Fachlaufbahnen als alternative Karrierewege

Entwicklung eines kompetenzbasierten Anforderungsprofils für Fachlaufbahnen


Masterarbeit, 2015

105 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Zielsetzung und Fragestellung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Theoretische und konzeptionelle Betrachtung der Fachlaufbahn
2.1 Einordnung der Fachlaufbahn als Karriere- bzw. Laufbahnmodell
2.2 Konzeption der Fachlaufbahn
2.3 Zielsetzung
2.4 Definition Fachexperte

3 Kompetenzen – wichtige Aspekte und theoretische Grundlagen
3.1 Perspektiven des Kompetenzkonstrukts
3.1.1 Psychologische Perspektive
3.1.2 Pädagogische Perspektive
3.1.3 Betriebswirtschaftliche Perspektive
3.2 Konkretisierung des Kompetenzbegriffs

4 Entwicklung des kompetenzbasierten Anforderungsprofils für Fachexperten
4.1 Methodische Grundlagen und Vorgehen
4.2 Literaturgrundlage für das zu entwickelnde Anforderungsprofil
4.3 Zusammenstellung der Kompetenzen
4.4 Kompetenzbasiertes Anforderungsprofil

5 Validierung des kompetenzbasierten Anforderungsprofils
5.1 Unternehmensvorstellung
5.2 Untersuchungsdesign
5.3 Das Untersuchungsinstrument
5.4 Ergebnisdarstellung und Grenzen der Erhebung

6 Schlussbetrachtung
6.1 Zusammenfassung
6.2 Kritische Würdigung des Anforderungsprofils
6.3 Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Übersicht Karriereplanung und Talentmanagement

Abbildung 2: Alternative Laufbahnstrukturen im Vergleich

Abbildung 3: Strukturelemente der Kompetenz

Abbildung 4: Aneignungswege für Kompetenzen

Abbildung 5: Unterschiedliche Ebenen im Kompetenzmanagement

Abbildung 6: Der KompetenzAtlas®

Abbildung 7: Allgemeines inhaltsanalytisches Ablaufmodell nach Mayring

Abbildung 8: Ergebnis Befragung - Management-Kompetenzen

Abbildung 9: Ergebnis Befragung - Personale Kompetenzen

Abbildung 10: Ergebnis Befragung - Sozial-kommunikative Kompetenzen

Abbildung 11: Ergebnis Erhebung - Aktivitäts- und Handlungskompetenz

Abbildung 12: Ergebnis Erhebung - Fach- und Methodenkompetenz

Tabelle 1: Volumentypen der Fachlaufbahn

Tabelle 2: Beispiele für ein fünfstufiges Laufbahnmodell

Tabelle 3: Vergleich von Qualifikation und Kompetenz

Tabelle 4: Personale Teilkompetenzen nach Quellen

Tabelle 5: Sozial-kommunikative Teilkompetenzen nach Quellen

Tabelle 6: Teilkompetenzen der Aktivitäts- und Handlungskompetenz nach Quellen

Tabelle 7: Teilkompetenzen der Fach- und Methodenkompetenz nach Quellen

Tabelle 8: Ergebnis Erhebung - häufigste Antworten

1 Einleitung

Die Arbeitswelt durchlebt einen tiefgreifenden Wandel, der bedingt durch wirtschaftliche, technologische und gesellschaftliche Veränderungen neue Herausforderungen mit sich bringt. Die demografische Entwicklung, die in mehrfacher Hinsicht Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft hat, nimmt aktuell im Jahr 2015 verstärkt Fahrt auf. So gibt es eine spürbare Verringerung der Altersgruppe im erwerbsfähigen Alter der 20- bis 64-Jährigen (vgl. Schäffer 2013, S. 17). Mit der Alterung der Erwerbspersonen wird der Anteil der über 50-Jährigen in den Unternehmen deutlich anwachsen (vgl. Bullinger & Buck 2007, S. 61).

Gleichzeitig wird der Bedarf an Fachkräften[1] eher steigen als sinken und die Versorgung der Betriebe mit ausreichend qualifiziertem Personal mittel bis langfristig problematischer werden (vgl. Heidemann 2012, S. 3f.). Auch wenn in Deutschland bisher „kein flächendeckender Fachkräftemangel [besteht]“ (BMAS 2011, S. 29; Bundesagentur für Arbeit 2014, S. 3), so bleibt der Umgang mit diesem Thema bedeutsam. In einer 2014 vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag veröffentlichten Befragung von mehr als 20.000 Unternehmen sahen rund 37 Prozent den Fachkräftemangel als ein Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung an (vgl. DIHK 2014, S. 8).

Nicht nur der Rekrutierung von Fachkräften und Spezialisten, sondern auch der Bindung von unverzichtbaren Mitarbeitern an das Unternehmen wird in der heutigen Zeit eine entscheidende Bedeutsamkeit zugesprochen, um diesem zukünftigen Trend begegnen zu können. Ohne Fachexperten kommt kein Unternehmen mehr aus, denn nicht alleine das Management trägt zur Wertschöpfung bei, sondern besonders das Wissen und Können der Experten. Vor allem für die Innovation von neuen Produkten und Dienstleistungen werden exzellente Fachleute benötigt. Sie haben maßgeblich Einfluss auf den Unternehmenserfolg, verlangen aber als erfolgsrelevante Mitarbeitergruppe auch immer häufiger nach beruflicher Entwicklung und Förderung. Eine Abwanderung dieser Mitarbeiter, weil sie keine Perspektive zur Weiterentwicklung im Unternehmen sehen, kann zum schwerwiegenden Verlust an Know-how führen. (vgl. Bohinc 2008, S. 17)

Organisatorisch haben jedoch die meisten Unternehmen durch Umstrukturierung und Optimierung ihrer Geschäftsprozesse eine Vielzahl von Führungspositionen verloren. Durch flache Hierarchien verschlechtern sich die Chancen für Mitarbeiter auf eine traditionelle Linienkarriere, die als umfassendes Anreiz- und Motivationssystem, sowohl in materieller als auch in immaterieller Hinsicht, dient (vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 15; Friedli 2008, S. 249; Frieling et al. 2000, S. 166). Auf Seiten der Mitarbeiter lässt sich hingegen wahrnehmen, dass sich, verstärkt bei der jüngeren Generation, die Einstellung zu Job und Karriere verändert. Der Wert von Freizeit und Familie wird gegenüber einem karrierebedingten Zuwachs von Macht und Ansehen höher eingeschätzt (vgl. Friedli 2008, S. 249; Rosenstiel 1997, S. 13ff.). Bei Führungskräften und jungen Talenten wächst der Unmut über klassische Karrieremodelle, deren Fokus auf den hierarchischen Aufstieg gerichtet ist. Nach einer Befragung des Führungskräfteinstituts (FKI) und des manager magazins[2] ist ein derartiger Aufstieg nicht mehr das zentrale Karriereziel für viele Führungskräfte oder solche, die es werden sollen. So konzentrieren sich 83 Prozent stattdessen stärker auf ihre fachliche Verantwortung (vgl. Deutscher Führungskräfteverband 2012, S. 2).

Der Personalwirtschaft kommt stärker denn je die zentrale Aufgabe zu, neben der traditionellen Führungskarriere auch zusätzliche Laufbahn- bzw. Karrieremodelle zu entwickeln, um die Verfügbarkeit und die Wirksamkeit von Personal sicherzustellen (vgl. Knörzer 2011). Eine Methode, um im Wettbewerb um die potenziellen Fachkräfte zu bestehen, ist die Einrichtung einer Fachlaufbahn[3]. Dadurch können die Kompetenzen von unverzichtbaren Mitarbeitern optimal aufgebaut und genutzt sowie die Mitarbeiter an das Unternehmen gebunden werden. Die Fachlaufbahn kann als Alternative zur Führungslaufbahn angesehen werden, mit der verhindert werden kann, „dass hoch qualifizierte, erfahrene Mitarbeiter frustriert das Unternehmen verlassen, weil sie keine Chancen auf einen Aufstieg in der Führungs-/ Managementlaufbahn sehen, und auf diese Weise dem Unternehmen wertvolles Wissen verloren geht“ (Domsch & Ladwig 2011, S. 18).

