Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Charakteristisches Funktionsprinzip von Schwimmanzügen
2.1 Verarbeitete Materialien
2.1.1 Nylon
2.1.2 Elastan
2.2 Muskelkompression
2.3 Erhöhung des Auftriebs
2.4 Verringerung des Wasserwiderstandes
2.4.1 Andere Anwendungen des Haifischhauteffekts
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
5. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
32 Entscheidungen und 25 Weltrekorde. So sah die Bilanz der Beckenschwimmer nach zwei Wochen olympischer Spiele in Peking im Jahre 2008 aus. Sechs davon wurden alleine von Michael Phelps aufgestellt (Zinkant, 2008, S.1), welcher seine Bestzeit über 400 Meter Lagen seit sechs Jahren fortlaufend verbesserte und sich währenddessen um knappe acht Sekunden gesteigert hatte (FINA, 2014, o.S.). Da eine solch außergewöhnliche Verbesserung im Schwimmsport Ewigkeiten darstellt, folgten endlose Versuche Erklärungen zu finden. Die deutsche Sporthochschule in Köln sprach sich für ein neuartiges Dopingmittel aus, während anderen einfach außergewöhnliches Talent und hartes Training als Begründung ausreichte (Zinkant, 2008, S.1). Darüber hinaus wurde jedoch noch ein anderer Aspekt kontrovers diskutiert: die Schwimmanzüge. Diese hatten durch Ausnahmetalent Ian Thorpe Weltbekanntheit erlangt. Der überragende Australier schwamm ebenfalls mehrere Weltrekorde und besonders ab dem Jahr 2000 fiel dabei auf, dass er stets mit einen Ganzkörperanzug an den Start ging (Spiegel Online, 2000, o.S.). Das Tragen der Anzüge etablierte sich ab diesem Zeitpunkt als Muss für jeden Weltklasseschwimmer. Hersteller und Sponsoren versuchten immer noch bessere Anzüge zu entwickeln, um den Athleten gleichermaßen schnellere Zeiten zu ermöglichen. Während die Leistung der Schwimmer mit jeder Neuentwicklung fortwährend weiter anstieg, stellten sich ebenso immer mehr Sportler und Fans die Frage ob nun das Können der Athleten oder das Tragen des richtigen Anzugs über die Verteilung der Podestplätze entschied. Nachdem ein Jahr später bei den Weltmeisterschaften in Rom wiederum mehrere Weltrekorde „pulverisiert“ wurden (Kelnberger, 2010, o.S.) , schien sich der Weltverband FINA gezwungen zu handeln: Zunächst wurde das Reglement für das Tragen bestimmter Anzüge erheblich eingeschränkt und schließlich wurden sie ab erstem Januar 2010 ganz von Wettkämpfen verbannt (FINA, Dubai Charter, S.3). Die als unüberwindbar geltende Barriere der „Anzug-Weltrekorde“ begann jedoch schon im selben Jahr zu bröckeln. Marktführer und damaliger Sponsor des amerikanischen Schwimmteams Speedo bewarb sein Modell Fastskin II © mit um 7% widerstandsverringernder Oberfläche, was bis zu diesem Zeitpunkt von unabhängiger Quelle aber nicht nachgeprüft war. Darüber hinaus enthielt das Werbematerial keine nachprüfbare Quellenangabe (Klauck et al., 2002). Dies wirft die Frage auf, inwiefern die „Hightech-Anzüge“ wirklich zur Rekordflut der 2000er Jahre beitrugen und wie sicher sich die Funktionalität dieser wissenschaftlich belegen lässt.
2. Charakteristisches Funktionsprinzip von Schwimmanzügen
Das Bestreben professioneller Sportler ihre Wettkampfleistung fortwährend zu verbessern und so der Konkurrenz immer einen Schritt voraus zu sein führte im Laufe der Zeit zu einer Reihenfolge von Optimierungsprozessen bezüglich des zielgerichteten Adaptionsprozesses des menschlichen Körpers, auf welche der Mensch zurückgreift um seine Leistung weiter zu steigern. So lässt sich in vielen Sportarten feststellen, dass nach der nahezu vollkommenen Ausreizung der exogenen Faktoren des Trainingsprozesses, also im Wesentlichen die Qualität und Quantität des Trainings und der Ernährung, versucht wird die Ergebnisse anderweitig zu verbessern. Im Schwimmsport sollen so die Schwimmanzüge bessere Zeiten ermöglichen, ohne dass der Schwimmer seine Technik, Kraft oder Ausdauer weiter trainieren muss. Bei der Entwicklung dieser Anzüge wurde und wird auf verschiedene, den Sportler unterstützende Techniken zurückgegriffen. Neben der Verringerung des Wasserwiderstandes sind die Erhöhung des Auftriebs, eine mechanische Unterstützung des Körpers und Verzögerung der Ermüdung der Muskulatur durch Kompression die wesentlichen Faktoren, welche das schnelle Schwimmen positiv beeinflussen sollen (Speedo, 2014, o.S.). Weiterhin muss der Anzug sowohl Stabilität und Funktionalität als auch Tragekomfort bieten. In den nachfolgenden Kapiteln werden so zunächst die verwendeten Materialien charakterisiert und schließlich die Wettkampfanzüge auf ihre Funktionalität hin untersucht.
