Mediale Diskurse zur deutschen Prostitutionsgesetzgebung


Bachelorarbeit, 2014

70 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Prostitution: Begriffsbestimmung

2 Historischer Abriss

3 Lagebild Prostitution
3.1 Situation Global
3.2 Die Deutsche Prostituionsgesetzgebung
3.3 Zwangsprostitution

4 Forschungsstand

5 Methode
5.1 Untersuchungsgegenstand und Fragestellung
5.2 Forschungsmethode: Wissensoziologische Diskursanalyse
5.3 Datenerhebung und -auswertung

6 Die Debatte zum Prostitutionsgesetz
6.1 „Abschied von der Doppelmoral“
6.2 Der liberale Diskurs
6.3 Die Bürgerliche Hure
6.4 Die dunkle Seite der Prostitution

7 Die Prostitutionsdebattte
7.1 Das Scheitern des Prostitutionsgesetzes: „Das Rotlichtviertel Europas“
7.2 Die osteuropäische Zwangsprostituierte
7.3 Der egalitäre Diskurs
7.4 Der revidierte liberale Diskurs

8 Vergleich und ideologische Hintergründe der Prostitutionsdiskurse
8.1 Die Gesellschaftsbilder im liberalen und egalitären Diskurs
8.2 Der konservative Diskurs
8.3 Die Entdeckung des Freiers
8.4 Die (Re)Produktion geschlechtsspezifischer Sexualität

9 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang: Verzeichnis des analysierten Textkorpus

Einleitung

Die vorliegenden Arbeit widmet sich dem Thema Prostitution. Ein Thema, dass ebenso Unbehagen wie Faszination auslöst. Als unzugängliche Subkultur in der alle geltenden Sexualitäts- und Geschlechternormen außer Kraft gesetzt sind, als Reich einer rohen Sexualität, losgelöst von aller sozial genormten Verknüpfung der Sexualität an Liebe, Zuneigung und Geschlechtersymetrie. Aber auch als Ort des Verbrechens, als Spiegelbild für die Herrschaft und Dominanz des Mannes in einer sexistischen Gesellschaft, als Ausdruck des allgemeinen Sittenverfalls und als Herabminderung der Sexualität in einer durchsexualisierten Gesellschaft, in der Sex zum kommerziellen Konsumobjekt verkommen ist, steht Prostitution ebenso im gesellschaftlichen Fokus, wie sie zugleich tabuisiert wird. Nach einem geschichtlichen Abriss der Prostitution und der Darstellung der heutigen Situation, geht es im Hauptteil der Arbeit um die medialen Diskurse zur Prostitutionsgesetzgebung. Analysiert wird die Debatte 2001, welche die Schaffung des Prostitutionsgesetzes zum Anlass hatte und der Debatte 2013, wo eben dieses Gesetz in starke Kritik geriet. Es soll der Frage nachgegangen werden, welcher Wandel und welche Konstanten in der Wahrnehmung und Bewertung in Bezug auf Prostitution zu verzeichnen sind und welcher gesetzliche Umgang daraus abgeleitet wird.

In der Arbeit werden die medialen Diskurse als Arena von Definitionskämpfen mit antagonistischen Deutungsmustern nachgezeichnet, die alternative Gesetzgebungen propagieren. Es werden wie dahinterstehenden Ideologien und Menschenbilder analysiert und aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen sich in Deutschland ein Modell durchsetzen und behaupten konnte, die eine Legalisierung und Regulierung der Prostitution vorsieht.

1 Prostitution: Begriffsbestimmung

Das Wort „Prostitution“ hat seinen Ursprung im lateinischen Verb „prostituere“, was so viel „nach vorn stellen, zur Schau stellen, sich preisgeben, sich bloßstellen“ (Frohnert 1991: 98) bedeutet. Der Begriff bezeichnet die Verübung sexueller Handlungen an einer anderen Person gegen ein Entgelt.

Mit der Prostitution im heutigen Sinne similäre Formen finden sich bereits in den Naturvölkern als Brautpreis. Hier erhält Familie der Braut im Zuge der Eheschließung ein Entgelt von der Familie des Bräutigams (Frohnert 1991: 98). Aber auch in der Form der Gastprostitution, bei der die Frau verpflichtet ist, sich dem Gast ihres Mannes zur Verfügung zu stellen und der Tempelprostitution, bei der Frauen zur rituellen Huldigung einer Gottheit verpflichtet werden, sexuelle Handlungen zu vollziehen. Weiters ist von Prostitution auch das Mätressenwesen, als eine auf Dauer gestellte Art einer entgeltlichten sexuellen Beziehung unterscheiden. Um die Prostitution im heutigen Verständnis, gegenüber diesen Varianten, aber auch gegen sexuelle Gefälligkeiten innerhalb einer Partnerschaft, die mit dem Ziel erfolgen, daraus einen nicht-sexuellen Nutzen zu ziehen, oder der sexuellen Ausbeutung von Mägden und Sklavinnen, abzugrenzen, müssen weitere Einschränkungen vollzogen werden. Für die Prostitution im engeren Sinne, die man auch als gewerbliche Prostitution bezeichnen kann (Ringdal 2006: 19), ist charakteristisch, dass die gegen ein Entgelt angebotene sexuelle Handlung geschäftsmäßig ist, d. h., die sexuelle Beziehung ist zeitlich begrenzt und wird nicht nur einem einzelnen Mann, sondern der Männerwelt im Ganzen angeboten[1]. Die Prostituierte und ihr Kunde haben deshalb in der Regel keine persönliche Beziehung zueinander und bleiben dem anderen gegenüber Anonym (vgl. Girtler 2004: 277 f.). Dieser Definition nach spielt es keine Rolle, ob die Prostitution freiwillig geschieht oder wie groß der Anteil des Entgelts ist, den die Prostituierte erhält. In Unterscheidung zur sexuellen Verfügung über Sklaven verpflichtet sich der Kunde jedoch ein Entgelt, zu zahlen, unerheblich wer es erhält.

