Der Sturz in die Tiefe. Zur Motivation des zweiten Sprunges in Schillers "Taucher"


Hausarbeit, 2014

18 Seiten, Note: 2,0

Georg Hartmann (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Analyse
2.1. Textebene
2.2. Erzähltextanalyse

3. Texthöhepunkte

4. Mögliche Motive für den zweiten Sprung
4.1. Habgier
4.2. Liebe
4.3. Gehorsam
4.4. Fazit

5. Grund für den Tod des Tauchers

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung

In dem folgenden Aufsatz wird das Werk „Der Taucher“[1] von Friedrich Schiller analysiert und unter verschiedenen Aspekten interpretiert. Der Kernpunkt dieses Aufsatzes soll die Fragestellung sein, warum der Taucher sich dazu verleiten ließ, noch ein zweites Mal in die Tiefe zu springen. War es die Gier die ihn antrieb, oder handelte er lediglich aus blindem Gehorsam seinem König gegenüber? Für den Leser ist nicht erklärbar, warum er das Schicksal, das ihn den ersten Sprung unbeschadet überstehen ließ, ein weiteres Mal herausforderte.

Zur Untersuchung der Ballade wird sie zunächst nach den bekannten Paradigmen einer Analyse, auf die äußere Gestalt, sowie die Kernelemente eines Erzähltextes untersucht. Nachfolgend wird auf die Textstellen hingewiesen, die aufgrund des Kontextes, der Wortwahl und der Aufteilung besonders hervorzuheben sind, um die Höhepunkte des Textes festzumachen. Dies dient einer Veranschaulichung der Ballade und zur Orientierung innerhalb des Aufsatzes. Anschließend wird nach Hinweisen gesucht, die Aufschluss über die Motivation des Tauchers geben könnten. Dabei handelt es sich um den Schwerpunkt dieses Aufsatzes, der die oben erläuterte Fragestellung beantworten soll. Deutlich zu differenzieren ist bei dieser Untersuchung die Motivation des Knappen und der Grund seines Unterganges. Allerdings soll auch dieser abschließend thematisiert werden. Parallel zu meinen eigenen Beobachtungen werden außerdem die Darstellungen zweier weiterer Autoren berücksichtigt, die sich ebenfalls mit der Ballade beschäftigt haben. Ihre Werke sollen zur Untermauerung meiner eigenen Interpretationsthese dienen, indem sie argumentativ entweder gefestigt oder entkräftet werden.

2. Analyse

2.1. Textebene

Das Werk ist in siebenundzwanzig Strophen eingeteilt, die jeweils aus sechs Versen bestehen. Bei der Überschrift des Werkes „Der Taucher“ handelt es sich um einen Paratext, der nicht in die Textgestalt des Werkes einbezogen wird. Bei dem Text handelt es sich um eine Ballade. Die Charakteristik einer solchen besteht aus den folgenden drei Merkmalen. Damit ein Text als Ballade gesehen werden kann, muss er eine lyrische, eine dramatische und eine epische Funktion vorweisen[2]. Das lyrische Merkmal im Taucher ist durch die lyrische Sprache gegeben, die sich in den Strophen sechs und siebenundzwanzig gut darstellen lässt.

In Strophe sechs heißt es:

/ […] / als wollte das Meer noch ein Meer gebären .“

Diese Darstellung beinhaltet ohne Zweifel einen lyrischen Inhalt.

In der Strophe siebenundzwanzig steht:

„/ […] / sie rauschen herauf, sie rauschen nieder […]“.

Auch dies weist eine lyrische Charakteristik auf. Weiterhin sind lyrische Stilelemente zu erkennen. In der zweiten Strophe zwischen Vers zwei und drei ist beispielsweise ein Enjambement gegeben. Die Dramatik der Ballade wird durch den Einsatz von vielen direkten Reden aufgebaut. Im Text spricht der König zu seinen Untertanen und fragt sie, wer von ihnen den Mut aufbringe, nach dem goldenen Becher zu tauchen.[3] Außerdem gleicht der Aufbau dem eines klassischen Dramas, da Höhepunkt, Wendepunkt und Katastrophe auftreten. Das epische Merkmal wird dadurch erfüllt, dass Teile der Ballade als Erzählung wiedergegeben werden, wodurch die Epik gebildet wird. Durch die Erzählungen des Tauchers, nachdem er wieder zur Klippe hochkommt[4], in Kombination mit der Rahmenerzählung, die den restlichen Text begleitet, ist diese Voraussetzung gegeben.

Da somit alle nachzuweisenden Aspekte in dem Text wiederzufinden sind, handelt es sich hierbei um eine Ballade.

In der Ballade ist ein sehr bewegtes Metrum vorhanden, da auch die Verslängen ständig variieren. Dadurch entsteht ein unregelmäßiger Rhythmus. In den meisten Versen ist ein aufsteigendes Metrum in Form eines Anapästs zu erkennen. Schaut man sich die metrische Form des Anapästs an (xxX xxX xxX), so kann man interpretieren, dass die äußere Form der einer Welle gleicht. Daher ist es nicht überraschend, dass der Anapäst das bestimmende Metrum ist.