1.1 Zielsetzung und Fragestellung

Charakteristisch für Positionen in einer Fachlaufbahn sind hohe Anteile an reinen Fach- und nur im geringen Umfang an Personalführungs- und Verwaltungsaufgaben (vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 19; Friedli 2008, S. 252). Doch was heißt das für das Anforderungsprofil solcher Fachexperten? Generell wurde in Unternehmen schon immer versucht, Anforderungen beruflicher Art zu bestimmen und Menschen auszuwählen oder auszubilden, die diesen Anforderungen gerecht werden können. In Zeiten sich beschleunigenden technologischen, politischen und ökonomischen Wandels sind solche Anforderungen, im Gegensatz zu früher, einer beständigen Veränderung unterzogen. Immer häufiger werden Arbeitnehmer vor Situationen komplexer und unerwarteter Art gestellt, die sie selbstorganisiert bewältigen müssen. Um aber die Mitarbeiter für die Anforderungen von Morgen auszuwählen, treten neben den herkömmlichen zu bestimmenden und zu entwickelnden Qualifikationen die Kompetenzen einer Person (vgl. Rosenstiel 2007, S. 51). Es existiert jedoch keine allgemein anerkannte Definition von Kompetenz (vgl. Haase 2011, S. 51). Ein Teilziel dieser Arbeit ist daher, ein interdisziplinäres Kompetenzverständnis zu erarbeiten, das derjenigen Aspekte des Kompetenzkonstrukt zusammenfasst, die für das heutige Verständnis als grundlegend angesehen werden können.

„Während man sich bei ausführenden Tätigkeiten oftmals auf die fachliche Kompetenz beschränkt, gewinnen bei leitenden Tätigkeiten zunehmend die methodischen und vor allem die sozialen Kompetenzen an Bedeutung“ (Gröne et al. 2004, S. 11). Welche Kompetenzen aber benötigt ein Mitarbeiter, der als Spezialist in seinem Fachgebiet gilt und der eine Fachlaufbahn einschlagen möchte? Die naheliegende Antwort ist sicherlich die, dass ein derartiger Mitarbeiter umfangreiches Fachwissen und Fachkompetenzen aufweisen sollte, doch das ist nur eine Seite der Medaille und oftmals zu kurz gedacht, wenn es um zukünftige Herausforderungen für die Unternehmen geht. So wie Manager und Führungskräfte nicht nur Management- oder Führungskompetenz benötigen, um erfolgreich zu sein, so bedarf es in einer Position als betrieblicher Experte ebenfalls einer ganzen Reihe von unterschiedlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen.

Die Notwendigkeit, Karrierealternativen für wichtige Spezialisten bereitzustellen und als Instrument der Mitarbeiterbindung im Unternehmen zu etablieren, wird in der einschlägigen Literatur ausführlich dargelegt und begründet (vgl. Domsch & Ladwig 2011; Knörzer 2011; Friedli 2008; Bohinc 2008). Im Gegensatz zur Führungslaufbahn bzw. zur Management-Karriere, zu der es eine Vielzahl von Analysen und Studien gibt, die versuchen zu erfassen, was eine erfolgreiche Führungskraft im Unternehmen auszeichnet, gibt es jedoch nur sehr wenige Untersuchungen, die sich mit den Anforderungen und den nötigen Kompetenzen eines Fachexperten auseinandersetzen[4]. Doch gerade die Festlegung der Anforderungen und Zugangsvoraussetzungen, die die Erwartungen an den Stelleninhaber beschreiben, sind erfolgskritische Faktoren bei der Etablierung einer Fachlaufbahn (vgl. Hedler & Miketta 2007, S. 122; Deuter et al. 2009, S. 57). Ausgehend von dieser Problemlage steht folgende Fragestellung im Fokus der vorliegenden Arbeit:

Welche Kompetenzen, unabhängig von der speziellen fachlichen Expertise, sind besonders relevant, um erfolgreich eine Fachlaufbahn einschlagen zu können?

Die vorliegende Arbeit soll dabei helfen, die oben beschriebene Lücke im Forschungsstand zu schließen, indem der Blick auf die Experten im Unternehmen als erfolgskritischer Faktor gerichtet wird. Ausgehend von einer qualitativen Inhaltsanalyse der zu diesem Themenkomplex existierenden Literatur wird ein kompetenzbasiertes Anforderungsprofil für die Fachlaufbahn erarbeitet, das Anforderungen und Kompetenz-Zuschreibungen sachlogisch gliedert und zusammenfasst. Das erarbeitete Kompetenzprofil dient als Grundlage für eine empirische Untersuchung in einem ausgewählten mittelständischen Unternehmen und soll den ersten Schritt der Übertragung der Theorie in die betriebswirtschaftliche Praxis darstellen. Die Untersuchung liefert dabei erste Anhaltspunkte für eine Validierung des zusammengetragenen Kompetenzprofils und bringt Hinweise auf die Praxistauglichkeit der Ergebnisse. Außerdem sollen so Anreize für die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Fachlaufbahnen speziell im befragten Unternehmen geschaffen werden. Dabei wird folgender zweiten Frage nachgegangen:

Inwiefern stimmen die in der wissenschaftlichen Literatur als relevant identifizierten Kompetenzen mit den Anforderungen an Fachexperten bei dem befragten mittelständischen Unternehmen überein?

1.2 Aufbau der Arbeit

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Fragestellung zielt diese Arbeit unter der Betrachtung theoretischer Zugänge auf die Entwicklung eines kompetenzbasierten Anforderungsprofils für Fachlaufbahnen ab. Der Aufbau stellt sich dabei wie nachfolgend beschrieben dar. Im Kapitel 2 findet eine theoretische und konzeptionelle Betrachtung der Fachlaufbahn statt. Die Laufbahnplanung als Teil der Karriereplanung wird von verwandten Konzepten wie Nachfolgeplanung und Talent-Management abgegrenzt, um dann den Fokus auf die Fachlaufbahn zu richten, die in ihrem wesentlichen konzeptionellen Aufbau und ihrer Zielsetzung erläutert wird. Dem zu erarbeitenden Anforderungsprofil liegt ein kompetenzorientierter Ansatz zugrunde (vgl. Sarges 2001, S. 285ff.). Daher wird die Kompetenzthematik in Kapitel 3 aufgegriffen und aus den drei grundlegenden Perspektiven psychologischer, pädagogischer und personalwirtschaftlicher Zugänge betrachtet. Ausgehend von diesen drei Ebenen werden die wichtigsten Aspekte des heutigen Kompetenzverständnisses zusammengetragen. Das Kapitel 4 stellt den Kern dieser Arbeit dar, in dem zum einen die qualitative Inhaltsanalyse beschrieben wird und zum anderen die daraus resultierenden Ergebnisse in ein kompetenzbasiertes Anforderungsprofil aufgenommen werden. Als einen ersten Schritt der Validierung dient die Fragebogenuntersuchung bei einem mittelständischen Unternehmen, die im 5. Kapitel ausführlich dargelegt wird. Neben dem Design und der Ergebnisdarstellung werden aber auch die Grenzen der Untersuchung bezüglich ihrer allgemeinen Aussagekraft erörtert. Schlussendlich werden alle Ergebnisse dieser Ausarbeitung in Kapitel 6 zusammengefasst und kritisch reflektiert.

2 Theoretische und konzeptionelle Betrachtung der Fachlaufbahn

Die Ausgestaltung von beruflichen Karrieren stellt ein Themengebiet dar, welches für Individuen und Organisationen gleichsam von großer Relevanz ist. Personen versuchen sich selbst als Berufstätige zu positionieren, mit dem Ziel, aus der täglichen Arbeit Zufriedenheit und Sinnhaftigkeit zu schöpfen, für den Lebensunterhalt nötige finanzielle Mittel zu verdienen und eine berufliche Identität auszugestalten (vgl. Schreiber & Rietiker 2010, S. 296). Organisationen hingegen sind auf die Unternehmensstrategie und ihre Ziele ausgerichtet. Für die Erfüllung dieser Ziele suchen sie Individuen mit hinreichenden Kompetenzen, welche die Anforderungen an bestimmte Positionen erfüllen. Je nach Betrachtungsperspektive lassen sich nun in der wissenschaftlichen Literatur individuelle Karrieretheorien, die Karrieren als eine Abfolge von Übergängen im Kontext der beruflichen Entwicklung und der Ausgestaltung einer beruflichen Identität sehen[5] (ebd., S. 296f.) sowie Laufbahn- und Karrieremodelle auf der organisationalen Ebene unterscheiden.

