Defekte Demokratiemessung? Arend Lijpharts Mehrheits- und Konsensdemokratie


Hausarbeit, 2009

13 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Patterns of Democracy?

2. Mehrheits- und Konsensdemokratie. Das bessere Muster zur Demokratiemessung?

3. Deutschland eine Mehrheits- oder Konsensdemokratie?

4. Sind Konsensdemokratien leistungsfähiger als Mehrheitsdemokratien?
4.1 Theoretische Annahmen Lijpharts:
4.2 Das methodische Vorgehen Lijpharts:

5. Deutschland wirklich eine Konsensdemokratie?

Literatur

1. Patterns of Democracy?

15 Jahre nach Erscheinen des ersten Werkes „Democracies“ von Arend Lijphart erschien 1999 die völlige Neubearbeitung „Patterns of Democracy“. Mit dieser Neuauflage versuchte er Anhand von nun 36 Demokratien, 15 mehr als in seinem ersten Werk, seine Theorie auf eine breitere Basis zu stellen. In dieser Hausarbeit wird diese wegweisende Analyse zur Wirkung von Demokratiemodellen von Arend Lijphart dargestellt. Es stellt sich die Frage, was ist Demokratie. Für Arend Lijphart ist Demokratie „…goverment by and for the people…“[1] so steht es in seiner Analyse „Patterns of Democracy“. Dies wirft aber die Frage, auf wer regiert und wessen Interessen werden bei divergierenden Meinungen in der Bevölkerung verfolgt. Leben wir in unserer Gesellschaft wirklich in einer der beiden Demokratieformen Lijpharts? Die Veröffentlichung dieses Buches hat in der Demokratieforschung großes Aufsehen erregt, es wurde als „…Pionierwerk der Erforschung der Leistungsfähigkeit von Demokratien…“ bezeichnet.[2] Im zweiten Abschnitt dieser Hausarbeit soll die dichotome Unterscheidung von Demokratietypen nach Arend Lijphart dargestellt werden, ebenso die Grundlagen, auf der er die Unterscheidung der beiden Demokratieformen vornimmt aufgezeigt. Im Anschluss werden die grundlegenden Unterschiede der beiden Typen dargestellt. Als nächstes wird die Bundesrepublik Deutschland in das Raster von Lijphart eingeordnet. Es soll hier die Frage beantwortet werden, kann man Deutschland eindeutig einer der beiden Demokratietypen zuordnen, oder spielen hier andere Demokratietypen mit hinein. Hat die Einteilung nach Lijphart Schwächen kann man wirklich jede Demokratie in dieses Raster verorten oder wurden einige Aspekte außer Acht gelassen und es kommt zu einer defekten Demokratiemessung? Dies soll im vierten Kapitel untersucht werden. Abschließend wird die Kritik die an Lijpharts Theorie vorgenommen wird näher beleuchtet und untersucht ob diese stichhaltig ist. Zum Schluss werden wir wissen in welche Demokratieform Deutschland eingeordnet wird.

2. Mehrheits- und Konsensdemokratie. Das bessere Muster zur Demokratiemessung?

„Who will do the governing and to whose interests should the government be responsive when the people are in disagreement and have divergent preferences? “[3] Zu diesem Zweck nimmt Lijphart die Unterscheidung zweier Demokratieformen vor, zum Einen die Mehrheitsdemokratie die vorwiegend im angelsächsischen Raum anzutreffen ist, zum Anderen die Konsensdemokratie die eher auf dem europäischen Festland anzutreffen ist. Eine Antwort auf die zuvor genannte Frage könnte lauten, dass in Mehrheitsdemokratien (auch als Westminster Modell bezeichnet) die Regierung die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung vertritt. In Konsensdemokratien dagegen vertritt die Regierung möglichst viele Interessen der Bürger.[4] Es soll nun aufgezeigt werden wie Arend Lijphart die beiden Demokratieformen voneinander abgrenzt. Die Mehrheitsdemokratie definiert sich durch folgende Punkte:

- Konzentration der Exekutive durch eine alleinregierende Mehrheitspartei
- Dominanz der Exekutive über die Legislative
- Ein Zweiparteiensystem
- Mehrheitswahlrecht
- Pluralistisches Interessengruppensystem
- Unitarischer und zentralistischer Staat
- Einkammersystem
- Flexible Verfassung
- Keine Verfassungsgerichtsbarkeit
- Von der Regierung abhängige Zentralbank

Das Gegenstück zur Mehrheitsdemokratie, die Konsensdemokratie, weist folgende Merkmale auf:

