Strategien der Krisenkommunikation für Personen des öffentlichen Lebens. Die mediale Wahrnehmung der Steueraffäre von Uli Hoeneß


Bachelorarbeit, 2015

50 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung: Die steigenden Anforderungen an die heutige Krisenkommunikation

2 Begriffsklärungen und theoretische Grundlagen
2.1 Krise, Krisenkommunikation und Krisenmanagement
2.2 Kommunikation 2.0: Soziale Netzwerke und das ‚Mitmach-Internet’ als neue Verbreitungsmechanismen und neue Öffentlichkeiten im Web 2.0
2.3 Strategien und mediale Gefahren im modernen Krisenmanagement

3 Krisenkommunikationsstrategien und die öffentliche Wahrnehmung von Uli Hoeneß als Präsident des FC Bayern München
3.1 Krisenkommunikationsstrategien und die öffentliche Wahrnehmung von Uli Hoeneß
3.2 Krisenkommunikationsstrategien und die öffentliche Wahrnehmung des FC Bayern München

4 Konsequenzen und Perspektiven zukünftiger Krisenkommunikation

Anhang

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

1 Einleitung: Die steigenden Anforderungen an die heutige Krisenkommunikation

Kommunikation mit der Öffentlichkeit im Informationszeitalter gestaltet sich als ein ambivalenter Prozess. Die für uns immer selbstverständlicher werdenden Technologien des Webs 2.0 haben die Arten, Wege, Muster und die Häufigkeit der Kommunikation weitreichend revolutioniert. Sie eröffnen einerseits eine Vielzahl neuer Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten, erfordern jedoch andererseits für Unternehmen und Personen in der Öffentlichkeit einen sorgfältigsten und bedachten Umgang. Angepasste und richtig abgestimmte Kommunikationsstrategien sind die Voraussetzung für erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit. Besonders im Falle von auftretenden Krisen ist korrekt gewähltes Vorgehen unabdingbar.

Ziel dieser Arbeit ist es, am Beispiel der Steueraffäre des ehemaligen FC Bayern-Managers und Präsidenten Uli Hoeneß darzustellen, welche Herausforderungen in der modernen Krisenkommunikation zu bewältigen sind und welche Strategien sich hierfür eröffnen. Es wird weiterhin punktuell untersucht, wie einzelne Handlungsschritte die öffentliche Wahrnehmung akut und nachhaltig bestimmen. Hierzu wird zunächst ein Überblick über die relevanten Begriffe und Theorien gegeben. Anschließend werden die entscheidenden Maßnahmen und Strategien im Fall Uli Hoeneß und außerdem die Reaktionen des mit ihm stark verbundenen FC Bayern München dargestellt und bewertet. Im Schlusskapitel wird aufgezeigt, welche Schlüsse aus dem Fall Hoeneß gezogen werden können und mit welchen generellen Anforderungen sich die Krisenkommunikation in der Zukunft auseinander setzen muss.

2 Begriffsklärungen und theoretische Grundlagen

Bevor der Zusammenhang von modernen Technologien und moderner Krisenkommunikation hergestellt werden kann, müssen zunächst die Kernbegriffe und theoretische Konzepte erläutert werden.

2.1 Krise, Krisenkommunikation und Krisenmanagement

Das Wort ‚Krise’ wird heutzutage inflationär gebraucht: Finanzkrisen, Umsatzkrisen, Ehekrisen, Lebenskrisen, Orientierungskrisen, Identitätskrisen, Midlife-Crisis, Formkrisen und Vertrauenskrisen; die Liste lässt sich beliebig erweitern. Vor allem tendiert die Gesellschaft dazu, den Begriff ‚Krise’ mit Konnotationen zu versehen, die zum Teil streng genommen nicht zutreffend sind. Denn rein sprachwissenschaftlich gesehen beschreibt der Begriff Krise „zunächst ganz grundsätzlich einen Wende- oder Höhepunkt einer bis dahin kontinuierlich verlaufenden Entwicklung.“[1] Die grundsätzlich negative Assoziation hat sich erst im heutigen Sprachgebrauch etabliert.[2] In Bezug auf Unternehmens- und Wahrnehmungskrisen kann ein negativer Ausgang nicht automatisch vorhergesagt werden, auch wenn dieser erfahrungsgemäß bei der Mehrheit der Krisenfälle eintritt. Klaus Merten beschreibt grundsätzlich vier mögliche Ergebnisse von Krisen: Es kann zu einer Verbesserung des Status quo kommen („positive Lösung“), es bleibt beim Status quo beziehungsweise der frühere Zustand wird wieder erreicht („Status quo ante“), es kommt zu einer Verschlechterung des Status quo („negative Lösung“) oder die Krise endet in der „Katastrophe“, die zu weiteren größeren Krisen führt.[3] Mit letzterem Ausgang muss stets zumindest gerechnet werden. Dieser würde „die dauerhafte Fortführung der Unternehmung gefährde[n]. Daraus ergibt sich schließlich ein unmittelbarer Handlungsbedarf.“[4]