2 Historischer Abriss

Die ersten Schriftlichen Zeugnisse von Prostitution finden sich, in Form der Tempelprostitution im babylonischen Gilgamesch-Epos (Ringdal 2006: 16ff.). Aber auch in Indien, Ägypten, Kleinasien, Zypern und Griechenland wurden sakrale Formen von Prostitution zur Huldigung der lokalen Liebes- oder Fruchtbarkeitsgöttin vollzogen (Von Braun 2006: 30 ff.). Der kultische Geschlechtsverkehr wurde meist zwischen Priesterinnen und Priestern praktiziert. Aber auch Formen in denen Sklavinnen oder Jungfrauen zur Tempelprostitution verpflichtet wurden sind überliefert. Der griechische Historiker Herdot berichtet über Babylon, dass sich dort jedes Mädchen einmal in ihrem Leben vor den Tempel der Liebesgöttin Mylitta setzen musste, und nicht eher heimkehren durfte, bevor nicht ein fremder Mann ihr eine Geldmünze, gleich welchen Wertes, in den Schoß geworfen, und sie anschließend fernab des Heiligtums entjungfert hatte (ebd.). Zwar diente die Tempelprostitution einem höheren Zweck, da allerdings meist auch Geld eine Rolle spielte, kann man legitimerweise in einem weiteren Sinne von Prostitution reden. Die hinter den verschiedenen Ritualen steckende Intension war, dass durch die opfernde, heilige Hingabe der Frauen, die Götter milde gestimmt, und den Frauen Fruchtbarkeit verliehen werden sollte (Feustel 1993: 14). Darin lässt sich in dieser Form der sakralen Prostitution eine Substitution des Menschenopfers erkennen, sie stellt aber auch den Übergang zur profanen Prostitution dar (Von Braun 2006: 30).

Nicht-sakrale Formen der Prostitution sind seit dem 7. Jahrhundert vor Christus belegt (Frohnert 1991: 99), eine neue Dimension erreichte sie durch den athener Staatsmann Solon, der 594 v.Chr. das erste staatliche Bordell errichten ließ, dessen zahlreiche weitere folgen sollten. Zum einen in der Absicht Einnahmen für den Staat zu generieren, zum anderen aber auch mit dem Ziel, ehrbare Frauen vor Belästigungen zu Schützen (Girtler 2004: 282; Ringdal 2006: 76). Neben den staatlichen Bordellen begannen sich auch private Bordelle und ein Straßenstrich zu etablieren. Auch männliche Prostituierte boten ihre Dienste feil, wenn ihre Zahl auch deutlich geringer war. Die Dirnen und Stricher in diesen Bordellen und auf dem Straßenstrich rekrutierten sich meist aus Sklavinnen und Unfreien, aber auch aus freigelassenen Sklavinnen und Frauen aus der Unterschicht. (Ringdal 2006: 79) Ihre Kunden stammten in der Regel ebenfalls aus den niederen Gesellschaftsschichten, während sich für das Bürgertum eine eigene Form der Prostitution zu konstituieren begann, den sogenannten Hetären. Sie bestachen mit ihrem Charme und ihrer Bildung und ließen sich ihre Gesellschaft, die weit über den sexuellen Verkehr hinausging teuer Vergüten. Die Hetären waren bei ihren Kunden durchaus wählerisch, genossen mitunter hohes Ansehen und waren in die athener Oberschicht integriert. Oftmals gingen sie längerfristigen Beziehungen zu angesehenen athener Bürgern ein, von welchen sie sich aushalten ließen (Ringdal 2006: 79; Girtler 2004: 284f.).