Allgemein wird also zwischen individuellen oder kollektiven Karrieren differenziert. Die individuelle Karriere charakterisiert einen subjektiv erlebten und/oder einen objektiv erreichten relativen Statusgewinn eines einzelnen Menschen im sozialen Gefüge einer Organisation oder organisatorischer Teileinheiten. Als kollektive Karriere wird der Aufstieg einer Gruppe im Gefüge der Wertschätzung einer Organisation bezeichnet. Kollektive Karrieren sind Folge der Bedeutungszunahme, bspw. von Führungskräften oder Expertengruppen. (vgl. Becker 2013, S. 611f.)

Entsprechend der Fragestellung steht die betriebliche kollektive Karriere- bzw. Laufbahnplanung im Fokus dieser Arbeit. Unter ihr wird „die gedankliche Vorwegnahme möglicher, zukünftig im Betrieb zu besetzender Stellen und der mit ihnen verknüpften Qualifikationen […] “ (Becker 2002, S. 205) verstanden.

In den traditionellen unternehmensinternen Karriereplanungssystemen wird häufig kein Unterschied zwischen leitender Fach- oder Führungskraft gemacht. Oftmals kann damit das Problem einhergehen, dass ein fachlich höchst kompetenter Mitarbeiter, bspw. ein Ingenieur, aufgrund seiner Fachkompetenz eine Führungsposition erhält, für die er nur geringe andere Fähigkeiten aufweist. Seine fachliche Expertise hat in der neuen Rolle als Führungskraft weniger Bedeutung, da die neue Position eher steuernde und organisatorische Aufgaben beinhaltet. So kann eine gute und förderungswürdige Fachkraft dem Unternehmen verloren gehen, während eine schwache Führungskraft geschaffen wird. (vgl. Heller 2011, S. 214; North & Reinhardt 2005, S. 84ff.) Lässt man den Schaden, der durch eine solche Fehlbesetzung entstehen kann, außer Acht, bleibt ein nicht weniger problematischer Umstand, dass zumindest die fachlichen Potentiale des Mitarbeiters ungenutzt bleiben. Als Ausweg eines derartigen Szenarios wird in der wissenschaftlichen Literatur und in der betrieblichen Praxis der Aufbau einer Fachlaufbahn oder Fachkarriere vorgeschlagen (vgl. Domsch & Ladwig 2011, S.15ff.).

In den folgenden Abschnitten werden die theoretischen Grundlagen zur Fachlaufbahn erläutert. Zuerst wird hierfür in Abschnitt 2.1 auf den Karrierebegriff und den engen Bedeutungszusammenhang von Karriere-, Laufbahn- und Nachfolgeplanung sowie dem Talentmanagement eingegangen. Des Weiteren werden verschiedene Karrieremodelle beschrieben, um im folgenden Abschnitt 2.2 die konzeptionellen Aspekte der Fachlaufbahn darzustellen. In Abschnitt 2.3 werden die Zielsetzungen in Verbindung mit der Etablierung einer Fachlaufbahn erläutert. Schlussendlich wird durch den Abschnitt 2.4 der Begriff Fachexperte definiert und abgegrenzt, um ein theoretisches und vor allem einheitliches Verständnis dieses Begriffs als Basis für die qualitative Inhaltsanalyse zu schaffen.

2.1 Einordnung der Fachlaufbahn als Karriere- bzw. Laufbahnmodell

Der Begriff Karriere hat sich im Laufe der Zeit gewandelt und wird in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedlich hergeleitet[6]. Zum einen wird Karriere auf das lateinische (via) carraria zurückgeführt, was so viel heißt wie Fahrweg zu etwas und im übertragenen Sinn Lebensweg bedeutet (vgl. Reinhardt 2012, S. 45). Zum anderen wird der Begriff vom französischen Ausdruck Carrière abgeleitet und bedeutet die Laufbahn einer Person, die Rennbahn in einer Reitschule oder der schärfste Galopp eines Pferdes (vgl. Stengel 1997, S. 65; Becker 2013, S. 608f.). Ab den 1970er-Jahren wurde Karriere als Abfolge der verschiedenen Stationen eines sozialen oder beruflichen Aufstiegs und im allgemeinen Sprachgebrauch fast immer als rasche Folge von Aufwärtsbewegungen in einer Organisationhierarchie verstanden (vgl. Becker 2013, S. 609). Moderne Bestimmungen des Begriffs beinhalten jede Form der beruflichen Bewegungsrichtung und umfassen sowohl den beruflichen Aufstieg, Seitenschritte und Veränderungen in der Funktion als auch Abwärtsbewegungen (vgl. Sieber Bethke 2013a, S. 6).

„Karriere soll als subjektiv empfundene und objektiv bestätigte Zunahme der Bedeutung einer Person oder Gruppe in einem sozialen Gefüge verstanden werden. Die Zunahme der Bedeutung ist mit der Übertragung von Pflichten und der Gewährung von Rechten sowie mit der Ausübung einer bestimmten Funktion verbunden. Ausdruck des Karrierestatus kann die individuelle bzw. die Entlohnung der jeweiligen Statusgruppe sein.“ (Weitbrecht 1992, Sp.1114 [zit.n.]: Becker 2013, S. 609)

Generell zeigt sich innerhalb sozialer Gruppen, dass bei den Individuen in kleinem oder großem Ausmaß eine Tendenz existiert, sich in der Gruppe nach oben zu begeben (vgl. Rosenstiel 1997, S. 13). Diese Bewegung nach oben, in Organisationen als Karriereweg verstanden, ist vom Bildungsstand und dem persönlichen Streben der Karriereaspiranten sowie vom Bedarf an Funktionen der Organisation abhängig[7].

Karriereplanung

Das Karrieremanagement ist Teil des strategischen Human Resource Management (siehe hierzu Abschnitt 3.1.3), das sich mit aktuellen und potentiellen Mitarbeitern als wichtige Ressource des Unternehmens beschäftigt (vgl. Stengle 2013a, S. 41). Während die Unternehmensführung mit der strategischen Planung den Bedarf an Funktionen und Positionen festlegt, sucht die Personalwirtschaft oder im engerem Sinne die Personalentwicklung geeignete Kandidaten und qualifiziert diese für die Übernahme der Funktionen und Positionen (vgl. Knörzer 2011, S. 44f.; Becker 2013, S. 610f.). Entschieden wird, welche Personen welche Aufgaben und welches Ausmaß an Verantwortung in der organisationalen Hierarchie erhalten sollen (vgl. Lang-von Wins 1997, S. 101).

Die Unternehmen versuchen in diesem Kontext insbesondere talentierte und leistungsstarke Mitarbeiter zu akquirieren und zu binden. Dies wird durch Nachfolge- und Nachwuchskräfteentwicklungsprogramme angestrebt, die oft recht unterschiedlich als Laufbahnplanung, Karriereplanung, Nachfolgeplanung oder auch als Talentmanagement bezeichnet werden. In der Praxis werden diese Bezeichnungen nicht trennscharf benutzt und auch in der wissenschaftlichen Diskussion fließen ihre Bedeutungen stark ineinander. Schwierigkeiten bereitet besonders die klare begriffliche Abgrenzung von Karriere- und Laufbahnplanung. Mit der Karriereplanung wird ein Teil einer langfristigen Personalplanung beschrieben, um den zukünftigen Bedarf vor allem an Fach- und Führungskräften sicherzustellen. (vgl. Rohrschneider 2011, S. 77)

Die Karriereplanung wird durch eine Laufbahnplanung und eine Nachfolgeplanung ergänzt (siehe Abbildung 1). Die Laufbahnplanung kann also als Teil der Karriereplanung verstanden werden und legt fest, welche Positionen ein Mitarbeiter im Laufe seiner beruflichen Entwicklung noch einnehmen kann und wie er dafür qualifiziert wird (ebd., S. 77f.). Die systematische Nachfolgeplanung soll die rechtzeitige und anforderungsgerechte Wiederbesetzung freiwerdender Stellen gewährleisten (vgl. Becker 2013, S. 610f.). Wobei unter Nachfolge der Austausch eines Mitarbeiters durch einen anderen in einer bestimmten Funktion oder Position zu verstehen ist (ebd.).