Generell sind Krisen von der Wahrnehmung ihrer Beobachter, der Öffentlichkeit, abhängig: „Krisen werden erst dann wahrgenommen, wenn sie auf der öffentlichen Agenda stehen.“[5] Die Öffentlichkeit ist oft nur unzureichend informiert, ihr Interesse in der Regel aber geweckt, sodass eine adäquate Reaktion nötig ist.[6] Geschieht dies nicht, sind in aller Regel weitreichende Konsequenzen zu tragen. Diese reichen von in Zahlen belegbaren Dimensionen wie Umsatzeinbußen bis hin zu nicht zu vernachlässigenden immateriellen Auswirkungen wie zum Beispiel Image- und Reputationsverlust.[7]

Krisen nehmen in Abhängigkeit der eigenen Schuld an ihrem Entstehen verschiedene Ausmaße an. Ansgar Thießen beschreibt diese genauer. Er unterscheidet eine „Opferkrise“ (niedrige Krisenschuld, da der Geschädigte selbst ein Opfer der Krise ist), eine „Unfallkrise“ (mittlere Krisenschuld, da der Geschädigte durch korrektes Verhalten die unglückliche und zugegeben unwahrscheinliche Krise möglicherweise hätte vermeiden können) und eine „vermeidbare Krise“ (hohe Krisenschuld, da der Geschädigte sich bewusst inkorrekt oder sogar gesetzeswidrig verhalten hat).[8]

Krisenkommunikation beziehungsweise Krisenmanagement bezeichnet die Kommunikation während der Krise beziehungsweise das allgemeine Management einer solchen. Krisenkommunikation beinhaltet die rein kommunikativen Aspekte des Krisenmanagements mit der Öffentlichkeit, zum Beispiel Interviews oder Pressemitteilungen. Krisenmanagement meint neben dieser kommunikativen Seite zusätzlich noch die nicht-kommunikativen Handlungen wie zum Beispiel Rücktritte von Personen oder Rückrufaktionen von Produkten. Obwohl es streng genommen nicht korrekt ist, werden die Begriffe Krisenkommunikation und Krisenmanagement häufig synonym verwendet. Daher ist es nötig, eine Trennschärfe einzuführen. Krisenkommunikation stellt lediglich einen Teil innerhalb des Krisenmanagements dar.[9] Thießen verdeutlicht diese Unterscheidung: Die Zusammenfassung von Krise und Kommunikation entspringt der Tatsache, dass „aus der Perspektive des Krisenmanagements die Kommunikation als eine von vielen Variablen definiert wird.“[10] Jedoch wird die Formulierung ‚eine von vielen’ der Realität nicht mehr gerecht. In zunehmendem Maße ist die Kommunikation nämlich die entscheidende Variable des Krisenmanagements. Dieser signifikante Teil wird „vor allem als PR-Funktion betrachtet, die auf der Leistungsebene Krisenmanagementfunktionen unterstützen soll.“[11] Zusammenfassend bedeutet dies schließlich, dass Krisenkommunikation und Krisenmanagement die erwähnte Trennschärfe zwar besitzen, aber beide Begriffe und die dahinter stehenden Konzepte in der Mediengesellschaft keinesfalls unabhängig voneinander existieren können. Deshalb dürfen sie auch nicht unabhängig voneinander verstanden werden.[12]