Während die gemeinen Huren trotz einer toleranten Grundhaltung gegenüber Prostitution ein marginalisiertes Leben führten, genossen die Hetären ein hohes Ansehen und hatten oftmals sogar einen höheren Status als bürgerlichen Ehefrauen. Selbige mussten ein Zurückgezogenes Leben führen, derweil die Hetären an dem sonst für Männer vorbehaltenen öffentlichen Leben teilnahmen (Ringdal 2006 79ff.). Prostitution galt als fester Bestandteil der griechischen wie auch der römischen Gesellschaft, in deren Augen sie, durch die Befriedigung der männlichen Bedürfnisse, einen wichtige Aufgabe für die Allgemeinheit erfüllte (Feustel 1993: 30). Berühmt ist der Ausspruch des Römischen Senators Cato, der einem bekannten Patrizier den er aus dem Bordell kommen sah entgegnete: „Ich ehre dich für deine Tugend! Denn wenn eure Adern vor Lust anschwellen, ist es besser, ihr geht dort hinein – als euch an unseren ehrbaren Frauen zu vergreifen“ (Ringdal 2006: 86). Das Aufsuchen von Prostituierten war für römische Bürger mit keinerlei Makel behaftet, solange sich der Mann dabei diskret verhielt und der Hurerei fernab von seiner Ehefrau und seinen weiblichen Familienangehörigen nachging (Girtler 2004: 283 ff.) Mit der Christianisierung Roms wurde der Umgang mit Prostitution, wie auch mit promiskem Verhalten im Allgemeinen, rigider. Unter Kaiser Justian wurde es Patriziern Verboten Prostituierte zu heiraten. In öffentlichen Badehäusern wurde die Geschlechtertrennung eingeführt und die Tempelprostitution kam endgültig zum Erliegen. Zeitgleich wurde aber auch ein Rechtschutz vor Vergewaltigungen eingeführt und Heime errichtet, in denen ehemalige Prostituierte bekehrt werden sollten (Ringdal 2006: 128). Die Hure wurde zur Sünderin erklärt. Hierbei spielte es keine Rolle, ob eine Frau sich bezahlen ließ oder nicht. Promiskes Verhalten einer Frau genügte um sie als Hure anzuprangern. (ebd.: 144). Trotz der sexualfeindlichen Botschaft des Christentums und der gesellschaftlichen Ächtung der Dirnen, hatte auch im Mittelalter Prostitution ihren festen Platz in der europäischen Gesellschaft. Ort der Prostitution waren Badehäuser oder sogenannte Frauenhäuser, wie sie, unter Duldung der Kirche, in jeder größeren Stadt zu finden waren (Girtler 288ff.). Es herrschte die von Augustinus formulierte Vorstellung, der sich dabei explizit auf die römische Tradition berief: „Verbannt man Huren aus der menschlichen Gesellschaft, verbreitet sich die Geilheit überall“ (Ringdal 2006: 154). Prostitution sei, als „kleineres Übel“ zu tolerieren, „um ein größeres Übel, die Unzucht mit ehrbaren Frauen und Mädchen zu verhindern“ (Von Braun 2006: 35). Erst im Spätmittelalter sollten die von kirchlicher Seite propagierte Sittlichkeit aufgeweicht werden. Jungen Männern wurde unverhohlen der Bordellbesuch, als Option ihre Bedürfnisse zu stillen, nahegelegt. Zusammen mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft und dem expandieren der Städte, führte dies zu einer Blüte im Bereich des käuflichen Sex (Ringdal 2006: 160f.). Frauen aus sozialen Randgruppen sahen oftmals keine andere Alternative als sich zu prostituieren. In den streng patriarchalischen Gesellschaften der Antike und des Mittelalters war es für Frauen die nahezu einzige Möglichkeit Geld zu verdienen und ein freies, von Männern unabhängiges Leben zu führen. Allein im Paris des 15. Jahrhunderts kamen auf seine rund 100.000 Einwohner 4.000 in Zünften organisierte Prostituierte und schätzungsweise ebenso viele unorganisiert agierende Dirnen (ebd.: 167). Die Prostituierten waren zwar stigmatisiert wurden aber dennoch toleriert. Sie mussten sich, mit einer von Stadt zu Stadt abweichenden Kleiderordnung von den ehrbaren Frauen unterscheidbar machen. Elementare Rechte, wie das Erbrecht oder das Recht vor Gericht auszusagen, wurden ihnen verwehrt (ebd.: 168ff.). Anders als in der Antike, blieb die homosexuelle Prostitution, in der katholischen Lehre eine weitaus größere Sünde, als die heterosexuelle Prostitution, ein äußerst seltenes Randphänomen.

Mit der Reformation wurde auch die katholische Sexualmoral in Frage gestellt. Für den Protestantismus waren Zölibat und Jungfräulichkeit nicht mehr das höchste zu erstrebenden Gut. Der Ehe als Fundament der Gesellschaft wurde allerdings eine noch zentralere Funktion beigemessen als es im Katholizismus der Fall war. Zur selben Zeit brach mit der Syphilis eine Geschlechtskrankheit über Europa herein, für deren Existenz zuvorderst die Prostituierten verantwortlich gemacht wurden. Für Luther war die Hure ein, außerhalb der Gesellschaft stehendes Wesen, vom Teufel gesandt um Sünde und Verderben über die Christenheit zu bringen (ebd.: 205). Ziel der Protestanten war es der Unmoral Einhalt zu gebieten. Die katholische Kirche wollte derweil beweisen, dass sie in der Reinheit ihrer moralischen Ansprüche den Protestanten in nichts nachstehe. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mussten weiten Teilen Europas die Frauenhäuser schließen und es wurden Heime für die reuigen Sünderinnen gegründet. In manchen Gebieten wurde zeitweise sogar die Todesstrafe für Prostituierte verhängt (ebd.: 210ff.). Doch das Zeitalter der restriktiven Prostitutionspolitik währte nur kurz. Schon im 17. Jahrhundert sollte es, mit dem Auftreten eines neuen Prostituiertenthypus, der Kurtisane, zu einem erneuten Aufschwung kommen. Die Kurtisane erinnert in ihrem Habitus unzweifelhaft an die Hetären der Antike. Sie ist gebildet, eloquent und wählerisch was ihre Kunden betrifft. Ihre Kunden setzten sich aus der höfischen Aristokratie und dem aufstrebenden Bürgertum zusammen (ebd. 218ff.).

