Mutter-Tochter-Beziehung. Wünsche, Ambivalenzen, Verstrickungen


Referat (Ausarbeitung), 2004

13 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Die Mutter-Tochter-Beziehung
1.1. Ödipus versus Elektra-
1.2. Die weibliche Entwicklung-
1.2.1. „Die Frau ohne Hände“ von Ruth Waldeck

2. Die Bindungstheorie nach John Bowlby
2.1. Drei Bindungsarten

3. Dana: Eine Mutter-Tochter-Symbiose in der Adoleszenz

4. Fazit

5. Quellenangabe

1. Die Mutter-Tochter-Beziehung

Für jede Frau beginnt das Leben mit einer gleichgeschlechtlichen Bindung, nämlich die zur Mutter. Von ihr hängt die Entwicklung der Tochter zur Frau ab.

Einen tieferen Einblick in die weibliche Entwicklung soll diese Arbeit mit sich bringen.

1.1. Ödipus versus Elektra

Ödipus war ein Held des griechischen Mythos, der wegen des Orakels, er werde seinen Vater töten und seine Mutter heiraten, als Kind ausgesetzt wurde und bei Fremden aufwuchs. Auf der Suche nach seinen leiblichen Eltern, die er nicht kannte, erschlägt er seinen Vater und gewinnt dadurch, dass er das Rätsel der Sphinx löst, die Hand seiner Mutter.

Der Ödipuskomplex beinhaltet nun dieses Grundmuster (die Mutter besitzen wollen und den Vater beseitigen), der nach Freud bei jedem kleinen Jungen zwischen drei und fünf Jahren, vorzufinden ist.[1]

Dieses lässt sich allerdings nicht ohne weiteres auf Mädchen übertragen. Während der Junge, der seinen Vater hasst und seine Mutter liebt, sich den Vatermord in seiner Phantasie ausmalt, soll das Mädchen den Vater lieben und die Mutter hassen. Bei Elektra ist allerdings von Muttermord nicht die Rede.

Das Mädchen verliebt sich zuerst in die Mutter und lehnt den Vater als Nebenbuhler ab. Unter Eindruck des eigenen Penismangels entwickelt es eine Abneigung gegen die Mutter, die es nicht mit diesem Körperteil ausgestattet hat, und wendet sich dem Vater zu, der es besitzt. Der Peniswunsch drückt sich später im Kinderwunsch des Mädchens aus, wobei erst ein ‚Kind vom Vater‘ vorgestellt wird.

Durch die Kastrationsangst beim Jungen erlebt der Ödipuskomplex sein Ende und Mädchen beenden den ‚Elektrakomplex‘ durch die Ablösung der Libido vom Vater. Der Junge identifiziert sich dabei mit dem Vater, das Mädchen mit der Mutter.

Die Ödipus- und die Elektra-Sage dienen heute noch als Erklärungsmodell für die männliche und die weibliche Entwicklung.[2] Im folgenden Text wird dies später noch genauer erläutert.

1.2. Die weibliche Entwicklung

Damit eine Tochter der Entfaltung ihrer Weiblichkeit freien Lauf geben kann, muss sie zwei Aufgaben erfüllen: „Erstens muss es sich zumindest teilweise von dem verinnerlichten Mutterbild lösen, das es bewusst wie unbewusst mit sich trägt. Zweitens muss es seine sexuellen Gefühle Entdecken und seine sexuelle Identität akzeptieren, [...].“[3]

Um die Loslösung der Töchter von ihren Müttern zu ermöglichen, müssen diese den Weg zwischen Elektras tödlichen Hass auf die Mutter und einer symbiotischen Bindung zu dieser, durchlaufen. Nach Halberstadt-Freud führt nur der Mittelweg zu einer gesunden und befriedigenden Weiblichkeit.[4]

Von einer symbiotischen Beziehung wird gesprochen, wenn die Abhängigkeit eines der beiden Partner so groß ist, dass er erhebliche Einbußen an selbständiger Lebensgestaltung in Kauf nimmt.[5]

Eine symbiotische Bindung findet man am häufigsten zwischen Mutter und Tochter, „denn die Zugehörigkeit zum gleichen Geschlecht fördert die illusorische Vorstellung großer Gemeinsamkeit.“[6]

1.2.1. „Die Frau ohne Hände“ von Ruth Waldeck

Wofür brauchen wir unsere Hände? In erster Linie sind Hände nötig um etwas zu ergreifen, aber auch um etwas zu begreifen. Wie soll ein Mädchen sich vorstellen können was eine Frau ist, ohne den eigenen Körper begriffen zu haben?! „Denn der weibliche Körper ist die Basis der Identität der Frau“[7].

Ist aber das eigene Körperbild unvollständig, so ist auch die Wahrnehmung der Außenwelt bruchstückhaft. Der Körper kann demnach als „mangelhaft oder vollständig, als abstoßend oder liebenswert oder als Schmerz- oder Lustquelle“[8] erfahren werden. „Von der Körperwahrnehmung und von dem Körperbewusstsein hängt also wesentlich ab, welche Wege das Mädchen am Übergang zur erwachsenen Frau einschlägt und welche Position sie in der Geschlechterbeziehung und in der Gesellschaft einnimmt“[9].

Ruth Waldecks „Die Frau ohne Hände“ beginnt mit einem konkreten Beispiel.

