Der Staat bei John Dewey und Carl Schmitt im Vergleich


Hausarbeit, 2014

15 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Debatte über Martin Heideggers umstrittene NS-Vergangenheit

2 „Der Staat“ bei John Dewey und Carl Schmitt im Vergleich
2.1 „Der Staat“ bei John Dewey in „Die Öffentlichkeit und ihre Probleme“
2.1.1 Verschiedene Ansichten über den Staat bei Dewey
2.1.2 Deweys Theorie des Staates
2.1.3 Zusammenfassung und Fazit zu Deweys Theorie des Staates
2.2 „Der Staat“ bei Carl Schmitt in „Der Begriff des Politischen“
2.2.1 Schmitts Theorie des Staates
2.2.2 Schmitts Freund-Feind-Theorie als letztendliche Voraussetzung für den Staat
2.2.3 Zusammenfassung und Fazit zu Schmitts Theorie des Staates und der Freund-Feind-Theorie
2.3 Vergleich zwischen beiden Ansichten

3 Schmitts Freund-Feind-Theorie in der Gegenwart

Literaturverzeichnis

1 Debatte über Martin Heideggers umstrittene NSVergangenheit

Als am Donnerstag, den 13.03.2014, die Leipziger Buchmesse eröffnet wurde, stand dank zweier Neuveröffentlichungen mit Martin Heidegger (1889 - 1976) ein deutscher Philosoph mit im Mittelpunkt jener Veranstaltung. Das erste der beiden Werke „Über- legungen II-VI“ zeigt Heideggers private Aufzeichnungen aus den Jahren 1931 bis 1941 (Leick 2014b: 116), während sich das zweite Buch mit dem Titel „Heideggers Testa- ment. Der Philosoph, der Spiegel und die SS“ vor allem mit einem Interview zwischen Heidegger selbst und dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL aus dem Jahre 1966 befasst (Leick 2014a: 119). Auch durch diese beiden Neuerscheinungen ist die Debatte vor allem um Martin Heideggers Verhalten während des Dritten Reiches neu entbrannt. DER SPIEGEL etwa stellt die Frage, ob Heidegger „[e]in Nazi-Philosoph, ein Antise- mit oder ein großer Denker“ gewesen sei (Leick 2014b: 116). Ein Argument für diesen Vorwurf ist die Berufung Heideggers im April 1933, also bereits nach der Ernennung Adolf Hitlers (NSDAP) zum Reichskanzler (Jung 2008: 36), zum Führer-Rektor der Universität Freiburg, mit dem Ziel, die Universität auf Grundlage des Arbeits-, Wehr- und Wissensdienstes zu reformieren. Ebenfalls 1933 im Mai tritt Heidegger schließlich in die NSDAP ein (Leick 2014b: 117).

Dass Heidegger jenes Interview mit dem SPIEGEL, das das einzig längere seines Le- bens bleiben sollte (Leick 2014b: 117), nicht zur Aufarbeitung seiner umstrittenen NS- Vergangenheit genutzt hat und sich in keiner Weise zum Holocaust, den Konzentrati- onslagern oder Adolf Hitler selbst geäußert hat, kann und wird in der Debatte als Indiz für ein Sympathisieren Heideggers mit dem Nationalsozialismus gedeutet. Auch der Vorwurf des Antisemitismus lässt sich nicht von der Hand weisen. Peter Trawny, der jetzt Heideggers Aufzeichnung herausgibt, sagt dazu: „[Martin Heidegger] muss Gewalt gegen die Juden begrüßt haben, denn einem militärischen Gegner begegnet man mit Gewalt“ (Leick 2014b: 118).

Diese neu bzw. wieder entstandene Diskussion und Debatte zeigt, dass auch knapp 40 Jahre nach Heideggers Tod und fast 70 Jahre nach dem Niedergang des Dritten Reiches Positionen und Themen dieser Zeit immer noch populär und von großem Interesse sind. Zeitgleich mit dem Erscheinen von Heideggers Hauptwerk „Sein und Zeit“ veröffent- lichte sein Zeitgenosse Carl Schmitt (1888 - 1985) sein Werk „Der Begriff des Politi- schen“, in dem er unter anderem seine eigene Staatstheorie entwickelt (Mehring 2009: 209). Schmitts Thesen werden bis heute, ähnlich wie die Martin Heideggers, kontrovers diskutiert und besprochen. So nennt Esteban Engel in einem Artikel für die Frankfurter Neue Presse Carl Schmitt in einem Atemzug mit Martin Heidegger und bezeichnet beide als „zentrale NS-Vordenker“ (Engel 2014).

