Entwicklungen und Ursachen der Betrugskriminalität. Ponzi Schemes


Masterarbeit, 2015

109 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2 Definitionen und Begriffe
2.1 Betrug
2.2 Wirtschaftskriminalität
2.3 Juristische Abgrenzung der Straftatbestände in Zusammenhang mit Kapitalanlagebetrug
2.4 Ponzi Scheme
2.5 Verbreitung von Kapitalanlagebetrug

3 Kriminologische Theorien der Wirtschaftskriminalität

4 Darstellung prominenter Ponzi Schemes
4.1 Charles Ponzi
4.2 Adele Spitzeder
4.3 Bernhard Madoff
4.4 Horst Kirsten

5 Ursachen von Ponzi Schemes
5.1 Individuelle Ursachen im Zusammenhang mit dem Täter
5.1.1 Entwicklungen individueller Ursachen
5.1.2 Motive
5.1.3 Selbstdarstellung
5.1.4 Selbsttäuschung
5.1.5 Gelegenheit zur Tat
5.1.6 Rechtfertigung
5.2 Strukturelle Ursachen
5.2.1 Entwicklungen struktureller Ursachen
5.2.2 Strukturelle Ursachen im Zusammenhang mit dem Geschädigten
5.2.2.1 Vertrauen
5.2.2.2 Gier
5.2.2.3 Gruppendynamik
5.2.2.4 Risikobereitschaft
5.2.2.5 Fehlende Anzeigebereitschaft
5.2.3 Strukturelle Ursachen in der Begehungsweise
5.2.3.1 Informationsdefizite
5.2.3.2 Arbeitsteiliges Vorgehen
5.2.3.3 Tatmittel Internet versus persönlicher Kontakt
5.3 Ursachen im Kapital- und Geldmarktsystem
5.3.1 Entwicklungen des Kapital- und Geldmarktsystems
5.3.2 Der Graue Kapitalmarkt
5.3.3 Herkunft des Kapitals
5.3.4 Finanzkrisen und Niedrigzinsphasen
5.3.5 Komplexität von Finanzanlagen
5.4 Defizite im Strafrechtssystem
5.4.1 Entwicklungen des Strafrechtssystems
5.4.2 Vertrauen in staatliche Institutionen
5.4.3 Strafrecht
5.4.4 Strafrechtliche Ermittlungen
5.4.5 Internationalisierung

6 Präventionsmöglichkeiten
6.1 Allgemein wirkende Präventionsmöglichkeiten
6.2 Präventionsarbeit der Polizei
6.3 Gewerbeaufsicht
6.4 BaFin
6.5 Produktinformationsblatt und Normvorschriften
6.6 Stiftung Warentest und Verbraucherzentralen
6.7 Internationale Abkommen und Kooperationen

7 Zusammenfassung der Ergebnisse und Ableitung von Empfehlungen

8 Literaturverzeichnis

9 Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung

1.1 Problemstellung

„Die Entscheidung über eine Anlage und das damit verbundene Risiko kann nur jeder selbst treffen.“

Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister, 12.11.2014.[1]

Durch Delikte im Bereich der Wirtschaftskriminalität entstehen im Allgemeinen enorm hohe Schadenssummen. Aufgrund dieser Tatsache müssen diese eine hohe Beachtung erlangen. Längst haben große Unternehmen die zwingende Notwendigkeit erkannt, die Wirtschaftskriminalität im eigenen Hause zu bekämpfen. Es werden präventive Maßnahmen initiiert, um den Entstehungsprozess bereits im Keim zu ersticken. Im Detail werden z. B. Compliance-Officer eingesetzt, Interne Revisionen durchgeführt und Hinweisgebersysteme implementiert.

Wirtschaftskriminelle Handlungen gibt es nicht ausschließlich innerhalb eines Unternehmens oder in Wechselbeziehung zwischen Unternehmen. Opfer werden auch Privatpersonen in Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen oder auch eine Privatperson in Interaktion mit einer Weiteren.