Am besten zu sehen ist diese Parallele aus äußerer Form und Betonung des Anapäst in den Versen der Ballade, in der die Natur, insbesondere das Meer beschrieben wird. So merkt man beispielsweise an dem ersten Vers der sechsten Strophe, welche Dynamik der Anapäst hier hineinbringt.

„Und es wallet und siedet und brauset und zischt / […] /“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch das Betonen jeder dritten Silbe wird diese umso mehr hervorgehoben. Man könnte sagen, dass die ersten beiden unbetonten Silben auf die dritte vorbereiten, so wie eine Welle, die langsam anrollt. Das generell unruhige Metrum des Textes kann also mit der unruhigen Art des Meeres verglichen werden. Weiterhin enden die Verse mit einer männlichen Kadenz, was dem Inhalt Spannung verleiht, da dadurch das Ende jedes Verses durch Betonung hervorgehoben wird.

Die Verse sind nach dem Reimschema AB AB CC aufgebaut, bestehen also aus zwei Kreuzreimen und einem Paarreim. Waisen sind der Ballade keine vorhanden. Reine Reime bestimmen die Lautgestalt des Textes, allerdings gibt es auch Ausnahmen. An manchen Textstellen treten auch unreine Reime auf. Dies ist oft der Fall, wenn die Gewalt und die Größe der Natur einen Teil des Verses beinhaltet. In der zweiten Strophe von Vers sieben bis zehn heißt es:

„Der König spricht es und wirft von der Höh

Der Klippe, die schroff und steil

Hinaushängt in die unendliche See,

Den Becher in der Charybde Geheul.

/[…]/“

Hier wird die Klippe, sowie das Meer beschrieben und durch die unreinen Reime eine dramatische Spannung inszeniert. Weiterhin sind in dieser Textpassage mit der `unendliche[n] See` und der `Charybde[n] Geheul`zwei Tropen gegeben, die der ganzen Szene noch mehr Spannung verleiten sollen. Mit der Hyperbel, die See sei unendlich, wird übertrieben dargestellt, wie groß und somit angsteinflößend das Meer erscheint. Ebenso wird der Charybde, bei der es sich um ein gestaltloses Meeresungeheuer aus der griechischen Mythologie handelt (eigentlich Charybdis)[5], ein Geheul zugeteilt, das ebenfalls als Metapher für Schrecken und Macht des Meeres dienen soll.

Eine weitere Textstelle mit unreinem Reim findet sich in Strophe einundzwanzig wieder. Verse 125 und 126 lauten:

„/ […] / Tief unter dem Schall der menschlichen Rede / Bei den Ungeheuern der traurigen Öde.“

Hier wird klar dargestellt, dass man unter Wasser auf sich allein gestellt ist, da man von der Außenwelt nichts mehr erfährt. Man ist also allein mit den `Ungeheuern der traurigen Öde`. Bei den Ungeheuern handelt es sich um die Tiere, die im Wasser leben und mit dieser Übertreibung bewusst gefährlich dargestellt werden sollen.

Weitere Tropen findet man außerdem in den ersten beiden Versen der Strophe neunzehn. Dort beschreibt der Taucher, dass es unter ihm noch `bergetief` hinab in die Tiefe geht, in eine `purpurne Finsternis`. Da Berge immer nach oben gemessen werden und eine Finsternis keine Farben annehmen kann, ist hier die Verwendung von weiteren Tropen in Form eines Oxymorons gegeben. Auch hier wird dadurch die Szenerie unter Wasser durch die sich selbst widersprechende Wortwahl in übertriebener Weise hervorgehoben.

Die unreinen Reime sowie einige Tropen werden im Taucher also benutzt, um die gefährlichen Momente und Dinge lebendiger und somit umso gefährlicher darzustellen.

2.2. Erzähltextanalyse

Die Ballade wird von einem extradiegetischen Erzähler dargestellt. Dieser Erzähler beschreibt das Geschehen, oben auf der Klippe, sowie auch die Reaktionen einzelner Personen. In derselben Diegese treten außerdem zwei weitere, intradiegetische Erzähler auf. Zum einen ist es der König, der gleich zu Beginn der Ballade das Wort erhebt und seinem Gefolge die Frage stellt, wer sich wagt hinunterzuspringen[6]. Zum anderen kommt auch der Taucher selbst als Erzähler vor, als er beschreibt, wie es sich unter Wasser zugetragen hat[7]. Der extradiegetische Erzähler ist des Weiteren auch heterodiegetisch, da er vom Taucher und dem König und den anderen Charakteren in der dritten Person spricht. In Strophe zehn wendet sich der Erzähler an den Leser, indem er sagt, dass er selbst auch dann nicht gesprungen wäre, wenn der König seine Krone hinuntergeworfen hätte. Damit tritt er als manifester Erzähler in Erscheinung. Die beiden intradiegetischen Erzähler, der König und der Taucher, sind homodiegetisch, da sie von sich selber in der ersten Person reden. Der Erzählzeitpunkt der Ballade wechselt häufig. Mal wird sie im gleichzeitigen Erzählen beschrieben:

„Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor.

