Bairisch als Variation des Deutschen. Herkunft, Verbreitung und Merkmale


Seminararbeit, 2011

32 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Zum Begriff „Bairisch“ und Herkunft

3. Verbreitungsgebiet

4. Binnengliederung

5. Merkmale des Bairischen
5.1 Phonetik
5.2 Grammatik
5.2.1 Morphologie
5.2.2 Syntax
5.2.3 Lexik

6. Abschlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang

1. Einleitung

Dass die Bayern in der Regel besonders stolz auf ihren Dialekt[1] sind, ist allgemein bekannt. Der Förderverein Bairische Sprache und Dialekte sieht Bairisch sogar als eigenständige Sprache und somit als Regionalsprache, die durch die UNESCO als schützenswert eingestuft wurde, an. Auf seiner Homepage begründet der Verein seinen Standpunkt mithilfe eines Zitates von Prof Dr. Robert Hinderling:

„Allein schon von den grammatischen Besonderheiten her ist das Eigengepräge des Bairischen gegenüber dem Schriftdeutschen so stark, dass es genügen würde, ihm den Status einer eigenen Sprache zu verleihen. Der Abstand Bairisch – Hochdeutsch ist größer als der zwischen Dänisch und Norwegisch oder Tschechisch und Slowakisch.[2]

Auch Ludwig Zehetner weist auf die Besonderheit in Bezug auf die soziale Akzeptanz des Bairischen hin. 1966 ergab eine Umfrage, dass 71 % der Bürger des Freistaates Bayern im Stande sind ihren Dialekt zu sprechen. Der Bundesdurchschnitt lag im Gegensatz dazu bei 57 %. Außerdem wurde festgestellt, dass die Bayern in der Familienumgebung, auf Arbeit und mit Freunden häufiger Dialekt benutzen als in anderen Orten Deutschlands.[3]

Diese besondere Varietät der deutschen Sprache ist Inhalt dieser Arbeit. Es wird ein Forschungsüberblick über das Bairische gegeben. Dazu wird zunächst der Begriff Bairisch näher beleuchtet. Anschließend wird aufgezeigt, in welchen Gebieten die Mundart gesprochen wird und wie sich gliedert. Im zweiten Teil der Arbeit liegt der Fokus auf den Besonderheiten des Bairischen in den Bereichen Phonetik, Grammatik und Lexik.

Mithilfe der Auswertung der Forschungsliteratur unter Einbezug zahlreicher Beispiele soll ein Einblick in den Dialekt gewonnen werden. Dabei steht vor allem Bayern im Vordergrund, Österreich wird weniger berücksichtigt. Auch auf die historische Sprachentwicklung wird nicht näher eingegangen. Am Ende werden die Ergebnisse in einer Abschlussbetrachtung zusammengetragen.

Insgesamt gibt es im Vergleich zu anderen Mundarten relativ wenig Literatur. Zwar existieren einige Arbeiten über den Dialekt von bestimmten Regionen[4], eine übersichtliche Arbeit über die gesamte bairische Dialektlandschaft jedoch fehlt. Sehr hilfreich und ausführlich ist das „bairische Dialektbuch“ von Zehetner, das allerdings auf den Freistaat Bayern beschränkt ist. Aufschlussreich und mit vielen Karten anschaulich gestaltet ist der „Kleine Bayerische Sprachatlas“, der von Manfred Renn und Werner König herausgegeben wurde. Auf dem Gebiet der historischen Dialektologie über das Bairische hat Eberhard Kranzmeyer sehr viel publiziert, unter anderem die „Historische Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraumes“[5].

2. Zum Begriff „Bairisch“ und Herkunft

Bairisch ist im Vergleich zu bayerisch die ältere Schreibweise. Aufgrund der großen Verehrung für das Griechische König Ludwigs I. ließ dieser Baiern in Bayern umbenennen, sodass sich die Schreibweise mit „y“ konsequent seit Beginn des 19. Jahrhunderts durchgesetzt hat. So schreibt sich beispielsweise die Stadt Speyer, früher Speier, seit 1825 mit „y“. Die ältere Schreibung Baiern mit „i“ wird heute hauptsächlich in der Sprachwissenschaft verwendet. Wenn demnach von „bayerisch“ die Rede ist, ist dies auf das Bundesland Bayern bezogen.[6]

