Angst und Freude in schulspezifischen Kontexten

Eine Untersuchung zu Zusammenhängen mit Schulnoten


Seminararbeit, 2013

48 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Gegenstandsbeschreibung von Emotionen
2.1 Emotionen
2.1.1 Begriffsklärung
2.1.2 Entstehung
2.1.3 Funktionen und Wirkungen
2.2 Angst
2.2.1 Begriffsklärung
2.2.2 Besorgnis und Aufgeregtheit
2.2.3 Bereiche der Angst
2.2.4 Ausdrucksweisen
2.2.5 Unterschiede bezüglich Geschlecht
2.3 Freude
2.3.1 Begriffsklärung
2.3.2 Ausdrucksweisen, Auslöser und Hindernisse des Freudeerlebens

3. Emotionen im schulischen Kontext
3.1 Allgemeine Lern- und Leistungsemotionen
3.1.1 Begriffsklärung
3.1.2 Entstehung
3.1.3 Entwicklung
3.2 Angst
3.3 Freude
3.4 Wirkung von Emotionen auf Leistung

4. Schulnoten
4.1 Begriffsklärung
4.2 Funktionen von Schulnoten
4.3 Schwierigkeiten der Notengebung

5. Empirische Befunde
5.1 Emotionen im Bereich Schule
5.2 Zusammenhänge zwischen Emotionen und Schulleistung
5.3 Unterschiede bezüglich Geschlecht und Schulstufe

6. Implikationen für die Schulpraxis
6.1 Schule als Lebensraum
6.2 Lehrperson als Vorbild
6.3 Gestaltung des Unterrichts
6.4 Leistungsbewertung
6.5 Koedukation
6.6 Intervention

7. Zusammenfassung

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Freude und Angst sind Vergrößerungsgläser.“

Jeremias Gotthelf (1797-1854)

Dieses Zitat des Schweizer Schriftstellers Jeremias Gotthelf umschreibt metaphorisch die Relevanz der Emotionen Freude und Angst. Es steht für die Möglichkeiten und Auswirkungen dieser Emotionen: sie können jeglichen Begebenheiten des Lebens eine mehr oder weniger große Bedeutung zuschreiben und bringen auch Kleinigkeiten zu Geltung, welche zunächst nicht entscheidend erscheinen (vgl. Mast 2008, 415). Jene beiden Emotionen begleiten Menschen durch ihren Lebensalltag und können dabei u.a. über Verhaltensweisen, Handlungen oder weitere Gefühle bestimmen. Auch Schülern sind diese Empfindungen sicherlich nicht fremd, da im alltäglichen Schulbetrieb automatisch verschiedenste Emotionen angesprochen und ausgedrückt werden. Doch welche Rolle spielen dabei speziell Freude und Angst? Welche Aspekte werden im Bereich Schule durch sie „vergrößert“? Diesen und weiteren Fragen soll die vorliegende Examensarbeit nachgehen.

Zunächst wird eine theoretische Einführung gegeben, welche sich mit Emotionen im Allgemeinen befasst, um daraufhin auf Emotionen im schulischen Kontext einzugehen. Anschließend wird das auf die Thematik der Schulnoten näher eingegangen. Den Abschluss bilden bisherige empirische Studien zum Thema Emotionen und Leistung.

2. Gegenstandsbeschreibung von Emotionen

Zunächst wird der theoretische Hintergrund hinsichtlich Emotionen im Allgemeinen näher beschrieben, um daraufhin auf die für die vorliegende Arbeit relevanten Emotionen Angst und Freude einzugehen. Neben Definitionsmöglichkeiten und Eigenarten wird auch die Entstehung und Funktion betrachtet. Da es in der Literatur zu einer häufigeren und detaillierteren Thematisierung von Angst als von Freude kommt, fallen die Abschnitte dementsprechend ausführlich aus.

