Die Konstruktion von Geschlecht im Militär und das Geschlecht als soziale Konstruktion


Hausarbeit, 2015

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Das Geschlecht als soziale Konstruktion
2.1.1 Gender Studies
2.1.2 Doing Gender – Die Konstruktion von Geschlecht
2.2 Die Konstruktion von Geschlecht im Militär
2.2.1 Militär und Geschlechterverhältnis
2.2.2 Die Konstruktion von Männlichkeit
2.2.3 Die Rolle der Frau

3 Schluss (Zusammenfassung; Fazit)

Literaturverzeichnis

Wahrheitsgemäße Erklärung

1. Einleitung

Den Ansatz für meine Arbeit bietet der Psychologe Robert J. Stoller. 1968 verwendete er den aus dem englischen Raum stammenden Begriff „gender“ erstmals in einem besonderen grammatischen Sinne: zur Differenzierung sozialer und biologischer Geschlechtsidentität. Davor beschrieb der Begriff, beispielsweise im Wörterbuch „Oxford English Dictionary“, allein das grammatische, biologische Geschlecht und somit die klare Unterscheidung zwischen „männlich“ und „weiblich“.[1] Darüber hinaus tritt seit den 1970er Jahren die Unterscheidung zwischen sozialem und biologischem Geschlecht und somit die Annahme, dass das Geschlecht nicht allein auf natürlicher, biologischer Basis fungiert, immer stärker in den Vordergrund wissenschaftlicher Untersuchungen. Für Feministinnen und Frauenforscherinnen definiert der Begriff „gender“ seit dem Beginn der neuen Frauenbewegung (ab ca. 1970) die eindeutige Trennung von Biologie und Gesellschaft, von Natur und Kultur.[2] Infolgedessen definiert sich das Geschlecht nicht alleinig durch die biologischen Merkmale, wie Chromosomensatz oder Genitalien. Neben der natürlichen, biologischen Zuschreibung entsteht eine weitere, sozial-kulturelle Ebene: Das Geschlecht wird in und durch die Gesellschaft konstruiert. Und dies erfolgt nicht ausschließlich im familiären oder beruflichen Umfeld. Beispielsweise findet auch im Militär eine Konstruktion von Geschlecht statt. Hier spielt Geschlechterdifferenz eine beachtliche Rolle, da trotz der Gegebenheit, dass mittlerweile auch Frauen zugelassen werden, weiterhin die Annahme besteht, dass das Militär immernoch als Ort der Männlichkeit gilt. Das Hauptaugenmerk meiner Hausarbeit liegt demnach nicht allein auf der allgemeinen Definition von Geschlecht als soziales Konstrukt, sondern geht vorrangig der Frage nach, wie Geschlecht im Militär konstruiert wird. Was definiert „Weiblichkeit“, was definiert „Männlichkeit“ im Militär? Welche geschlechtsspezifischen Rollen werden im Militär sozial zugeschrieben? Wie wird Männlichkeit im Militär konstruiert und welche Rolle hat die Frau?

Um sich dem Thema „Geschlecht als soziales Konstrukt im Militär“ widmen zu können, werde ich zunächst auf Fragen eingehen, die die soziale Konstruktion von Geschlecht erläutern. Was definiert Geschlecht als soziale Konstruktion? Was erklärt der Begriff „Doing Gender“ und mit welchen Themen beschäftigen sich die Gender Studies?

Im Schlussteil werde ich meine Beobachtungen und Erläuterungen nochmals zusammenfassen und ein Fazit ziehen.

2. Hauptteil

2.1 Das Geschlecht als soziale Konstruktion

2.1.1 Gender Studies

Mit der Aufbauarbeit der Feminist, Women's und Womanist Studies seit den 1970er Jahren und dem Aufkommen der Queer Theory Anfang der 90er Jahre[3] entwickelten sich die Gender Studies in einigen US-amerikanischen Universitäten zu einem interdisziplinären bzw. transdisziplinären Fachbereich, der Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in den Mittelpunkt der Forschung stellt. Mitte der 1980er Jahre etablierten sich die Gender Studies auch im deutschsprachigen Raum als eigene Disziplin. Gender wurde folglich eine eigene wissenschaftliche Kategorie und beispielsweise als solche in Theorien Sozialer Arbeit aufgenommen.[4]

