Frauen als Randfigur im Kult? Die weibliche Rolle im sakralen Raum des klassischen Athens


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Frauen im Poliskult
2.1 Religiöse Feste
2.2 Prozession
2.3 Rituelles Opfer
2.4 Kulthandlungen für die Gemeinschaft

3. Frauenfeste
3.1 Die Thesmophorien

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Zuge der feministischen Bewegung in den 1960er und 1970er Jahre entstand in den Geisteswissenschaften die Forschungsrichtung der Gender Studies, welche das Verhältnis zwischen den Geschlechtern unter soziokulturellen Aspekten zu untersuchen versucht. In den Altertumswissenschaften haben die Ansätze der Geschlechterforschung neue Impulse geliefert und vor allem in Hinblick auf die antike Frauenforschung innovative und differenzierte Fragestellungen, mit essenziellen Themen wie Machtverhältnisse, Sozialisierung und Sexualität, hervorgebracht. Zugänge zur weiblichen Lebenswelt der griechischen Antike bieten dabei je nach Forschungsinteresse soziale, wirtschaftliche und politische, wie auch kultische Aspekte des alltäglichen Lebens. Insbesondere das Verhältnis der Geschlechter im Bezug auf die Teilnahme und Ausübung religiöser Kulthandlungen ist in den Fokus neuerer Untersuchungen gerückt, seit die lange Zeit gültige Auffassung einer Trennung von säkularen und sakralem Bereich innerhalb der Polis der Erkenntnis weichen musste, dass die griechische Religion[1] eine wichtige Instanz des gemeinschaftlichen Lebens bildete. Die moderne Forschung sieht in der Religion einen zentralen Faktor für die Identitätsbildung der Polis als Gemeinschaft und auch für die Integration der Individuen in diese. Da griechischen Frauen in der allgemeinen Annahme der Zugang zum sakralen Feld offen stand und Frömmigkeit[2] sogar als Tugend beider Geschlechter postuliert worden war, bietet der hohe Stellenwert des Kultes innerhalb der Polis eine neue Perspektive für die Untersuchung des Wirkungsbereich der Griechinnen. Denn insbesondere Historiker der älteren Forschungsliteratur, aber auch Historiker der neueren Forschung nehmen an, dass dem weiblichen Geschlecht der Zugang zum öffentlichen Raum verwehrt war und sie der häuslichen Ebene zuzuordnen sei. Sogar der Topos einer in 'orientalischer Abgeschlossenheit' lebenden Athenerin kursierte unter Historikern.[3] Die These der isolierten Frau scheint jedoch hinfällig, bezieht man die sich zunehmend festsetzende Annahme, einer fundamentalen Bedeutung der Religion für die Polis, in seine Betrachtung mit ein. Die Konsequenz, welche daraus geschlossen werden kann, ist dass Frauen sehr wohl in der Öffentlichkeit agierten und am gesellschaftlichen Leben teilnahmen, indem sie gemeinschaftliche als auch individuelle Kultpraktiken ausübten.

Es bleibt die Frage zu stellen, welche Rollen Frauen im öffentlich praktizierendem Kult einnahmen und wie wichtig ihre Beteiligung bei Festen und Ritualen für die Gemeinde war? In der Forschung gibt es zu dieser Fragestellung kontrastierende Meinungen. Allerdings zeigt sich eine Tendenz, mit zunehmender Bedeutung des Sakralen für den Lebensalltag der Gemeinde, Frauen im religiösen Feld verstärkt zu marginalisieren.[4] Mit Hinblick auf diese Neigung soll in der vorliegenden Arbeit der soeben gestellten Frage nachgegangen werden. Spielte die Frau nur eine Nebenrolle oder bot ihr der religiöse Raum gar eine tragende Funktion für das Wohl der Gemeinde? Ziel der Arbeit ist es, den entstehenden sozialen und gesellschaftlich identitätsstiftenden Handlungsspielraum der antiken Frau durch die verschiedenen Möglichkeiten des Kultes zur weiblichen Partizipation zu untersuchen. Um das Thema für den Rahmen dieser Arbeit einzugrenzen, richtet sich die Fragestellung auf Frauen des klassischen Athens. Durch die zentrale Stellung der Stadt in der Antike ist dort die sonst spärliche Quellenlage über den Lebensraum antiker Frauen im Vergleich viel versprechender. Im ersten Teil der Arbeit wird mit einer Untersuchung der Kultpraktiken der attischen Frauen im gemeinschaftlichen Raum der Polis begonnen. Anschließend wird in einem zweiten Teil auf die Bedeutung von Frauenfesten für das Wirkungsfeld der Frau eingegangen.