2.1 Emotionen

2.1.1 Begriffsklärung

Der Begriff Emotion geht zurück auf das lateinische Verb emovere und kann mit in Bewegung setzen, heraus bewegen, erschüttern übersetzt werden (vgl. Georges 2003, 2411[1] ). In der Literatur wurde vielfach versucht, dem Wort Emotion eine Definition zuzuschreiben, was bisher aber noch nicht eindeutig gelang (vgl. Scherer 1997, 3; Schmidt-Atzert 1996, 18). Izard (1994) stellt fest, dass „eine Emotion keine einfache Erscheinung ist“ (20), beschreibt aber die für ihn wichtigen Elemente des Begriffs: „(a) das Erleben oder das bewusste Empfinden des Gefühls, (b) die Prozesse, die sich im Gehirn und im Nervensystem abspielen und (c) das beobachtbare Ausdrucksgebaren, besonders das im Gesicht“ (ebda). Diese Eigenschaften kommen in folgender Arbeitsdefintion ähnlich vor: „Eine Emotion ist ein qualitativ näher beschreibbarer Zustand, der mit Veränderungen auf einer oder mehreren der folgenden Ebenen einhergeht: Gefühl, körperlicher Zustand und Ausdruck“ (Schmidt-Atzert 1996, 21). Daraus lässt sich schließen, dass Emotionen vergänglich und qualitativ festzulegen sind (vgl. ebda). Der Rahmen der Emotion ist folglich sehr weit gespannt und kann kaum genau benannt, sondern höchstens präzisiert werden. Dennoch herrscht in der Literatur relativer Konsens darüber, dass Emotionen mehrdimensional sind (vgl. Rothermund/Eder 2011, 167). Die verschiedenen Komponenten dieses Konstrukts werden u.a. in der häufig vorzufindenden Arbeitsdefinition von Kleinginna und Kleinginna (1981) aufgeführt:

„Emotion ist ein komplexes Interaktionsgefüge subjektiver und objektiver Faktoren, das von neuronal/hormonalen Systemen vermittelt wird, die (a) affektive Erfahrungen, wie Gefühle der Erregung oder Lust/Unlust, bewirken können; (b) kognitive Prozesse, wie emotional relevante Wahrnehmungseffekte, Bewertungen, Klassifikationsprozesse, hervorrufen können; (c) ausgedehnte physiologische Anpassungen an die erregungsauslösenden Bedingungen in Gang setzen können; (d) zu Verhalten führen können, welches oft expressiv, zielgerichtet und adaptiv ist“ (zit. n. Otto/Euler/Mandl 2000, 15).

Demzufolge bestehen Emotionen aus einer affektiven Komponente, da sie subjektiv unterschiedlich wahrgenommen werden können (vgl. Götz/Kleine 2006, 4) und „mit Veränderungen des subjektiven Erlebens“ (Rothermund/Eder 2011, 168) einhergehen. Die kognitive Komponente schließt außerdem Gedanken, die unweigerlich mit der Emotion auftreten, mit ein (vgl. Frenzel/Stephens 2011, 20f.). Hierbei sind insbesondere die „Wahrnehmung, Erinnerung, Vorhersage oder Bewertung von Situationen, Beziehungen, Tatsachen, Ereignissen oder Handlungen“ (Scherer 1997, 5) zu nennen. Desweiteren ist die physiologische Komponente von Bedeutung, da körperliche Vorgänge mit Emotionen im Zusammenhang stehen (vgl. Frenzel/Stephens 2011, 20): es kommt zu „ emotionsgesteuerten Anpassung an bedeutende Lebensereignisse“ (Rothermund/Eder 2011, 170). Die letzte Komponente im Zitat von Kleinginna und Kleinginna (1981) ist die expressive. Diese beinhaltet den Ausdruck von Emotionen beispielsweise in Form von Mimik oder Gestik (vgl. Frenzel/Stephens 2011, 21) und wird somit zur „Kommunikation von Reaktion und Interaktion“ (Scherer 1997, 5) verwendet. Zu den genannten Elementen der Emotion wird häufig die motivationale Komponente hinzugefügt. Diese beinhaltet, „dass nahezu alle Emotionszustände starke motivationale Auswirkungen haben und differenzierte Verhaltenstendenzen hervorrufen“ (Scherer 1997, 13).

Um Emotionen genauer zu untersuchen, werden sie in states und traits unterteilt. Diese Begriffe können als momentane oder vorübergehende und als habituelle oder überdauernde Zustände oder auch als Eigenschaft ins Deutsche übertragen werden (vgl. Frenzel/Stephens 2011, 22; Izard 1994, 21). Die Bezeichnungen unterscheiden sich hauptsächlich in Bezug auf die Dauer, jedoch nicht in Bezug auf die Qualität des Emotionserlebens. Folglich sind states Zustände von beschränkter Zeit, die in verschiedener Intensität auftreten können (vgl. Izard 1994, 22). Im Vergleich dazu werden traits als „persönlichkeitsbasierte[...] Neigungen, in verschiedenen Situationen stärker oder weniger stark mit bestimmten Emotionen zu reagieren“ (Frenzel/Stephens 2011, 22) beschrieben.