Das 19. Jahrhundert zeugte von einer ausgesprochenen Sexualfeindlichkeit, insbesondere gegenüber der weiblichen Sexualität. Dies schlug sich auch auf die medizinischen Ansichten jener Tage nieder. Verheirateten Frauen wurde geraten, nicht öfter als einmal im Monat Geschlechtsverkehr auszuüben. Derweil sollte der Mann mindestens jeden vierten Tag sexuell aktiv sein. Gleichzeitig wurde aber Masturbation von kirchlicher wie von ärztlicher Seite diskreditiert (Foucault 1983: 43). Zudem vermehrten sich mit dem industriellen Zeitalter Faktoren, die Prostitution wahrscheinlicher machten. Die ständig anwachsende Produktivität der Arbeit führte dazu, dass zuerst Frauen entlassen wurden. Im Proletariat herrschte Armut und Elend. Der Lohn des Vaters reichte in den kinderreichen Familien der Arbeiterklasse oftmals nicht aus, um die gesamte Familie zu ernähren. Dementsprechend mussten die Ehefrauen und Töchter dazu verdienen. Frauenarbeiten, wie Hand- und Näharbeiten Tätigkeiten als Dienstmädchen, Modistin oder Wäscherin standen auf der Lohnskala an unterster Stelle, weshalb sich Frauen oftmals als Prostituierte ein Zubrot verdienten (Bruns/Tilmann 2004: 316). Das Anwachsen der Städte sorgte für die nötige Anonymität. Täglich strömten neue mittellose Bauerntöchter ebenso in die Städte, wie Reisende und Kaufleute auf der Suche nach einem schnellen Vergnügen. Im Zusammenhang mit den enormen Ausmaßen der Prostitution, aber auch durch eine Reihe von Geschlechtskrankheiten, die Mitte des 19. Jahrhunderts überall in Europa grassierten, kam erstmals eine wirkliche Diskussion über Prostitution auf, in der eine Reglementierung gefordert wurde. Ein Verbot galt indes als nicht durchsetzbar. Auch, weil das Heiratsalter im Bürgertum bei rund 30 Jahre lag, jedoch nach wie vor vorehelicher Geschlechtsverkehr für bürgerliche Mädchen stark diskreditiert war, während heranwachsenden Buben ein ausleben ihrer Sexualität gestattet werden sollte (ebd.). In Frankreich wurde ein Modell der Reglementierung eingeführt, das unter anderem eine Meldepflicht, regelmäßige ärztliche Kontrollen und eine Anhebung des Mindestalters für Prostituierte vorsah. 1870 hatte sich das französische Modell in allen europäischen Ländern und Kolonien durchgesetzt (Ringdal 2006: 304). Christlichen Moralisten war dies allerdings nicht genug. Sie propagierten ein romantisches Ideal der Liebe, das sich ebenso gegen Vernunftehen richtete, wie gegen Untreue und Prostitution. Der Geschlechtsakt sollte ausschließlich als Äußerung der Liebe vollzogen werden. Die christlichen Sittenwächter koalierten in ihren Verbotsforderungen mit der aufstrebenden Frauenbewegung, die sich ebenfalls den Kampf gegen Prostitution auf die Fahnen geschrieben hatte (ebd. 308ff.). Christliche und feministische Gruppen stimmten darüber ein, dass die männliche Lüsternheit bekämpft werden müsse. Die Feministinnen sahen Prostitution nicht nur als eine Form der Sklaverei an und betrachteten die ärztlichen Kontrollen für Prostituierten als erniedrigend, sondern verschrieben sich auch dem Kampf gegen alles Unsittliche und Unmoralische (Sarasin 2001: 9). In Großbritannien konnten sich Prostitutionsgegner schlussendlich durchsetzen. 1886 wurde das Gesetz zur staatlichen Regulierung im Britischen Empire aufgehoben und Prostitution wurde verboten. Folge davon war weniger ein Rückgang der Prostitution, sondern vielmehr die Ausbreitung von venerischen Krankheiten (Ringdal 2006: 313f.).

Um die Jahrhundertwende suchten mehr Menschen als jemals zuvor ihr Glück in einer neuen Heimat und migrierten nach Amerika und die kolonialisierte Welt. Unter den Migranten herrschte ein großer Männerüberschuss, der sich in einer hohen Prostitutionsnachfrage ausdrückte. Die hohen Verdienstmöglichkeiten lockte nicht nur die einheimischen Frauen in die Prostitution, sondern auch Europäerinnen (ebd. 351). Aber auch unter den Männern nicht-europäischer Völker entwickelten sich europäische Frauen zu einem begehrten Objekt, da weiße Haut als Zeichen des Wohlstands galt. Nicht alle Frauen wanderten Freiwillig mit dem Ziel sich Prostituieren zu lassen aus. In skandalisierende Artikeln in die Dimensionen des 'weißen Sklavenhandels' größer dargestellt wurden als sie es in der Realität vermutlich waren, kamen antijüdische Ressentiments zum Tragen, da den Menschenhändler fast ausschließlich eine jüdische Herkunft zugeschrieben wurde (De Vries 2006: 134ff.).

3 Lagebild Prostitution

3.1 Situation Global

Heute ist Prostitution, von einigen indigenen Völkern abgesehen, in allen Gesellschaften der Welt zu finden. Die Gesetzgebung variiert indes von Land zu Land. Im Großteil Afrikas und Asiens, aber auch in fast allen US-Bundesstaaten ist Prostitution illegal. Die Umsetzung des Verbots kann in diesen Ländern von einer faktische Duldung bis hin zu einer aktiven Verfolgung unter restriktiven Strafen für Prostituierte reichen. In einer weiteren Reihe von Ländern ist Prostitution legal, da sie überhaupt nicht gesetzlich geregelt ist oder nur Bordelle und Kuppelei explizit verboten sind. Dahingegen herrscht in Mitteleuropa und Teilen Südamerikas ein Regulierungsmodell vor, in dem Prostitution unter bestimmten Auflagen legal ist. Teil der Regulierung kann es beispielsweise sein, dass Prostituierte dem Arbeitsrecht unterliegen, dazu verpflichtet sind sich registrieren zu lassen, sich regelmäßig Gesundheitsuntersuchungen unterziehen müssen oder dass Bordelle bestimmte gesetzliche Auflagen erfüllen müssen (vgl. Di Nicola et al. 2005: 15ff.). Währende Länder in den Ländern, in denen Prostitution illegal ist die nur Prostituierte oder beide Parteien zur Rechenschaft gezogen werden, wird in Schweden seit 1999 ein Modell erprobt, was mittlerweile auch in Norwegen und Island übernommen wurde, dass, während Prostituierte nicht belangt werden, den Kauf von sexuellen Dienstleistungen unter Strafe stellt und. Das 1998 in Kraft getretene Gesetz definiert Prostitution generell als entwürdigend. Der Kauf von sexuellen Dienstleistungen wird als gewalttätiger Akt angesehen, der mit bis zu 6 Monaten Haft bestraft werden kann (ebd.: 99ff.).