Zuerst wird in dieser Arbeit jedoch die Staatstheorie eines weiteren Zeitgenossen Heideggers und Schmitts, John Deweys (1859 - 1952), beschrieben, bevor auf die Ansichten von Carl Schmitt eingegangen wird, um anschließend ein Vergleich zwischen beiden Standpunkten zu formulieren.

Abschließend wird ein substantieller Teil von Carl Schmitts Staatstheorie herausgelöst und auf die Gegenwart übertragen.

2 „Der Staat“ bei John Dewey und Carl Schmitt im Vergleich

2.1 „Der Staat“ bei John Dewey in „Die Öffentlichkeit und ihre Probleme“

2.1.1 Verschiedene Ansichten über den Staat bei Dewey

In seinem 1927 erschienenen Werk „Die Öffentlichkeit und ihre Probleme“ schildert der amerikanische Pragmatiker und Philosoph John Dewey (Suhr 1994: 13) seine Vorstel- lung des Staates. Bevor er allerdings auf seine persönliche Ansichten zu sprechen kommt, zeigt er zunächst vier verschiedene Ansichten über den Staat auf. Die erste geht auf Aristoteles zurück, der den Staat als vereinigtes und harmonisiertes Leben in dessen höchster Potenz beschreibt. Der Staat ist laut Aristoteles parallel dazu das Rückgrat des sozialen Gewölbes und zugleich vollständig dieses Gewölbe selbst (Dewey 1996: 21). Eine andere Sicht nennt den Staat als eine gesellschaftliche Institution unter vielen mit jedoch begrenzten, aber bedeutungsvollen Aufgaben, nämlich vor allem der des Kon- fliktschlichters zwischen zwei anderen gesellschaftlichen Einheiten (Dewey 1996: 21). Die dritte Ansicht sieht den Staat als „organisierte Unterdrückung, [als] gesellschaftli- che[n] Auswuchs, [als] ein[en] Parasit[en] und [als] ein[en] Tyrann[en] auf einmal“ (Dewey 1996: 21). Die letzte von Dewey angesprochene Beschreibung zeigt den Staat als im großen und ganzen lethargische Möglichkeit, Individuen davon abzubringen zu sehr miteinander zu streiten (Dewey 1996: 21). Zusätzlich zu diesen vier kurz skizzier- ten Ansichten über den Staat geht Dewey im Anschluss zum Teil noch tiefer in Unter- abteilungen dieser Auffassungen ein und beschreibt im Anschluss an die “eine Philoso- phie“ (Dewey 1996: 21) den Staat als Gipfel und Vollkommenheit menschlicher Asso- ziation, der die höchste Verwirklichung aller spezifisch menschlicher Begabungen do- kumentiert (Dewey 1996: 21). Bei einer anderen Auffassung wird der Staat der Kirche als weltlicher Arm beigeordnet, der die äußere Disziplin, das Benehmen und den Men- schen erhält (Dewey 1996: 21). Die von Dewey als „moderne Theorie“ (Dewey 1996: 21) genannte Ansicht idealisiert den Staat und dessen Ausübungen, indem sich die The- orie die Bezeichnungen von Vernunft und Willen borgt und diese solang erweitert „bis der Staat als die objektive Äußerung eines Willens und einer Vernunft [...] [erscheint], welche all die Wünsche und Ziele, die unter Individuen und Vereinigungen von Indivi- duen gefunden werden können, weit übersteigen“ (Dewey 1996: 21f.).