Sowohl in der Wissenschaft als auch im allgemeinen Sprachgebrauch werden Emotionen häufig als positiv oder negativ bewertet, um sie nach ihren Konsequenzen zu klassifizieren. Diese Einteilung muss jedoch mit Bedacht geschehen, da bei genauerer Untersuchung deutlich wird, dass einige Emotionen nicht nur, wie beispielsweise bei Furcht zuerst vermutet, negative, sondern auch positive Folgen (z.B. Überleben) haben können (vgl. Izard 1994, 25). Die Eigenschaft der Emotion „hängt ab von intraindividuellen Prozessen zwischen Person und Umgebung wie auch von allgemeineren ethologischen und ökologischen Bedingungen“ (ebda).

2.1.2 Entstehung

Zur Entstehung von Emotionen liegen verschiedene Theorien vor, welche im Folgenden kurz skizziert werden. Beim biologischen Ansatz wird davon ausgegangen, dass es sich bei Emotionen um „adaptive Verhaltensweisen, die sich evolutionsgeschichtlich herausgebildet haben“ (Rothermund/Eder 2011, 186), handelt. Diese Annahme wird allerdings häufig kritisiert, da biologische Forschungen zwar auf Gehirnaktivitäten und Verhaltensweisen des Menschen im Bezug auf Emotionen eingehen, jedoch soziale und kognitive Elemente außer Acht lassen. Folglich wurde der kognitive Ansatz herausgearbeitet, welcher besagt, dass Emotionen auf Interpretationen der Umwelt basieren (vgl. ebda). Solche „kognitive[n] Bewertungsprozesse von Situationen, Tätigkeiten oder der eigenen Person“ (Frenzel/Stephens 2011, 33) werden Appraisals genannt. Wichtige Elemente für die Entstehung von Emotionen sind dabei die persönliche Relevanz, die Übereinstimmung mit eigenen Zielen und die Attribution einer Situation (vgl. Rothermund/Eder 2011, 187). Je nach Konstellation dieser Appraisals entstehen verschiedene Emotionen (vgl. Frenzel/Stephens 2011, 33). Als weiterer Ansatz wird der konstruktivistische genannt. Dabei wird davon ausgegangen, dass „Emotionen aus sozio-kulturell vereinbarten Kategorisierungen von unspezifischen affektiven Zuständen hervorgehen“ (Rothermund/Eder, 181). Dieser Ansatz grenzt sich also durch die Annahme einer Reaktionsveränderung innerhalb einer Emotion von den zuvor erläuterten Theorien ab. Emotionen basieren nach diesem Ansatz auf Basisaffekten, welche der Mensch verschieden kategorisiert. Das Erleben eines Ereignisses wird folglich dadurch bestimmt, dass „sie in ein emotionales Skript passen“ (Rothermund/Eder 2011, 195), welches sich auf eine charakteristische Reaktion, wie beispielsweise Angst oder Freude, bezieht (vgl. Rothermund/Eder 211, 190ff.).

2.1.3 Funktionen und Wirkungen

Emotionen werden verschiedene Wirkungen und Funktionen zugeschrieben werden, die sowohl inter- als auch intrapersonal sein können. Zur Verdeutlichung werden diese nach Rothermund und Eder (2011) in drei Kategorien unterteilt. Zunächst haben Emotionen eine handlungsleitende Funktion: der Mensch gestaltet sein Handeln dahingehend, dass wichtige Situationen bewältigt werden können. Basierend auf verschiedenen Studien stellen die Autoren fest, dass durch Emotionen „das Verhalten über breite motivationale Orientierungen, die der Person ein Aufsuchen von positiv bewerteten Situationen und ein Meiden von negativ bewerteten Situationen nahelegen“ (177), kontrolliert und reguliert wird. Darüber hinaus wirken Emotionen auch informierend. Dabei wird die Aufmerksamkeit auf Probleme und Möglichkeiten gelenkt, welche für die Person relevant sind. Diese Steuerung hin auf emotionale Reize und Situationen führt dazu, dass emotionale Handlungen eher im Gedächtnis bleiben als andere (vgl. Rothermund/Eder 2011, 176ff.). Dies betrifft nicht nur positive, sondern auch negative Emotionen (vgl. Schmidt-Atzert 1996, 197ff.). Außerdem sind Emotionen auch deshalb informativ, weil sie Handlungen überwachen. Diese Kontrolle bezieht sich sowohl auf das Erreichen von Zielen als auch auf Auswirkungen von Handlungen und Urteilen (vgl. Rothermund/Eder 2011, 177). „Je nach Situation können unterschiedliche Ereignisse im Wechsel der Gefühle emotional hervortreten und auf eine Berücksichtigung in der Verhaltensregulation drängen“ (Rothermund/Eder 2011, 177). Schmidt-Atzert (1996) geht bezüglich der Folgen von Emotionen auf die Aufmerksamkeit noch einen Schritt weiter. Er stellt fest, dass negative Emotionen zu einer Selbstaufmerksamkeit führen, also zu einer Orientierung nach innen (vgl. 178f.).