Die Herkunft der Baiern und des Bairischen ist umstritten. Als sicher gilt, dass sie Nachfahren des westgermanischen Stammes der Elbgermanen sind. Die Baiern waren kein einheitlich ethnischer Volksstamm, wie zum Beispiel die Franken. Ab Mitte des 6. Jahrhunderts sind Siedler um Regensburg, östlich des Lechs nachweisbar. Wahrscheinlich sind die Baiern im frühen Mittelalter durch eine politische Verbindung entstanden. Auch der Ursprung des Namens „Baiern“ ist ungeklärt.[7]

Ähnlich ist auch die Ansicht von Renn und König: Die Sprachgrenzen würden in diesem Fall keine alten Stammesgrenzen abbilden. Ausschlaggebende Einflüsse für die entstehenden Dialektgrenzen seien politischer sowie wirtschaftlicher als auch geografischer Natur gewesen.[8]

3. Verbreitungsgebiet

Das Bairische ist ein oberdeutscher Dialekt. Es nimmt etwa ein Sechstel des deutschen Sprachraums ein, womit ist es den größten in Verbindung stehenden Dialektraum im deutschsprachigen Gebiet darstellt.[9]

Das Bairische wird nicht ausschließlich in Bayern gesprochen – und auch in Bayern gibt es nicht nur die bairische Mundart.[10] Bairisch erstreckt sich über circa 150000 km² im deutschsprachigen Sprachraum. Es wird von ungefähr 15 Millionen Menschen gesprochen, das entspricht 17 % aller Deutschsprachigen. Dazu zählt natürlich auch das österreichische Gebiet, deshalb spricht man vom Bairisch-Österreichischen.[11]

Auch wenn „Bairisch“ als Sammelbegriff für die unterschiedlichen Mundarten steht, ist dieser Dialekt ist keineswegs einheitlich. Die verschiedenen Dialektgebiete sind oft in sich gespalten. Außerdem gibt es keine klaren Grenzen, sondern Übergangsräume zwischen den einzelnen Dialekten.[12] Bairisch wird in Ober- und Niederbayern, in der Oberpfalz, in Teilen Ober- und Mittelfrankens und im südlichen Vogtland im Bundesland Sachsen gesprochen. In Österreich findet man den Dialekt in den Bundesländern Ober-, Niederösterreich, im Land Salzburg, in der Steiermark, im Burgenland, in Kärnten und Tirol. Auch in Südtirol in Italien, im Kanton Graubünden der Schweiz, in Teilen Ungarns und in Tschechien im Egerland, West- und Südböhmen und Südmähren. Es gab und gibt noch weitere bairische Sprachinseln in weiteren Ländern.[13]

Bereits Zehetner äußert, dass auf dem Land die Dialekttiefe größer sei als in der Stadt, was ihn aber nicht davon abhält, die Umgangssprache in den Städten Bayerns mit zur bairischen Mundart dazuzuzählen. Außerdem werde die Dialektgeografie immer großflächiger, denn die kleinen regional verbreiteten Formen würden zurückgehen und die Großstädte würden sich aus wirtschaftlichen und kulturellen Gründen immer mehr an der Hochsprache orientieren.[14] Auch in der neueren Literatur wird diese Ansicht vertreten. Auf Kosten der kleinen Sonderformen breite sich eine großräumige Umgangssprache im Sinne des Dialekts aus. Renn und König sind der Meinung, dass München eine Ausnahme bilde, wo besonders bei jungen Sprechern aufgrund der modernen Medien und dem andauernden Zuzug aus dem Norden Deutschlands kaum Dialekt mehr vorhanden sei. Der Einfluss der modernen Massenmedien sei dagegen nach Ansicht der eben genannten Autoren nicht der maßgebliche Faktor für den allgemeinen Dialektrückgang. Dies läge daran, dass die privaten Situationen, wie zum Beispiel private Treffen mit Familie oder Freunden, in denen der Dialekt benutzt werde, immer mehr nachlassen würden.[15]

4. Binnengliederung

Das Bairische gliedert sich in die drei großen Unterdialekte Nord-, Mittel- und Südbairisch.[16] Zehetner schreibt, dass diese sich bereits 1100 herausgebildet hätten.[17]