Das Talentmanagement hingegen wird weit gefasster verstanden als die eben erläuterten Begriffe (vgl. Rohrschneider 2011, S. 78). Karriereplanung und damit auch die Laufbahn- und Nachfolgeplanung können Teil des Talentmanagements sein, unter dem im weitesten Sinne alles verstanden werden kann, was die Identifikation, die Entwicklung, das Engagement, die Erhaltung und den Personaleinsatz eines Talentes innerhalb eines spezifischen Organisationskontexts beinhaltet (vgl. Ritz & Sinelli 2011, S. 9).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Übersicht Karriereplanung und Talentmanagement

(vgl. Rohrschneider 2011, S. 77f.; Becker 2013, S. 610)

Ziele einer systematischen betrieblichen Karriereplanung sind:

- die Sicherung des notwendigen Bestandes an Fach- und Führungskräften,
- die Verminderung von Abgängen aufgrund fehlender Aufstiegsoptionen,
- die Vorbereitung von Mitarbeitern auf andere (höherwertige) Tätigkeiten,
- das Erreichen von Unternehmenszielen durch leistungsstarke Mitarbeiter,

Aus Mitarbeitersicht eröffnet die Karriereplanung:

- Aufstiegs- und Umstiegschancen in attraktive Positionen,
- die Übernahme von Fach-, Führungs- und Projektverantwortung,
- eine Verbesserung von Gehalt, Geltung, Status und Ansehen sowie mehr Handlungsspielraum, Einfluss und Macht,
- Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentfaltung durch Übernahme anspruchsvoller Aufgaben.

(vgl. Becker 2013, S. 611; Rosenstiel 1997, S. 22ff.)

In nahezu jedem Unternehmen bilden sich über längere Zeiträume hinweg Positionsfolgen, die die Mitarbeiter durchlaufen[8]. Diese können aber auch durch bewusste Gestaltungsentscheidungen entstehen und gefördert werden. Verfestigte Strukturen werden als Karrieremodelle[9] oder auch als Laufbahnmodelle bezeichnet und legen einen generalisierten Versetzungsmodus fest, wobei im Einzelfall grundsätzlich Abweichungen möglich sind. Laufbahnmodelle können sich voneinander durch ihre Tiefe (Anzahl der erreichbaren Positionen) und die mögliche Steighöhe (die höchste hierarchisch erreichbare Position) unterscheiden (vgl. Friedli 2008, S. 251).

Laufbahndifferenzierung

In der Praxis existieren Laufbahnen in einer Vielzahl von inhaltlichen und begrifflichen Variationen. Die Fachliteratur hingegen unterscheidet hauptsächlich zwischen trialen (Führungs-, Projekt- und Fachlaufbahnen) und dualen Modellen (Führungs- und Fachlaufbahnen). (vgl. Becker 2013, S. 613ff.; Friedli 2008, S. 251ff.; Knörzer 2011, S. 49ff.; Domsch & Ladwig 2011, S. 17ff.).

Führungslaufbahn

Die Führungslaufbahn wird oft auch als traditionelle Linienlaufbahn verstanden, bei der eine Versetzung vertikal nach oben innerhalb der Hierarchie der Organisation erfolgt (vgl. Friedli 2008, S. 251f.). Die Hierarchie dient dabei als Strukturprinzip und ermöglicht eine Aussage über systematische Beziehungen der Über- und Unterordnung bzw. eine Unterscheidung nach Rang, Status, Autorität, Befehlsgewalt und Entscheidungsbefugnissen (ebd.). Ein Aufstieg geht in einer Führungslaufbahn mit zunehmender Personal- und Führungsverantwortung einher (vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 17). Unterschiedliche Laufbahnen befriedigen unterschiedliche Entwicklungsbedürfnisse der Mitarbeiter. Den Karriereaspiranten in der Führungslaufbahn wird die Möglichkeit gegeben, ihr Machtmotiv sowie etwaige soziale Motive durch die Übernahme von Verantwortungs- und Entscheidungsspielräumen zu befriedigen (vgl. Becker 2013, S. 614).

Projektlaufbahn

Verstärkt weisen heutige Unternehmensbereiche projektorientierte Organisationsgefüge auf. Das Arbeiten findet neben den traditionellen Hierarchien stark projektbezogen und teamorientiert sowie interdisziplinär, zwischen mehreren Abteilungen, statt (vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 22ff.). In Ergänzung zu der Führungslaufbahn ergibt sich durch die vermehrte Arbeit in Projekten eine eher horizontal orientierte, zweite Laufbahnstruktur. Ein Mitarbeiter als Teil einer Projektgruppe übernimmt befristet die Verantwortung für die Zielerreichung von einmaligen, vielfach komplexen, umfangreichen und neuen Aufgabenstellungen (vgl. Füchtner 1998, S. 607). Die Projektlaufbahn stellt dabei mehr als nur den üblichen Einsatz der Mitarbeiter in Projekten dar, sondern kennzeichnet eine systematische Einbindung der Projektarbeit in das Personalentwicklungskonzept (vgl. Friedli 2008, S. 253). Der zeitlich begrenzte Einsatz zum Beispiel als Projektleiter kann von der Personalentwicklung oder vom Management als Möglichkeit der Potentialerkennung im Sinne eines realen Assessment-Centers genutzt werden (vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 24).

Für die eingesetzten Mitarbeiter eröffnen sich mit der Übernahme von zunehmend bedeutenden Projekten neue Karrierepfade, die auch einen Wechsel bspw. in die Führungslaufbahn ermöglichen können. In der Regel findet jedoch keine Positionsbestimmung im Organisationsplan der Unternehmung statt, was dem Wunsch der Mitarbeiter nach Anerkennung nicht gerecht wird (vgl. Friedli 2008, S. 253). Trotzdem bietet diese Laufbahn die Möglichkeit, Leistungsmotive in einem zeitlich begrenzten Umfang sowie im Falle der Übernahme der Projektleitung Machtmotive wie in der Führungslaufbahn zu befriedigen (vgl. Becker 2013, S. 614). Ein Vorteil der Projektlaufbahn ist die Möglichkeit der Zertifizierung und der daraus resultierenden Professionalisierung des Projektmanagements in der Organisation (vgl. Lang & Rattay 2005, S. 137f.).

Fachlaufbahn

Fachlaufbahnen werden auch als Spezialisten- oder Expertenlaufbahnen oder manchmal auch als Parallellaufbahnen bezeichnet (vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 19). Die Fachlaufbahn ist bestimmt durch die Zunahme spezieller Verantwortung für fachliche Aufgaben sowie objektbezogener Entscheidungen und Handlungen. Der Umfang an Personalführung und die damit zusammenhängenden Verwaltungsaufgaben sind im Gegensatz zur Führungslaufbahn aber entscheidend geringer (vgl. Sieber Bethke 2013a, S. 6; Becker 2013, S. 613). Fachlaufbahnen schaffen ein attraktives Positionsgefüge für hochqualifizierte Experten, wobei der Aufstieg in diesem System primär auf nachgewiesener fachlicher Kompetenz und nicht auf Führungs- oder Managementkompetenz beruht (vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 19). Besonders das Leistungsmotiv der Mitarbeiter soll durch inhaltlich anspruchsvolle Aufgaben befriedigt werden (vgl. Becker 2013, S. 614).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Alternative Laufbahnstrukturen im Vergleich (vgl. Becker 2013, S. 618)

2.2 Konzeption der Fachlaufbahn

Wie in Abschnitt 2.1 erläutert, stellt die Fachlaufbahn einen alternativen Karriereweg mit einem hierarchischen Positionsgefüge für hoch qualifizierte Fachexperten in besonderer Abgrenzung zur Führungslaufbahn dar. Fachlich geprägte Karrieren von Experten hat es in Organisationen aber schon immer gegeben, jedoch in der Regel auf rudimentärem Formalisierungs- und Institutionalisierungsniveau (vgl. Becker 2013, S. 615).