Im Kontext der Informationsgesellschaft gilt es weiterhin zu beachten, dass Krisenkommunikation nicht komplett plan- und steuerbar ist. Es gibt kein allgemeingültiges Erfolgsrezept. Denn insbesondere moderne Krisenkommunikation stellt „weniger […] eine rationale Planung und Kontrolle von Kommunikation als vielmehr eine Improvisation innerhalb eines strategischen Rahmens“ dar.[13] Individuelle Krisensituationen und zur Verfügung stehende Kommunikationsinstrumente und Zeit zeigen keine konstanten, standardisierbaren Charakteristika auf; die Herausforderung ist, „Krisen unter erhöhtem Zeit- und Entscheidungsdruck durch die gezielte Anwendung von Kommunikationsmaßnahmen möglichst erfolgreich [beizulegen].“[14]

2.2 Kommunikation 2.0: Soziale Netzwerke und das ‚Mitmach-Internet’ als neue Verbreitungsmechanismen und neue Öffentlichkeiten im Web 2.0

Der weitgefasste und eine Reihe von Konzepten beinhaltende Begriff ‚Web 2.0’ soll hier auf seine für die Krisenkommunikation relevanten Ausprägungen beschränkt werden. Der Siegeszug der Web-2.0-Anwendungen beruht vor allem auf leichter Bedienbarkeit und benutzerfreundlichen Oberflächen und Designs, sowie den grundlegenden Funktionsprinzipien Interagieren, Vernetzen und Teilen. Was Silke Lenz als das „alles verändernde Kernelement von Web 2.0“ bezeichnet[15], ist mit für den ungebremsten Anstieg der Internetnutzung verantwortlich: Nach der alljährlichen ARD/ZDF-Onlinestudie waren 2014 in Deutschland 55,6 Millionen Menschen im Alter ab 14 Jahren im Internet, was einem Anteil von 79% in der Bevölkerung entspricht.[16] Jeweils knapp die Hälfte der User nutzte das Internet, um sich aktuelle Nachrichten zu beschaffen und Online-Communitys (z.B. Facebook) oder Microbloggingdienste (allen voran Twitter) zu besuchen.[17]

Neben dem Informationsempfang ist es essentiell, dass im Web 2.0 jeder Nutzer Informationen selbst generieren, veröffentlichen und somit mit anderen Usern teilen kann.[18] Damit qualifizieren sich alle Benutzer als Autoren und gegebenenfalls als „aktive Kritiker.“[19] Es ist zu berücksichtigen, dass im interaktiven Web 2.0 binnen kürzester Zeit und mittels geringsten Aufwands eine breite Massenmobilisierung entstehen kann und damit entscheidender Einfluss auf die öffentliche Meinung erreicht wird. Dieser Einfluss ist im Vergleich zu traditionellen Medien enorm. So stellt Michael Huh fest, dass „die im Internet eingesetzten Instrumente in ihrer kommunikativen Schlagkraft in Bezug auf Reichweite, Schnelligkeit, Informationsgehalt und Überzeugungsfähigkeit mittlerweile den Instrumenten des etablierten Mediensystems mindestens gleichzusetzen sind.“[20]

Die Veränderung der traditionellen Öffentlichkeit stellt eine der wesentlichen Neuerungen im Web 2.0 dar. ‚Öffentlichkeit’ allgemein definiert sich seit Jahrhunderten als „die Sphäre der ungehinderten gesellschaftlichen Kommunikation.“[21] Antike und mittelalterliche Marktplätze, sowie traditionelle Kaffeehäuser und Stammtische scheinen nun Internetforen und sozialen Netzwerken zu weichen. Diese sind ebenso wie ihre altertümlichen Vorbilder generell offen und bedürfen, abgesehen von einem Internetanschluss, keiner kostenpflichtigen Mitgliedschaft. Sie erfüllen also eindeutig die Kriterien dieser Sphäre.[22] Einer der äußerlichen Unterschiede zu traditionellen Öffentlichkeiten ist die Unübersichtlichkeit des Kommunikationsforums. Die logische Konsequenz ist daher, dass sich „Teilöffentlichkeiten aufgrund eines gemeinsamen Interesses konstituieren“ und, um sich aus der Masse herauszuheben, „für ihre Anliegen öffentliche Aufmerksamkeit und Zustimmung anstreben.“[23]

Mit der Veränderung der Öffentlichkeit geht eine Veränderung in Nachrichtenverbreitung und –empfang einher: Bisher galt das Prinzip der „Agenda-Setting-Hypothese“, die besagt, dass „Medien und insbesondere Journalisten insofern Einfluss auf die öffentliche Meinung aus[üben], als dass sie bestimmen, worüber eine öffentliche Meinung gebildet wird und welche Informationen in diesen Prozess mit einbezogen werden.“[24] Das moderne Web 2.0 lässt solchen Kontrollfunktionen jedoch in der Regel keinen Platz mehr. Jeder kann Nachrichten und Kommentare publizieren, was in der Regel ohne Kontrolle oder gar Zensur geschieht. Es findet also ein Übergang von Elite-Medien zum Bürger-Journalismus statt.