Als weitere Funktion wird Emotionen eine sozial-kommunikative zugeschrieben. Darunter ist zu verstehen, dass Interaktionen mit anderen Menschen durch Emotionen geleitet werden, da durch sie Befindlichkeiten ausgedrückt und Verhaltensweisen von Mitmenschen impliziert werden (vgl. Rothermund/Eder 2011, 180). Beispielsweise wird durch positive Emotionen die Hilfsbereitschaft gegenüber anderen Menschen unterstützt, wohingegen Aggressionen häufig durch negative Emotionen bewegt werden (vgl. Schmidt-Atzert 1996, 205ff.). Funktionen von Emotionen sind folglich nicht immer nur positiv, sondern können auch negative Folgen haben. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Ängste zur Vermeidung von eigentlich relevanten Handlungen führen (vgl. Rothermund/Eder 2011, 180). Rothermund und Eder (2011) fassen deshalb zusammen: „Der Übergang von einer funktionalen zu einer dysfunktionalen Emotion ist somit fließend und von den Anforderungen der jeweiligen Situation abhängig“ (ebda).

2.2 Angst

2.2.1 Begriffsklärung

Angst gehört zu den am häufigsten und ausführlichsten behandelten Emotionen. Da in der Literatur zahlreiche Angsttheorien vorliegen und dieses Konstrukt sehr komplex ist, kann keine eindeutige Definition vorgefunden werden (vgl. Lazarus-Mainka/Siebeneick 2000, 12). Angst wird allgemein als „ein unangenehmes Gefühl, das in Situationen auftritt, die als bedrohlich eingeschätzt werden“ (Schwarzer 1993, 88), beschrieben. Diese bedrohliche Situation kann unterschiedlich wahrgenommen und von verschiedener Natur sein (vgl. ebda). Eine Definition nach Ulich (1989) gibt eine spezifischere Beschreibung wieder:

„Angst ist ein emotionaler Zustand seelischer Belastung, der in allen sozialen und dinglichen Umwelt- sowie Zukunftsbezügen auftreten kann. Angst besteht darin, dass eine Belastung (im weitesten Sinne) antizipiert wird, und dieses Erleben stellt selbst eine Belastung dar“ (211).

Folglich bezieht sich Angst auch auf zukünftiges Geschehen, wobei diese Tatsache bereits in der Gegenwart zu diesem „unangenehmen Gefühl“ führt.