- Aufteilung der Exekutivmacht auf Koalitionen
- Kräftegleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative
- Mehrparteiensystem
- Verhältniswahlrecht
- Korporatistische Interessengruppen
- Föderaler und dezentralisierter Staatsaufbau
- Zweikammersystem
- Starre Verfassung
- Verfassungsgerichtsbarkeit vorhanden
- Autonome Zentralbank[5]

Diese Merkmale wurden einer Analyse unterzogen und hinsichtlich ihrer Ausmaße empirisch getestet. Es zeigte sich hierbei, dass die Machtverteilung in Demokratien nicht eindimensional messbar ist, sondern über zwei getrennte Kategorien erfasst werden muss.[6] Deshalb teilte Lijphart die Kriterien in zwei Dimensionen auf. Die Exekutive- Parteien- Dimension zur der, der Grad der Konzentration oder Aufteilung der Exekutivmacht, das Kräfteverhältnis zwischen Exekutive und Legislative, der Fragmentierungsgrad des Parteiensystems, pluralistische oder korporatistische Interessengruppen und das Ausmaß der wahlrechtsbedingten Disproportionalität von Stimmen- und Sitzverteilung gehören. Der zweiten Dimension, die Föderalismus- Unitarismus- Dimension, ordnet Lijphart den Aufteilungsgrad der Staatsstruktur, den Konzentrations- bzw. Aufteilungsgrad der Legislativmacht, den Schwierigkeitsgrad der Verfassungsänderung, das Letztentscheidungsrecht über Gesetzgebung und den Grad der Zentralbankautonomie zu. Mit Hilfe dieser dichotomen Aufteilung gelang es Lijphart je nach Ausprägung des Prinzips vier Realtypen Demokratischer Systeme zu unterscheiden: die unitarische Mehrheitsdemokratie, die föderale Mehrheitsdemokratie, die unitarische Konsensdemokratie und die föderale Konsensdemokratie.[7] Lijphart stellte auch fest, dass sich die Majorzdemokratie besonders gut für homogene Gesellschaften eignet in denen keine Subkulturen existieren oder von Klassenunterschieden geprägt ist. Die Konsensdemokratie hingegen harmoniert besser mit heterogenen Gesellschaften die in mehrere Lager zersplittert sind, sie versucht diese Minderheiten zu integrieren.[8] Basierend auf seinen empirischen Befunden kommt Lijphart zu einem weiteren Schluss. Er behauptet, dass Konsensdemokratien eine bessere Performanz in verschiedenen Politikfeldern aufweisen. Beispielhaft führt er dafür die Sozial-, Umwelt- und Entwicklungshilfepolitik sowie Teile der inneren Sicherheit an[9]. Aus diesem Grund bezeichnet er die Konsensdemokratie als „…kinder and gentler…“[10]

3. Deutschland eine Mehrheits- oder Konsensdemokratie?

Im folgenden Kapitel wird die Bundesrepublik Deutschland in die Matrix von Arend Lijphart eingeordnet.

1.) Konzentration der Exekutivmacht

Sie wird gemessen durch den Mittelwert der Regierungsdauer der jeweils minimal- winning cabinets und der Regierungsdauer eines Einparteienkabinetts.[11] Hier weist Deutschland mit einem Wert von durchschnittlich 36,2% einen niedrigen Konzentrationsgrad auf. Der niedrige Wert resultiert daraus, dass in Deutschland nur zwei Mal eine Einparteienregierung an der Macht war.

2.) Dominanz der Exekutive

Sie wird definiert durch die durchschnittliche cabinet duration. Deutschland hat hier mittlere Stabilitätswerte aufzuweisen. Das bedeutet, dass hier ein ausgeglichenes Verhältnis von Exekutive zu Legislative vorliegt.

3.) Struktur des Parteiensystems

Sie wird mit Hilfe des Laakso- Taagepera Index gemessen, dieser berechnet die Zahl der wichtigsten Parteien in der ersten Kammer. Hier hat die Bundesrepublik Deutschland einen vergleichsweise niedrigen Wert an effektiven Parteien (2,93 Parteien)

4.) Disproportionalität des Wahlsystems

Die Messung der Disproportionalität des Wahlsystems steht hier im Vordergrund. Diese wird mit Hilfe des Gallager Index gemessen. Deutschland weist hier sehr niedrige Disproportionalitätswerte auf, d.h. in Deutschland verhält sich die Abgabe der Wählerstimmen sehr proportional zu der Sitzverteilung im Parlament.