Ebenso bieten sich neuartige Möglichkeiten bei der Aufnahme von Nachrichten: Der Empfänger wird aus seiner passiven in eine aktive Position erhoben. Heute können User online aktiv und gezielt nach Informationen suchen und sich diese entweder selbst beschaffen (‚pull’) oder einen Dienst abonnieren, der ihnen neue Nachrichten aktuell mitteilt (‚push’).[25] Dadurch findet eine Präzisierung oder negativ ausgedrückt eine Beschränkung des Informationsangebots statt. „Besonders jüngere Rezipienten zwischen 20 und 29 Jahren nutzen die klassischen Medien als Informationsquellen nicht mehr regelmäßig […]. Sie suchen für ihre Lebenswelt relevante Informationen nur noch punktuell.“[26] Sie rufen gezielt Online-Artikel auf, vergleichen diese unter Umständen mit anderen zum selben Thema verfassten Artikeln und bilden sich so bei ähnlicher Berichterstattung eine Meinung.

2.3 Strategien und mediale Gefahren im modernen Krisenmanagement

Bevor Strategien für die Krisenkommunikation vorgestellt werden, gilt es zunächst noch einmal allgemein zu verdeutlichen, dass Krisenmanagement als Überbegriff für Krisenkommunikation gesehen werden muss. Die beste Kommunikationsstrategie hat keinen Nutzen, wenn die nicht-kommunikative Seite fehlschlägt. Alle Aspekte des Krisenmanagements müssen einheitlich mit den kommunikativen Maßnahmen funktionieren, denn „Krisenkommunikation kann nur so gut und erfolgreich sein, wie das Krisenmanagement – genau wie die tagtägliche Kommunikation eines Unternehmens nur so gut sein kann, wie sein Management.“[27]

Da Fehler in der Krisenkommunikation omnipräsent bleiben können und sich so langfristig auf jede einzelne Folgemaßnahme auswirken, kommt es auf die Auswahl der richtigen Kommunikationsstrategie an. Eine Krisenstrategie meint nun explizit, auf welche Art, wie schnell und in welchem Umfang der Krise begegnet werden soll, um ihr Ausmaß durch mangelhafte Kommunikation mit der Öffentlichkeit nicht zusätzlich zu vergrößern.[28] Die mögliche Dimension der Krisenkommunikation hängt logischerweise zunächst von den zur Verfügung stehenden Mitteln, aber auch der Kompetenz des Personals und der Faktenlage ab.

Eine erste Strategie zur Krisenbewältigung ist der professionelle Umgang mit der Situation. Dazu gehört von Beginn an, zu Vorwürfen zu stehen und sich selbst den Medien zu stellen.[29] Gerade bei persönlicher Schuld lautet die einzige Lösung, „Farbe [zu] bekennen“, um Schlimmeres zu verhindern.[30] Besonders durch die bei Krisenverdacht noch detaillierter und nachhaltiger ausgeführte Investigation der Medienvertreter scheint es die bessere Alternative zu sein, die Dinge von vorneherein korrekt darzustellen. Zurückgehaltene Fakten oder Geheimnisse werden wohl ohnehin an die Öffentlichkeit gelangen, denn Krisen und Skandale sind heutzutage ein beliebtes Thema in den Medien. Die Gründe dafür sind leicht nachvollziehbar:

„[…] die Ungewissheit der Krise und die stets mitgeführte Frage nach der persönlichen Zurechenbarkeit (der Skandalfaktor) [erzeugen] ein anhaltend starkes öffentliches Interesse, das gemeinhin als „Neugier“ gehandelt wird und garantiert, dass eine weitere Berichterstattung über die jeweilige Krise öffentlich stets honoriert wird – und deshalb auch stattfindet.“[31]

