Zum Funktionsumfang von Fertigungsmanagementsystemen Industrie 4.0


Studienarbeit, 2015

21 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Realität und DIN 62264

3 Referenzmodell für FMS-Systeme

4 Pyramidenmodelle

5 FMS der Zukunft – Industrie 4.0

Literaturhinweise

Anhang

1 Einleitung

Der Begriff Manufacturing Execution System (MES), der Mitte der 1990er Jahre aus den USA herüber kam, wird heute unglücklicherweise mit „Fertigungsmanagementsystem“ übersetzt (siehe VDI 5600 [1]). Unglücklicherweise deshalb, weil F ertigungs m anagement s ystem (FMS) etwas Umfassendes bezeichnet, Execution (Durchführung) aber nur ein Teil des Managements ist. Im Sinne des Umfassenden sollte ein IT-System, das als Fertigungsmanagementsystem bezeichnet werden kann, funktional zuallererst alle Bereiche der Fertigung vollständig abdecken und dann auch wie ein „echtes“ Managementsystem ausgestattet sein. Zum Management der Fertigung im Sinne von Demig [2] gehören Planung, Steuerung, Durchführung, Dokumentation und Analyse aller Bereiche der in- und externen Materialflusskette und ihrer begleitenden Servicefunktionen (Supply Chain). Dieses vorrausgesetzt, meint der Autor, ist der Begriff MES, der in der Praxis funktional meist viel zu eng aufgefasst wird und Manufacturing zum Teil bewusst mit Produktion gleichgesetzt wird, irreführend. Produktion ist nur ein Teil der Fertigung! Das Management der Fertigung erfordert neben den Funktionen für die Produktion, die Funktionen für die Instandhaltung, die Qualitätssicherung, die gesamte Logistik und die Leistungsgestaltung (F&E) incl. der jeweiligen vollständigen Planungsfunktionen für alle Bereiche, so wie es im Y-CIM Modell (Abb. 1) von Scheer [3] und der DIN 62264 [4] umfassend beschrieben und dargestellt wurde.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Y-CIM – Modell [3]

2 Realität und DIN 62264

Nach unseren Beobachtungen unterstützen die heute angebotenen MES-Systeme diese umfassenden Funktionen nur unzureichend oder garnicht, so dass „MES“ eher zu einem Marketingbegriff für Produktionsleit- und Produktionssteuerungssysteme geworden zu sein scheint, als das es eine Bezeichnung für ein Fertigungsmanagementsystem wäre. In der Praxis führt der Begriff Anwender, die in diesem Fachgebiet oft unerfahrenen sind, oftmals auf den falschen Weg. Es liegt weniger an den Systemanbietern, dass dies so ist, als an den Anwendern, die die Zusammenhänge der (ihrer) Geschäftsprozesse nicht richtig kennen und die ihre Anforderungen immer noch nach Verantwortungsbereichen stellen und umsetzen. Systemanbieter müssen sich zwingend nach den Anforderungen ihrer Kunden richten, damit sie wirtschaftlich erfolgreich sind. Wissenschaftler, Verbände und Berater sind deshalb gefordert, der Praxis den Weg zu weisen bzw. die Zusammenhänge zu erläutern und bereits zu lehren. Denn die Theorie bietet heute alle Vorraussetzungen. Man weiss, wie es sein sollte: Fertigungsmanagementsysteme sollten zwingend multifunktionale
Funktionscluster sein, welche im Endausbau gemäß DIN 62264-Teil 3 [4] und ANSIISA-95.00.04-20054-Draft_3 [5] die Managementprozesse der Instandhaltung, Qualitätssicherung, Intralogistik und natürlich auch die der Produktion integrieren, unterstützen und abbilden können und das möglichst nicht als herkömmliche Patchwork-Systeme .

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 Informationsströme im Fertigungsbereich [4]

Abb. 2 deutet die informationstechnisch-inhaltliche Verknüpfung der Aufgabenbereiche in der Fertigung an. Die Abbildung stammt aus dem noch nicht verabschiedeten und nicht veröffentlichten Teil der DIN 62264 Teil 4, der einzigen wirklichen Norm für Fertigungsmanagementsysteme! Die Verknüpfungen werden besonders deutlich, wenn die Abläufe bzw. Geschäftsprozesssequenzen betrachtet werden. Abb. 3, ebenfalls aus DIN 62264 – Teil 4, zeigt an einem Beispiel, wie sich die Prozesssequenz eines Geschäftsprozesses in der Fertigung aus Aufgabenbausteinen der Bereiche Produktion, Logistik und Qualitätssicherung aufbaut. Ein IT-System für die Fertigung, das aus drei bzw. vier getrennten Anwendungssystemen aufgebaut ist, die Instandhaltung, die heute oft im ERP-System*, ebenfalls eine unglückliche Bezeichung, an die Anlagenbuchhaltung „angeflanscht“ ist, muss auch berücksichtigt werden, kann diesen Prozess nur schwer bzw. gar nicht unterstützen. Geschäftsprozesse in der Fertigung sind aber, wie in Abb. 3 gezeigt, zum großen Teil bereichsübergreifend und interdependent.