Private Anleger scheuen mitunter Investitionen in Sachwerte. Diese Art der Investition ist im Allgemeinen aufwendiger als eine Investition in Kapitalanlagen.[2] Kapitalanlagen machen weniger Arbeit und sollen zudem möglichst hohe Renditen abwerfen. Unabhängig von der Höhe der Rendite wird die eigene finanzielle Vorsorge immer wichtiger. Der Staat zieht sich aus dem Geschäft der Rundum-Absicherung der Altersvorsorge zurück. Die Verantwortung für die private Altersversorgung wird vom Staat immer mehr auf den Bürger verlagert.[3] Durch die Verschiebung hin zu mehr privater Absicherung, finden sich immer neue Möglichkeiten für Anbieter von Kapitalanlagen.[4] Hier wird aber auch der Nährboden für kriminelle Handlungen in Form des Kapitalanlagebetruges gelegt. Gleichzeitig werden Teile des Kapitalmarktes von staatlicher Seite wenig bis gar nicht reguliert.[5] Aktuell leben die Deutschen in einer Niedrigzins-Phase. Der durchschnittliche Tagesgeldzinssatz lag im Oktober 2014 bei 0,45 Prozent.[6] Das führt zu extrem niedrigen Zinserträgen und gleichzeitig zur Suche nach höheren Renditemöglichkeiten.

Durch diese oder weitere Parameter könnten sich Anleger von der folgenden „Masche“ eines Kapitalanlagebetrügers täuschen lassen: „Ich habe Zugang zu einer Anlageform, mit der eine Jahresrendite in Höhe von mehr als 10 Prozent erwirtschaftet werden kann. Diesen Zugang können sonst nur Großbanken nutzen. Schon sehr viele Menschen konnten eine hohe Rendite erzielen. Der eigentliche Anbieter wohnt in einer repräsentativen Villa, hat mehrere Autos und Geschäftssitze in verschiedenen Ländern. Per Zufall bin ich durch einen Bekannten an diese Informationen gekommen. Der Anbieter muss für die Anlageform natürlich nicht werben. Deshalb sind darüber auch keine weiteren Unterlagen zu bekommen und auch nicht im Internet verfügbar. Ausnahmsweise dürfen wir an seinem Anlageprogramm teilnehmen. Normaler Weise werden Personen mit geringen Einlagen gar nicht zugelassen. Für die Abwicklung muss üblicherweise ein Konto im Ausland eröffnet werden. Die Steuerbehörde muss ja nichts von den riesigen Gewinnen erfahren.“[7] Solchen Versprechen werden durch Betrüger mittels der Initiierung eines Ponzi Schemes umgesetzt.

Präventionsarbeit zum Schutz von Privatpersonen durch die Polizei findet in diesem Bereich nahezu nicht statt. Auch die kommunale Kriminalprävention hat sich andere Schwerpunkte gesetzt. Bei einem eingetretenen Schadensfall gibt es vereinzelt spezialisierte Rechtsanwälte, die sich dem privaten Geschädigten widmen. Für das Opfer scheint jedoch die aufwendige Suche nach einem Rechtsbeistand nicht lohnenswert. Wer will schon „dem schlechten Geld noch gutes hinterherwerfen?“

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Um Betrugsstraftaten zu verhindern ist es wenig erfolgversprechend, den Betrüger auf den Pfad der Tugend zurück zubringen. Förderlicher ist, potentielle Opfer über typische Tathandlungen zu informieren. Innerhalb dieser Arbeit sollen daher die verschiedenen Ursachen des Betruges zusammengetragen werden sowie einzelne Entwicklungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Vorrangiges Ziel ist der Schutz des privaten Geldgebers vor einer Selbstüberschätzung seines Wissens in Bezug auf Kapitalanlagen.[8] Der Blick soll hier des Weiteren auf verschiedene Präventionsmöglichkeiten gerichtet werden. Die Analyse des Themenbereichs ist notwendig, da bei Kapitalanlegern das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Wirtschaftsordnung aufrecht erhalten bleiben soll.[9]

Der Betrug und auch der Betrüger spielen in der gegenwärtigen kriminologischen Forschung eine untergeordnete Rolle. Ein Grund könnte darin liegen, dass es sich um die „leiseste Form“ der Delinquenz handelt. Der Betrug geht im Vergleich zu anderem strafbewährten Verhalten mit dem geringsten Aggressionspotential einher.[10] Auch das Anzeigepotential der Geschädigten kann eher als gering eingestuft werden. Besonders interessant ist die gegenseitige Beeinflussung des Verhaltens zwischen Betrüger und Opfer.[11] In dieser Arbeit soll die Schädigung der privaten Geldkreditgeber in den Blickpunkt gerückt werden. Insbesondere steht dabei das betrügerische Vorgehen mittels eines Ponzi Schemes im Focus. Bei einem Ponzi Scheme handelt es sich um eine Form des Kapitalanlagebetrugs bei der Kapitalanlegern für ihre Investitionen überdurchschnittlich hohe Renditen versprochen werden. