhängigkeit zwischen Erziehung und solchen Strukturierungskonzepten zu klären, in denen der Mensch im Vergleich zum Tier teils höher und teils niedriger positioniert ist. Außerdem soll an einigen Beispielen ermittelt werden, welcher Stellenwert den Wilden Kindern in diesem Kontext zukommen kann.

Obgleich die einleitenden Fragen nur stichprobenartig aufgegriffen werden können, werden sie für die Beantwortung der Forschungsfrage besonders hinführenden Charakter haben und bei der Veranschaulichung und Bekräftigung von (Zwischen-)Ergebnissen helfen. Daher wird einleitend zum Teil gleich auf diese zurückgegriffen, wenn es darum geht, historische Beschreibungen der Mensch-Tier-Beziehung nach zu skizzieren und anschließend die Wilden Kinder begründet und strukturiert mit in den Inhalt einzubinden. Im Zentrum der Einzelabschnitte steht dann fast ausschließlich die Suche nach Gründen und Indizien verschiedener Kategorisierungen von Mensch und Tier, und die Rolle der Erziehung, die unter den jeweiligen Anordnungen und Abgrenzungen differieren mag und sich im Fortgang der Arbeit immer deutlicher herauskristallisieren wird[1] ; so auch in einem präsentierten System der ganz besonderen Art. Zum Ende hin wird dann eine ausgewählte Quelle zweier isolierter Kinder einer kritischen Literaturanalyse unterzogen und auch hieraus versucht, stilistisch gekleidete Hinweise für die Beantwortung der zentralen Fragen zu entschlüsseln. Im Bestreben, aus allen Kapiteln dann die Quintessenz zu extrahieren, soll also letztendlich das für die Elementar- und Familienpädagogik entscheidende Anliegen eines kausalen Einflusses von Erziehung auf den Entwurf von Klassifikationssystemen und umgekehrt, und der Funktion, der dabei den Wilden Kindern zukommt, herausgearbeitet und geklärt werden.

2 Charakterisierung der Mensch-Tier-Beziehung zwischen Bibel und Früher Neuzeit

Die Ursprünge der Mensch-Tier-Beziehung und die Herausbildung eines hinterfragenden Interesses an ihrer Konstitution und Konstruktion finden sich bereits in der Bibel. Weil Gott Mensch und Tier am selben Tag erschaffen hat, waren beide vom Atem Gottes abhängig und wurden auch beide in der Sintflut zur Fortsetzung ihrer Leben gerettet[2] (vgl. Gen 9,9-10). Mit der priesterlichen Anthropologie wurde dann dem Menschen das Streben nach Gottesebenbildlichkeit übertragen, welche ihm zu einer friedlich gedachten Herrschaft über die Tiere befähigen sollte (vgl. ebd. 1,26-30). Er begann daraufhin, seine Lebenswelt zu gliedern, darin die Tiere einzuordnen und diese sich zu unterstellen (vgl. ebd. 2,19f.). Bald bediente er sich erstmalig an Fleischnahrung und tierischen Produkten und nutzte das Vieh zur Verrichtung seiner Arbeit. Um dieses dennoch nicht zu überfordern, übertrug er ihnen teils menschliche Rechte wie die Sabbatruhe.

Diese „humanitären Bemühungen“ gegenüber den Tieren waren aber insoweit extrinsisch motiviert, dass Gott über seinen menschlichen „Mandatar“ (vgl. ebd. 1,26-30) kritisch wachte und jeden Verstoß mit tierischen Plagen und höheren Gewalten sanktionieren konnte. Bedenkt man, dass der Mensch gerade aufgrund seines zeitweise negativen Umgangs mit den Tieren um das Erreichen des eschatologischen Heilsendes bangen musste, erscheint es zunächst umso paradoxer, dass er die Wiedergutmachung durch großzügige „tierische“ Spenden an Gott erhoffte. Hierfür dichotomisierte er alles Tierische in rein und unrein, wobei er den Tieren, die die natürliche Ordnung stützten, Reinheit und denjenigen, die sie in Frage stellten und somit gefährdeten[3], Unreinheit zuschrieb (vgl. Lev 1,3). Mit der Verbreitung des christlichen Glaubensmusters fungierte die Kirche[4] bis in das Mittelalter hinein als oberste Erziehungsinstanz zur „Missionierung“ immer größerer Bevölkerungsschichten und der Verbreitung der biblischen Schöpfungslehre.