Das Einbringen der Expertise ist jedoch in informellen Hierarchien vom Zufall oder vom guten Willen des Experten abhängig. Um Fachexpertise als Wettbewerbsfaktor nutzen zu können, müssen Fachlaufbahnen formell ausgestaltet und institutionell verankert werden. Die Formalisierung betrifft die Vereinheitlichung der Strukturen, der Informationen, der Prozesse, der Ergebnisse und der Anforderungen und Qualifikationen. Mit der Institutionalisierung entstehen Rollenmuster, Statushierarchien, Rechte und Pflichte der Fachexperten. Ziel der Personalarbeit ist es daher, implizite Laufbahnen offen zu legen und durch bewusste Karriereplanung neue Laufbahnalternativen zu entwickeln, die als effizientes Personalentwicklungs- und Motivationsinstrument dienen. (vgl. Becker 2013, S. 615ff.)

Im Folgenden werden, ausgehend von dem Formalisierungs- und Institutionalisierungsgedanken, wichtige konzeptionelle Aspekte der Fachlaufbahn erläutert. Allgemein lassen sich zwei unterschiedliche Herangehensweisen zur konzeptionellen Ausgestaltung von Fachlaufbahnmodellen aufzeigen: der organisatorische und der personenbezogene Ansatz. Der Ausgangspunkt des organisatorischen Ansatzes ist die Frage nach der organisatorisch notwendigen Funktion oder Stelle. Dabei wird geprüft, ob neue Funktionen etabliert werden müssen und wenn ja, welcher Zuschnitt an Aufgaben und Zuständigkeiten dafür erforderlich ist. Beim personenbezogenen Ansatz stellt der Mitarbeiter den Ausgangspunkt der Überlegungen dar. Ein Mitarbeiter mit außerordentlich wichtigem Know-how wird organisationsintern zum Experten für ein bestimmtes Fachgebiet erklärt. (vgl. Sieber Bethke 2013a, S. 6f.)

Kontingentierung

Darüber hinaus ist eine erste Grundsatzentscheidung bei der Konzeption einer Fachlaufbahn die Art der Kontingentierung: „Geht es um die gezielte Entwicklung Einzelner, die Förderung vieler Spezialisten oder um eine Perspektive für alle Mitarbeiter?“ (Hedler & Miketta 2007, S. 122). Allgemein bewegen sich die Fachlaufbahnmodelle zwischen dem Pol äußerst strenger Kontingentierung der Fachpositionen, sodass nur solche bewilligt werden, die einen eindeutigen strategischen Wertbeitrag liefern (vgl. Deuter et al. 2009, S. 58) und dem Pol einer inflationären Vergabe von Positionen und Titeln für alle Mitarbeiter mit fachlichen Aufgabengebiet in der Organisation[10].

Fachlaufbahnen lassen sich entsprechend ihres Stellenvolumens bzw. nach der Anzahl der Mitarbeiter in den Laufbahnen unterscheiden. Als Bezugspunkt für die Bemessung des jeweiligen Volumentyps dient die Anzahl der Führungskräfte einer Organisation, mit der die Mitarbeiter in einer Fachlaufbahn ins Verhältnis gesetzt werden (vgl. Sieber Bethke 2013a, S. 7). So lassen sich grundlegend vier Volumentypen voneinander abgrenzen. In Tabelle 1 werden die vier Typen erläutert und mit ihren Vor- und Nachteilen aufgeführt.

Tabelle 1: Volumentypen der Fachlaufbahn (vgl. Sieber Bethke 2013a, S. 7ff.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unternehmensbereich, Funktionsgruppen und Stellenbewertung

Fachlaufbahnen sind grundsätzlich auf alle Unternehmensbereiche übertragbar, in denen in großem Umfang Spezialisten tätig sind[11]. In der Fachliteratur werden die folgenden Bereiche aufgeführt:

- Forschung und Entwicklung,
- IT-Bereich und Software-Entwicklung,
- Personal- und Bildungsbereiche (HR-Bereich),
- Fertigung (Produktion) und Instandhaltung,
- Marketing und Vertrieb,
- Planungs- und Strategiebereich,
- sowie die Steuer- und Rechtsabteilung

- vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 19; Bohinc 2008, S. 30ff.; Sieber Bethke 2013b, S. 16).

Systematisch sinnvoller ist es aber, die Einführung der Laufbahn nicht auf bestimmte organisatorische Einheiten zu beschränken, sondern eine strukturierte Bewertung aller Stellen durchzuführen, um Positionen ausfindig zu machen, die Teil der Fachlaufbahn werden können, auch wenn dies mit dem höheren Aufwand einer Stellenanalyse verbunden ist (vgl. Sieber Bethke 2013b, S. 19). „Entscheidend ist, dass stets die Stelle mit ihren Anforderungen bewertet wird und nicht die Person mit ihren Fähigkeiten. Diese Versuchung ist gerade bei Fachfunktionen besonders groß“ (Schlichting 2011, S. 80).

Die Bildung von Job- bzw. Funktionsgruppen kann an dieser Stelle zur Reduzierung der Komplexität beitragen (vgl. Biehal & Scheinecker 2006, S. 10). Sind jobgruppen-spezifische Anforderungen definiert, können darauf aufbauend Entwicklungsmöglichkeiten oder Stufen innerhalb der Fachlaufbahn gestaltet werden (vgl. Francke & Chmielarski 2010, S. 808).

Laufbahnstufen und Titel

Die einzelnen Entwicklungs- bzw. Rangstufen einer Fachlaufbahn stellen einen bedeutenden Teil der Gesamtkonzeption dar. Zu definieren sind einzelne Stufen, die sachlich begründet und klar unterscheidbar sein sollten (vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 19). „Es muss damit auch Transparenz hergestellt werden, welche Karrierestufe der Fachkarriere welcher Stufe der Führungskarriere entspricht“ (Biehal & Scheinecker 2006, S. 12). Wie die Gesamtstruktur und ihre Relation zur Führungslaufbahn ausgestaltet sein sollen, lässt sich aus der Fachliteratur trotz jahrelanger Kontroverse nicht unternehmensübergreifend beantworten[12] (vgl. Stengle 2013b, S. 26).

Domsch und Ladwig sehen eine wesentliche Unterscheidungsmöglichkeit zwischen absoluten Fachlaufbahn-Hierarchien, bei der für jede Stufe in der Führungslaufbahn eine entsprechende Stufe in der Fachlaufbahn geschaffen wird (die Positionen sind eins zu eins zuordenbar), und relative Fachlaufbahn-Hierarchien, bei der eine Stufe in der Fachlaufbahn gleich mehreren Stufen in der Führungslaufbahn entspricht (vgl. 2011, S. 20).

Tabelle 2: Beispiele für ein fünfstufiges Laufbahnmodell

(vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 20; Biehal & Scheinecker 2006, S. 12)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Je nach Zielsetzungen des Unternehmens fangen Fachlaufbahnen bereits unterhalb der Positionen der Führungslaufbahn an (vgl. Stockhausen & Deuter 2011, S. 34). Denkbar wäre dies bei einer angestrebten Massen- oder Breitenförderung von Fachkräften, beispielhaft in der Tabelle 2 aufgeführt. Die Übereinstimmung mit den Stufen der Führungslaufbahn reicht maximal bis zur obersten Führungsstufe. Dies ist aber nur in extrem wissensbasierten Branchen möglich (vgl. Deuter et al. 2009, S. 54).

Nach den Laufbahnstufen sollten Titel definiert werden. Alternativ zu den abgebildeten Titeln in Tabelle 2 wird eine Vielzahl von unterschiedlichen Bezeichnungen in der Praxis verwendet. Es zeigt sich aber beim Vergleich verschiedener Praxisbeispiele, dass in den meisten Unternehmen der Ausdruck Experte im Zusammenhang mit der Stufe bzw. dem Titel genannt wird[13].