2.1 Verarbeitete Materialien
Anfangs ist anzumerken, dass aufgrund der Verschiedenheit der Schwimmanzüge im Zuge dieser Arbeit lediglich die Fastskin©-Reihe des Sportartikelherstellers Speedo bezüglich der verarbeiteten Materialien untersucht wird. Dies liegt darin begründet, dass Athleten, welche einen Anzug aus dieser Reihe trugen mit Abstand die besten Leistungen erbrachten; so trugen bei den Olympischen Spielen im Jahr 2008 beispielsweise 98% aller Medaillengewinner den „Fastskin LZR Racer“© (NASA, 2012, o.S.).
Laut Herstellerangaben werden diese Anzüge zu 65% aus dem Polyamid Nylon und zu 35% aus Elastan hergestellt. Dieses Gewebe trägt auch den Markennamen LZR Pulse© (Speedo, 2014, o.S.)
2.1.1 Nylon
Der Trivialname „Nylon“ bezeichnet eigentlich ein Molekül mit dem chemisch korrekten Namen (Poly-)hexamethylenadipinsäureamid, welches wiederum aus 1,6- Diaminohexan und 1,6-Hexandisäure mittels Polykondensation hergestellt wird. Bei dieser Reaktion binden sich die Moleküle beliebig oft an ihren funktionellen Gruppen (Amidgruppe und Carboxygruppe) aneinander und bilden so ein lineares Makromolekül (=Nylon) das zur Gruppe der Polyamide (lineare Polymere mit regelmäßig anhängenden Amidverbindungen) gehört:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Polykondensation von Nylon.
Zwischen den Sauerstoff- (mit negativer Partialladung) und den Wasserstoffatomen (mit positiver Partialladung) bilden sich bei der Aneinanderlagerung mehrerer Ketten Wasserstoffbrückenbindungen, also starke zwischenmolekulare Anziehungskräfte aus (siehe Abb.2).
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Abb.2: Anordnung der Molekülketten in einer Nylonfaser
Dies stellt einen Grund dar, warum Nylon für die Herstellung von Schwimmanzügen geeignet ist: Die Wasserstoffbrücken sorgen zwar dafür, dass die entstehende Faser weniger elastisch wird, jedoch kann durch sehr feines Weben eine hohe Elastizität bei gleichzeitig hoher Stabilität erreicht werden (Brockmann, 2000, o.S.).
Da Nylon zu den Thermoplasten gehört, bietet es darüber hinaus den Vorteil, dass es sich im geschmolzenen Zustand „verschweißen“ lässt. So werden Nähte vermieden, welche eine Widerstandserhöhung verursachen würden.
2.1.2 Elastan
Elastan besteht zu mindestens 85% aus Polyurethan. Das Besondere an Elastan ist seine räumliche Struktur: es besitzt lineare Strukturen aus Harnstoff- und Urethanbindungen und Etherbindungen (siehe Abb.3), welche ohne mechanische Einwirkung in „verknäuelter“ Struktur vorliegen. Daraus folgt, dass sich Elastan wegen der linearen Strukturen als Faser verwenden lässt, aufgrund der „verknäuelten“ Strukturen jedoch auch ein hohes Maß an Elastizität bietet.
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Abb.3 Molekülausschnitt aus einer Elastanfaser
Diese „Knäuel“ geben unter longitudinal auf die Faser einwirkende Kräfte nach, welche dann gedehnt wird. Nach der Krafteinwirkung kehrt diese dann wieder in die Ausgangslage zurück. Elastan lässt sich demnach um das fünf- bis siebenfache seiner Ausgangsgröße dehnen, wobei es sich in Kleidung verarbeitet eng an die Haut anlegt und trotzdem Bewegungsfreiheit bietet (Brockmann, 2000, o.S.).
Grundsätzlich lässt sich also feststellen, dass Nylon und Elastan Eigenschaften besitzen, welche sie für die Anforderungen der Verarbeitung und des Tragens als Wettkampfschwimmanzug besonders geeignet machen.
2.2 Muskelkompression
Ein oft genanntes Argument für die Leistungssteigerung durch Schwimmanzüge von deren Herstellern ist die Muskelkompression (Speedo, 2014, o.S.). Diese soll die Ermüdung der Muskulatur verzögern und folglich zu schnelleren Zeiten führen. Prinzipiell soll der Schwimmanzug also durch moderaten Druck auf die Extremitäten die so genannte Muskelpumpe unterstützen.
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- Arbeit zitieren
- Ulrich Reinfeld (Autor:in), 2014, Vorteil im professionellen Sportwettkampf? Eine Analyse der Oberfläche und Struktur von Wettkampfschwimmanzügen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302891
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