2.2.2 Besorgnis und Aufgeregtheit

Zu speziellen Komponenten der Angst zählen Besorgnis und Aufgeregtheit. Diese werden in der Angstforschung meist getrennt voneinander untersucht, besonders wenn sich die Angst auf Leistung bezieht. Der Grund dafür ist, dass diese Emotion Leistung behindern kann, was aber hauptsächlich nur durch einzelne Komponenten der Angst zustande kommt (vgl. Schwarzer 1993, 96). Besorgnis ist ein kognitiver Bestandteil der Angst und „beinhaltet unkontrollierbare negative Gedanken bezüglich zukünftiger Ereignisse“ (Essau 2003, 25). Der besorgniserregende Reiz ist folglich noch nicht vorhanden, sondern besteht nur kognitiv, „im Sinne von sich Sorgen machen“ (Heim-Dreger 2007, 15). Natürliche Besorgnis ist also für die Vorbereitung auf Begebenheiten, die in der Zukunft liegen, von Bedeutung (vgl. Essau 2003, 25f.). Als wesentliche Elemente von Besorgnis werden „Misserfolg in Verbindung mit Fremd- und Selbstbewertung sowie ungünstige Attribution des erwarteten Leistungsergebnisses“ (Lange/Kuffner/Schwarzer 1983, 131) genannt. Diese können sich negativ auf zu erbringende Leistungen auswirken (vgl. Heim-Dreger 2007, 15). Ähnliche Komponenten von Besorgnis bringt auch Krohne (1996) an: „Selbstzweifel, Sorgen und negative Erwartungen“ (18). 1994 haben Freeston und Mitarbeiter eine Befragung zu Ursachen von Sorgen durchgeführt. Dabei konnte festgestellt werden, dass zum einen die Überzeugung, durch Sorgen negative Situationen vorbeugen zu können, bzw. deren Auswirkungen einzudämmen, als Grund für Besorgnis angegeben wird. Zum anderen sehen die teilnehmenden Studenten Besorgnis als ein Mittel zur Lösung von Schwierigkeiten und zur Steigerung der Kontrolle (vgl. Stöber 1996, 33). Aufgeregtheit gilt als emotionales Element der Angst, womit „die subjektive Wahrnehmung von physiologischer Erregung gemeint“ (Lange/Kuffner/Schwarzer 1983, 163) ist. Diese drückt sich beispielsweise durch das Bemerken von Herzklopfen oder eines unangenehmen Empfindens im Magen aus (vgl. ebda). Heim-Dreger (2007) schließt darüber hinaus auch die Einschätzung dieser körperlichen Erscheinungen im Begriff der Aufgeregtheit mit ein (vgl. 15f.). Wird eine Bedrohung des Körpers befürchtet, steigert sich die Aufgeregtheit, wie Morris und Liebert (1973) herausfinden konnten (vgl. Krohne 1996, 16).

2.2.3 Bereiche der Angst

Schwarzer (1993) unterteilt die Emotion Angst in drei verschiedene Bereiche. Die Existenzangst beinhaltet die Angst zu sterben, verletzt zu werden und die „Angst vor dem Unheimlichen“ (104). Diese Form von Angst entsteht durch die Erfahrung von bedrohlichen Situationen, die insbesondere die körperliche Gesundheit beeinträchtigen.

Als weiterer Faktor von Angst gilt die soziale Angst (vgl. ebda). Melfsen und Walitza (2013) sehen in der sozialen Angst mehrere unterschiedliche Konzepte, wie „soziale Entwicklungsängste, das Fremdeln, die Verhaltenshemmung (behavioral inhibition), Schüchternheit, soziale Kompetenzdefizite und das klinische Störungsbild der Sozialen Phobie“ (27). Folglich lassen sich viele Komponenten der sozialen Angst festmachen. Zur Vereinfachung soll im Folgenden auf jene Aspekte näher eingegangen werden, welche für die vorliegende Arbeit von Belang sind. Nach einer Definition von Schwarzer (1993) ist soziale Angst „die Besorgnis und Aufgeregtheit angesichts von sozialen Situationen, die als selbstwertbedrohlich erlebt werden“ (118). Eine soziale Situation schließt die Präsenz anderer Personen mit ein, mit welchen eine Interaktion nötig ist. Diese kann auch einen negativen Ausgang, wie z.B. das Vermindern des Ansehens, haben. Somit fühlt sich eine sozial ängstliche Person bezüglich ihres Selbst bedroht (vgl. Schwarzer 1993, 134f.). Je nach Anzahl der Personen, dem Verhalten derer oder dem Vertrautheitsgrad wird eine Situation eingeschätzt und dadurch gegebenenfalls soziale Angst ausgelöst. Das ist beispielsweise in einer Leistungssituation, in welcher die entsprechende Person beobachtet wird, der Fall. Soziale Angst äußert sich u.a. in Form von Verlegenheit oder Scham, was z.B. am Erröten oder dem Verhüllen des Gesichts zu erkennen ist (vgl. Schwarzer 1993, 118f.). Eine weitere Kategorie ist die Publikumsangst: „Die Aufteilung einer Gruppe in aktiv Handelnde und passiv Beobachtende rückt einige oder wenige Personen ins Rampenlicht und unterzieht sie einer impliziten oder expliziten Bewertungsprozedur“ (Schwarzer 1993, 125). Neben Ausdrucksweisen wie Unsicherheiten beim Sprechen oder auffällige Gestik drückt sich Publikumsangst auch in Form von fehlender Organisation aus. Die betreffende Person empfindet dabei eine Besorgtheit sowohl in Bezug auf die Bewertung des Verhaltensniveaus durch Außenstehende als auch auf eine Missbilligung oder Zurückweisung durch jene. Die Ausprägung der Publikumsangst hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen betreffen diese das Verhalten und die Zusammensetzung des Publikums, und zum anderen ist ausschlaggebend, ob häufiger vor anderen Menschen gesprochen wird oder ob dabei noch keine Routine vorhanden ist (vgl. Schwarzer 1993, 125f.). Publikumsangst ist vor einer öffentlichen Situation, in der gehandelt werden soll, am stärksten, weil die Erwartungen hoch erscheinen und die Person sich selbst angreifbar vorkommt. Beginnt die betreffende Person z.B. zu reden, verringert sich die Angst merklich, da das Interesse weg von sich selbst und mehr auf das Thema geleitet wird. Darüber hinaus kann sich soziale Angst auch in Form von Schüchternheit zeigen. Zusammenfassend greift Schwarzer (1993) auf Zimbardo (1977) zurück: „Schüchternheit macht es schwierig, neue Kontakte zu knüpfen, […] begünstigt Selbstaufmerksamkeit und eine ständige Voreingenommenheit mit der eigenen Person […], beeinträchtigt die Kommunikation und führt zur Desorganisation des Verhaltens“ (Schwarzer 1993, 128). Manche dieser Eigenschaften stimmen folglich mit denen der Publikumsangst überein. Daraus lässt sich schließen, dass sich die einzelnen Formen der sozialen Angst nicht immer klar voneinander trennen lassen.