Nachhaltig öffentlich angezweifelt wurde die Konstruktion der göttlichen Ordnung[5] erstmals im 13. Jahrhundert durch den italienischen Philosophen und Theologen Thomas von Aquin, der dem Tier die göttliche Heilsfähigkeit absprach[6] (vgl. Tännsjö S. 96) und es so von dem Menschen abgrenzte, dem nun eine Position „zwischen Tier und Engel“ (Bohn 2010, S. 140) zukommen sollte. Natürlich galt die Veröffentlichung der Neuauflage des göttlichen Bauplans in der damaligen Zeit als hochgradige Gotteslästerung und doch war sie, wie sich bald zeigen wird, längst nicht die letzte Überarbeitung mit „Einfluss auf die [...] Erziehungsidee“[7] (Seel/Hanke 2014, S. 209).[8]

Mit fortschreitender Zivilisierung fand Mitte des 14. Jahrhunderts eine neue Gestalt Eingang in die zeitgenössische Literatur und Malerei, die bis in die Neuzeit hinein einen besonderen Stellenwert einnahm: der anthropomorphe Wilde Mann als eine phantasierte Figur, die ausreichend Projektionsraum für das freie Ausleben der eigenen Bedürfnisse, wie es dem Gesellschaftsmenschen verboten war, bot. Galt sein raues Erscheinungsbild vor allem als bürgerliches Ideal, wurde er konträr dazu von der Kirche als widerwärtiges Biest ohne Verstand, Sitten und Moral aufgenommen. Problematisch war, dass das „göttlich gegebene“ und inzwischen ohnehin schon leicht „angeknackste“ Ordnungssystem keinen Platz für den halbtierischen Urmenschen frei hielt. Da Zwischenwesen jeglicher Art als dämonisch abgestempelt wurden (vgl. Schuler-Lang S. 26), hatte ihm die Kirche in Stellvertretung von Gott die Mittelpositionen „versperrt“, indem er dem Wilden die Seele, die lange Zeit als Unterscheidungskriterium zwischen Mensch und Tier fungierte, einfach absprach und ihn damit unerziehbar machte. Damit wurde das Wesen nicht nur auf die tierische Stufe platziert. Diese Lokalisation hatte zusätzlich noch den erzieherischen Effekt der Disziplinierung des Menschen, der keineswegs in die entgegen Gott gesetzte Richtung streben konnte, wolle er sich je vervollkommnen.

Diese Überlegungen stellen den Ausgangspunkt aller späteren Klassifikationsbemühungen dar, tauchen immer wieder bruchstückhaft im späteren Verlauf der Arbeit auf und geben zudem ein Muster vor, das sich in nahezu allen späteren Epochen in etwas modifizierter Form widerholen wird. Im Folgenden soll nun eine weitere für die zentrale Fragestellung basale Entwicklung der Frühen Neuzeit nachgezeichnet werden, nämlich die der frühkindlichen Erziehung.

2.1 Die Frühe Neuzeit – Ordnungssysteme und die Entdeckung der Kindheit

In den Anfängen der Frühen Neuzeit genoss bei den Menschen der reine Überlebensgedanke oberste Priorität. Erziehung, die vornehmlich dazu diente, das Kind auf mütterliche oder väterliche Pflichten vorzubereiten, sollte möglichst früh[9] abgeschlossen sein, sodass das Kind schon bald bei der familiären Überlebenssicherung mitwirken konnte. Abgesehen von dem Bedürfnis nach Nahrung, wurden viele weitere häufig aufgeschoben oder blieben gar unbefriedigt.

Da wie in so vielen Kontexten der Zeit auch zwischen keuschem Mönchsleben auf der einen Seite, und der Zeugung von Nachkommen als eheliche Pflicht auf der anderen Seite keine offiziell anerkannte Zwischenkategorie besetzbar war, wurden jährlich tausende Kinderleben, die dennoch in besagter Mittelkategorie geboren wurden, auf mysteriöseste Weise aktiv oder passiv[10] ausgelöscht: Während die einen „versehentlich“ aus dem Fenster, ins Feuer oder in den Brunnen fielen, erwiesen sich andere „erstaunlich wenig resistent“ gegen den in Notzeiten eingesetzten Muttermilchersatz (vgl. Bruland o.S.).[11]

Aber auch diejenigen Kinder, die von derartigen Schicksälen verschont geblieben waren, wurden wenig geschätzt und vornehmlich in ihrem werdenden Zustand als defizitär betrachtet. Strukturen und Mechanismen der Entwicklung hatte man bis dato weder entdeckt, noch hinterfragt.[12] Erziehung hatte einen marginalen, fast ausschließlich utilitaristischen Charakter. Dass die, vor allem frühe, Kindheit, aber für die menschliche Gesamtentwicklung durchaus entscheidend war und dennoch fälschlicherweise bis zum Ausgang des Mittelalters die notwendige Aufmerksamkeit einer „eigenständige[n] [...][P]hase“ (Schrader 2008, S. 169) nie genossen hatte, bemerkte erstmals der französische Historiker Philippe Ariès, der das Denken, die Erziehung und die Forschung im Kontext der frühen Kindheit nachhaltig durch die „Entdeckung“ derselben beeinflusste und einen interdisziplinären Diskurs über die Besonderheit und den Stellenwert des Menschen und die „Bedingungen seines Aufwachsens“ (Sauerbrey 2015) entfachte.