Es wird davon ausgegangen, dass sich in weiten Teilen Ozeaniens, Amerikas, Süd-Ostasiens und Schwarzafrikas Prostitution bis vor wenigen Jahrhunderten noch unbekannt war und sich erst in der Neuzeit, unter arabischen, chinesischen und vor allem europäischen Einfluss zu verbreiteten begann (Ringdal 2006: 231ff.). Als Begründung für das Abhandensein von Prostitution können verschiedene Erklärungen angeführt werden. Die Erdteile in denen käuflicher Sex unbekannt gewesen ist, waren von Naturvölkern geprägt, die sich durch ein geringes Maß an sozialer Differenzierung und weitgehendes Fehlen eines Städte- und Geldwesens auszeichneten. Aber auch der Umstand das es sich bei dieser viele Stammesgesellschaften, im Gegensatz zu den patriarchalischen Hochkulturen Europas und Asiens, um Völker mit einem hohen Maß an Gleichberechtigung oder gar um matriarchalische Gesellschaften handelt, könnte als Ursache für das Fehlen von Prostitution betrachtet werden. Wahrscheinlich ist auch, dass ein promiskeres Sexualverhalten zum Ausbleiben von Prostitution beiträgt. Die Argumentation dahinter ist simpel, wo ein Angebot an unverbindlichem kostenlosem Sex existiert, sinkt die Nachfrage nach zahlungspflichtigem Sex. In den Jahren zwischen 1870 und 1930 erreichte die Prostitution global gesehen seinen historischen Höchststand, bis deren Ausmaße anschließend wieder zu schwinden begannen (Ringdal 2006: 351). Laut einer Erhebung des Department of Justice Prostituierte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA jede 50. Frau im Alter von 20 bis 30 Jahre. Die zunehmende sexuelle Emanzipation der Frauen, die liberaler werdende Sexualmoral, die Enttabuisierung von vorehelichem Geschlechtsverkehr, aber auch das Erscheinen billiger und allgemein zugänglicher Verhütungsmittel führten zu einem steigenden Angebot an unentgeltlichtem Sex und dadurch zu einem Rückgang in der Nachfrage nach käuflichem Sex. Da das Angebot im Gewerbe der Prostitution nicht im gleichen Maße fiel wie die Nachfrage, trat ein Preisverfall ein. Während eine Straßenprostituierte in Chicago Anfang des 20. Jahrhunderts pro Jahr einen Geldwert erwirtschaftete, der heute 76.000 US-Dollar entspricht, verdient sie heute durchschnittlich weniger als 20.000 US-Dollar (Dubner, Levitt 2009: 25ff.; vgl. Levitt, Venkatesh 2007: 3ff.). Des Weiteren sind die Ausmaße Prostitution von den existierenden ökonomischen Ungleichgewichten einer Gesellschaft abhängig. Da die Hemmschwelle sich zu Prostituieren in der Regel sehr hoch ist, braucht es in aussichtstehende Einnahmen durch das Anbieten von Sex, die den Verdienst aus alternativen Erwerbsmöglichkeiten deutlich übersteigen. Das Gefälle zwischen dem, für eine einzelne Frau möglichen Verdienst in der Prostitution und dem aus anderen ihr offenstehenden Verdienstmöglichkeiten, ist umso größer, je größer das Einkommensgefälle in der Gesellschaft ist, da der mögliche Verdienst als Prostituierte vom gesellschaftlichen Reichtum und der sich daraus ergebenden Zahlungsbereitschaft der potenziellen Prostitutionskunden abhängig ist. (vgl. Grenz 2006: 322f.; Frohnert 1991: 101f.)

3.2 Die Deutsche Prostituionsgesetzgebung

Bis 2002 galt Prostitution in Deutschland als „Sittenwidrig“[2]. Folge daraus war, dass Prostitution zwar nicht verboten, als Rechtsgeschäft jedoch als nichtig angesehen wurde. (§138 Abs.1 BGB). Dadurch hatten Freier weder einen rechtlichen Anspruch auf sexuellen Dienste, noch hatte die Prostituierte Anspruch auf Zahlung der versprochenen Gegenleistung. Mit dem, zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene, aus drei Paragraphen bestehende Prostitutionsgesetz (ProstG), wurde das Vornehmen sexueller Handlungen gegen ein vereinbartes Entgelt zu einer rechtswirksame Forderung deklariert. Dadurch wird sichergestellt, dass der Einwand der Sittenwidrigkeit ausgeschlossen ist. Auf eine explizite Aufhebung der Sittenwidrigkeit wird allerdings verzichtet, da, gölte die Prostitution als normaler Geschäftsvertrag, dies auch Leistungsanspruch des Kunden und gegebenenfalls eine Beweislast seitens der Prostituierten über die Qualität der erbrachten Dienste zur Folge hätte, was der Gesetzgeber vermeiden wollte. Ob die Sittenwidrigkeit mit dem Prostitutionsgesetz aufgehoben wurde, ist daher in der juristischen Fachliteratur wie auch in der Praxis der Rechtsprechung umstritten (vgl. Friedrich 2012: 5ff.). Schon vor der Novellierung der Prostitutionsgesetzgebung wurde die Sittenwidrigkeit durch ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts in Frage gestellt.[3] Die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vertritt die Auffassung, dass mit dem Erlass des Prostitutionsgesetzes ein Prostitutionsvertrag nicht von vorneherein als sittenwidrig zu beurteilen sei.[4]