Und ein Edelknecht, sanft und keck,

tritt aus der Knappen zagendem Chor,

und den Gürtel wirft er, den Mantel weg,

und alle die Männer umher und Frauen

auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.“ [8]

Aber auch nachzeitiges Erzählen kommt vor:

„Und atmete lang und atmete tief

Und begrüßte das himmlische Licht.

Mit Frohlocken es einer dem andern rief: [9]

/ […] /“

Dies ist jedoch die einzige Textpassage in der extradiegetischen Erzählung, in der der Erzählzeitpunkt ins Präteritum verschoben wird. Dies geschieht lediglich wieder bei der intradiegetischen Erzählung des Tauchers.

Der Modus der extradiegetischen Erzählung ist die erzählte Rede. Für die Erzählpassagen des Königs wird die wörtliche Rede benutzt, die durch die Inquit-Formel: „Der König spricht es […]“[10] und die Anführungszeichen zu Beginn und Ende seiner Rede dargestellt werden. Weiterhin werden die Ausrufe der obenstehenden Anwesenden in wörtlicher Rede wiedergegeben, ebenso wie die Erzählung des Tauchers. In der kurzen Passage, in der sich der extradiegetische Erzähler an den Leser wendet, kommt auch indirekte Rede vor:

„Und wärfst du die Krone selber hinein

Und sprächst: Wer mir bringet die Krohn‘,

er soll sie tragen und König sein ! – [11]

/ […] /“

Hier richtet sich der Erzähler an den König. Die Erzählperspektive ist für die extradiegetische Erzählung eine extern fokalisierte. Die Fokalisierung beschränkt sich zu Anfang auf die Menschenmenge der Klippe und einer Beschreibung des Meeresabschnittes, welcher unterhalb der Klippe liegt.[12] Während der intradiegetischen Erzählungen des Tauchers und des Königs ist eine interne Fokalisierung gegeben.

Das Erzähltempo ist für die Szenerie auf der Klippe ein zeitdeckendes Erzählen, für den Sprung des Tauchers wird die Zeit jedoch gerafft. So wird in den ersten sieben Strophen die Handlung in gleicher Geschwindigkeit erzählt, in der sie stattfindet, sobald der Knappe aber ins Wasser springt, vergeht die Zeit schneller:

„Jetzt schnell, eh die Brandung wiederkehrt,

der Jüngling sich Gott befiehlt,

und – ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört,

und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült,

und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer

schließt sich der Rachen; er zeigt sich nimmer.“ [13]

Die Zeit zwischen dem Beten, dem Sprung und dem Verschwinden im Wasser würde in der Realität sicher länger dauern, als hier wiedergegeben. Ebenso wird die Zeit, in der sich der Taucher unter Wasser befindet, verkürzt wiedergegeben. Dies kann man daran festmachen, dass seine spätere Beschreibung dessen, was unter Wasser geschah, mehr Zeit in Anspruch nehmen müsste, als die Strophen neun bis zwölf, in denen er sich unter Wasser befindet. Das Tempo in den Beschreibungen des Tauchers könnte ebenfalls eine leicht raffende Erzählung sein, da sich die Ereignisse unter Wasser sicher schnell zugetragen haben, aber nicht so schnell, wie vom Knappen beschrieben.[14]

Zum Ende der Ballade kommt eine Prolepse vor, indem in der letzten Strophe gesagt wird, dass der Knappe nicht wieder auftauchen wird.[15]

[...]


[1] Schiller, Friedrich. Der Taucher. 1798. Aus: Musenalmanach 1798. Hrsg. von Andreas Fiedler. Unter: http://www.friedrich-schiller-archiv.de/musenalmanach-1798/taucher/ Alle Zitate und Textverweise dieses Aufsatzes sind aus dieser Quelle entnommen

[2] Vgl. Köpf, Gerhard: Die Ballade: Probleme in Forschung und Didaktik. Berlin, Scriptor Verlag 1976, ISBN: 978-3589200818

[3] Vgl. Strophe 1

[4] Vgl. Strophe 17- 22

[5] www.duden.de

[6] Vgl. : Strophe 1 - 3

[7] Vgl. : Strophe 16 - 22

[8] Strophe 4

[9] Strophe 14, Verse 1 – 3

[10] Strophe 2, Vers 1

[11] Strophe 10, Vers 1 - 3

[12] Vgl. : Strophe 2, Verse 2 – 4 ; Strophe 5 – 7 ; Strophe 11

[13] Strophe 8

[14] Vgl. : Strophe 17 - 22

[15] Vgl. Strophe 27, Vers 162

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Sturz in die Tiefe. Zur Motivation des zweiten Sprunges in Schillers "Taucher"
Hochschule
Universität Münster
Veranstaltung
Einführung in die neuere deutsche Literatur
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V303965
ISBN (eBook)
9783668022935
ISBN (Buch)
9783668022942
Dateigröße
614 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schiller, Taucher, Sprung in die Tiefe, Gedicht, Gedichtanalyse
Arbeit zitieren
Georg Hartmann (Autor:in), 2014, Der Sturz in die Tiefe. Zur Motivation des zweiten Sprunges in Schillers "Taucher", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303965

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