Rechtspopulismus in der Schweiz: Was führte zum Sieg Christoph Blochers bei den Nationalratswahlen 2003?


Seminararbeit, 2004

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ausgangslage

3. Christoph Blocher und die Schweizerische Volkspartei
3.1. Christoph Blocher: Volkstribun und Medienprofi
3.2. Die Entwicklung der SVP zum Rechtspopulismus

4. Rahmenbedingungen für die Entstehung des Rechtspopulismus

5. Kennzeichnung Christoph Blochers als Rechtspopulist an Hand einer ideologischen Einordnung

6. Ausblick auf die Zukunft

7. Zusammenfassung

1. Einleitung

In ganz Europa konnten rechtspopulistische Parteien in den vergangenen Jahren sowohl auf regionaler als auch nationaler Ebene zum Teil spektakuläre Erfolge verzeichnen. Das Erstarken der FPÖ in Österreich unter Jörg Haider 1999, der Überraschungssieg der Liste Pim Fortuyn in den Niederlanden 2002, oder der Aufstieg und Fall Ronald Schills in Hamburg sind hier herausragende Beispiele. Viele rechtspopulistische Parteien wurden „salonfähig“ und oft in Bündnissen mit traditionellen konservativen Parteien an Regierungen beteiligt. So fanden sie in der Öffentlichkeit oft große Beachtung, wie z.B. Silvio Berlusconi und seine Forza Italia. Dem politischen Betrachter drängen sich bestimmte Fragen hierbei förmlich auf: Wie lässt sich das Phänomen eines europaweit erfolgreichen Rechtspopulismus erklären und was hat diese Entwicklung für Auswirkungen? Inwieweit unterscheiden sich rechtspopulistische Gruppierungen ideologisch und der Erscheinungsform nach von etablierten Parteien sowie vom Rechtsextremismus und wie ist ihr Bedrohungspotential für das demokratische System zu bewerten?

In der vorliegenden Arbeit möchte ich die Erscheinungsform des Rechtspopulismus an dem Beispiel der Schweizerischen Volkspartei (SVP) unter Christoph Blocher erläutern, der bei den vergangenen Wahlen im Herbst 2003 einen Sensationssieg erreichte und seine Partei somit erstmals in der Geschichte zur prozentual stärksten Partei des Schweizer Parlaments werden ließ. Welche Faktoren zu seinem Sieg beigetragen haben und was ihn als Rechtspopulisten kennzeichnet möchte ich in dieser Arbeit beleuchten. Beginnen werde ich mit einer Beschreibung der Ausgangslage, die die Ergebnisse der Parlamentswahlen 2003 einschließt. Im nächsten Abschnitt werde ich die Person Christoph Blocher und die Schweizerische Volkspartei darstellen. Rahmenbedingungen für die Entstehung von Rechtspopulismus im Allgemeinen und in der Schweiz unter Berücksichtigung landesspezifischer Aspekte werden Inhalt des vierten Abschnitts sein. Fortschreiten werde ich mit einer ideologischen Einordnung Christoph Blochers an Hand politikpraktischer Aspekte. Ein Ausblick auf die Zukunft sowie eine Zusammenfassung werden die Arbeit abschließen.

2. Ausgangslage

Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2003 ist die Schweizerische Volkspartei unter der Führung Christoph Blochers mit dem Motto „Wer etwas ändern will, wählt SVP!“ als klare Gewinnerin hervorgegangen. Sie konnte nach ihrem großen Wahlerfolg 1999 (22,5 %) ihr Ergebnis noch einmal steigern und löste mit 27,7 % der Stimmen die Sozialdemokraten, die sich auch um zwei Prozentpunkte verbessern konnten, als stärkste politische Kraft ab. Im Schweizer Parlament, dem Nationalrat, stellt sie nun als stärkste Fraktion 55 (bislang 44) der insgesamt 200 Abgeordneten. Die größten Einbußen mussten die bürgerlichen Parteien FDP und CVP, die beide sieben Sitze im Parlament verloren, verzeichnen. Alle Wahlprognosen wurden von diesem Erdrutschsieg der SVP übertroffen. Aufgrund dieses Ergebnisses forderte die Partei Christoph Blochers einen Übertrag der Wahlergebnisse in die Realität, sprich eine Änderung der seit 1959 bestehenden Zauberformel. Sie regelte die Zusammensetzung der siebenköpfigen Schweizer Regierung, dem Bundesrat. An Hand der Wähleranteile der vier Regierungsparteien wurden die Sitze proportional verteilt. Dies bedeutete bis zur letzten Wahl jeweils zwei Sitze für die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die Christdemokratische Volkspartei (CVP) und die Sozialdemokratische Partei (SPS) und einen für die SVP. Nach dem Erfolg der SVP 1999 hatte die Vereinigte Bundesversammlung[1] den Anspruch der SVP auf einen zweiten Sitz bereits einmal abgelehnt. Nach Drohungen der SVP aus der Regierung auszusteigen und gegen sie zu arbeiten, war dies jedoch 2003 nicht der Fall. Christoph Blocher wurde am 10. Dezember 2003 als zweiter Bundesrat der SVP in die Schweizer Regierungsrat gewählt und löste Ruth Metzler (CVP) ab, was ein großes öffentliches Interesse und Proteste linker und grüner Gruppen, Studenten und Frauenrechtsbewegungen nach sich zog. Er steht seit diesem Zeitpunkt dem Justiz- und Polizeidepartment vor. Nach 44 Jahren wurde die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates erstmals geändert. Nach 131 Jahren wurde erstmals ein amtierendes Mitglied nicht bestätigt und erstmals ist der Kanton Zürich mit zwei Sitzen vertreten. Der Bundesrat wurde „rechter und männlicher“. Die Wahl stellt somit zusammengenommen eine historische Zäsur und Polarisierung des an sich durch Stabilität gekennzeichneten Schweizer Regierungssystem dar.