Des Weiteren wurde mit dem Prostitutionsgesetz die Möglichkeit für Prostituierte und Bordellbetreiber geschaffen Arbeitsverträge als Arbeitnehmer oder Scheinselbständige abzuschließen, in der Intention, die Abhängigkeit der Prostituierten von Zuhältern zu reduzieren und die gesundheitlichen und hygienischen Arbeitsbedingungen der Prostituierten zu verbessern (vgl. BT-Drucks.16/4146: 4). Hierfür wurden auch die Paragraphen §180a (Ausbeutung von Prostituierten) und §181a (Zuhälterei) im Strafgesetzbuch (StGB) dahingehend geändert, dass das Schaffen eines angemessenen Arbeitsumfeldes nicht mehr strafbar ist, solange darin keine Ausbeutung der Prostituierten stattfindet. Wie der Vertrag zwischen Kunde und Prostituierter stellt das auch Vertrag zwischen Prostituierter und Arbeitgeber, in der Absicht die Prostituierte zu schützen, ein einseitig bindender Vertrag dar und sieht nur ein eingeschränktes Weisungsrecht vor, da andernfalls der Prostituierten Vorschriften über den genauen Inhalt und Umfang der Tätigkeit gemacht werden könnten, also auch darüber Kunden nicht ablehnen zu dürfen oder bestimmte Sexualpraktiken durchführen zu müssen und sie bei Dienstaufgabe eine Kündigungsfrist einzuhalten hätte (vgl. BT-Drucks.16/4146: 8). Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ermöglicht ihm lediglich Ort und Arbeitszeiten festzulegen. Daher kann auch nach wie vor, rechtlich gesehen, nicht von einem 'Job wie jeder andere' gesprochen werden.

Als selbstständige Gewerbetreibende oder im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, erhalten Prostituierte mit dem Prostitutionsgesetz nunmehr Anspruch auf Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung, was das Kernanliegen der Reform gewesen war. Eine Evaluierung des Gesetzes durch die Bundesregierung 2007 stellte fest, dass nur ein äußerst geringer Prozentsatz der Prostituierten einen Arbeitsvertrag habe und sozialversichert sei. Bordellbetreiber geben an, dass Unklarheiten darüber, wie weit das eingeschränkte Weisungsrecht gehe, sie vom Ausstellen von Arbeitsverträgen abhalte, während Prostituierte die Sorge um den Verlust ihrer Anonymität und ihrer sexuellen Autonomie sie am Abschließen eines Arbeitsvertrags hindert. Unter Bordellbetreibern herrscht deswegen die Praxis vor, Mietverträge mit Prostituierten abzuschließen (ebd.: 8ff). Ob, wie von Kritikern angeführt, das Prostitutionsgesetz Zuhälterei begünstigt und die Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution erschwert, ist nicht nachweisbar. Laut selbiger Studie geben zwei Drittel der Befragten Kriminalbeamten an, dass das Prostitutionsgesetz auf ihren Kampf gegen Zuhälterei, Zwangsprostitution und Menschenhandel keinen Einfluss habe, während ein Drittel darin einen Erschwernisgrund für ihre Arbeit im Bereich der Strafverfolgung sieht (ebd.: 64f).

Im Koalitionsvertrag 2013 kamen die Regierungsparteien dahingehend überein, dass das Prostitutionsgesetz einer umfassenden Überarbeitung bedürfe. In diesem Zusammenhang sollen auch die rechtlichen Möglichkeiten für Kontrollen von Prostitutionsstätten durch die Ordnungsbehörden vergrößert werden.[5]

3.3 Zwangsprostitution

Bei den medialen und wissenschaftlichen Diskurs um Prostitution, steht seit geraumer Zeit das Phänomen Zwangsprostitution im Fokus. Zwangsprostitution ist kein juristischer Begriff, sondern eine mediale Wortschöpfung. Der Gesetzgeber spricht dahingegen von „Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung“ (§232 StGB). Dieser Straftatbestand liegt dann vor, „[...] wenn der Täter wissentlich zu seinem Vermögensvorteil auf eine Person, welche durch den Aufenthalt in einem fremden Land hilflos ist, einwirkt, sexuelle Handlungen an oder vor dritten Personen vorzunehmen oder von oder vor Dritten an sich vornehmen zu lassen“ (ebd.). Im Zuge dessen werden verschiedene Straftaten tangiert, vor allem die sexuelle Selbstbestimmung, die persönliche Freiheit und die körperliche Unversehrtheit. Der vorgesehene Strafrahmen beträgt sechs Monate bis 10 Jahre. Das Gesetz wurde 2005 reformiert und stellt inhaltlich als auch hinsichtlich des Strafrahmens im Vergleich zur vorherigen Regelung (§ 180b StGB a.F.), eine deutliche Verschärfung dar (vgl. Sadoghi 2006: 125)

EU-weit gibt es Bestrebungen, die Klienten von Zwangsprostituierten unter Strafe zu stellen. Im nach der Bundestagswahl 2013 zwischen CDU/CSU und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag vereinbarten die Regierungsparteien, künftig „gegen diejenigen [vorzugehen], die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen“[6]. Des Weiteren sollen Täter konsequenter bestraft werden und Opfern von Zwangsprostitution ein besserer Schutz und ein großzügigeres Bleiberecht als bisher zugesichert werden.

