Hans Sachs. "Die Wittenbergische Nachtigall" als publizistischer Beitrag zur Reformation


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die deutsche Reformation: Definition und Einordnung in die Geschichte

3. Hans Sachs: Biographischer und historischer Kontext

4. Nähere Betrachtung des Spruchgedichts und Sachs Verhältnis zum Gegenstand der Reformation
4.1. „Die Wittenbergisch Nachtigall“: Inhalt und Interpretation
4.2. Sachs Verhältnis zum Gegenstand der Reformation

5. Fazit

6. Bibliographie

1. Einleitung

Hans Sachs‘ zahlreiche Werke machten den Nürnberger Meistersinger zu einem der bedeutendsten Literaten des 16. Jahrhunderts. Schon zu Lebzeiten wurde er von seinen Verlegern „als volkstümliche[r] Dichter des nichtpatrizischen Bürgertums“[1] angepriesen. Sachs schrieb „über 4000 Meisterlieder, etwa 2000 Spruchgedichte […], über 120 Komödien und Tragödien, 85 Fastnachtspiele und sieben Prosadialoge“[2] und galt damit als „berühmtester Dichter seiner Zeit“[3]. Inhaltlich ist in seinen Werken jedoch nicht nur Komisches, Dramatisches oder Volkstümliches zu finden; es sind darüber hinaus „auch die großen politischen und religiösen Umwälzungen seiner Zeit […] verarbeitet.“[4] Diese Umwälzungen, zuallererst die Reformation, trugen auch dazu bei, dass sich die Literatur einer Wandlung unterzog. Könneker beschreibt diese Wandlungen mit den Worten:

[D]ie Dichtkunst [trat] in dieser Zeit aus ihrer ästhetischen Selbstgenügsamkeit heraus […] [und] wurde […] zum Forum, auf welchem die aktuellen Probleme und brennenden Lebensfragen der Epoche erörtert und zum nicht geringen Teil auch entschieden wurden.[5]

Auch Hans Sachs trug mit seinen Werken zur Diskussion der politischen und religiösen Fragen seiner Zeit bei und knüpfte mit seinem Spruchgedicht „Die Wittenbergisch Nachtigall“ nahtlos an die vorwiegend als „Bekenntnis-, Propaganda- und Zweckdichtung“[6] zu beschreibende deutsche Literatur an.

Welche Ansichten zum aktuellen Zeitgeschehen Hans Sachs darin vertritt, welche Funktion das Gedicht als publizistischer Beitrag zur Reformation übernimmt und inwiefern dieses Werk eine Rolle für das Vorantreiben der Reformation in Nürnberg spielt, soll im Folgenden analysiert werden. Hierzu werden zunächst einige Fakten zur Reformation im Allgemeinen beleuchtet. Unter Berücksichtigung seiner biographischen Angaben erfolgt des Weiteren eine Einordnung des Meistersingers in den historischen Kontext seiner Zeit. Im Hauptteil wird sich die Arbeit einer genaueren Betrachtung des Spruchgedichts „Die Wittenbergisch Nachtigall“ und der daraus zu entnehmenden Einstellung Sachs zum Gegenstand der Reformation widmen.

2. Die deutsche Reformation: Definition und Einordnung in die Geschichte

Ausgehend von der Etymologie des Wortes Reformation, das seinen Ursprung im lateinischen Wort „reformatio“ hat, beschreibt der Begriff in der Übersetzung eine Umgestaltung oder Erneuerung.[7] In Deutschland wird mit diesem Begriff vor allem die „Bewegung des 16. [Jahrhunderts definiert], welche die Entstehung des Protestantismus […] und damit der lutherischen und reformierten Kirchen zur Folge hatte“[8]. Der finale Anstoß, der schließlich zu dieser kirchlichen Erneuerungs-bewegung beitrug und in der Entstehung unterschiedlicher Konfessionen gipfelte, ist auf das Jahr 1517 zurückzuführen. In diesem Jahr schlug Martin Luther seine 95 Thesen vermeintlich an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg; wahrheitsgemäß schickte er diese jedoch an Albrecht von Brandenburg, Erzbischof der Diözese Magdeburg und Verantwortlicher für den Vertreib des Petersablasses.[9] Nichtsdestotrotz entwickelten sich die Folgen dieses Aktes schließlich „zur größten Herausforderung, der sich die katholische Kirche seit ihrem Bestehen konfrontiert sah.“[10] Die Gründe für die Eskalation dieses Konflikts, der zunächst den Versuch darstellte die katholischen Kirche in sich zu reformieren, sind vor allem im Zusammenspiel der kirchlich-politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ebenen zu finden.

