Das Sokratische Gespräch. Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit im Philosophieunterricht


Hausarbeit, 2013

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.) Einleitung

2.) Philosophieunterricht und das Sokratische Gespräch

3.) Die (Neo-) Sokratische Methode nach Nelson
a. Begrifflichkeit
b. Voraussetzungen
c. Der Gesprächsablauf
d. Das Metagespräch

4.) Das Sokratische Gespräch in der schulischen Praxis
a. Herausforderungen an die Lehrkraft als GesprächsleiterIn
b. Herausforderungen an SchülerInnen als Gesprächsbeteiligte

5.) Das Verhältnis von Moral und Vernunft nach Birnbacher

6.) Die moralische Urteilsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen

7.) Sokratisches Philosophieren in Lernprozessen

8.) Schlussbemerkung und Ausblick

9.) Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Es erscheint eine Besinnung auf die positiven Potentiale des Ethikunterrichts sinnvoll. Die Fruchtbarkeit der Sokratischen Methode liegt vor allem darin begründet, sie in der Heckmann-Nelson Tradition zu nutzen, denn eine pädagogische Enthaltsamkeit im Hinblick auf Orientierungsfragen kann auf keinen Fall gerechtfertigt werden. In der gegenwärtig zunehmend säkularisierten Gesellschaft herrscht ein Mangel an seriösen Orientierungsmöglichkeiten, was eine zerstreute Suche nach dem Sinn mit sich bringt. Die Hauptursache sieht Raupach-Strey in der vorherrschenden defizitären Gesprächskultur. Gerade deshalb macht sie auf eine verfehlte gesellschaftspolitische Verantwortung aufmerksam und erklärt diese als wesentliche pädagogische Aufgabe des künftigen Ethikunterrichts. Ferner verweist sie auf herrschende Vorurteile aufmerksam, die oftmals die Konzeptionsmöglichkeiten die das Unterrichtsfach Ethik mit sich bringt. Sie bezieht dabei Sokratische Diskurse als zentrale Perspektive, welche der Ethikunterricht als Chance wahrnehmen soll, da mittels dieser Dialogfähigkeiten eingeübt, gepflegt und weiterentwickelt werden können. Allerdings macht sie auch auf Grenzen des Philosophie- /Ethikunterrichts aufmerksam, denn er darf nicht mit zu hohen Erwartungen überladen mit gesellschaftlichen Problemen konfrontiert werden (Vgl. im Folgenden Raupach-Strey 2000: 90).

Horst Siebert und Detlef Horster sehen auch die Gefahr der Entfremdung des Individuums von der Gesellschaft bzw. Gemeinschaft. Sie thematisieren einerseits eine zunehmende Individualisierungstendenz, andererseits ein damit zusammenhängendes Desinteresse an Gemeinschaft und Gesellschaft. Diese Sachverhalte wurden durch eine Vielzahl von soziologischen und politologischen Analysen im Anschluss an Ulrich Beck bestätigt. Horster betont die mit der Individualisierungstendenz einhergehenden moralischen Probleme. Dennoch stellt Moral einen unentbehrlichen Bestandteil unserer gesellschaftlichen Gemeinschaft dar, denn wir müssen unser Handeln mit anderen koordinieren. Dies gilt besonders dann, wenn Individuen große Entscheidungsfreiräume haben und autonom zu denken und zu handeln. Damit gesellschaftliche Interaktionen möglich sind, muss es einen gemeinsamen Bezugsrahmen geben, in dem man seine moralischen Prinzipien setzen kann. Die gemeinsame Basis für die Anerkennung ist die Moral der wechselseitigen Anerkennung. Daneben besteht der individuelle Bereich, in dem jeder Mensch seine moralischen Entscheidungen selbst trifft. Wie kann nun der individuelle Bereich mit dem sozialen Sektor in Einklang gebracht werden? Eine große Chance sieht Detlef Horster in der Methode des Sokratischen Gesprächs nach Nelson bzw. Heckmann, da es sich auf beiden moralischen Ebenen bewegt (Vgl. im Folgenden Horster 1999: 69).

In meiner Arbeit möchte ich, ausgehend von der beschriebenen Problematik, die Bedeutung von Sokratischen Gesprächen im schulischen Philosophie- bzw. Ethikunterricht untersuchen und insbesondere einen Einblick in philosophische Überlegungen zur Förderung der moralischen Urteils- und Reflexionsfähigkeit mittels der Sokratischen Methode geben. Die zentrale Fragestellung ist, ob die Sokratische Methode im schulischen Unterricht eine Hilfe sein kann, um die Urteils- und Reflexionsfähigkeit von SchülerInnen zu fördern. Hierzu werde ich zu Beginn den Zusammenhang zwischen Philosophieunterricht und des Sokratischen Paradigmas darstellen. Anschließend wird versucht eine Eingrenzung des Begriffs des Sokratischen Gesprächs vornehmen und versucht die Wichtigkeit von den Voraussetzungen, des Gesprächsablaufs und das Metagespräch im Zusammenhang mit Sokratischen Gesprächen darzustellen. In einem weiteren Schritt wird das Sokratische Gespräch in der schulischen Praxis näher erörtert, wobei auf eine Vielzahl verschiedener Herausforderungen für SchülerInnen und Lehrkräfte hinzuweisen ist. Anschließend wird der Zusammenhang von Moral und Vernunft nach Birnbacher präsentiert, welcher Vernunft und Moral als eng miteinander verknüpfte Terminologien betrachtet. Laut ihm stellt die Vernunft keineswegs die Bedingung der Moral dar, noch kann sie als hinreichender Erkenntnisgrund moralischen Wissens verstanden werden. Im Folgenden wird die moralische Urteilsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen behandelt, wobei das Sokratische Gespräch als geeignete Gesprächsform erachtet wird, da es Regeln des pädagogischen Diskurses beinhaltet, Belehrung und Bewertung verzichtet, von gegenseitigem Respekt und Toleranz geprägt ist und Skepsis gegenüber den vorgebrachten moralischen, rechtlichen Geltungsansprüchen liefert.