Genaue Zahlen über die Ausmaße von Menschenhandel Zwangsprostitution liegen keine vor. Nach Angaben der Vereinten Nationen werden Weltweit jährlich rund 2,4 Millionen Menschen gehandelt (Sadoghi 2006: 113). Bei einem Großteil davon handelt es sich um Frauen, die zum Zweck der Prostitution gehandelt werden. Wie groß der Anteil der freiwillig geschmuggelten Personen ist und in wie weit es sich dabei um sexuelle Ausbeutung und Zwangsprostitution handelt, ist umstritten. Nach einer Erhebung des Bundeskriminalamts wurden für das Jahr 2012 689 Fälle von Menschenhandel erfasst. 96% der Opfer waren Frauen. 66% der Opfer stammten aus Mittel- und Osteuropa. Seit Beginn des Jahrtausends verzeichnet das BKA einen kontinuierlichen Rückgang in der Opferzahl, die im Jahr 2003 noch bei 1.235 Fällen lag.[7] Die Dunkelziffer wird jedoch oftmals deutlich höher geschätzt, wobei die Schätzungen extrem Schwanken.

In der juristischen und soziologischen Literatur ist es umstritten, inwiefern der Begriff Zwangsprostitution vereinfachend wirkt. Es wird Argumentiert, dass er strukturelle Probleme von Migration und Wohlstandsgefälle in Täter-Opfer-Schemata zu pressen versuche. Es wird die Darstellung kritisiert, die die Frauen als willenlose und passive Geschöpfe beschreibt. Dies lege die Verantwortung allein männliche Hände, und verkenne, die Fähigkeit der Frauen aus Eigeninteresse Handeln zu können (vgl. Howe 2004: 33). Denn, während rechtlich sexuelle Ausbeutung dann vorliegt, wenn eine Person in ausbeuterischer und dirigistischer Weise einen Vorteil aus der Prostitution einer anderen zieht, werde mit dem Begriff Zwangsprostitution eine Unfreiwilligkeit suggeriert, die nur in einem kleinen Teil der Fälle gegeben sei und nichts über die Arbeits- und Lebensbedingungen der Betroffenen aussage (vgl. Geisler 2004: 103ff.). Das Täter-Opfer-Schema soll dementsprechend erweitert werden, wodurch auch Push-und Pull Faktoren zur Berücksichtigung kommen. In den Blick genommen wird infolgedessen der Bedarf an Prostituierten in den Industrienationen ebenso, wie die Armut und die mangelnden Zukunftsperspektiven der Migrantinnen in ihren Herkunftsländern (Munk 2005: S.78). Der Grad der Freiwilligkeit von geschmuggelten Frauen variiert sehr stark, von einer bewussten Entscheidung, über eine Freiwilligkeit aus Mangel an Alternativen oder eine Täuschung von Umfang und Umstände der Prostitution, bis hin zu einer Täuschung über die Tätigkeit als solche (vgl. Howe 2004: 36). Ebenso stark schwankt das Ausmaß, in dem der Menschenhändler oder Zuhälter durch Gewalt, Täuschung, Erpressung und Ausnutzung von Zwangslagen und der Hilflosigkeit in einem fremden Land auf die betroffene Prostituierte einwirkt.

Es ist sowohl umstritten, ob eine liberale Einwanderungspolitik Menschenhandel begünstigt oder erschwert, wie es auch umstritten ist, ob mit einer liberalen Prostitutionspolitik Zwangsprostitution zu oder abnimmt. Einige Forscher gehen davon aus, dass eine restriktive Einwanderungspolitik Menschenhandel begünstige. Wenn nur komplizierte oder illegale Einreisemöglichkeiten vorhanden seien, wird argumentiert, begünstige dies die Tätigkeit von Vermittlern und Menschenhändlern, unter denen sich Migranten in ein Macht- und Gewaltverhältnis begeben müssen. Ferner seien die Migranten durch die Angst vor Abschiebung vulnerabler und nähmen dadurch staatliche Schutzmaßnahmen nicht in Anspruch (vgl. Schrader 2006: 170; Munk 2005: 78, Howe 2004: 34). Im Gegensatz zu einer liberalen Einwanderungsgesetzen scheinen liberale Prostitutionsgesetze Zwangsprostitution begünstigen. In einer Daten aus 150 Ländern berücksichtigenden Studie von 2013 legen die Autoren Axel Dreher und Seo-Young Cho den Schluss nahe, dass die Liberalisierung von Prostitution nicht nur den zu einer allgemeinen Steigerung der Nachfrage führe, sondern dadurch auch zu einer Steigerung der Nachfrage nach illegal eingeschleusten Prostituierten. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass sich Länder mit liberalen Prostitutionsgesetzen, stärker im Fokus von Menschenhändlern befinden (vgl. Di Nicola et al. 2005: 132ff.)