2.1.1 Wilde Kinder – Beschreibung, Abgrenzung und das aufkommende Interesse an ihren raren Quellen durch die zeitgenössische Wissenschaft

Mit dem neuen Denken und disziplinären Weiterentwicklungen des 18. Jahrhunderts kam zur Klärung von Erziehungsfragen und allgemein der Frage nach dem Wesen des Menschen selbst, Interesse an den raren Quellen der sogenannten Wilden Kinder auf (vgl. Bruland S. 315).

In Abgrenzung zum biblischen Wilden Mann[13], der der Gesellschaft im Erwachsenenalter bewusst den Rücken zugekehrt hatte, um seiner natürlichen Bestimmung im Einklang mit der Natur näher zu kommen, umfasst der Begriff der Wilden Kinder[14] spezifisch „children brought up by animals“ (Newton 2003, S. XIII). Er impliziert somit eine frühe und vornehmlich unbewusste Isolation von Heranwachsenden von der menschlichen Zivilisation. In den letzten Dekaden wurde die Definition etwas gelockert und meint seitdem Kinder, die in relativ jungen Jahren von jeglichen gesellschaftlichem Kontakt weitgehend oder komplett isoliert werden[15], entweder innerhalb abgesonderter Räumlichkeiten inmitten der Gesellschaft, oder der Wildnis selbst (vgl. Sauerbrey).[16] Das Wilde Kind steht damit in engem Zusammenhang mit den oben erwähnten „entsorgten“[17], wenig erzogenen Kindern. Sofern es diesen gelang, einige Zeit in der Natur zu überleben und sich bereits umweltbedingte Anpassungserscheinungen zeigten, galten sie als „Extremfälle [der] ausgesetzte[n] Kinder“ (Bruland 2008, o.S.).

Die Folgen, die mit der Isolation in Verbindung gebracht werden, variieren von Fall zu Fall und dennoch weisen die Fälle in ihren Merkmalen schon über Jahrtausende hinweg eine erstaunlich hohe Konstanz und Ähnlichkeit auf (vgl. Sauerbrey). In der Regel bewirkt das Abscheiden von der Zivilisation ganz allgemein eine Schärfung der Sinne bei gleichzeitigem Nachlassen kognitiver Denkleistungen. Spezieller sind häufig „kulinarische[.] Vorlieben“ (Bruland 2008, S. 163), wie der Verzehr von rohem Fleisch oder die Unempfindlichkeit gegen Kälte und Wärme, Nachtaktivität, Sprachlosigkeit[18] und emotionslose Gesichtsausdrücke, aus denen durchaus „das Niemandsland zwischen Mensch und Tier [sprechen kann]“ (Yolen 1986, S. 77), zu beobachten. Eine genaue Charakterisierung des „Homo sapiens ferus“, des klassifizierten Wilden Menschen, wird im Zusammenhang mit Linnés Biosystem-Entwurf aber noch aufgezeigt.

Der plötzliche Einbezug der Wilden Kinder in den zeitgenössischen wissenschaftlichen Diskurs über das Verhältnis von Mensch und Tier und der menschlichen Erziehung führte Mitte des 18. Jahrhunderts (vgl. Bruland S. 315) zu unermüdlichen Diskussionen und Spekulationen über den Ursprung und die Kategorisierung des Menschen und seiner „Artgenossen“.

Erziehung, die sich unmittelbar an solcherlei Vorstellungen orientiert, wurde zu einem Becken, in das aus allen Richtungen die verschiedensten Fest- und Fragestellungen einliefen und den bis dahin geglätteten Boden so stark aufwühlte, dass das Selbst-Bewusstsein des Menschen vorerst getrübt war. Weder war der wilde Zustand[19] geklärt, noch war bekannt, welche Position dem Wilden Kind im System zukommen würde und wie dessen Aufnahme die Einteilung von Mensch und Tier und deren „Beziehung“ zueinander verändern würde.

[...]