Als dritte Art der Emotion Angst nennt Schwarzer (1993) die Leistungsangst, welche teilweise auch mit den anderen beiden Formen übereinstimmen kann. Sie wird als „Besorgtheit und Aufgeregtheit angesichts von Leistungsanforderungen, die als selbstwertbedrohlich eingeschätzt werden“ definiert (Schwarzer 1993, 105). Durch Leistungsangst kommt es dazu, dass die Aufmerksamkeit einer Person nicht mehr nur dem Lösen eines Problems oder dem Erbringen einer Leistung gewidmet wird. Die Aufmerksamkeit verschiebt sich vielmehr auf die eigene Person. Darüber hinaus werden auch Bewertungen auf sich selbst bezogen, womit Versagensängste einhergehen. Dadurch kommt es zu einer Geringschätzung des Selbstwertes, die für die betreffende Person von ihr selbst ausgelöst worden zu sein scheint (vgl. ebda). Folglich kommt es in Bewertungssituationen zu Ängsten, die sowohl bei Erfolg als auch bei einem Misserfolg auftreten: konnte ein Erfolg verbucht werden, bleibt weiterhin die Sorge, dieses Handeln nicht auch weiterhin einhalten zu können. Trotzdem dient dieser als Motivation, da deutlich wird, dass durch Anstrengung ungünstige Einschätzung von anderen vermieden werden können. Bei einem Misserfolg ist die betreffende Person um eine Einschätzung von außen besorgt, welche nicht positiv ausfallen könnte. Folglich kommt es zu einer Selbstabwertung, welche mit Hoffnungslosigkeit und den Gedanken, aufzugeben, verbunden ist. Eine weitere Komponente, welche mit Leistungsangst zusammenhängt, ist die Kausalattribution. Hier fällt diese so aus, dass eine leistungsängstliche Person einen Erfolg nicht oder nur teilweise sich selbst und dem eigenen Können zuschreibt, wobei im Fall eines Versagens die Verantwortung ganz bei der eigenen Person liegt (vgl. Schwarzer 1993, 106ff.).