(*Wir ersetzen ERP im weiteren durch FOS Financal Operation System)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 Bereichsübergreifender Geschäftsprozess in der Fertigung [4]

Darüber hinaus hat es sich, aufgrund der dramatisch zunehmenden Kundenanforderungsdynamik, d.h. häufig auftretenden Mengen- und Sachmerkmalsänderungen in den Aufträgen mit stark verkürzten Antwortzeiterwartungen an Planungs-und Dispositionsergebnisse, zunehmend als sehr praxistauglich erwiesen, dass die genannten Funktionsbereiche um die Geschäftsprozessfunktionen Bedarfsplanung bzw. Bedarfsrechnung und Materialdisposition, zusammen Produktionsgrobplanung sprozess, verzögerungsarm ergänzt werden (linker Ast im Y-CIM-Modell). Dies zeigt auch, dass die Realtimekopplung bzw. verzögerungsarme Kopplung von Grobplanung, Disposition, Feinplanung bzw. -steuerung und Durchführung heute sinnvoll und sogar notwendig ist. Und nach unserer Ansicht schon immer war! Der Erfolg der sog. APS-Systeme – Advanced Planning and Scheduling Systeme – und auch die Ergebnisse des Exzellenzclusters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“ [6] bestätigen unsere Erfahrungen und Schlussfolgerungen. Die Automatisierungspyramide (Abb. 4) hatte hier einer unglücklichen Teilung eines Geschäftsprozesses (Produktionsplanung) auf zwei Systeme (FOS und Produktionsleitsystem) mit schwerwiegenden Folgen den Weg geebnet! Die Folgen sind Verzögerungen im Prozessablauf bei Änderung. Beispiel SAP R/3®: da die Disposition auf die wertorientierten Prozesse der Finanzbuchhaltung aufgesetzt ist, werden in der Planung Sollbuchungen erzeugt, die bei Änderungen, Kunde hat Auftragsmenge geändert, nicht so einfach geändert werden können. Die älteren Buchungen müssen erst storniert werden und erst dann können neue Daten erzeugt werden. Hier kann keine Dynamik entstehen und von Echtzeit, eigentlich Verzögerungsfreiheit, kann keine Rede sein. Der Prozess kann meist auch nur einmal am Tag ausgeführt werden, weil sonst andere Funktionen, wie das Buchen von Belegen in der Ausführung stark behindert werden. Das ist heute oft schon zu wenig und für Industrie 4.0 indiskutabel.

3 Referenzmodell für FMS-Systeme

Diese Erkenntnis ist, wie gesagt, nicht neu, denn Scheer [3] hat bereits 1987 mit seinem Y-CIM Modell den Funktionsumfang und die Zusammenhänge eindrucksvoll und, nach unseren Beobachtungen in der Praxis, auch vollständig dargestellt. (Abb. 1) Leider wurden die Inhalte und Zusammenhänge des Y-CIM-Modells als Beschreibung eines Fertigungsmanagementsystems sehr schnell und voreilig verworfen, da der Begriff CIM, Computer Integrated Manufacturing, mangels schneller Erfolge in Ungnade fiel. Dies geschah deshalb übereilt, da sich mit der Zeit zeigte, dass die Kerngedanken richtig waren. Dies lässt sich schon daran erkennen, dass der Geschäftsprozessgedanke und die von Scheer entwickelten Methoden im Kontext der wertorientierten Transaktionssysteme weltweite Anerkennung fanden. Es sei hier explizit hervorgehoben, dass unserer Meinung nach erst dann dauerhafte und nachhaltige Anforderungserfüllung entstehen kann, wenn alle genannten Aufgaben des Managements des Fertigungsbereiches informationstechnisch vollständig und insbesondere verzögerungsarm bzw. verzögerungsfrei integriert sind.

Vollständigkeit ist bekanntlich eine wichtige Eigenschaft eines Systems, denn ein System ist nach DIN IEC 60050-351 [7] eine Menge miteinander in Beziehung stehender Elemente, die in einem bestimmten Zusammenhang als Ganzes gesehen und als von ihrer Umgebung abgegrenzt betrachtet werden können. Deshalb muss der Funktionsumfang genau benannt werden und der Name des Systems präzise und inhaltsadäquat sein. Das Y-CIM-Modell ist hierzu die adäquate Vorlage!

4 Pyramidenmodelle

In der Praxis wird häufig eine Pyramidendarstellung oder ein Gleichschenkliches Dreieck mit einer Zuordnung zu tradierten Systemen als Darstellung verwendet. Diese ist unserer Meinung nach als Gesamtmodell ungeeignet, falsch und auch irreführend.

[...]

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Details

Titel
Zum Funktionsumfang von Fertigungsmanagementsystemen Industrie 4.0
Autor
Jahr
2015
Seiten
21
Katalognummer
V302717
ISBN (eBook)
9783668027268
ISBN (Buch)
9783668027275
Dateigröße
1400 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
funktionsumfang, fertigungsmanagementsystemen, industrie
Arbeit zitieren
Dr. Heinrich Kehl (Autor:in), 2015, Zum Funktionsumfang von Fertigungsmanagementsystemen Industrie 4.0, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302717

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