[1] Hier ist zu beachten, dass der Erziehungsaspekt nicht von Beginn an detailliert erläutert wird, weil auch Erziehung einem Entwicklungsprozess unterliegt und der Stellenwert von Erziehung nicht immer schon bekannt war.

[2] Aus der Arche Noah sind dessen drei Söhne gekommen, aus denen sich die Völker der Erde entwickelt haben (vgl. Gen 9,19).

[3] Reinheit bedeutete dabei auf logischer Basis, dass beispielsweise alle Wassertiere Schuppen und alle Landtiere Hufen tragen mussten.

[4] Nach dem Mittelalter hatte die Kirche immer noch eine hohe Machtposition, durch die zunehmende Institutionalisierung von Erziehung aber nicht mehr das Machtmonopol.

[5] Da Mensch und Tier bislang beide heilsfähig waren, waren sie vor Gott gleichgestellt.

[6] Der Theologe vermutete, dass der menschliche Geist im Vergleich zur tierischen Seele von keiner Zusatzkraft abhängig (vgl. Forschner S. 173) und daher direkt durch Erziehung beeinflussbar ist.

[7] Kursive Formatierung durch Nadine Melzner.

[8] Nach Aquin war Gott zwar noch die „Ursache des Verstehens“ (Seel/Hanke 2014, S. 208), der Verstand aber keine „höhere göttlichere Funktion“ mehr, sondern Prinzip zur Erschließung von Wissen. Um Wissen also überhaupt verstehen zu können, musste Erziehung ihren Fokus fortan stärker auf die Förderung des besagten Prinzips richten.

[9] Das mittelalterliche Kind beispielsweise galt ab dem siebten Lebensjahr als erwachsen (vgl. Jaehrling/Meves/Timm S. 156).

[10] Die Kindesaussetzung war damals ein weit verbreitetes Phänomen der Geburtenkontrolle.

[11] Oft wurde zum Beispiel Fettbrühe als Muttermilchersatz verwendet.

[12] Eine Erziehungswissenschaft, wie wir sie heute kennen, gab es nicht.

[13] Zum Teil wurden die Wilden Kinder aber auch als Sonderform des Wilden Mannes betrachtet, weil er neben der Gesellschaftskritik konträr auch Symbol des Gesellschaftsentzuges war (vgl. Bruland S. 101).

[14] Der Terminus wird synonym mit dem Begriff des „Wolfskindes“ verwendet.

[15] Es gab ebenso schon Wilde Kinder, die zu zweit in der Wildnis lebten, aus Angst vor den beispielsweise psychisch kranken Eltern selbst in die Natur flüchteten, oder in menschlichen Gebäuden in Abgeschiedenheit von sozialem, kulturellem, oder auch sprachlichem Kontakt Zeit ihres Lebens verbrachten.

[16] Obgleich die Zweitdefinition noch die bei Tieren aufgewachsenen Kinder inkludiert, sticht bei dieser im Vergleich zur Erstdefinition der Gegenwartsaspekt ins Auge. Dies lässt vermuten, dass der Wilde Zustand später als reversibel, vorher aber als irreversibel, betrachtet wurde.

[17] Die Rede ist von den „passiv getöteten“ Kindern, also solchen, die in der Wildnis ausgesetzt wurden.

[18] Gemeint ist das Fehlen der menschlichen Sprache, nicht aber der Ausstoß tierischer Laute.

[19] Unklar war, ob der wilde menschliche Zustand reversibel, zufallsbedingte Abweichung vom allgemeinen Entwicklungspfad oder göttlichen Schöpfungsplan, angeboren oder erworben, Ur- oder Naturzustand war.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Menschen, Tiere, wilde Kinder? Frühe Erziehung im Kontext zeitgeschichtlicher Natursystementwürfe
Untertitel
Eine historische Annäherung zur Erfassung möglicher Abhängigkeiten zwischen der Vorstellung von Erziehung und der systematischen Konstruktion der Mensch-Tier-Beziehung
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Elementar- und Familienpädagogik)
Veranstaltung
Wilde Kinder
Note
1.0
Autor
Jahr
2015
Seiten
22
Katalognummer
V304409
ISBN (eBook)
9783668029224
ISBN (Buch)
9783668029231
Dateigröße
605 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
menschen, tiere, kinder, frühe, erziehung, kontext, natursystementwürfe, eine, annäherung, erfassung, abhängigkeiten, vorstellung, konstruktion, mensch-tier-beziehung
Arbeit zitieren
Nadine Melzner (Autor:in), 2015, Menschen, Tiere, wilde Kinder? Frühe Erziehung im Kontext zeitgeschichtlicher Natursystementwürfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304409

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