Medienerziehung in der Grundschule. Hintergründe, Konzepte und mögliche Zielsetzungen


Hausarbeit, 2000

21 Seiten, Note: 1

Gerrit Stäbe (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

1. Medienerziehung schon in der Grundschule?

2. Alte und neue Medien

3. Zum Begriff „Medienerziehung“
3.1 Erziehung durch Medien
3.2 Erziehung im Hinblick auf Medien

4. Medienerziehung am Beispiel eines nordrhein-westfälischen Rahmenplanes für die Grundschule
4.1 Auswählen und Nutzen von Medienangeboten
4.2 Aufgabenbereich „Eigenes Gestalten und Verbreiten von Medienbeiträgen“
4.3 Aufgabenbereich „Verstehen und Bewerten von Mediengestaltungen“
4.4 Aufgabenbereich „Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen“

5. Medienerziehung am Beispiel eines niedersächsischen Konzeptes zur Medien- und Kommunikationserziehung
5.1 Lernfeld „Sinneswahrnehmung“
5.2 Lernfeld „Sensoren statt Sinne“
5.3 Lernfeld „Kommunikation verbindet Menschen miteinander"
5.4 Lernfeld „Aktive Medienarbeit“

6. Medienerziehung als fächerübergreifender Unterricht

7. Projektidee „Ich sehe was, was du nicht siehst“

8. Medienkompetenz als Ziel der Medienerziehung

9. Abschlussbetrachtung

10. Literatur

1. Medienerziehung schon in der Grundschule?

Kinder von heute wachsen in „Medienwelten" auf1, stellt BARTKOWSKI fest, und beschreibt damit einen Sachverhalt, den viele Lehrer nicht selten als verheerend betrachten. Schüler haben zunehmend Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, sie verhalten sich unruhig und bewegen sich in ihrer Freizeit offenbar zu wenig an der frischen Luft. Der überhöhte Fernsehkonsum am Wochenende trägt mit dazu bei, dass viele Kinder zu Beginn der Schulwoche ein Verhalten an den Tag legen, das mittlerweile als „Montagmorgensyndrom" berüchtigt ist.2

Und nicht nur eine Störung des Unterrichts, sondern auch eine Störung des Sozialverhaltens wird oftmals den Medien angelastet.3 Wird beispielsweise in einem Film eine Konfliktsituation durch Gewalt gelöst, so lässt sich nicht ausschließen, dass sich einzelne Kinder an dieser Verhaltensweise orientieren. Ein so genanntes „Modelllernen“ wird befürchtet.4

Nun ist aber hinreichend bekannt, dass in den seltensten Fällen nur ein einzelner Faktor als alleinige Ursache für ein bestimmtes Verhaltensmuster verantwortlich ist.

Es kann daher nicht richtig sein, die „neuen Medien“ pauschal als suspekt einzuordnen oder sie als potentiell schädlich zu klassifizieren und sie zum Wohle der Kinder aus der Schule zu verbannen.

Es wäre falsch, die Schule zu einer Art von Schutzraum machen zu wollen, in dem versucht wird, die Kinder vor jeglichen Medieneinflüssen zu bewahren. Denn der „Medienalltag in der Familie" würde durch solch eine Maßnahme unverändert bestehen bleiben5, und die Schule, die auch einen Erziehungsauftrag zu leisten hat, könnte keinen Einfluss nehmen auf den möglicherweise problematischen Medienumgang einzelner Schüler. AUFENANGER fordert deswegen: "Pädagogen müssen Interesse daran zeigen, was Kinder [...] in ihrer Alltagswelt erfahren."6

Was aber hat die Grundschule damit zu tun? Mediale Erfahrungen werden bereits vor dem Eintritt in die Schule gemacht. Kinder nehmen am Medienkonsum ihrer Eltern teil (Fernsehen, Radio, ...), sie nutzen ebenso Medien wie Hörspielkassetten und Bilderbücher.7

Und „viele Inhalte, die ihr Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen, die ihre Vorstellungen, Träume und Phantasien prägen, entstammen nicht mehr der direkten Anschauung, dem direkten Kontakt mit Personen und Situationen, sondern dem Erlebnisgehalt der Medien [...]“.8

Sich dieser Tatsache bewusst, haben die Kultusbehörden vieler Bundesländer die „Medien­erziehung" als schulische Aufgabe verabschiedet. Sie soll nicht nur in den weiter­führenden Schulformen, sondern schon in der Grundschule realisiert werden.