2.2.4 Ausdrucksweisen

Specht-Tomann (2007) ordnet Angst in vier verschiedene Ebenen ein, um verschiedene Auftretensweisen aufzeigen. Die körperliche Ebene drückt sich beispielsweise durch Muskelanspannungen oder eine erhöhte Atemfrequenz aus (vgl. 15). Dies sind Anzeichen dafür, dass das sympathisch-vegetative Nervensystem angeregt wurde. Weitere Anhaltspunkte dafür sind eine Verfärbung des Gesichts infolge eines erhöhten Blutdrucks oder die Produktion von Angstschweiß. Diese und weitere körperliche Anzeichen basieren auf dem System der „flight-and-fight-reaction“. Damit ist gemeint, dass der Körper Maßnahmen vornimmt, um möglichst schnell eine Flucht- oder Kampfstellung einzunehmen, sobald eine bedrohliche Situation erkannt wird (vgl. Hülshoff 2001, 59). Hinzu kommt die kognitive Ebene, welche Erwartungen oder Urteile beinhaltet. Die Verhaltensebene der Angst drückt sich durch motorische Wirkungen wie z.B. Kämpfen aus. Zuletzt wird die Gefühlsebene genannt, mit welcher u.a. Ungewissheit oder Machtlosigkeit gemeint sind (vgl. Specht-Tomann 2007, 15). Diese Vielfalt an Formen der Angst lässt es logisch erscheinen, dass ein Angstzustand eines Menschen nicht immer von anderen realisiert wird, da dies nach außen nicht unbedingt wahrnehmbar ist. Deshalb ist das sprachliche Mitteilen solcher Erlebnisse von großer Bedeutung. Desweiteren kann Angst an den Handlungen der betreffenden Person festgemacht werden, beispielsweise an einer Flucht. Zusätzlich kann Angst auch in Form des Körperausdrucks mitgeteilt werden. Dabei kommt Mimik und Gestik sowie der Stimme eine bedeutende Rolle zu (vgl. Schwarzer 1993, 88f.). Obwohl folglich einige Mitteilungsebenen der Angst vorliegen, wird in der Diagnostik überwiegend die verbale Möglichkeit in Form von Fragebögen genutzt (vgl. Schwarzer 1993, 92). Das lässt sich u.a. auch damit begründen, dass Angst „vor allem als Kognitionsinhalt von Bedeutung [ist], und dies lässt sich sprachlich einigermaßen zutreffend mitteilen, sofern die Person dazu bereit ist“ (ebda).

2.2.5 Unterschiede bezüglich Geschlecht

Darüber hinaus greift Schwarzer (1993) die Frage nach Geschlechterunterschieden hinsichtlich von Angst auf. Dabei konstatiert er höhere Ergebnisse für Mädchen als für Jungen, wenn es um eine Untersuchung dieser Emotion mit Hilfe eines Angstfragebogens geht. „Deswegen müssen sie aber in realen Situationen nicht unbedingt ängstlicher reagieren. Die Unterschiede lassen sich eventuell darauf zurückführen, dass Mädchen eher bereit sind, Angst einzugestehen, weil dies mit ihrer Geschlechtsrolle durchaus vereinbar ist“ (102). Auch Lazarus-Mainka und Siebeneick (2000) stellen nach Untersuchung verschiedener Studien fest, dass sich das weibliche Geschlecht ängstlicher einschätzt als es Männer tun. Gründe hierfür werden nicht nur in der Biologie hinsichtlich des unterschiedlichen Körperbaus, sondern auch in der unterschiedlichen Sozialisierung gesucht. Darüber hinaus werden auch „die Tatsache, dass die Frau in einer von Männern dominierten Welt lebt“ (Lazarus-Mainka/Siebeneick 2000, 353) und die Geschlechterrolle als mögliche Begründungen aufgeführt. Außerdem scheinen Frauen ihr Selbstwertgefühl niedriger einzuschätzen als Männer, was ebenfalls ein Auslöser für erhöhtes Angstempfinden sein kann (vgl. Lazarus-Mainka/Siebeneick 2000, 353f.). Mack und Schröder (1979) weisen mit ihrer Studie allerdings darauf hin, dass Mädchen ihr Angstverhalten in Fragebögen realitätsnaher angeben als Jungen. Dies wurde durch einen Angstfragebogen in Verbindung mit einer Venen-Blutabnahme untersucht. Demnach haben Jungen in einer angstauslösenden Situation mehr Angst, als sie im Fragebogen zuvor zugegeben hatten (vgl. 368ff.).