Zum professionellen Umgang zählt weiterhin ein umfassendes Geständnis. Dies bedeutet, aus Eigeninitiative heraus ein höheres Ausmaß des Vergehens zuzugeben als die Medien zunächst aufgedeckt haben. So wird die Bereitschaft bewiesen, „[auszupacken]“, was bewirkt, dass dem „Dauerfeuer in den Medien“ der Zündstoff genommen wird.[32]

Die kommunikativen Reaktionen sind in Abhängigkeit des Krisentyps auszuwählen. Erneut präsentiert Ansgar Thießen eine Kategorisierung; in diesem Falle vier Antwortstrategien, die je nach Krisensituation variieren. Sie gehen auf ein allgemeines Antwortmodell von Jeffrey L. Bradford und Dennis E. Garrett zurück, welches die beiden bereits 1995 aufstellten. Die erste Antwortstrategie ist eine Verweigerung beziehungsweise Zurückweisung bei nachweislich nicht unethischem Verhalten. Die zweite Möglichkeit ist eine Entschuldigung bei nachweislich fehlender eigener Fähigkeit, das unethische Verhalten zu kontrollieren. Drittens bietet sich bei fehlenden Standards zur Überprüfung des unethischen Verhaltens eine Rechtfertigung an. Viertens sollte bei akzeptierter Richtigkeit der Anschuldigungen eine Beichte beziehungsweise Offenlegung geschehen.[33]

Nach diesen allgemeingültigen Strategien sollen nun moderne Faktoren zur erfolgreichen Krisenkommunikation in der Öffentlichkeit näher beleuchtet werden. Ein essentielles Kriterium ist die vorhandene Online-Präsenz auf allen wichtigen Kommunikationswegen; unter anderem muss, sofern vorhanden, ein sorgfältiger Bericht auf der eigenen Homepage erfolgen.[34] Dies ergibt sich aus dem veränderten Rezeptionsverhalten der Masse; häufig wird bei auftretender Krise sofort online nach Artikeln oder Stimmen zum Thema gesucht, um die aktuellsten Informationen zu bekommen.

Besondere Erwähnung verdienen in der modernen Krisenkommunikation die sozialen Medien Facebook und Twitter. Sie müssen in der Öffentlichkeitsarbeit besonders ernst genommen werden, da sich aufgrund ihres massenmobilisierenden Potenzials auch negative Nachrichten rasant verbreiten können.[35] Das Medium Facebook soll aufgrund seiner Allgegenwärtigkeit hier nicht grundlegend erklärt werden; bei Twitter jedoch erscheint dies zur Verdeutlichung der medialen Gefahr für Unternehmen und in der Öffentlichkeit stehende Personen hier in kurzer Form sinnvoll. Die Funktionsweise von Twitter ist ebenso simpel wie gefährlich: In 140 Zeichen (die Länge einer klassischen SMS) kann jeder Nutzer zu jedem Thema seine Meinung veröffentlichen; das Verb ‚twittern’ ist hierfür mittlerweile gebräuchlich. Andere User können die Veröffentlichung bei Gefallen ‚retweeten’, also wiederveröffentlichen. Hinzukommt die Verwendung von Rautenzeichen ‚#’ (‚Hashtags’) vor einschlägigen Begriffen, nach denen gesucht werden kann. So kann die Resonanz eines Themas gemessen und durch seine Verbreitung eine große Masse an Usern erreicht werden.[36] Deswegen wird Twitter teilweise „nicht als soziales Netzwerk im klassischen Sinne, sondern als ‚News-Verteilmedium’“ bezeichnet.[37] Im Zusammenhang mit moderner Krisenkommunikation folgern Stoffels und Bernskötter: „Die Akteure im Internet verfügen über Waffen, die bislang nicht bekannt waren, und können diese massenwirksam einsetzen, um Unternehmen, Politiker oder auch Personen des öffentlichen Lebens publikumswirksam zu attackieren.“[38]

Eine Sonderform der von einer großen Masse initiierten, öffentlichen Attacke, die sich besonders durch die Heftigkeit der Wortwahl und schnelle und weite Verbreitungsmuster auszeichnet, stellt der Shitstorm dar. Laut Lukas Adda wird mit einem Shitstorm ein „Diskussionsverlauf zwischen Usern im Netz beschrieben, in dem konstruktive Kommentare von negativen und unsachlichen Beiträgen überlagert werden. Opfer solcher Shitstorms sind meist große Konzerne und Unternehmen oder Personen des öffentlichen Interesses. Der Shitstorm beschreibt eine bestimmte Situation und deren negativen Diskussionsverlauf und hat zum Ziel, das Image und die Reputation des Opfers zu beschädigen.“[39]