4 Forschungsstand

Das soziale Feld Prostitution ist in den Sozialwissenschaften umfassend erforscht. Der Großteil der Studien wählt hierbei einen qualitativen Feldzugang, und legt den Forschungsschwerpunkt auf das Prostitutionsangebot und das Milieu der Prostitution (u.a. Girtler 1985; Hoigard/Finsted 1987; Friedrichsmeier 1991; Dücker 2005). Quantitativ liefern aufgrund des schweren Feldzugangs mitunter Studien von öffentlichen Institutionen und Prostituiertenverbänden die einzig einigermaßen reliablen Schätzungen. Die Prostituiertenorganisation Hydra schätzt in einer Studie von 1994 die Zahl der in Deutschland tätigen Prostituierten für Anfang der 90er Jahre auf 400.000. Circa 96% davon seien Frauen. Etwa 60% der Dienste fänden in Bordellen statt, 20% auf dem Straßenstrich und 20% in Privatwohnungen (Hydra: 1994). Dahingegen geht das Bundesfamilienministerium von 200.000 Prostituierten in Deutschland aus (BMFSFJ 2004: 42).

Aktuelle quantitative Daten über das Feld der Prostitution existieren nicht, weshalb in der aktuellen Forschung immer noch von 200.000-400.000 Prostituierten, darunter 50-60% Migrantinnen, als grobe Richtwerte zur Einschätzung des quantitativen Ausmaßes des Phänomens hergenommen werden (vgl. Grenz 2005; Löw/Ruhne 2011; Gerheim 2012).

Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums ist die Chance einer Prostituierten, Opfer einer Gewalttat zu werden, um ein vielfaches höher, als beim weiblichen Bevölkerungsdurchschnitt. So gaben 92% der Befragten Prostituierten an, sexuelle Belästigungen erfahren zu haben, 87% körperliche Gewalt, 82% psychische Gewalt und 57% körperliche Gewalt. (BMFSFJ 2004: 85).

In jüngerer Vergangenheit ist die Prostitutionsnachfrage in den Fokus des Interesses gerückt. Hier sind vor allem Gerheim (2012) und Grenz (2005) zu nennen. Sie legen den Schwerpunkt der Untersuchung auf Interviews mit Prostitutionskunden, in denen es Ziel ist, die typischen motivationalen und biographischen Muster der Freier zu bestimmen. In einer der wenigen reliablen quantitativen Studien zur Prostitutionsnachfrage, gehen Klaiber/Velten (1994) davon aus, dass 18% der geschlechtsreifen männlichen Bevölkerung Deutschlands zu den regelmäßigen Prostitutionskunden zu zählen sind (16ff.)

Diskursanalytische Arbeiten zum Feld Prostitution bilden bisher weitestgehend eine Leerstelle innerhalb der Sozialwissenschaften (vgl. Grenz 2005: 28). Es gibt eine Reihe an Arbeiten über die historische Entwicklung der Sexualitätsdiskurse, die das Feld der Prostitution jedoch allenfalls am Rande berühren (u.a. Foucault 1983, 1989; Halperin 1993; Rubin 1992)

Eine diskursanalytischer Blickwinkel spielt allerdings bei Grenz (2005: 28ff.) und Gerheim (2012: 61ff.) eine ebenso erwähnenswerte Rolle, wie bei Löw/Ruhne (2011), die unter sozialkonstruktivistischen Prämissen die Herstellung von Prostitution als deviantes Milieu aus mikrosoziologischer Perspektive beleuchten. Ebenfalls zu nennen ist der Text „Zu Gast bei Freundinnen“ (2006), in dem die Autorin Loretta Ihme, den Prostitutionsdiskurs zur Fußballweltmeisterschaft 2006 analysiert.

[...]


[1] Weibliche Prostitutionskunden, homo- wie heterosexuell, sind in Deutschland ein äußerst seltenes Randphänomen. Laut einer Studie von Hydra, schafft es kein(e) Sexarbeiter(in) seinen/ihren Lebensunterhalt allein von weiblichen Freiern zu bestreiten (1994: 19f.), weshalb dieses Phänomen in der nachfolgenden Arbeit ausgeblendet wird. Auch auf die homosexuelle männliche Prostitution, obschon verhältnismäßig deutlich häufiger anzutreffen, wird nur am Bezug genommen.

[2] Als Sittenwidrig gilt nach der Formulierung des Reichsgerichtes Leipzig 1901, was gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ (RGZ 48, S. 114) verstößt.

[3] VG Berlin, Urteil vom 1. Dezember 2000, VG 35 A 570.99

[4] BGH, Beschluss vom 31. März 2004, Az. 1 StR. 482/03

[5] Christlich Demokratische Union Deutschlands (Hg.) (2013): Deutschlands Zukunft gestalten. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. Unter: https://www.cdu.de/sites/default/ files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf (abgerufen am 07.03.2014): 73

[6] Christlich Demokratische Union Deutschlands (Hg.) (2013): Deutschlands Zukunft gestalten. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. Unter: https://www.cdu.de/sites/default/ files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf (abgerufen am 07.03.2014): 73

[7] Bundeskriminalamt (Hg.) (2003): Menschenhandel. Bundeslagebild 2012. Unter: http://www.bka.de/nn_193360/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Menschenhandel/menschenhandel__node.html?__nnn=true (abgerufen am 06.03.2014): 5ff.

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Mediale Diskurse zur deutschen Prostitutionsgesetzgebung
Hochschule
Universität Augsburg  (Soziologie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
70
Katalognummer
V301928
ISBN (eBook)
9783956876226
ISBN (Buch)
9783668005631
Dateigröße
691 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wissensoziologische, Diskursanalyse, Sexualität, Prostitution, Zwangsprostitution, Geschlechterrollen
Arbeit zitieren
Sebastian Steidle (Autor:in), 2014, Mediale Diskurse zur deutschen Prostitutionsgesetzgebung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301928

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