2.3 Freude

2.3.1 Begriffsklärung

Freude wird zwar den positiven Emotionen zugeordnet, der genaue Definitionsrahmen ist in der Literatur bisher aber noch nicht genauer präzisiert (vgl. Mayring 2009, 585f.). Mayring (2009) beschreibt Freude als einen „emotionale[n] Zustand des sich gut Fühlens. Er ist an konkrete Situationen gebunden, eher kurzfristig, bei wachem Bewusstsein, mit Vitalität und Lebendigkeit verbunden“ (587). Außerdem bezeichnet der Autor in einer weiteren Publikation (1991) die Emotion Freude als Wohlbefindensfaktor unter dem Überbegriff Subjektives Wohlbefinden. Ähnlich wie in der vorangegangenen Definition wird Freude als ein aktueller Zustand (state) angesehen, der sich aber von den Bezeichnungen Belastungsfreiheit, Glück und Zufriedenheit abgrenzt (vgl. 52f.). In der vorliegenden Arbeit soll Wohlbefinden ebenfalls als ein Begriff verwendet werden, der mitunter auch die Emotion Freude beinhaltet.

Nach einer Arbeitsdefinition Izards (1994) kann Freude als „vielleicht das, was nach irgendeiner kreativen oder sozialen nutzbringenden Tat herrscht, die nicht mit dem ausdrücklichen Ziel vollbracht worden ist, Freude zu erlangen oder Gutes zu tun“ (272) charakterisiert werden. Daraus lässt sich schließen, dass Freude mehr als ein Nebenprodukt auftritt, als dass sie durch bestimmte Anstrengungen erzielt werden kann. Sie kann zwar dadurch entstehen, jedoch gibt es kein verlässliches Auftreten von Freude (vgl. Hülshoff 2001, 104). Desweiteren verbindet Izard (1994) folgende Begriffe mit der dargestellten Emotion: persönliche Bedeutsamkeit, Selbstvertrauen, Zufriedenheit und Akzeptierung. Durch die ersten beiden wird das Gefühl vermittelt, im Leben auftretende Probleme bezwingen zu können. Zufriedenheit, welche in Verbindung mit Freude Auftritt, bezieht sich sowohl auf die eigene Person als auch auf das Umfeld. So verhält es sich auch mit der Akzeptierung: nicht nur die Annahme und Anerkennung seiner selbst, sondern auch die der sozialen Umgebung und der Welt an sich sind von Bedeutung (vgl. Izard 1994, 271f.).

Schutz (1973) beschreibt die Emotion Freude als

„die Empfindung, die sich einstellt, wenn die in einem Menschen angelegten Möglichkeiten Erfüllung finden. Eine solche Erfüllung gibt dem Einzelnen das Gefühl, dass er seiner Umwelt gewachsen ist; er gewinnt Selbstvertrauen und fühlt sich als ein bedeutender, kompetenter, liebenswerter Mensch, der in der Lage ist, alle sich ergebenden Situationen zu meistern, von seinen Fähigkeiten uneingeschränkten Gebrauch zu machen und seine Empfindungen frei auszudrücken“ (13).

Somit charakterisiert der Autor Freude ähnlich wie Izard, jedoch liegt der Schwerpunkt stärker auf den eigenen Fähigkeiten des Menschen, wodurch das Erreichen von Freude eher garantiert erscheint als es in der zuvor genannten Definition deutlich wird.

Hülshoff (2001) bezieht seine Beschreibung von Freude stärker auf soziale Beziehungen. Für ihn

„kann Freude als ein Gefühl verstanden werden, das durch Selbstvertrauen und das Gefühl, geliebt zu werden und liebenswert zu sein, charakterisiert ist, vertrauensvolle Beziehungen zu anderen ermöglicht und insofern unsere Bereitschaft zu sozialen Bindungen einerseits und Aktivitäten (Spiel, Arbeit usw.) andererseits erhöht“ (105).

[...]


[1] Die hier verwendeten Zitate und Anlehnungen an die jeweils genannte Literatur wurden der aktuellen Rechtschreibung angepasst, wodurch Veränderungen zum Originaltext entstehen können.

Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Angst und Freude in schulspezifischen Kontexten
Untertitel
Eine Untersuchung zu Zusammenhängen mit Schulnoten
Hochschule
Pädagogische Hochschule Weingarten
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
48
Katalognummer
V302291
ISBN (eBook)
9783668009776
ISBN (Buch)
9783668009783
Dateigröße
641 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schulnoten, Angst, Freude, Unterricht, Emotionen
Arbeit zitieren
Sonja Schneider (Autor:in), 2013, Angst und Freude in schulspezifischen Kontexten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302291

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