Anforderungen der Stufen und kompetenzbasierte Zugangsvoraussetzungen

Die Positionen der jeweiligen Stufen müssen in der Praxis näher erläutert werden. Dazu ist es nötig, sowohl Aspekte in Bezug auf Individuen als auch auf Organisationsstrukturen in die Beschreibung einfließen zu lassen (vgl. Francke & Chmielarski 2010, S. 810). Einen Bezugsrahmen oder einen Bewertungshintergrund für die Positionen können die Größen strategische, organisatorische, fachliche und ergebnisrelevante Bedeutung bilden (vgl. Biehal & Scheinecker 2006, S. 13). Differenzierungsmerkmale ergeben sich auch aus der zu übernehmenden Verantwortung, den benötigten Kompetenzen und der bestehenden Aufgabenkomplexität (vgl. Wohlfart et al. 2011, S. 18). Die Festlegung der auf jeder Stufe erforderlichen Kompetenzen (siehe Abschnitt 3.2) und Qualifikationen (siehe Abschnitt 3.1.2) bzw. deren Ausprägungen sind überaus bedeutsam. Dafür ist der Rückgriff auf bereits vorhandene Anforderungs- bzw. Kompetenzprofile möglich. Sie beschreiben die Eigenschaften, Verhaltensparameter, Qualifikationen und Erfahrungen, die ein Mitarbeiter mitbringen oder entwickeln muss, um eine bestimmte Stelle erfolgreich ausfüllen zu können (vgl. Biehal & Scheinecker 2006, S. 11).

In der Literatur wird die Ankoppelung an die bestehenden unternehmensinternen Kompetenzmodelle, die Kompetenzen definieren und im günstigsten Fall konkrete Verhaltensanker anführen, also eine Operationalisierung mit erwünschten Verhaltensbeispielen beinhalten, vorgeschlagen (vgl. Stengle 2013b, S. 27ff.; Biehal & Scheinecker 2006). Allgemeine Erhebungen zum Themenkomplex Kompetenzprofile für Fachexperten sind selten und haben nicht die nötige Beachtung in der Fachliteratur gefunden, um Einzug in die betriebliche Praxis zu halten. Die hohe Bedeutung der Anforderungen auch als Zugangsvoraussetzungen werden jedoch immer wieder unterstrichen (vgl. Hedler & Miketta 2007, S. 122; Deuter et al. 2009, S. 57). Ein Katalog der relevanten Kompetenzen von Fachexperten, wie er in dieser Ausarbeitung entsprechend der Fragestellung zusammengetragen werden soll, kann neben vorhandenen Kompetenz- und Anforderungsprofilen eine umfangreiche Strukturierungs- und Orientierungshilfe für die Konzeption einer Fachlaufbahn sein. Die Anpassung an unternehmensspezifische Besonderheiten kann darüber hinaus zielgerichtet mittels Rating der Kompetenzen durchgeführt werden. Im Besonderen ermöglichen die Rückschlüsse aus dem Vergleich von unternehmensinternen Anforderungen und dem allgemein formulierten kompetenzbasierten Anforderungsprofil den an der Etablierung der Fachlaufbahn beteiligten Akteuren eine Perspektiverweiterung, die weit über die Unternehmensgrenzen hinausgeht, um ein bestmögliches Konzept für eine Fachlaufbahn entwickeln zu können.

Auswahl und Ernennung

Eine weitere Herausforderung bei der Konzeption einer Fachlaufbahn ist die Auswahl zukünftiger Positionsinhaber bzw. die Zuordnung der vorhandenen Fachexperten anhand eines Soll-Ist-Kompetenzabgleichs. Im Unternehmen vorhandene Instrumente der Personalauswahl und -beurteilung müssen auf ihren Nutzen hin überprüft und ggf. an die neue Laufbahn angepasst werden. (vgl. Rohrschneider 2011, S. 96)

Die Potenzialerkennung wird grundsätzlich von den Führungskräften durchgeführt. Die Identifikation möglicher Kandidaten obliegt dementsprechend den direkten Vorgesetzten. Voraussetzungen und flankierende Maßnahmen sind dessen ungeachtet von der Personalentwicklung zu schaffen und zu kontrollieren. (vgl. Biehal & Scheinecker 2006, S. 11f.)

Dazu zählen:

- aussagekräftige Anforderungsprofile für eine Fachlaufbahn
- ein klares Bild über Möglichkeiten und prototypische Verläufe einer Fachlaufbahn, um möglichen Kandidaten eine klare Perspektive geben zu können
- eine klare Prozessstruktur für das Identifizierungs- bzw. Nominierungsverfahren
- unterstützende Instrumente für die Selbsteinschätzung interessierter Kandidaten
- Instrumente zur Verobjektivierung der Entscheidung durch neutrale Dritte (bspw. Assessment-Center)
- Foren und Gremien, in denen gemeinsam mit anderen Führungskräften die Vorschläge für Kandidaten gesichtet und besprochen werden können (vgl. ebd.)

Die Ernennung und das Aufsteigen in die nächst höhere Stufe müssen streng an der fachlichen Leistung orientiert sein. Ein Senioritätsmechanismus bei der Beförderung oder ein Missbrauch der Fachlaufbahn als Abstellgleis für erfolglose oder freigesetzte Manager mindern den Motivationsaspekt der Laufbahn und machen sie unattraktiv für Fachexperten. (vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 21)

Karrierewechsel und Durchlässigkeit

Ein wesentlicher Punkt ist die Durchlässigkeit zwischen den unterschiedlichen Laufbahnen. Die Möglichkeit, eine eingeschlagene Laufbahn wieder verlassen zu können, muss in der Konzeption berücksichtigt werden und durch klare Strukturen und Prozeduren geregelt werden (vgl. Rohrschneider 2011, S. 96). Besonders der horizontale Wechsel zwischen den Laufbahnen wird als wünschenswert angesehen, um bereichsübergreifende Erfahrungen zu sammeln und informelle Netzwerke zu schaffen (vgl. Wohlfart et al. 2011, S. 34).

Motivatoren

Eine Fachlaufbahn kann mit ganz unterschiedlichen Anreizen für den einzelnen Mitarbeiter ausgestattet sein. Grundlegend sind Bestimmungen zur Gehaltsbandbreite und zu sonstigen Statussymbolen für alle Rangstufen der Laufbahn zu treffen. Dabei gilt zu beachten, dass diese Bestimmungen in etwa gleichwertig mit den Stufen der Führungslaufbahn vorliegen, um den Anreiz der Fachlaufbahn allgemein nicht zu mindern und eine wirkliche Akzeptanz der Laufbahn als Karrierealternative für die Experten zu erreichen[14] (vgl. Domsch & Ladwig 2011, S. 20). Eine Fülle von unterschiedlichen Theorien beschäftigt sich mit der Motivation von Individuen. Bekannte Theorien, die Anwendung im Bereich der Arbeitsmotivation finden, sind beispielsweise Maslows Modell der Bedürfnishierarchie und darauf aufbauend Alderfers ERG-Theorie sowie McClellans Theorie der gelernten Bedürfnisse und Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie (vgl. Weinert 2004, S. 190ff.).

Ein weiterer Ansatz speziell auf die Karriereentscheidungen von Personen ausgerichtet ist die Theorie der Karriereanker nach Schein (1978, S. 124f.). Schein geht davon aus, dass Mitarbeiter ganz unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was ihnen in ihrer Karriere wichtig ist. Je nachdem, welcher Anker dem beruflichen Selbstbild zugrunde liegt, werden entsprechend berufliche Entwicklungslinien gewählt und bestimmte Tätigkeiten gesucht oder gemieden (vgl. Schein 1998). Beispielsweise ist Macht und Geltung für den einen Mitarbeiter besonders bedeutsam, während für einen anderen das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität im Vordergrund steht. Menschen, die in ihrer fachlichen Tätigkeit verankert sind, bevorzugen vermutlich eine stark fachlich ausgerichtete Laufbahn (vgl. Wohlfart et al. 2011, S. 34ff.). Anreize entstehen nach dieser Logik nicht nur aus klassischen Motivatoren wie Beförderung oder durch den Bezug eines höheren Gehalts, sondern können bei Fachexperten vielmehr durch die Erweiterung persönlicher Aufgabenbereiche, die Bereitstellung von zusätzlichen Ressourcen oder die Einbeziehung in wichtige Gremien ausgelöst werden (ebd.).

Alle angesprochenen Aspekte der Konzeption einer Fachlaufbahn stellen theoretische Ausgestaltungsmöglichkeiten dar. In der Praxis müssen konkrete Entscheidungen bezüglich der Konzeption mit der unternehmensspezifischen Zielsetzung und der Nutzenerwartung kompatibel sein und dahingehend überprüft werden (vgl. Sieber Bethke 2013b, S. 15).