So argumentiert beispielsweise das niedersächsische Kultusministerium (als Herausgeber): „Zeitgemäße Medien- und Kommunikationserziehung darf nicht erst einsetzen, wenn sich das Medienverhalten der Kinder verfestigt hat, sondern muss bereits in der Grundschule beginnen, ein elementares Vorverständnis der Neuen Technologien zu entwickeln und Medien­kompetenz zu fördern"9

2. Alte und neue Medien

„Alte Medien" und „Neue Medien" - zwei Schlagwörter, die in der Fachliteratur immer wieder erscheinen, aber bei einer genaueren Betrachtung auf sehr unterschiedliche Weise Verwendung finden.

Der Begriff „Medium“ im Kontext der Kommunikationswissenschaft ist laut Brockhaus zunächst einmal definiert als „jedes Mittel der Publizistik und Kommunikation, im übertragenen Sinn auch

a) der Übermittlungsweg oder -kanal (engl. channel)
b) jede Organisationsform von Presse, Film, Funk oder Fernsehen als Vermittlungseinrichtung des öffentlichen und aktuellen Austausches von Medien."10

BARTKOWSKI meint mit neuen Medien die elektronischen Medien, zum Beispiel Radio, Fernseher und Computer.11 Eine abweichende Zuschreibung nehmen HEYDEN und LORENZ vor: Aus ihrer Sicht gehören Tonmedien und Filme nicht zu den neuen, sondern zu den alten Medien.12 KRAMER verbindet mit den neuen Medien ausschließlich die digitalen Medien, also in erster Linie den Computerbereich.13 Der interessierte Leser findet sicherlich noch weitere Einordnungen, wobei ich behaupten möchte, dass zumindest zwei Eckpfeiler durchweg von fast allen Autoren einheitlich verwendet werden: das Buch als klassisches altes Medium und der Computer als das neue Medium.

Spitzfindig könnte noch hinterfragt werden, ob die technischen Geräte an sich als Medien bezeichnet werden sollten. HEYDEN und LORENZ vertreten die Auffassung, dass der Computer als Gerät gesehen selber gar kein Medium ist. Die beiden Autoren setzen Medien mit „Inhalten" gleich und sehen im Computer lediglich ein Werkzeug, mit dessen Hilfe die Inhalte „sichtbar" gemacht werden können. Ein Computer dient gemäß HEYDEN und LORENZ dem Verarbeiten von Medien, ist selber aber kein Medium, und lässt sich somit auch nicht in die Kategorie der „neuen Medien“ einordnen.14

In der Lebenswelt der Kinder finden sich sowohl zahlreiche alte als auch neue Medien, wobei es eigentlich nebensächlich ist, auf welche Medientypen diese Bezeichnungen nun konkret angewandt werden.

Konzepte zur Medienerziehung sollten diese Vielfalt der vorhandenen Medien berücksichtigen. In der Veröffentlichung „Medien- und Kommunikationserziehung in der Grundschule“, herausgegeben vom niedersächsischen Kultusministerium, heißt es: Bei der Medienerziehung „stehen nicht nur die so genannten ‚neuen’ Medien im Blickfeld, sondern gerade an den traditionellen Medien wie Sprache, Text, Bild, Musik, Foto, Film, Video lassen sich prinzipielle Kenntnisse zur Wahrnehmung und Wirkung entwickeln.“15

3. Zum Begriff „Medienerziehung“

3.1 Erziehung durch Medien

Das Prinzip des Modelllernens durch Film und Fernsehen wurde bereits zu Beginn dieser Hausarbeit kurz thematisiert. Ihm liegt die Beobachtung zugrunde, dass Medien unbeabsichtigt die Rolle eines „geheimen Miterziehers“16 übernehmen können.

Ein Film bietet meistens seinen Konsumenten auch die Gelegenheit, bestimmte Weltanschauungen zu übernehmen, sich am Verhalten der Spielfilmhelden zu orientieren oder andere „Einstellungen, Ideale und Verhaltensweisen“ vermittelt zu bekommen.17

Neben der eigentlichen Intention der Unterhaltung, kann also durch den Film eine „Erziehung“ stattfinden, die als unbeabsichtigter Nebeneffekt auftritt.

Der Begriff der „Erziehung“ ist aber in der Pädagogik als „beabsichtigte Lernhilfe“18 definiert. Erziehung ist ein bewusst eingesetztes Mittel, das mit einer Intention verbunden ist, zielgerichtet eingesetzt wird. Bei einer unbeabsichtigten Art der Erziehung, wie sie allgemein von Filmen ausgehen kann, sollte deswegen sinnvoller Weise nicht von Medienerziehung, sondern besser von Medien sozialisation gesprochen werden.19

LUDWIG führt zur Unterscheidung der Begriffe „Sozialisation“ und „Erziehung“ ein verständliches Beispiel an:

Untersuchungen zufolge habe das Internet und speziell die E-Mail-Nutzung „einen neuen Schreibboom bei Jugendlichen eingeleitet und eine große kommunikative Kreativität aus-gelöst"20, und der Grund für diese Kreativität sei eine Mediensozialisation durch das Internet.