2.1.2 Deweys Theorie des Staates

Generell ist laut John Dewey der Begriff des Staates zu starr und zu sehr mit Divergen- zen behaftet, um ihn unmittelbar benutzen zu können (Dewey 1996: 24). Weiterhin scheint es Dewey sinnvoll, bei der Untersuchung des Staates anstatt mit dem Verhältnis verschiedener Ideen zu einander besser mit den Tatsachen des menschlichen Handelns zu beginnen, denn das kann unter Umständen zu einer Idee von etwas führen, von dem sich zeigen wird, dass es genau jene Merkmale und Zeichen beinhaltet, die das politische Verhalten illustrieren (Dewey 1996: 24). Dewey will bei seinen Ausführun- gen mit vollzogenen Handlungen und ihren Folgen starten und die Folgen als Folgen beobachten, also in Verbindung mit jenen Handlungen, aus denen die Folgen hervorge- hen (Dewey 1996: 26), denn laut Dewey ist es Tatsache, dass menschliche Handlungen Folgen für andere Menschen haben. Einige dieser Folgen werden bemerkt und diese Wahrnehmung führt zu der Absicht, diese Handlung zu kontrollieren, um einige der Folgen verteidigen und andere verhindern zu können (Dewey 1996: 26). Die Folgen, die sich aus diesen menschlichen Handlungen ergeben, können Folgen von unterschiedli- chem Charakter sein. Zum einen die Folgen, die genau auf die Personen einwirken, die unmittelbar mit einer Transaktion beschäftigt sind und zum anderen die Folgen, die an- dere Menschen außer den direkt Betroffenen beeinflussen (Dewey 1996: 27). Die Un- terscheidung zwischen diesen beiden Arten von Folgen ist dann der Keim der Unter- scheidung zwischen Privaten und Öffentlichen. Dewey stellt fest, dass „[w]enn die indi- rekten Folgen anerkannt werden und versucht wird, sie zu regulieren, entsteht etwas, das die Merkmale eines Staates besitzt“ (Dewey 1996: 27). Wenn jedoch die Folgen einer Handlung auf die Personen reduziert sind, die unmittelbar in die Handlung verwi- ckelt sind, ist die Transaktion eine private. Dewey gibt jedoch zu bedenken, dass die Unterscheidung von Privatem und Öffentlichem nicht der Unterscheidung von Indivi- duellem und Sozialem entspricht, denn laut Dewey sind viele private Handlungen sozi- al, etwa sobald ihre Folgen zum Wohl der Gemeinschaft beitragen (Dewey 1996: 27). Allerdings schränkt er zugleich ein, dass kein Verhalten nur aus dem Grund gesell- schaftlich wertvoll ist, weil es im Namen der Öffentlichkeit durch öffentliche Vertreter geschieht (Dewey 1996: 29). Im Anschluss daran formuliert John Dewey seine These, dass in der Unterscheidung von Privatem und Öffentlichem der Schlüssel zum Wesen und Amte des Staates gefunden wird. Die Öffentlichkeit setzt sich dabei aus all denen zusammen, die von den indirekten Folgen einer Transaktion mit einer solchen Intensität beeinflusst werden, dass es für erforderlich gehalten wird, diesen Folgen systematisch nach zu gehen (Dewey 1996: 29). Um das Aufkommen der Öffentlichkeit zu beschrei- ben, führt Dewey das Beispiel der Selbsthilfe an. Zunächst war die Selbsthilfe an sich eine private Transaktion, bei der jedoch die geschädigte Person leicht Hilfe von Freun- den oder Verwandten erhielt, ebenso wie die angreifende Person. Aus diesem Grund bildete sich die Öffentlichkeit, da die Transaktion der Selbsthilfe aufhörte nur die un- mittelbaren Parteien, nämlich die geschädigte und die angreifende Person alleine, zu betreffen (Dewey 1996: 30). Einen weiteren Unterschied sieht Dewey bei Personen in ihrer privaten und in ihrer amtlichen oder repräsentativen Eigenschaft und bezeichnet Beamte als öffentliche Vertreter (Dewey 1996: 31). Weiterhin verlangt Dewey die Su- che nach Folgen von Handlungen anstatt der Suche nach deren kausalen Kräften, denn die Haupttatsachen politischen Handelns sind Tatsachen menschlichen Verhaltens, die eben menschlicher Beobachtung zugänglich sind (Dewey 1996: 32). Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, die Folgen dieses menschlichen Handelns strukturiert und exakt zu erkennen und Mittel und Wege ins Werk zu setzen, um diese Folgen zu beaufsichtigen (Dewey 1996: 33).

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der Staat bei John Dewey und Carl Schmitt im Vergleich
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Institut für Politikwissenschaft und Soziologie)
Veranstaltung
Politische Theorien der Aufklärung und Moderne
Note
2,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
15
Katalognummer
V303081
ISBN (eBook)
9783668014701
ISBN (Buch)
9783668014718
Dateigröße
550 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
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Schlagworte
Politikwissenschaft, Politische Theorie, Carl Schmitt, John Dewey, Michael Heidegger, Der Staat, Staatslehre
Arbeit zitieren
Fabian Herbst (Autor:in), 2014, Der Staat bei John Dewey und Carl Schmitt im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303081

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