2.3 Zielsetzung

Die Fachlaufbahn kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Personalentwicklung für die Mitarbeiter und das Unternehmen besser gestalten zu können. Generell bestehen die gleichen grundlegenden Ziele, die auch bei der gesamten betrieblichen Karriereplanung verfolgt werden (siehe Abschnitt 2.1). Als eine Art Kernanliegen der Fachlaufbahn gilt jedoch die Förderung, Erhaltung und Belohnung besonderer fachlicher Leistungen in wichtigen Wissensbereichen des Unternehmens (Domsch & Ladwig 2011, S. 19). Durch die Fachlaufbahn soll die Bindung wichtiger Humanressourcen an das Unternehmen und damit die Sicherung der fachlichen Kernkompetenz des Unternehmens erzielt werden[15] (vgl. Becker 2013, S. 613). Weitere Ziele, die mit der Fachlaufbahn erreicht werden können wurden von Biehal & Scheinecker zusammengetragen:

- Engpassmanagement: Von hoher strategischer Bedeutung ist die Identifikation von Schlüsselfunktionen im Unternehmen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ein Weggang eines Stelleninhabers einen Engpass an Know-how, Erfahrung oder Kapazität mit sich bringen würde und die Abläufe empfindlich stören könnte. Für solche Funktionen müssen Nachfolger identifiziert werden. Schlüsselfunktionen sind neben Führungsfunktionen auch Expertenfunktionen, die einen kritischen Engpass bilden, weil z.B. ein Nachfolger am Arbeitsmarkt nicht leicht zu bekommen sein wird.

- Flexibilisierung: Organisationen werden mit zunehmender Geschwindigkeit verändert und neu gestaltet. Je mehr Flexibilität der Mitarbeiter hat, z.B. zwischen Fach-, Führungs- und Projektleitungskarriere zu wechseln, desto flexibler wird das organisatorische System als Ganzes agieren können.

- Alternativen zu begrenzten Führungspositionen: Wie schon in der Einleitung beschrieben, ist die Anzahl realistisch erreichbarer Führungspositionen u.a. durch flache Hierarchien, schlanke Organisation, Erhöhung der Leitungsspanne, Restrukturierungsmaßnahmen und den späteren Eintritt in den Ruhestand tendenziell im Abnehmen. Die Fachlaufbahn stellt eine dringend benötigte Karrierealternative zu den immer weniger werdenden Führungspositionen dar.

- Arbeitszufriedenheit und Motivation: Jede zusätzliche Entwicklungsmöglichkeit in der eigenen Organisation schafft zusätzliche Motivation und ist damit ein Beitrag zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit. Dazu gehören neben den Karrieremöglichkeiten an sich aber auch die systematische Identifikation von individuellen Stärken und Entwicklungsfeldern, Entwicklungsvereinbarungen im Rahmen von Karrierewegen, allgemein die Laufbahnberatung und die Anerkennung sowie die hohe Image-Zuschreibung für die (fachlichen) Tätigkeiten. (vgl. Biehal & Scheinecker 2006, S. 5ff.)

2.4 Definition Fachexperte

Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, welche Kompetenzen besonders relevant für Fachexperten im Rahmen einer Fachlaufbahn sind, unabhängig von ihrer speziellen fachlichen Expertise. Der Blick richtet sich ausgehend von dieser Fragestellung also auf den betrieblichen Experten. Der Begriff Experte wird jedoch in der Literatur oft synonym mit Spezialist, Fachkraft oder Facharbeiter verwendet, sodass nicht ganz klar wird, wer bzw. welche Gruppe von Personen an einer Fachlaufbahn teilnimmt oder teilnehmen soll.

Als theoretische Grundlage wird im folgenden Abschnitt eine Annäherung an den Begriff Fachexperte vorgenommen, um einerseits die grundlegende Zielgruppe einer Fachlaufbahn abstecken zu können und andererseits, ein theoretisches Fundament für die weitere Bearbeitung der Fragestellung zu schaffen. Letzteres stellt eine notwendige Bedingung sowohl für die qualitative Inhaltsanalyse als auch für die empirische Untersuchung innerhalb dieser Arbeit dar. Ohne eine begriffliche Eingrenzung wäre sowohl die Auswahl geeigneter Literatur (siehe Abschnitt 4) als auch das Identifizieren von Praxisexperten für die Befragung im Unternehmen (siehe Abschnitt 5) kaum strukturiert durchführbar und aussagekräftig[16].

Die Bezeichnung Fachkraft wird mit dem Ausdruck Spezialist nahezu synonym im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet. Beide gelten als die Bezeichnung für eine Person, die innerhalb des Berufs oder des Fachgebiets über die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt (vgl. Duden 2015). Außerdem besteht eine sehr enge Begriffsbeziehung zum Ausdruck Facharbeiter, der Personen bezeichnet, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Lehrberuf und die damit einhergehenden Qualifikationsbündel verfügen (vgl. Voss-Dahm et al. 2011, S. 7). Der Aspekt der beruflichen Professionalisierung sowie die Frage nach den nötigen Qualifikationen[17] können also für das Verständnis von Fachexperten herangezogen werden, gleichzeitig reicht eine Betrachtung der Qualifikationen eines Facharbeiters nicht vollends aus, um einen Fachexperten innerhalb einer Fachlaufbahn wirklich treffend zu beschreiben.

Ein weiterer Anhaltspunkt zum Verständnis von Fachexperten kann aus der Expertise-Forschung gewonnen werden, die sich mit den Merkmalen von Personen beschäftigt, welche innerhalb eines bestimmten Gegenstandsbereichs exzellente Leistungen hervorbringen. Der Hauptfokus der Expertise-Forschung liegt dabei auf dem Vergleich von Experten und Novizen[18] (vgl. Bredl 2005, S. 13). Die heutige Expertise-Forschung vertritt die Auffassung, dass Leistungsvorteile von Experten nicht auf generellen Gedächtnis- oder Intelligenzvorteilen beruhen, sondern auf kognitive Fähigkeiten, komplexe Sinnstrukturen eines Sachbereichs zu erfassen (vgl. Bredl 2005, S. 9; Gobet 1996; Mack 1996).

Ausgehend vom Begriff Experte können drei Kriterien bestimmt werden, anhand derer Expertise allgemein festgemacht wird. Als erstes Kriterium dient die Effizienz. Demnach unterscheidet sich ein Experte von einem Novizen, indem er eine überdurchschnittliche Anzahl von Aufgaben mit unterdurchschnittlichem Aufwand bewältigt. Als zweites Kriterium wird das bereichsspezifische Wissen aufgeführt. Experten besitzen umfangreiche Formen von Wissen in Bezug auf Fakten, Regeln und Denkprozessen innerhalb eines Fachbereiches. Die dritte Bedingung für die Schaffung und den Erhalt von Expertise ist die Erfahrung, die durch jahrelange Übung[19], Aneignung und Anwendung von Wissen entsteht. (vgl. Bredl 2005, S.14; Krems 1994)

Bislang existiert jedoch keine allseits anerkannte Definition von Expertise oder eine einheitliche Abgrenzung einzelner Expertenstufen in der Forschungsliteratur (vgl. Bredl 2005, S. 16). Festhalten lässt sich aber, dass Experten dadurch gekennzeichnet sind, dass sie überdurchschnittliche Leistung vollbringen und eine Problemlösung auch bei neuartigen Aufgaben beherrschen (vgl. Schäfer 2006, S. 16f.).

Außerdem besitzt Wissen (siehe auch Abschnitt 3.1.1) eine große Bedeutung für Fachexperten. Wissensarbeit ist dadurch gekennzeichnet, dass das erforderliche Wissen im Leben nicht nur ein einziges Mal durch Erfahrung, Lehre, Fachausbildung oder Professionalisierung erworben und dann angewendet wird. Vielmehr erfordert Wissensarbeit, das relevante Wissen kontinuierlich zu revidieren und es permanent als verbesserungswürdig anzusehen. Fachexperten verfügen also nicht nur über einen hohen Kenntnisstand, sondern entwickeln ihr Wissen ständig weiter und teilen es außerdem mit anderen. (vgl. Willke 1998, S. 4ff.)

[...]


[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird innerhalb dieser Arbeit auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten grundsätzlich für beide Geschlechter.

[2] Befragt wurden die rund 1000 Mitglieder des Führungskräfteverbandes (ULA).

[3] Bereits bei 30 Prozent der DAX-Unternehmen bestehen alternative Laufbahnen zur Führungskarriere (vgl. Bohnic 2008, S. 8).