Ludwig weiter: „Werden diese Sozialisationseffekte absichtlich zur Steigerung der Sprach­kompetenz eingesetzt, zum Beispiel indem Computer-Aktivitäten gezielt gefördert werden, so wird Medien-Erziehung betrieben.“21

LUDWIGs Deutung des Begriffes „Medienerziehung“ überzeugt durch ihre bestechende Anschaulichkeit, doch wäre es auch an dieser Stelle verfrüht zu sagen, dass der Begriff der „Medienerziehung“ die Vorstufe einer Definition gefunden habe. Im Gegenteil - LUDWIGs Verständnis von Medienerziehung und die Auffassung vieler anderer Autoren weisen eher eine kleine Schnittmenge an Gemeinsamkeiten auf. Nach LUDWIG müsste nämlich auch die Präsentation eines Lehrfilmes, der zum Beispiel die Beutefangtechnik eines Seekopfadlers zeigt, unter Medienerziehung fallen, denn LUDWIG definiert Medienerziehung allem Anschein nach als beabsichtigte Erziehung durch Medien.

So verstanden zeichnet sich Medienerziehung durch den gezielten Einsatz von geeigneten Medien aus, die der Lehrkraft beim Erreichen von beliebigen, schulischen Lernzielen helfen. Weder das Medium an sich noch der bewusste Umgang mit ihm scheint gemäß LUDWIG im Mittelpunkt zu stehen. Medien sind vielmehr als (Lern-)Mittel zum Zweck zu verstehen, wobei der Zweck offenbar alles sein kann, was lernrelevant ist.

3.2 Erziehung im Hinblick auf Medien

Während LUDWIG unter Medienerziehung ein Erziehen mit Hilfe von Medien versteht, herrscht überwiegend eine davon abweichende Auslegung dieses Begriffes vor. Bei der „Medienerziehung“, wie sie viele Medienpädagogen in ihren Schriften beschreiben, stellen Medien beziehungsweise Medieneinflüsse selber den Lerngegenstand dar. Sie selbst sind das Unterrichtsthema, stehen im Mittelpunkt der Betrachtung, werden analysiert.

Dass im Zuge solch einer Medienerziehung Medien auch als Werkzeug oder „Mittel zum Zweck“ (s.o.) zum Einsatz kommen, ist natürlich kein Widerspruch.

Untermauern lässt sich diese Begriffsinterpretation der Medienerziehung durch einen Blick auf die fünf Aufgabenbereiche der Medienerziehung von TULODZIECKI. Sie sind mit folgenden Überschriften versehen:

[...]


1 vgl. Bartkowski (1999), S. 2

2 vgl. Bartkowski (1997), S. 4 und Bartkowski (1999), S. 2

3 vgl. Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg., 1994), S. 1

4 vgl. Tulodziecki (1995), 22 / S. 135

5 Maier u. a. (1997), S. 13

6 Aufenanger (1999a), S. 312

7 vgl. Bartkowski (1999), S. 2

8 Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg., 1994), S. 1

9 ebd., S. 2

10 Brockhaus (1972), S. 322

11 vgl. Bartkowski (1999), S. 2

12 vgl. Heyden / Lorenz (1999), S. 11

13 vgl. Kramer (1998), S. 275

14 vgl. Heyden / Lorenz (1999), S. 11

15 Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg., 1994), S. 2

16 Ludwig (1999), S. 27

17 vgl. Ludwig (1999), S. 27

18 Weber, E. (1988): Grundfragen und Grundbegriffe. Bd. 1 der Reihe "Pädagogik - Eine Einführung". Donauwörth. S. 48f, 66. Zitiert aus: Ludwig (1999), 29.

19 vgl. Ludwig (1999), S. 44 und auch Baacke (1999), S. 42

20 Ludwig (1999), S. 44

21 ebd., S. 45

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Medienerziehung in der Grundschule. Hintergründe, Konzepte und mögliche Zielsetzungen
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta
Veranstaltung
Seminar "Zum Wandel der Mediennutzung im Kindes- und Jugendalter"
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
21
Katalognummer
V30353
ISBN (eBook)
9783638316293
ISBN (Buch)
9783638650724
Dateigröße
559 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Medienerziehung, Grundschule, Hintergründe, Konzepte, Zielsetzungen, Wandel, Mediennutzung
Arbeit zitieren
Gerrit Stäbe (Autor:in), 2000, Medienerziehung in der Grundschule. Hintergründe, Konzepte und mögliche Zielsetzungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30353

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