Der Fokus der Gender Studies liegt auf Fragen nach Geschlechterhierarchie (Ungleichheit der Geschlechter), Geschlechterdifferenz, Geschlechterrollen – und stereotypen, Geschlechteridentität und wie diese sich unter verschiedenen soziokulturellen und historischen Bedingungen konstruieren.[5] Gender Studies verstehen Geschlecht nicht als rein biologisches Phänomen, sondern als kulturelle Konstruktion, untersuchen die Beziehungen der Geschlechter untereinander, sowie die soziale Stellung der Geschlechter innerhalb der Gesellschaft, analysieren Differenzen zwischen Frauen und Männern und fragen nach der Bedeutung des Geschlechts für Kultur, Gesellschaft und Wissenschaft. Sie untersuchen, wie sich der Begriff „Geschlecht“ in den verschiedenen Zusammenhängen herstellt bzw. hergestellt wird, welche Bedeutung ihm beigemessen wird und welche Auswirkungen er auf die Verteilung der politischen Macht, die sozialen Strukturen und die Produktion von Wissen, Kunst und Kultur hat.[6]

Vor allem aber gilt als wichtigste Auffassung der Geschlechterforschung, dass Geschlecht und die Geschlechterverhältnisse nichts Naturgegebenes, sondern gesellschaftliche Phänomene und Ergebnis menschlichen Handelns, sozialer Strukturen und Verhältnisse sind und somit eine soziale Konstruktion darstellen.[7]

Mit der Unterscheidung zwischen „sex“ und „gender“ hat man nun die Möglichkeit, das körperliche, biologische Geschlecht von dem sozialen Geschlecht zu trennen und neue theoretische Ansätze auszuarbeiten.[8]

2.1.2 Doing Gender – Die Konstruktion von Geschlecht

Der Blick auf Körper bzw. Geschlecht ist immer einem historischen Wandel unterworfen. Die Vorstellungen der Menschen über das, was als weiblich oder männlich aufgefasst wird, können sich verändern, etablieren und von Kultur zu Kultur verschieden sein. Tatsache, dass es Frauen und Männer gibt und diese als zwei unterschiedliche Gruppen von Menschen wahrgenommen werden, ist aber grundsätzlich das Ergebnis einer Reihe von gesellschaftlichen Zuschreibungen und Erwartungen, die durch Erziehung, Medien, Rollenvorstellungen und Normen, somit durch die Gesellschaft vermittelt werden.[9]

Suzanne J. Kessler und Wendy McKenna (1978) legten ihren Fokus auf den interaktiven Prozess der Geschlechtszuschreibung: Etwas kann nur als weiblich angesehen werden, wenn es biologisch nicht als männlich wahrgenommen werden kann. Ebenso kann etwas nur als männlich angesehen werden, wenn es biologisch nicht als weiblich wahrgenommen werden kann. Die Zuschreibung erfolgt allerdings ausschließlich über Merkmale, wie Kleidung, Frisur, Figur und Interpretation der Darstellung, da zunächst nur Vermutungen über das Vorhandensein von Genitalien exisitiert.[10]

Simone de Beauvoirs Äußerung aus dem Jahre 1949 gab den ersten Impuls, Geschlecht nicht als Naturgegebenheit anzusehen, sondern als Konstruktion, die in und durch die Gesellschaft geschaffen wird. Die Frau werde nicht als Frau geboren, sondern zur Frau gemacht, argumentierte Beauvoir.[11] Der Erwerb von Geschlechtsidentität und Geschlechterrolle ist daher ein sozialer Prozess. Die Konstruktion von Geschlecht bedeutet die gesellschaftlich-kulturelle Herstellung bestimmter Rollen, Rollenbilder und Funktionen von Frauen und Männern. Es geht um die Erzeugung von bestimmten Bedeutungen und Klassifikationen der Geschlechter, um Zuordnungen und Zuweisungen der Geschlechter „Mann“ und „Frau“ und um die Bestimmung ihres Verhältnisses.[12]

Konstruktion stammt vom lateinischen Verb „construere“ ab, was übersetzt „aufschichten“, „zusammenschichten“, „erbauen“ oder „errichten“ bedeutet. Soziale Wirklichkeit ist so gesehen nicht einfach da, sondern wird erzeugt, auf- und zusammengeschichtet.[13]

Der Begriff „Konstruktivismus“ untersucht im Zusammenhang mit dem Geschlecht einerseits die Ausprägungen der Unterschiede zwischen den Geschlechtern, andererseits die Prozesse der Unterscheidung, somit wie Geschlechtsunterschiede im sozialen Alltag produziert, gestärkt, reproduziert und angesehen werden.[14]