[4] Bereits im Jahr 2000 wurde dieser Umstand in der Forschungslandschaft von Frieling et al. beklagt (vgl. Frieling et al. 2000, S. 166).

[5] Wissenschaftstheoretische Zugänge, wie bspw. kognitionstheoretische Untersuchungen der Karriere, fokussieren die Akteurssicht, also das Individuum und seine Informationsverarbeitung, Weltbildkonstruktion, Wertungsverhalten und die Verarbeitung von Konsonanz und Dissonanz (vgl. Becker 2013, S. 620). Als ein weiteres Beispiel für die Auseinandersetzung mit Karriere aus einer individuellen Perspektive beschäftigt sich die Psychologie im Rahmen der Personalentwicklung mit der beruflichen Identität als ständige Interaktion zwischen beruflichem Selbstbild und der beruflichen Umwelt (vgl. Schreiber & Rietiker 2010, S. 296).

[6] In der Literatur werden Karriere und Laufbahn oftmals synonym verwendet, wobei eine Laufbahn im engeren Verständnis den beruflichen Werdegang im öffentlichen Dienst mittels einer starren, vorab definierten Abfolge von einzelnen Karrierepositionen beschreibt (vgl. Höckels 2000, S. 160).

[7] In einer Studie zum Karriereverständnis, an der 2000 Befragte im Alter von mindestens 14 Jahren teilnahmen, konnte festgestellt werden, dass Aufstiegschancen nach wie vor als Synonym für Karriere aufgefasst werden. Außerdem wird das Streben nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht als karrierefördernd angesehen. Frauen streben eher eine Balance zwischen Beruf und Privatleben an. Männer hingegen streben nach hohem Einkommen und nach Selbstverwirklichung. Nur jeder siebte Befragte war mit den gebotenen Aufstiegsmöglichkeiten zufrieden, nur jeder fünfte sagte, er könne sich in seiner Tätigkeit selbst verwirklichen. (vgl. Reinhardt 2012, S. 45; Becker 2013, S. 609f.)

[8] Bei größeren Unternehmen sind mehrere Karrierewege und damit auch mehrere Laufbahnmodelle durch die ausreichende Anzahl an homogenen Stellen parallel realisierbar, während bei kleineren Betrieben, die ein stark heterogenes Stellengefüge aufweisen, selten eindeutige Karrieremuster hervortreten, weil jede freiwerdende Position individuelle Nachfolgeüberlegungen auslöst (vgl. Friedli 2008, S. 251f.).

[9] Karrieremodelle sind in der wissenschaftlichen Literatur nicht unumstritten. Zum Teil wird erheblicher Zweifel an der Effizienz hierarchischer Strukturen und den damit verbundenen Karrieremodellen geäußert (vgl. Knörzer 2011, S. 8; Heintel & Krainz 2000, S. 9ff.).

[10] In einer Untersuchung von Deuter und Stockhausen aus dem Jahr 2009 zeigte sich, dass die teilnehmenden Unternehmen zwei grundsätzliche Auffassungen von Fachlaufbahnen vertraten. Zum einen gab es den Großteil der Unternehmen (75%), die Fachlaufbahnen als zusätzliche Wertigkeitsstufen oberhalb der etablierten Stellensysteme definierten – als eine Karrierealternative für nur wenige Top-Spezialisten, korrespondierend mit höchsten Managementebenen (On-Top-Modell). Zum anderen fassten 25% der befragten Unternehmen Fachlaufbahnen als durchgängige Strukturierungsmethode auf, die alle Wertigkeitsstufen von unterstützenden Tätigkeiten über Sachbearbeiteraufgaben bis hin zu komplexen Funktionen umfasst (Breitenmodell). Ausgenommen waren lediglich Mitarbeiter mit Führungsaufgaben. (vgl. Stockhausen & Deuter 2011, S.34f.; Deuter et al. 2009, S. 52ff.)

[11] Relevanz hat auch die Frage nach der Zielgruppe für die Fachlaufbahn. In einer Mitgliederbefragung der DGFP wurde nach den wichtigsten Zielgruppen gefragt. In diesem Zusammenhang verneinte ein Großteil der Unternehmen (85%, n=72) weitgehend die Ausrichtung der Fachlaufbahn an einer spezifischen Personengruppe. Weder Nachwuchskräfte noch ältere Arbeitnehmer werden nach diesen Ergebnissen in der Praxis bei der Ausgestaltung einer Fachlaufbahn speziell berücksichtigt (vgl. DGFP 2012, S.8f.).

[12] Deuter und Stockhausen haben in ihrer Studie ebenfalls nach der Anzahl der Stufen in Relation zur Führungslaufbahn gefragt. Bei der Hälfte der Unternehmen haben Fach- und Führungslaufbahn die gleiche Anzahl an Stufen. Bei 40 Prozent beginnt die Fachlaufbahn aber unterhalb der Führungslaufbahn. (vgl. Stockhausen & Deuter 2011, S. 34)

[13] Eine Übersicht von Praxisbeispielen befindet sich im Anhang 1.

[14] Eine Umfrage des Fraunhofer IAO im Jahr 2011, an der sich 101 Unternehmen mit verschiedenen Karrierepfaden beteiligten, kam zu dem Schluss, dass Mitarbeiter in Fach- oder Projektlaufbahnen durch einen Aufstieg hauptsächlich von interessanten Arbeitsinhalten profitieren, während die traditionelle Führungslaufbahn weiterhin in Bereichen wie finanzielle Vergütung und Zugang zu Gremien vorne liegt (vgl. Wohlfart et al. 2011).

[15] In der Studie von Stockhausen und Deuter wurde nach den Zielen der Unternehmen bei der Einführung der Fachlaufbahn gefragt. Die höchste Priorität wurde den zwei Zielen Entwicklungsoptionen für Mitarbeiter schaffen und Mitarbeiterbindung erzeugen eingeräumt. Die Unternehmen gaben an, diese zwei Ziele im Wesentlichen auch erreicht zu haben. (vgl. Stockhausen & Deuter 2011, S. 35ff.)

[16] Auf eine Gegenüberstellung von Fachexperten, Führungskräften und Projektleitern (entsprechend der Differenzierung der drei Laufbahnen) wird an dieser Stelle verzichtet, da in dieser Arbeit entsprechend der Fragestellung nur die Gruppe der Fachexperten im Rahmen einer Fachlaufbahn berücksichtigt werden sollen. Eine ausführliche Gegenüberstellung lässt sich jedoch bei Reiber (2013, S. 12 ff.) nachschlagen.

[17] Zum Unterschied zwischen Qualifikation und Kompetenz siehe Abschnitt 3.1.2

[18] Das Neuling-Experten-Modell nach Dreyfus/Dreyfus beschreibt fünf Stufen des Fertigkeitserwerbs: Neuling, fortgeschrittener Anfänger, Kompetenz, Gewandtheit und Experte. Die Autoren gehen davon aus, dass der Mensch sein Know-how durch Erfahrungen, Übungen oder auch durch schmerzhafte Erlebnisse erwirbt und dies nicht durch Regeln oder Faktenwissen zugänglich gemacht werden kann. Außerdem durchläuft ein Mensch alle fünf Stufen auf dem Weg zum Experten. (vgl. Dreyfus & Dreyfus 1987)

[19] Aus diversen Studien ist bekannt, dass ca. 10.000 Übungsstunden oder 10 Jahre Erfahrung nötig sind, um als Top-Experte zu gelten (vgl. Gladwell 2011, S. 40f.).

Ende der Leseprobe aus 105 Seiten

Details

Titel
Fachlaufbahnen als alternative Karrierewege
Untertitel
Entwicklung eines kompetenzbasierten Anforderungsprofils für Fachlaufbahnen
Hochschule
Universität Kassel  (Institut für Berufsbildung Kassel)
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
105
Katalognummer
V303243
ISBN (eBook)
9783668013575
ISBN (Buch)
9783668013582
Dateigröße
5381 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fachlaufbahn, Projektlaufbahn, Expertenlaufbahn, Experten, Kompetenzen, Anforderungsprofile, Karriere, Fachkarriere
Arbeit zitieren
Jan-Peter Ebel (Autor:in), 2015, Fachlaufbahnen als alternative Karrierewege, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303243

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