Daraufhin wird das Sokratische Philosophieren in Lernprozessen thematisiert, welches als geeignete Gesprächsform erscheint, da es Regeln des pädagogischen Diskurses beinhaltet, Belehrung und Bewertung verzichtet, von gegenseitigem Respekt und Toleranz geprägt ist und Skepsis gegenüber den vorgebrachten moralischen, rechtlichen Geltungsansprüchen liefert. Im Resümee werden schließlich die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst sowie ein Ausblick auf die mögliche Weiterentwicklung der Rolle des Sokratischen Gesprächs im Ethik- und Philosophieunterrichts gegeben.

2. Philosophieunterricht und das Sokratische Gespräch

Ethik sowie moralische Einstellungen sind nicht lehrbar, aber Schulunterricht kann es leisten Begründungen, Vor- und Nachteile von spezifischen Einstellungen oder Erfahrungen mit der Schülerschaft zu diskutieren. Dennoch ist es nicht möglich Lernenden entsprechende Haltungen aufzuzwingen. Es besteht lediglich die Möglichkeit Diskussionsprozesse zu initiieren, weshalb die Beschreibung einer moralischen Einstellung mit der Hoffnung auf deren Übernahme nicht ausreichend erscheint. Vielmehr müssen in der Werteerziehung einer pluralistischen Gesellschaft Lernenden sinnvolle Handlungsalternativen aufgezeigt werden, in denen diese ihren eigenen Argumentationsweg finden können. An dieser Stelle wird das Spannungsfeld des Bildungsauftrags der Fächer Ethik bzw. Praktische Philosophie deutlich, denn einerseits sind in demokratischen, pluralistischen Gesellschaften moralische Orientierungen, die Förderung der Urteilsfähigkeit sowie die die Akzeptanz bzw. Einsicht bestimmter Werte, die der Allgemeinbildung dienen, maßgeblich. Andererseits können diese nicht gelehrt werden, wie dies bei fachlichem und methodischem Wissen möglich ist. Zwar wird auch im Ethikunterricht Wissen vermittelt, dennoch reichen diese Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht aus, um die Urteilsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen auch im alltäglichen Gebrauch zu fördern. Subjektive innere Einstellungen, erlernte Verhaltensweisen sowie kulturelle Traditionen beeinflussen Handlungen schon in frühster Kindheit und müssen bewusst gemacht werden. Deshalb sind sie anhand von Lern- und Reflexionsprozessen zu thematisieren. Doch wie ist es möglich SchülerInnen nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch Möglichkeiten zur innerlichen Einstellungsänderungen sowie Werkzeug an die Hand zu geben, um mit alltäglichen Konfliktsituationen besser umgehen zu können? Inwiefern können sie dazu befähigt werden ihre Handlungen in moralischer Hinsicht besser einzuschätzen sowie sich selbst an begründete moralische Normen und werte halten (Vgl. im Folgenden Neißer 2013: 7)?

Aus diesem Grund ist es zielführend LernerInnen Einsichten zu vermitteln, die ihr Denken und Handeln verändern. Es ist unabdingbar, dass solche Lernprozesse spezifische Normen und Werte bereits in der Ausgestaltung der Lernsituation berücksichtigen sowie Alltags- bzw. Fallbeispiele und Konfliktgeschichten aus eigener Erfahrung und Weltanschauung anknüpfen. Auf dieser Grundlage können überzeugende Urteile gefällt werden, die gemeinsam erforscht bzw. begründet werden können. Dabei wird deutlich, dass ein konkretes Beispiel von verschiedenen ethischen Ansätzen ausgehend verschiedenartig begründet werden kann, aber man kommt nicht zwingend zu einem gemeinsamen Gesamturteil des konkreten Falls. Erst die Berücksichtigung der konkreten Anschauung aus der Lebenspraxis ermöglicht den Lernenden eine Identifikation mit den handelnden Personen sowie die Abwägung bestimmter Handlungsmöglichkeiten, woraus in der Regel ein gemeinsames, eindeutiges, begründetes Urteil resultiert. Somit stellt es eine wesentliche Aufgabe des Philosophie- bzw. Ethikunterrichts dar nicht nur theoretisches philosophisches sowie methodisches (Argumentations-) Wissen zu vermitteln, sondern auch Zugänge zu moralischen Konfliktsituationen eröffnen, als auch emotionale Faktoren hervorzuheben (Vgl. ebd. 2013: 8).