5.) Pluralismusgrad des Verbändesystems

Er wird Mittels dem so genannten Korporatismusindex von Siaroff ermittelt. Dieser misst Merkmale von Pluralismus und Korporatismus und klassifiziert den Grad auf einer Skala. Deutschland hat hier mittelstarke Korporatistische Strukturen.

6.) Zentralisierungsgrad

Dieser wird über eine Skala, die den Grad von föderalen und einheitsstaatlichen Merkmalen misst, in fünf Kategorien eingeteilt. Die BRD ist demnach ein föderaler dezentralistischer Staat.

7.) Parlamentstyp

Hier wird die Stärke der Legislative in vier Kategorien eingeteilt. Deutschland hat demzufolge ein starkes Zweikammersystem.

8.) Rigidität der Verfassung

Die Möglichkeit einer Verfassungsänderung wird hier operationalisiert und in eine vierer- Matrix eingeteilt. In der Bundesrepublik wird super- majorities benötigt um die Verfassung zu ändern.

9.) Parlamentssouveränität

Die Verfassungsrichterliche Überprüfbarkeit von Gesetzen wird auch hier in vier Kategorien unterteilt. In Deutschland herrscht eine starke richterliche Überprüfbarkeit von Gesetzen.

10.)Zentralbankautonomie

Um einen Mittelwert zu bilden werden drei Indizies herangezogen, nach denen der Grad der Zentralbank Autonomie bestimmt wird, in Deutschland besteht eine hohe Unabhängigkeit der Zentralbank.[12]

Anhand der vorausgegangenen zehn Punkte wurde versucht, Deutschland in die Matrix von Arend Lijphart einzuordnen. Demzufolge handelt es sich bei der BRD um eine föderalistische Konsensdemokratie, doch ob diese Einteilung wirklich Korrekt ist, wird sich am Ende dieser Arbeit zeigen.

Anhand der vorausgegangenen zehn Punkte wurde versucht, Deutschland in die Matrix von Arend Lijphart einzuordnen. Demzufolge handelt es sich bei der BRD um eine föderalistische Konsensdemokratie, doch ob diese Einteilung wirklich Korrekt ist, wird sich am Ende dieser Arbeit zeigen.

[...]


[1] Müller-Rommel, Ferdinand: Demokratiemuster und Leistungsbilanz von Regierungen: Kritische Anmerkungen zu Arend Lijphart’s „Patterns of Democracy“, in: Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft 2/2008, S. 79

[2] Kailitz, Steffen: Schlüsselwerke der Politikwissenschaft, Wiesbaden 2007, S. 240

[3] Lijphart, Arend: Patterns of Democracy, New Haven & New York 1999, S. 1

[4] Vgl. Müller-Rommel: Demokratiemuster und Leistungsbilanz von Regierungen: Kritische Anmerkungen zu Arend Lijphart’s „Patterns of Democracy“, S. 79

[5] Vgl. Schmidt, Manfred: Demokratietheorien, Wiesbaden 2006, S. 251

[6] Vgl. Müller-Rommel: Demokratiemuster und Leistungsbilanz von Regierungen, S. 83

[7] Vgl. Croissant, Aurel: Regierungssysteme und Demokratietypen, in: Lauth, Hans Joachim (Hrsg.), Vergleichende Regierungslehre, Wiesbaden: Westdt. Verlag, 2002, S. 145

[8] Vgl. Schmidt, Manfred: Demokratietheorien, Wiesbaden 2006, S. 256

[9] Vgl. Müller-Rommel: Demokratiemuster und Leistungsbilanz von Regierungen, S. 83

[10] Lijphart, Arend: Patterns of Democracy, S. 275

[11] Vgl. Müller-Rommel: Demokratiemuster und Leistungsbilanz von Regierungen, S. 81

[12] Vgl. Müller-Rommel: Demokratiemuster und Leistungsbilanz von Regierungen, S. 81- 83

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Defekte Demokratiemessung? Arend Lijpharts Mehrheits- und Konsensdemokratie
Hochschule
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,7
Jahr
2009
Seiten
13
Katalognummer
V303551
ISBN (eBook)
9783668019881
ISBN (Buch)
9783668019898
Dateigröße
410 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
defekte, demokratiemessung, arend, lijpharts, mehrheits-, konsensdemokratie
Arbeit zitieren
Anonym, 2009, Defekte Demokratiemessung? Arend Lijpharts Mehrheits- und Konsensdemokratie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303551

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