3.1. Christoph Blocher – Volkstribun und Medienprofi

Wie die meisten populistischen Parteien ist auch der Schweizerischen Volkspartei die Fixierung auf eine Einzelperson eigen. Ihr rasanter Aufstieg in den letzten Jahren wäre ohne ihren finanzstarken Führer Christoph Blocher, den „einflussreichste[n] und mächtigste[n]“ sowie „emblematischste[n] Politiker der neunziger Jahre“ (Altwegg 2002: 114), in diesem Ausmaß nicht vorstellbar gewesen. Der im Oktober 1940 in Schaffhausen geborene Blocher stammt aus einer kinderreichen und konservativen Pfarrersfamilie. Nach einer Bauernlehre erlangte er auf dem zweiten Bildungsweg die Berechtigung zum Rechtsstudium und schloss es mit einem Doktortitel summa cum laude ab. Er trat 1972 in die Partei ein und konnte als ehrgeiziger Nachwuchspolitiker schnell auf sich aufmerksam machen. Von 1974 bis 1978 war er Mitglied des Gemeinderates Meilen und von 1975 bis 1980 Mitglied des Zürcher Kantonsrates. Das Amt des Präsidenten der SVP des Kantons Zürich hat er seit 1977 inne. Zwei Jahre später, 1979, wurde er Mitglied des Berner Nationalrates bzw. Mitglied der Kommission für Wirtschaft und Abgaben. Seit 1986 fungiert der dreifache Familienvater als Präsident der von ihm ins Leben gerufene AUNS, der Aktionsgemeinschaft für eine unabhängige und neutrale Schweiz. Nach der Wahl zum Bundesrat legte er dieses Amt jedoch nieder. Die AUNS organisiert als Interessenverband Abstimmungskampagnen in ihrem und auch Blochers Sinne. Die AUNS ist formell überparteilich, wird aber in enger personeller Verbindung mit der SVP geführt und umfasst etwa 40.000 Mitglieder (Hennecke 2003: 149).

Parallel zu seiner politischen Laufbahn kann Blocher auch auf eine erfolgreiche Karriere als Unternehmer zurück blicken. Seit Ende der siebziger Jahre hat er die Geschäftsführung der Ems-Holding inne, die in der chemischen und feinmechanischen Industrie tätig ist. So erwirtschaftete Blocher sein über zwei Milliarden Euro geschätztes Privatvermögen und erlangte den „Nimbus als Aufsteiger, der sich für den Fortgang der politischen Karriere als unschätzbarer Vorteil erweisen sollte.“ (Decker 2004: 91). Im Unterschied zu Silvio Berlusconi jedoch, dessen Leben durchaus Parallelen mit dem Blochers aufweist, stellte er sein Vermögen nicht medienwirksam zur Schau, sondern pflegte einen „sympathischen-bescheidenen Lebensstil“ (Decker 2004: 91), der ihm Sympathien in der Bevölkerung brachte. Um die Verquickung von Politik und Privatleben zu vermeiden, schied er Anfang 2003 aus der Ems-Holding aus.

Der von Ehrke als Merkmal des Rechtspopulismus diagnostizierte Opportunismus und die „schillernde Prinzipienlosigkeit“ (Ehrke, 2002: 1) trifft im Beispiel Christoph Blocher nicht zu, wie Decker feststellt. Er wechselt seine ideologischen und politikinhaltlichen Inhalte nicht nach Bedarf, sondern verkörpert den „Prototyp eines ‚Überzeugungstäters’, der an das glaubt, was er sagt“ (Decker 2004: 91). „Machtzynismus und Orientierung am Zeitgeist bleiben ihm fremd (Gsteiger 2002: 149 ff).“ Vielmehr zeichnete sich der machtbewusste Blocher durch Pflichtbewusstsein und Pragmatismus aus.