Besonders die Methode des Sokratischen Gesprächs eignet sich, um Bezüge zu lebensweltlichen, moralischen Problem- bzw. Fragestellungen der Lernenden herzustellen, diese ihnen bewusst zu machen und kritisch zu hinterfragen. Im nächsten Kapitel soll die (Neo-) Sokratische Methode nach Nelson vorgestellt werden, wobei insbesondere auf die Begrifflichkeit, die Voraussetzungen, der Gesprächsablauf und das Metagespräch eingegangen werden soll.

3.) Die (Neo-) Sokratische Methode nach Nelson

Das Sokratische Gespräch hat bereits eine lange Tradition und geht auf das Vorbild des platonischen antiken Sokrates zurück. Für den schulischen Unterricht wurde diese Methode unter anderem von Nelson, Heckmann und Raupach-Strey mit dem Ziel sowie Zweck weiterentwickelt, denn die Lernenden sollen sich selbst über ihre Entscheidungsgründe bewusst werden und ihre Entscheidungsvorzüge in einem systematischen Nachdenkprozess kennenlernen. Deshalb soll im Folgenden zum besseren Verständnis die Begrifflichkeit des Sokratischen Gesprächs nach Nelson erläutert werden.

3.1. Begrifflichkeit

Bei der Methode des Sokratischen Paradigmas steht besonders der Erkenntnisgewinn der Teilnehmenden zur jeweiligen Fragestellung im Fokus der Betrachtung, wobei bei der Suche nach eigenen Einblicken besonders die Wahrheit im Vordergrund steht. Des Weiteren sollen die eigenen Gedanken an denen anderer überprüft und gegebenenfalls modifiziert werden. Damit sollen ein gemeinschaftliches Denken sowie gemeinsame Aussagen garantiert werden.

Zudem besteht die Möglichkeit das Selbstvertrauen der TeilnehmerInnen zu bestärken, da diese durch eigenes Denken und Argumentieren eigenständig gerechtfertigten Entscheidungen treffen können. Das Sokratische Gespräch bringt auch eine Reihe von Voraussetzungen mit sich, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll (Vgl. Philosophisch-Politische- Akademie: 2013).

3.2. Voraussetzungen

Zur erfolgreichen Teilnahme an einem Sokratischen Gespräch bedarf es keiner philosophischen Vorkenntnisse, aber ein gewöhnlicher Geist sowie die Bereitschaft sich auf Gespräche einzulassen sind unentbehrlich. Darüber hinaus sollen alle TeilnehmerInnen versuchen ihre eigenen Gedankengänge darzustellen und sich gegenseitig ernst nehmen. Mittels eines Austauschs von individuellen Argumenten soll der Wahrheitsgehalt der Auffassungen herausgearbeitet werden, um gemeinsam zu besseren Einsichten zu gelangen. Zudem sind eine ununterbrochene aktive Teilhabe aller GesprächsteilnehmerInnen, ein klares Ausdrucksvermögen, eine deutliche Sprechweise, kurze klare Statements, gutes Zuhören und ein offenes Ohr für andere Ansichten wesentliche Elemente des Sokratischen Paradigmas, denn nur mittels intensiver Verständigung kann ein besseres Gesprächsergebnis erreicht werden. Insbesondere ein geregelter Gesprächsablauf trägt zu einem gelungenen Sokratischen Gespräch bei, das im Folgenden thematisiert werden soll (Vgl. ebd.: 2013).

3.3. Der Gesprächsablauf

Abhängig vom entsprechenden Gesprächsthema berichten die Beteiligten und bringen ihre eigenen Lebenserfahrungen ein, wobei ein Beispiel zur weiteren Erörterung ausgewählt werden soll. Besonders wichtig im Hinblick auf das auszuwählende Beispiel sind die Alltäglichkeit, die Einfachheit sowie die Begrenztheit zur besseren Nachvollziehung des Sachverhalts. Anschließend bemüht sich die Gruppe vor allem um das Verständnis des ausgewählten Beispiels, gleichzeitig erfolgt eine Klärung einzelner Wörter und Begrifflichkeiten. Im nächsten Schritt gilt es Urteile herauszuarbeiten, denn erst dann werden Überzeugungen, Werte sowie Prinzipien sichtbar, welche den Urteilen zugrunde liegen. Erst dann ist eine Untersuchung möglich, in der fragen der allgemeinen Gültigkeit entschlüsselt werden können.

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Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Sokratische Gespräch. Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit im Philosophieunterricht
Hochschule
Technische Universität Darmstadt
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
18
Katalognummer
V302317
ISBN (eBook)
9783668009790
ISBN (Buch)
9783668009806
Dateigröße
596 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sokratische, gespräch, förderung, urteilsfähigkeit, philosophieunterricht
Arbeit zitieren
Jennifer Herdt (Autor:in), 2013, Das Sokratische Gespräch. Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit im Philosophieunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302317

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