Auf gesellschaftlicher und akademischer Ebene spielte das Auftreten des Humanismus hierbei eine zentrale Rolle. Diese, von Italien ausgehende Bildungsbewegung, deren Inhalte sich durch ihre Lehren an Universitäten verbreiteten, stand „für die Wiederbelebung der Kultur der klassischen Antike“[11] und machte die Forderung nach einer unabhängigen Persönlichkeit und einem allseitig gebildeten Menschen geltend.[12] Durch die Entwicklung des Buchdrucks in der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde diesen Strömungen darüber hinaus der Weg zur umfangreichen Verbreitung ihrer geistlichen Erkenntnisse der Weg geebnet. Ein weiterer Faktor ist sowohl auf sozialer als auch wirtschaftlicher Ebene zu finden. Aufgrund gesellschaftlicher Wandlungen und der Ausbildung einer mehrschichtigen Standesgliederung mit unterschiedlichen Rechten und einer durch den grundherrschaftlichen Strukturwandel ausgelösten Agrardepression[13], wuchs „der Abstand zwischen Arm und Reich, die soziale Ordnung geriet aus dem Gleichgewicht.“[14] Es folgten zahlreiche Unruhen.

Da weltliche und kirchliche Belange zu dieser Zeit als nicht voneinander trennbar verstanden wurden, wirkten sich „die allgemein beklagten Mißstände im Ämter- und Pfründenwesen, in der Seelsorge und nicht zuletzt der päpstlichen Finanzpolitik unmittelbar auf das soziale und wirtschaftliche Leben“[15] aus. Dies hatte zur Folge, dass die Kirche „als Gegenstand zunehmender Erbitterung bald die generelle Unzufriedenheit auf sich“[16] zog. Als entscheidender Auslöser der Reformation, durch den sich nun auch Luther zum Handeln gezwungen sah, gilt jedoch der Skandal um den Ablasshandel, der nach der „katholischen Lehre […] [den] gewährte[n] Nachlaß zeitlicher Sündenstrafen durch […] finanzielle Zuwendung an die Kirche“[17] beschreibt. Der Ablasshandel resultierte aus dem Wunsch Albrecht von Brandenburg, zum Erzbischof von Mainz ernannt zu werden, was die päpstliche Bestätigung und damit die Entrichtung einer bestimmten Geldsumme forderte. Da von Brandenburg dieses Geld nicht entrichten konnte, nahm er das Angebot Roms an, den Petersablass einzuführen, von dessen Erlös er nur die Hälfte an Rom abgeben musste. Mit der anderen Hälfte der Einnahmen zahlte er das von der Familie Fugger mit Zins geliehene Geld ab, das er für den sofortigen Erwerb des Titels zuvor gestellt bekam.[18] Als Skandal wurde dieses Vorgehen daher gewertet, da es eine „Vermischung von Geld, Politik und Frömmigkeit“ darstellte. Durch die schnelle Verbreitung der 95 Thesen Luthers in ganz Deutschland fanden sich aufgrund der zuvor benannten Missstände zahlreiche Anhänger, die der reformatorischen Bewegung folgten. Mit seinem Ausspruch auf dem Wormser Reichstag im Jahre 1521, „‘Hier stehe ich, ich kann nicht anders! Gott helfe mir! Amen‘, schien der Bruch mit der alten Kirche besiegelt zu sein“[19].