2. Frauen im Poliskult

2.1 Religiöse Feste

Die griechische Polis war ein Gemeinwesen geprägt von religiösen Festen und einer Ritualkultur. Feierlichkeiten zu Ehren der Götter sind für ganz Griechenland zahlreich belegt und boten der Bevölkerung, neben individuellen Kultpraktiken und Kulthandlung im oikos, einen wesentlichen Zugang zum Sakralen. Die Intention der Feste war primär die Götter der Gemeinde gegenüber wohlgesonnen zu stimmen und das Verhältnis zwischen Mensch und Gottheit zu pflegen. Die Gesamtzahl der religiösen Festtage im klassischen Athen beträgt etwa 170 pro Jahr.[5] Verglichen mit der Anzahl von Tagen eines attischen Jahres, machen die Festtage demnach fast die Hälfte dessen aus. Ein so umfangreicher Festkalender lässt darauf schließen, dass Feste und gemeinschaftliche religiöse Aktivitäten eine zentrale Bedeutung für die Gemeinde einer Polis hatten. Jedes Fest wurde durch verschiedene Kulthandlungen begleitet und die Teilnahme an diesen demonstrierte zum einen die Zugehörigkeit des Einzelnen zur Gemeinschaft, zum anderen den eigenen Status als Bürger der Stadt Athen. Demnach dienten die Feste neben der zeremoniellen Götterverehrung vor allem als Integrationsmittel um Individuen in das gesellschaftliche Leben einzubinden und der Identifizierung einzelner Personen als Bürger der Gemeinde.[6]

Feste wurden in den verschiedenen Konstellationen mit unterschiedlichen Partizipationsmöglichkeiten der Teilnehmer gefeiert. Die Teilnahme von Frauen ist besonders in den Kulten der Göttin Demeter und ihrer Tochter Persephone überliefert. Aber auch Feierlichkeiten zu Ehren des Gottes Dionysos wurden von Frauen begleitet. Die städtischen Dionysien beispielsweise, welche im Frühjahr gefeiert wurden, boten den Frauen eine recht freizügige Partizipation. Für den begrenzten Zeitraum der Feierlichkeiten wurde der Alltag der Polis mit seinen starren gesellschaftlichen Hierarchien und Geschlechterrollen aufgehoben und öffnete das Fest sowohl für ein überregionales Publikum als auch für Frauen, Kinder, Metöken und Sklaven. Nach einer feierlichen Prozession zum Tempel des Dionysos Eleuthereus in Athen, folgten vier Tage mit einem breitem Angebot an Theatervorstellungen. Dieses beinhaltete sowohl Komödien als auch Tragödien von verschiedenen Autoren, welche im Wettkampf gegeneinander antraten. Auch im Theater war die Anwesenheit von Frauen für diesen Anlass gestattet, auch wenn sie keine aktive Beteiligung am Schauspiel leisten durften.[7]

In der Forschung wird die These diskutiert, dass der weiblichen Bevölkerung der gemeinschaftliche Kultraum nur dann zugänglich war, wenn er in Verbindung mit den Fruchtbarkeitsgöttern stand.[8] Dem ist entgegenzusetzen, dass die Teilnahme von Frauen auch bei weiteren über das ganze Jahr verteilten Polisfesten nachweisbar ist.[9] Dazu gehören beispielsweise die nach der Sommersonnenwende gefeierten Panathenäen zu Ehren der Stadtgöttin Athena und der mehrtägige zelebrierte Mysterienkult von Eleusis. Hierzu wird seitens kritischer Historiker argumentiert, dass die Präsenz von Frauen immer nur dann in den Quellen nachweisbar sei, wenn es für die Beteiligung keine Einschränkung gab, dass heißt wenn die ganze Bevölkerung ohne jegliche Differenzierung am Fest teilgenommen hatte. Mit dieser Annahme wird die Relevanz der Beteiligung von Frauen an Festen abgewertet und lediglich als gelegentliche Ausnahme dargestellt. Dieser Argumentation widerspricht jedoch, dass neben den gemischten Polisfesten eine Vielzahl von Feste, ausschließlich von der weiblichen Bevölkerung gefeiert wurden. Die Einbindung von Frauen bei Festen und in die Kultgemeinschaft der Polis scheint, so könnte man annehmen, nicht irrelevant gewesen zu sein. Welche Bedeutung diese Frauenfeste für die Gemeinschaft hatten, wird zu einem späteren Zeitpunkt der Arbeit geprüft. Zunächst werden nun, nachdem die Anwesenheit von Frauen an gemeinschaftlichen Polisfesten deutlich geworden ist, die aktiven weiblichen Rollen im gemeinschaftlichen Kult und dessen Stellung für die Polis unter Einbezug historischer Quellen aufgezeigt.

[...]


[1] Wird in dieser Arbeit von Religion gesprochen, geht es um die Ausübung kultureller Praktiken

[2] Das Verständnis von Frömmigkeit im griechischen Kontext ist nicht gleichzusetzen mit dem christlichen Sinn, sondern meint die gewissenhafte Ausübung des Kultes durch ein Individuum.

[3] Tanja Scheer: Griechische Geschlechtergeschichte, München 2011, S.111.

[4] Tanja Scheer: Geschlechtergeschichte, S. 128.

[5] Christine Schnur-Redford: Frauen im klassischen Altertum, Berlin 1996, S. 208f.

[6] Josine Blok: Recht und Ritus der Polis, 2004. S. 23.

[7] Renate Schlesier: Art. Dionysos, in: DNP.

[8] Tanja Scheer: Geschlechtergeschichte, S. 127.

[9] Vgl. Christine Schnur-Redford: Frauen, S. 208f.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Frauen als Randfigur im Kult? Die weibliche Rolle im sakralen Raum des klassischen Athens
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Alte Geschichte)
Veranstaltung
Religion in der Antike
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
15
Katalognummer
V303847
ISBN (eBook)
9783668024205
ISBN (Buch)
9783668024212
Dateigröße
416 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
frauen, randfigur, kult, rolle, raum, athens
Arbeit zitieren
Celine Briot (Autor:in), 2015, Frauen als Randfigur im Kult? Die weibliche Rolle im sakralen Raum des klassischen Athens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303847

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