Konstruktion von Geschlecht findet daher nicht nur auf der individuellen Ebene statt, sondern auch in der alltäglichen sozialen Praxis. Zur sozialen Ebene gehören beispielsweise gendertypische Arbeitsteilung, sozial anerkannte Geschlechterrollen und -erwartungen oder gendertypische Familienrechte und -pflichten. Hingegen gehören zur individuellen Ebene etwa die geschlechtsspezifische Genderidentität oder die Selbstwahrnehmung eines Individuums im beruflichen und familiären Umfeld.[15]

Nach Candace West und Don H. Zimmerman beschreibt die konstruktivistische Geschlechtertheorie den Mittelpunkt sozialer Interaktionen. Geschlechtszugehörigkeit ist nicht Ausgangspunkt, sondern Ergebnis sozialer Prozesse. Interaktion wird aber nicht als Zustand betrachtet, indem Personen physisch präsent sind und sich wechselseitig wahrnehmen, sondern als formender Prozess eigener Art, indem die Interaktionsteilnehmer Zwängen unterliegen. „Weiblich“ und „männlich“ sind Kategorien, mit denen sich das Individuum identifizieren muss.[16] West und Zimmerman unterscheiden zwischen „sex“ (Geburtsklassifikation des körperlichen Geschlechts), „sex-category“ (soziale Zuordnung eines Geschlechts aufgrund der Darstellung einer Zugehörigkeit zu einer Kategorie) und „gender“. Die Geburtsklassifikation und Zuschreibung zu einer Geschlechtskategorie müssen sich dabei nicht entsprechen und die Geschlechtskategorie wird in einem Prozess ermittelt, der sich an der Darstellung der Person orientiert.[17]

Nach Judith Butler umfasst die sozial-kulturelle Konstruktion von Geschlecht Subjektivität, Identität und Körperlichkeit. Diese werden durch verschiedene Verfahren im Netz von Macht und Diskurs produziert und verursachen eine Beziehung der Kohärenz und Kontinuität zwischen den Kategorien „sex“ (Geschlechtskörper), „gender“ (Geschlechtsidentität, soziales Geschlecht) und „desire“ (Praxis und Struktur des sexuellen Begehrens). Sex, gender und desire werden somit in einem Prozess der alltäglichen „performance“ zu einer Kategorie „Geschlecht“ verschmolzen.[18]

[...]


[1] vgl. Frey Steffen, Therese (Leipzig, 2006): Gender, S.12.

[2] vgl. ebd., S.13.

[3] vgl. Frey Steffen, Therese (Leipzig, 2006): Gender, S.12.

[4] vgl. Czollek, Leah Carola: Lehrbuch Gender und Queer. Grundlagen, Methoden und Praxisfelder, S.18-19.

[5] vgl. Frey Steffen, Therese (Leipzig, 2006): Gender, S.12.

[6] vgl. Czollek, Leah Carola: Lehrbuch Gender und Queer. Grundlagen, Methoden und Praxisfelder, S.18-20.

[7] vgl. Frey Steffen, Therese (Leipzig, 2006): Gender, S.18.

[8] vgl. Gildemeister, Regine (Opladen, 2001): Soziale Konstruktion von Geschlecht, S.65.

[9] vgl. Smykalla, Sandra (2006): Was ist Gender? In: Genderkompetenzzentrum, S.2-3.

[10] vgl. Schrati (Gießen, 2011): Doing Gender, S.4.

[11] vgl. Frey Steffen, Therese (Leipzig, 2006): Gender, S.13.

[12] vgl. Czollek, Leah Carola: Lehrbuch Gender und Queer. Grundlagen, Methoden und Praxisfelder, S.21.

[13] vgl. Gildemeister, Regine: Soziale Konstruktion von Geschlecht, S.72.

[14] vgl. Schrati (Gießen, 2011): Doing Gender - Soziale Konstruktion von Geschlecht, S.2.

[15] vgl. Frey Steffen, Therese (Leipzig, 2006): Gender, S.21-23.

[16] vgl. Schrati (Gießen, 2011): Doing Gender, S.5.

[17] vgl. ebd., S.5-6.

[18] vgl. Frey Steffen, Therese (Leipzig, 2006): Gender, S.24.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Konstruktion von Geschlecht im Militär und das Geschlecht als soziale Konstruktion
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
18
Katalognummer
V304039
ISBN (eBook)
9783668024021
ISBN (Buch)
9783668024038
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschlecht, Gender, Militär
Arbeit zitieren
Lisa Sebald (Autor:in), 2015, Die Konstruktion von Geschlecht im Militär und das Geschlecht als soziale Konstruktion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304039

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