Er stellt ein klassisches Beispiel einer modernen medialen Gefahr dar, der in jeder guten Krisenkommunikationsstrategie eingeplant ist und dessen kommunikative Grundmuster für die Online-Kommunikation sehr aufschlussreich sind. So ist eine Ursache für die Heftigkeit vieler online getätigter Aussagen die wegfallende Face-to-Face Kommunikation. Die User sind „souveräner und selbstbewusster und überwinden so manche Hemmschwelle, die sie sich in einem Live-Gespräch vielleicht nicht trauen würden.“[40] Ein solches Verhalten ist aufgrund des Schutzmantels der Anonymität im Internet und der gewaltigen Überlegenheit der Masse möglich.[41] Die Beweggründe für rufschädigende Äußerungen im Internet sind teilweise ‚lediglich’ Rache, Spaß oder Langeweile und trotzdem kann diese Störung großen Schaden anrichten. Aufgrund der genannten Kommunikations- und potenziellen Verbreitungscharakteristika gilt es also für moderne Krisenkommunikationsverantwortliche, um die veränderte Dynamik insbesondere von schlechten Nachrichten zu wissen: „Nicht selten erreicht eine solche Information (binnen Minuten) eine Reichweite von weit über 1.000 Kontakten […] und erreicht schnell Subkulturen, die ein Unternehmen nicht ‚auf dem Radar’ hatte.“[42]

Trotz aller Modernität und Beliebtheit darf „onlinegestützte Krisenkommunikation die traditionelle Kommunikation nur unterstützen, nicht aber vollständig ersetzen.“[43] Interviews und persönliche Stellungnahmen haben das Potenzial, die Krise im Netz sowohl zu entschärfen als auch drastisch zu verschlimmern. Das öffentliche Erscheinungsbild – offline und online – muss deshalb stets zusammenpassen. Außerdem dürfen die traditionellen Medien mit ihren immer noch hohen Einschaltquoten und Auflagen nicht vernachlässigt werden.

3 Krisenkommunikationsstrategien und die öffentliche Wahrnehmung von Uli Hoeneß als Präsident des FC Bayern München

In diesem Kapitel werden zunächst konkrete Strategien, Maßnahmen und Aussagen von Uli Hoeneß vom öffentlichen Bekanntwerden des Verdachts der Steuerhinterziehung im April 2013 bis zu seinem Haftantritt im Juni 2014 dargestellt. Anschließend, in deutlich geringerem Umfang, werden selbige des FC Bayern München bis zu Hoeneß’ teilweisen Rückkehr zum Verein im Januar 2015 aufgezeigt. Dies erscheint sinnvoll, da der FC Bayern München als Fußballverein und Unternehmen eng mit Uli Hoeneß verbunden ist; vor allem auch in der öffentlichen Wahrnehmung, weshalb der Verein die Steueraffäre seines Präsidenten sehr ernst nehmen muss.[44]

3.1 Krisenkommunikationsstrategien und die öffentliche Wahrnehmung von Uli Hoeneß

Zur Einführung folgt eine Chronologie[45] der Vorgänge im Steuerfall Uli Hoeneß, um eine informationelle, zeitliche und dimensionale Grundlage der Ereignisse zu schaffen. Für ein optimales Verständnis der Krisenkommunikationsstrategien und der öffentlichen Wahrnehmung zu den verschiedenen Zeitpunkten ist dieses Hintergrundwissen sinnvoll.

Am 12. Dezember 2012 platzt zwischen Deutschland und der Schweiz das vereinbarte Steuerabkommen, das Steuersündern die Möglichkeit zur anonymen und straffreien Nachversteuerung von bisher nicht oder nicht ausreichend versteuertem Vermögen gibt. Uli Hoeneß fasst daraufhin die Entscheidung zur Selbstanzeige. Im Januar 2013 ergeben Recherchen des Stern bei der Vontobel Bank ein Konto einer deutschen Fußball-Größe, ohne dass jedoch Hoeneß’ Name fällt. Nachdem ihn die Bank von den angestellten Nachforschungen in Kenntnis setzt, erstattet Hoeneß am 17. Januar 2013 umgehend Selbstanzeige und zahlt einen hohen Millionenbetrag an das Finanzamt Miesbach. Am 25.