Ein weiterer zu betrachtender Aspekt ist Blochers Beziehung zu den Medien. Mit seinen rhetorischen Fähigkeiten und seinem Unterhaltungswert beherrscht er die Mittel der modernen Massenkommunikation sehr geschickt. Bedingt durch die in kurzen Zeitabständen stattfindenden Wahlen und Volksabstimmungen war und ist Blocher in der Schweizer Öffentlichkeit längst allgegenwärtig. Sehr gerne nahm er hier die Rolle eines Volkstribuns ein, der mit plakativen Aktionen und einem aggressiven Politikstil den Willen des Volkes gegen eine arrogante politische Elite verteidigt. Im Nationalratswahlkampf 1999 z.B. war er doppelt so häufig im Fernsehen zu sehen wie die Präsidenten der anderen Regierungsparteien. Mit Auftritten auf der dem Politischen Aschermittwoch der bayrischen CSU nachgeahmten volkstümlichen Albisgüetli-Tagung bis hin zur professionellen Internetpräsentation versteht er es, die verschiedenen Wählerschichten gezielt anzusprechen.

3.2. Die Entwicklung der Schweizerischen Volkspartei zum Rechtspopulismus

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde 1918 die Vorgängerin der heutigen SVP als Bernische Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) gegründet. Sie spaltete sich von der Freisinnig-demokratischen Partei (FDP) ab, da die für sie wichtigen bäuerlich-ländlichen Interessen von der eher städtisch-industriell geprägten FDP in der Vergangenheit unzureichend vertreten worden waren. 1937 erfolgte dann der Zusammenschluss der Kantonalparteien zur schweizerischen BGB. Als die Demokratischen Parteien der Kantone Glarus und Graubünden 1971 zur BGB beitraten, erfolgte die Umbenennung in „Schweizerische Volkspartei“. Sie stellte eine klassische kleinbürgerliche Partei dar, deren Wählerbasis überwiegend aus Bauern, Handwerkern und Kleingewerbetreibenden bestand. Sie etablierte sich insbesondere in Regionen wo die CVP schwach war als bürgerliche Alternative zur FDP. Ihre größten Erfolge verbuchte sie in der protestantischen Deutschschweiz. Seit 1959 ist die SVP Mitglied der durch die Zauberformel bestimmten Regierung und hat einen Sitz inne.

Ab Mitte der neunziger Jahre begann die Schweizerische Volkspartei jedoch ihre politische Ausrichtung zu ändern. Unter anderem als Reaktion auf die Erfolge der neuen Rechtsparteien Autopartei (später Freiheitspartei), der Lega die Ticinesi (Tessiner Liga) und der Schweizer Demokraten begann die SVP sich selbst weiter nach rechts zu orientieren. Unter der Führerschaft ihres Zürcher Kantonspräsidenten Christoph Blocher mutierte sie von einer rechtskonservativen zu einer rechtspopulistischen Partei. Analogien zu Jörg Haider in Österreich drängen sich hier auf, da auch in der Schweiz Tendenzen zu erkennen waren, eine bestehende Partei programmatisch und strategisch völlig umzukrempeln. Ebenso wie die FPÖ in Österreich stellt die SVP eine alteingesessene Partei dar und ist somit eine Ausnahme unter den größtenteils erst in den achtziger Jahren gegründeten europäischen rechtspopulistischen Parteien, die sich oft durch Kurzlebigkeit und Instabilität auszeichneten. Ein großer Unterschied zur FPÖ bestand jedoch darin, dass Blocher den Kurswechsel aus der Regierung her einleitete und nicht wie Haider aus der Opposition gegen die ihre Integrationsfähigkeit verlierende große Koalition aus SPÖ und ÖVP. Trotzdem ließen Erfolge der SVP nicht lange auf sich warten. Bei der Nationalratswahl 1999 gelang der SVP ein kräftiger Stimmengewinn (von 14,9 auf 22,5 Prozent), der die bis dahin vorhandene Stabilität der Regierungsverhältnisse ins Wanken zu bringen drohte. Die Gewinne der SVP wirkten sich vor allem zu Lasten der anderen Rechtsaußenparteien (Freiheitspartei und Schweizer Demokraten). Ihre Wählerschaft wurde bis auf ein Drittel dezimiert und zum größten Teil von der SVP integriert. Aufgrund des Aufsteigens der SVP zur zweitstärksten Regierungspartei erhob Christoph Blocher 1999, wie oben schon erwähnt, den Anspruch auf ein zweites Regierungsamt für seine Partei, die bisher nur als Juniorpartner neben FDP, SPS und CVP fungierte. Dies wies die Bundesversammlung jedoch ausdrücklich zurück.

[...]


[1] Die Vereinigte Bundesversammlung umfasst 246 Mitglieder. Sie setzt sich aus dem Schweizer Parlament, dem Nationalrat, mit 200 Mitgliedern und der Kantonsvertretung, dem Ständerat, mit 46 Mitgliedern zusammen und wählt alle vier Jahre die Bundesregierung, den Bundesrat.

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Details

Titel
Rechtspopulismus in der Schweiz: Was führte zum Sieg Christoph Blochers bei den Nationalratswahlen 2003?
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Mittelseminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V30419
ISBN (eBook)
9783638316811
Dateigröße
559 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rechtspopulismus, Schweiz, Sieg, Christoph, Blochers, Nationalratswahlen, Mittelseminar
Arbeit zitieren
Johannes Böhmer (Autor:in), 2004, Rechtspopulismus in der Schweiz: Was führte zum Sieg Christoph Blochers bei den Nationalratswahlen 2003?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30419

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