Nordbairisch erstreckt sich über die Oberpfalz, deshalb wird es auch das Oberpfälzische genannt, den südöstlichen Teilen von Ober- und Mittelfranken und den nördlichsten Teil von Ober- und Niederbayern. Der Übergangsraum des Nordmittelbairischen liegt um Regensburg und Straubing. Das Mittelbairische wird von den meisten Sprechern des bairischen Dialekts benutzt und umfasst den größten Teil von Oberbayern und dazu Niederbayern. den Isar-Donau-Raum entlang der Achse München-Wien, vom Lech bis zur tschechischen Grenze, weiter vom Alpenrand bis südlich der Donau bei Regensburg bis in den Bayerischen Wald. Mittelbairisch gilt als die modernste Form des bairischen Dialekts. Zehetner bezeichnet das Städtedreieck München-Wien-Regensburg als „Raum ostoberdeutscher Neuerungen“. Zum Übergangsgebiet zählt das südliche Oberbayern, dort wird südmittelbairisch gesprochen.[18] Renn und König beschreiben das Mittelbairische mit Münchner Prägung als Dialekt mit starkem Ausbreitungscharakter. Es reiche immer weiter ins Nordbairische hinein und es verdränge in westlicher Richtung Merkmale des Schwäbischen. Daneben wirke es sich in der Region Altbayern aus.[19] Südbairisch bezeichnet die Mundart in Tirol, Kärnten, der Steiermark und im südlichen Burgenland. Weil dieser Dialekt auf österreichische Alpenländer beschränkt ist, wird er daher auch Alpenbairisch genannt.[20]

Zehetner macht deutlich, dass zwischen aufgrund der politischen Grenze der Verkehrssprache ist Österreich und Bayern klare Unterschiede zu erkennen seien. Dies gelte allerdings lediglich für die Umgangssprache in den Großräumen München und Wien, die als kulturelle und wirtschaftliche Zentren wirken würden.[21]

5. Merkmale des Bairischen

Das Bairische besitzt weder feste phonetische oder grammatische noch lexikalische Regeln. Die Dialektgrenzen sind abstrakt. In den Übergangsgebieten existieren stets Formen, die sich unterscheiden.[22] Es bestehen nur gewisse Gemeinsamkeiten, die für bestimmte Gebiete charakteristisch sind und im Folgenden aufgezeigt werden sollen. Dabei werden spezifische Unterschiede zwischen dem Nord-, Mittel- und Südbairischen berücksichtigt.

Über die Merkmale des Bairischen herrscht in der Literatur weitgehend Einigkeit.

5.1 Phonetik

Die im Mittelalter beginnende neuhochdeutsche Diphthongierung nahm ihren Ursprung im Bairischen. Die mittelhochdeutschen Vokale [î], [iu] und [û] wurden zu den Diphthongen [ei], [eu] und [au]:[23] Aus mîn wurde mein, aus liut wurde Leute und aus hûs wurde Haus.

Im bairischen Dialekt wurden zudem folgende weiter Vokale diphthongiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten24

Die neuhochdeutsche Monophthongierung betraf die Diphthonge [ie], [üe] und [uo], die zu [i], [ü] und [u] monophthongiert wurden. Aus liep wurde lieb, aus müede wurde müde und aus bruoder wurde Bruder. Im Bairischen wurden die Diphtonge als [ia], [ua], [ei] und [ou] beibehalten: aus bruoder wird das bairische Bruada.[25]

Typisch für das Bairische ist außerdem das überhelle à, der aus dem mittelhochdeutschen Sekundärumlaut [æ] hervorgeht. Zum Beispiel wird das Wort zäh als zaach, Schere als Schar und Männlein als Màndl ausgesprochen.[26]

Eine weitere Besonderheit des Bairischen betrifft die Entrundung der mittehochdeutschen Vokale [ö], [œ] [ü], [iu], [üe] und [öü] zu [e], [i], [ai], [ia] und [ei], sodass beispielsweise aus rösten ręstn, aus böse bęs/ bęis, aus Zügel Zigl, aus müde miad/ męid, aus Häuser Haisa und aus Freude Fraid wird . [27]

Das Bairische prägt eine Konsonantenschwächung, die die Unterscheidung zwischen b, d und g mit p, t und k vor Konsonanten schwierig macht. Aus Wetter wird Weda, aus Tag wird Dǫg, aus gering wird gring, aus trinken wird dringa, aus Schatten oder auch Schaden wird Schǫǫn. Dabei sind teilweise Assimilationen zu erkennen.[28]