[...]


[1] Thießen (2011, S.63).

[2] Vgl. Thießen (2011, S.63).

[3] Merten (2008, S.83f.).

[4] Thießen (2011, S.63).

[5] Thießen (2011, S.65).

[6] Vgl. Thießen (2011, S.64).

[7] Vgl. Thießen (2011, S.65).

[8] Thießen (2011, S.92f.).

[9] Vgl. Nolting & Thießen (2008, S.10).

[10] Thießen (2011, S.85).

[11] Thießen (2011, S.90).

[12] Vgl. Nolting & Thießen (2008, S.10).

[13] Thießen (2011, S.97).

[14] Thießen (2011, S.90).

[15] Lenz (2008, S.2).

[16] Vgl. ARD & ZDF (2014).

[17] Vgl. ARD & ZDF (2014).

[18] Vgl. Lenz (2008, S.25).

[19] De Buhr & Tweraser (2010, S.90).

[20] Huh (2010, S.124f.).

[21] Lenz (2008, S.62).

[22] Vgl. Lenz (2008, S.64f.).

[23] Köhler (2008, S.235).

[24] Lenz (2008, S.66).

[25] Vgl. Lenz (2008, S.60).

[26] Huh (2010, S.128).

[27] Baier-Fuchs (2008, S.223).

[28] Vgl. Kleikamp (2012, S.8f.).

[29] Vgl. Kleikamp (2012, S.14).

[30] Kleikamp (2012, S.19).

[31] Merten (2008, S.89).

[32] Kleikamp (2012, S.22).

[33] Vgl. Thießen (2011, S.91).

[34] Vgl. Kleikamp (2012, S.43).

[35] Vgl. Stoffels & Bernskötter (2012, S.14).

[36] Vgl. Stoffels & Bernskötter (2012, S.14).

[37] Stoffels & Bernskötter (2012, S.91).

[38] Stoffels & Bernskötter (2012, S.29).

[39] Adda (2013, S.38).

[40] Adda (2013, S.460).

[41] Vgl. Stoffels & Bernskötter (2012, S.56).

[42] Adda (2013, S.461f.).

[43] Köhler (2008, S.241).

[44] „FC Bayern München“ schließt sowohl die FC Bayern München AG als auch den FC Bayern München e.V. ein, außer explizit angegeben. Die FC Bayern München AG ist die ausgegliederte Profi-Fußballabteilung, an welcher der FC Bayern München e.V. Anteile in Höhe von 75,01% besitzt und sich die Adidas AG, die Audi AG und die Allianz SE 24,99% gleichmäßig aufteilen. Die Vorstände der Anteilseigner bilden mit weiteren Personen den Aufsichtsrat, dessen Vorsitz bis zu seiner Verurteilung Uli Hoeneß innehatte. Der FC Bayern München e.V. ist der Gesamtverein mit weiteren Abteilungen des Sportvereins und außerdem in seinen Entscheidungen und Beschlüssen bezüglich der AG mit über 75% der Anteile von Einflüssen der Investoren unabhängig. Präsident des Vereins war ebenfalls bis zu seiner Verurteilung Uli Hoeneß.

[45] Nach Aleythe & Sonnabend (2014), Armbruster (2014), Hamann (2014) und Teevs & Janssen (2014).

Ende der Leseprobe aus 50 Seiten

Details

Titel
Strategien der Krisenkommunikation für Personen des öffentlichen Lebens. Die mediale Wahrnehmung der Steueraffäre von Uli Hoeneß
Hochschule
Universität Regensburg  (Institut für Information und Medien, Sprache und Kultur)
Note
1,5
Autor
Jahr
2015
Seiten
50
Katalognummer
V303683
ISBN (eBook)
9783668027442
ISBN (Buch)
9783668027459
Dateigröße
1542 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Krisenkommunikation, Uli, Hoeneß, Fußball, PR, Medien, Öffentlichkeit, FC, Bayern, München, Steuerhinterziehung, Krisen-PR, Krisenmanagement, Steueraffäre, Presse, Web 2.0, Präsident, Rücktritt, Twitter, Facebook
Arbeit zitieren
Benjamin Weweck (Autor:in), 2015, Strategien der Krisenkommunikation für Personen des öffentlichen Lebens. Die mediale Wahrnehmung der Steueraffäre von Uli Hoeneß, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303683

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