Es wird ein Auszug des Grimmschen Märchens „Das Mädchen ohne Hände“ gegeben, in dem sich das Mädchen beide Hände vom Vater abhacken lässt, um nicht in die Gewalt des Teufels zu geraten. „Nie wird die junge Frau etwas anfassen, festhalten und streicheln können, nie wird sie etwas wegstoßen, loslassen und verletzen können. Nie wird sie die Hand gegen die Eltern erheben, nie wird sie ihr Leben in die Hand nehmen können“[10].

Warum lässt eine Mutter so etwas zu? Sind auch ihr längst die Hände gebunden? „Oder verhält sie sich still aus Neid auf die junge und begehrenswerte Tochter? Legt die Mutter die Hände in den Schoß und lässt den Mann handeln, weil so ihr Neid und ihr Hass befriedigt werden? Lässt sie der Tochter die Hände binden, damit sie ihr innerlich verbunden bleibt und kein freies und anderes Leben führen kann?“[11].

„Wenn ein kleines Mädchen seine wachsende Selbständigkeit zu genießen beginnt, wenn es Lust an […] sexueller Selbsterforschung findet, rührt dies bei Müttern an eigene verdrängte Wünsche. Um sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, dass die kleine Tochter etwas leben kann, das sie sich selbst nicht gestatten, ziehen manche Mütter sich emotional von ihr zurück und erreichen dadurch, dass das Mädchen, von Verlustängsten bedroht, in Verhaltensweisen zurückfällt, die ihm die Liebe der Mutter sichern“[12]. Obwohl heutige Mütter nicht mehr der Meinung sind, dass Onanie schädlich sei, verbieten sie es ihrem Kind auf indirektem Wege. Aufgrund ihrer eigenen Hemmungen, verhalten sie sich reserviert und unbefangen, wenn die kleine Tochter die Genitalien zeigt oder berührt. Dadurch lässt diese die Onanie später sein. Es ist der Mutter nicht möglich der sexuellen Neugier und Lust der Tochter mit offenem Blick zu begegnen. „Gerade wenn die Mutter sich selbst autoerotische Aktivitäten nicht gestattet, spürt das Mädchen Neid, Missbilligung und Verbot […]“[13].

Sexuelle Neugier wird jedoch mit Beginn der Menstruation noch wichtiger, da sich der Körper verändert und neu definiert werden muss. Um das weibliche Selbstbild zu erweitern, bedarf es der Ablösung von den Eltern, denn die besonderen Erregungen, die die Pubertät mit sich bringt, verlangen nach sexueller Befriedigung - nach Selbstbefriedigung. Etwas, das die Mutter verboten hatte, muss jetzt stattfinden, denn „sich selbst anzufassen ehe man `angefasst´ wird, ist wesentliche Voraussetzung für eine stabile Identität und damit auch für die Gleichheit in zukünftigen Beziehungen“[14].

Doch mit der Pubertät und der endgültigen Ablösung von den Eltern beginnt das ambivalente Verhältnis zwischen der Mutter und der Tochter sichtbar zu werden.

„Erwachsenwerden heißt für das Mädchen, in Rivalität mit der Mutter zu treten, eine Rivalität, die nicht mehr den unrealistischen Charakter der frühen Kindheit hat. Die Tochter wird der Mutter ähnlicher, sie ist nun so jung und schön wie die Frau, die er einst begehrte“[15].

[...]


[1] Grigat, R.: „Familienpsychologie“, München 1977, S. 89

[2] Schmidbauer, W.: „Psychologie. Lexikon der Grundbegriffe“, Hamburg 1999, S.139

[3] Halberstadt-Freud, H. C.: „Elektra versus Ödipus. Das Drama der Mutter-Tochter-Beziehung“, Amsterdam 1997, S. 131

[4] Vgl.: a.a.O., S. 12

[5] Schmidbauer, W.: „Psychologie. Lexikon der Grundbegriffe“, Hamburg 1999, S. 183

[6] Halberstadt-Freud, H. C.: „Elektra versus Ödipus. Das Drama der Mutter-Tochter-Beziehung“, Amsterdam 1997, S. 64

[7] Waldeck, R.: „Die Frau ohne Hände. Über Sexualität und Selbständigkeit“. In: Flaake, K./ King, V. (Hg.), Weibliche Adoleszenz. Zur Sozialisation junger Frauen. Frankfurt/M. 1995, S. 187

[8] ebenda

[9] ebenda

[10] a.a.O., S. 186

[11] ebenda.

[12] a.a.O., S. 190

[13] a.a.O., S. 191

[14] a.a.O., S. 194

[15] ebenda.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Mutter-Tochter-Beziehung. Wünsche, Ambivalenzen, Verstrickungen
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Seminar: Über Väter-Töchter-Mütter-Söhne in Texten des 18. bis 20. Jahrhunderts.
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V30434
ISBN (eBook)
9783638316958
Dateigröße
494 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mutter-Tochter-Beziehung, Wünsche, Ambivalenzen, Verstrickungen, Seminar, Väter-Töchter-Mütter-Söhne, Texten, Jahrhunderts
Arbeit zitieren
Charisma Capuno (Autor:in), 2004, Mutter-Tochter-Beziehung. Wünsche, Ambivalenzen, Verstrickungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30434

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Blick ins Buch
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