Deutschlandweit ergab sich aufgrund der anlaufenden Reformation zu Beginn der 1520er Jahre eine angespannte Lage, die auch in der Stadt Nürnberg präsent war. Einerseits fand sich der Nürnberger Rat in der Situation wieder, die kirchlichen Reformen auf Drängen der städtischen Führungsmitglieder vorantreiben zu müssen und besetzte die Predigerstellen der Pfarrkirchen entsprechend mit prolutherischen Geistlichen.[20] Auf der anderen Seite wurde die Stadt Nürnberg jedoch zeitweilig zur Hauptstadt des Römischen Reiches erklärt, weshalb es sich plötzlich im Mittelpunkt der Reichspolitik befand und schlussendlich das Wormser Edikt veröffentlichen musste[21], aus dem die Verhängung der Reichsacht über Luther und das Verbot seiner Schriften resultierte. Eine Festnahme der lutherischen Prediger in Nürnberg konnte hingegen verhindert werden.[22] Die offizielle Einführung der Reformation folgte in Nürnberg schließlich im Jahre 1525 aus unterschiedlichen Gründen seitens der Regierung und des Volkes. Die Regierung sah in der Übernahme der kirchenpolitischen Entscheidungsgewalt eine Erweiterung ihrer Macht, in der städtischen Bevölkerung fanden die Inhalte der lutherischen Schriften große Zustimmung, wodurch auch hier zu diesem Schritt gedrängt wurde.[23] An dieser Stelle schließt sich der Kreis zwischen der Rolle des Nürnberger Meistersingers Hans Sachs und dem Gegenstand der Reformation, denn Sachs ist in seiner Rolle als prolutherischer Sprecher für die breite Mittelschicht hierbei als eine Art Bindeglied zwischen Reformation und Volk zu verstehen.[24] Inwiefern Sachs selbst und seine literarischen Arbeiten für das Vorantreiben der Reformation in Nürnberg eine Rolle spielten, wird im Folgenden näher betrachtet.

[...]


[1] Wedler, K., 1976, S. 7

[2] Bernstein, E., 1993, S. 7

[3] Ebd., S. 9

[4] Ebd., S. 22

[5] Könneker, B., Die deutsche Literatur der Reformationszeit, 1975, S. 8

[6] Ebd., S. 8

[7] Wörterbuch: Reformation, in Duden online

[8] Meyers Großes Konversationslexikon, (Bd. 6, Sp. 688 bis 691): Reformation, in: Wörterbuchnetz

[9] Vgl.: Kaufmann, T., 2009, S. 21

[10] Bernstein, E., 1993, S. 32

[11] Schorn-Schütte, L., 1996, S. 13

[12] Vgl.: Das junge Politik-Lexikon: Humanismus, in: Bundeszentrale für politische Bildung, online

[13] Vgl.: Schorn-Schütte, L., 1996, S. 20 f.

[14] Ebd., S. 24

[15] Könneker, B., Die deutsche Literatur der Reformationszeit, 1975, S. 10

[16] Ebd., S. 10

[17] Schorn-Schütte, L., 1996, S. 119

[18] Vgl.: Ebd., S. 31

[19] Bernstein, E., 1993, S. 32

[20] Vgl.: Ebd., S. 33 f.

[21] Vgl.: Ebd., S. 34 f.

[22] Vgl.: Ebd., S. 34 f.

[23] Vgl.: Ebd., S. 35

[24] Vgl.: Ebd., S. 35

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Hans Sachs. "Die Wittenbergische Nachtigall" als publizistischer Beitrag zur Reformation
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für deutsche und niederländische Philologie)
Veranstaltung
Hans Sachs – Autorschaft und Literaturbetrieb im 16. Jahrhundert
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
19
Katalognummer
V302883
ISBN (eBook)
9783668012615
ISBN (Buch)
9783668012622
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hans Sachs, Luther, Wittenbergisch Nachtigall, Reformation
Arbeit zitieren
Agnetha Hinz (Autor:in), 2014, Hans Sachs. "Die Wittenbergische Nachtigall" als publizistischer Beitrag zur Reformation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302883

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