Eigentümlich für den bairischen Dialekt ist die Apokope des e. Anstatt Name heißt es Nam, anstatt Gabe heißt es Gab und anstatt Hase heißt es Has.[29]

Die Konsonantenschwächung, die Apokope des e und und die Lautangleichung haben eine Silbenreduktion zur Folge: Hochdeutsch geschnitten wird zu gschin und getragen wird zu drǫǫng. [30]

Was die Aussprache von st und sp betrifft[31], nimmt das Bairische eine Zwischenstellung ein. Es wird zwar häufiger scht und schp ausgesprochen als im Standarddeutsch, dennoch nicht so häufig wie im Schwäbischen. Besonders im südwestlichen Raum Bayerns kann man beispielsweise Duaschd statt Durst oder Foaschd statt Forst hören.[32]

[...]


[1] Dialekt und Mundart wird in der vorliegenden Arbeit synonym verwendet.

[2] Förderverein Bairische Sprache und Dialekte: Bairische Sprache, Dialekte und Mundarten, URL: http://www.fbsd.de/bairische-sprache-dialekte-mundarten.html, letzte Aktualisierung: unbekannt, Zugriff am 12.09.2011.

[3] Vgl. Zehetner, Ludwig: Das bairische Dialektbuch, München 1985, S. 20.

[4] Siehe beispielsweise: Scheuringer, Hermann: Sprachentwicklung in Bayern und Österreich. Eine Analyse des Substandardverhaltens der Städte Braunau am Inn (Österreich) und Simbach am Inn (Bayern) und ihres Umlandes (= Beiträge zur Sprachwissenschaft), Hamburg 1990.

[5] Kranzmeyer, Eberhard: Historische Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraumes“, Wien 1956.

[6] Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 16.

[7] Vgl. Patocka, Franz: Vorlesung „Theorie und Praxis der Dialektologie“, Institut für Germanistik der Universität Wien, URL: http://www.univie.ac.at/Germanistik/studententexte/patocka/dialektologie-ss08.pdf, letzte Aktualisierung: Sommersemester 2008, Zugriff am: 12.09.2011, S. 106.

[8] Vgl. Renn, Manfred/ König, Werner: Kleiner bayerischer Sprachatlas, München 22006, S. 20.

[9] Vgl. Renn/ König: Sprachatlas, S. 105.

[10] Zu den Mundarten, die außerdem in Bayern gesprochen werden, zählen das Alemannisch-Schwäbische, das Rheinfränkische, das Ostfränkische und das Thüringische, vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 16; siehe Anhang: Anlagen 1 und 2.

[11] Vgl. ebd.

[12] Vgl. Renn/ König: Sprachatlas, S. 19.

[13] Vgl. Patocka: Dialektologie, S. 105; Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 58-59.

[14] Vgl. ebd., S. 20, 68.

[15] Renn/ König: Sprachatlas, S. 21; Reifenstein, Ingo: Dialektverfall oder Mundartrenaissance? – in Bayern und Österreich, in: Stickel, Gerhard (Hrsg.): Varietäten des Deutschen. Regional- und Umgangssprachen, Berlin 1997, S. 393.

[16] Siehe Anhang: Anlage 3.

[17] Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 60.

[18] Vgl. ebd., S. 60-63; Patocka: Dialektologie, S. 108-109

[19] Vgl. Renn/ König: Sprachatlas, S. 21.

[20] Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 62-63.

[21] Vgl. ebd., S. 62.

[22] Vgl. Renn/ König: Sprachatlas, S. 19.

[23] Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 54.

[24] Vgl. ebd.

[25] Vgl. ebd.

[26] Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 54.

[27] Vgl. ebd., S. 54-55.

[28] Vgl. ebd., S. 55.

[29] Vgl. ebd.

[30] Vgl. ebd.

[31] Siehe Anhang: Anlage 4.

[32] Vgl. Zehetner: Das bairische Dialektbuch, S. 86-87.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Bairisch als Variation des Deutschen. Herkunft, Verbreitung und Merkmale
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Seminar Regionale Varietäten
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
32
Katalognummer
V303489
ISBN (eBook)
9783668032385
ISBN (Buch)
9783668032392
Dateigröße
5424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bairisch, Variation, Dialekt, Mundart, Regiolekt, Deutsch
Arbeit zitieren
Sophie Thümmrich (Autor:in), 2011, Bairisch als Variation des Deutschen. Herkunft, Verbreitung und Merkmale, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303489

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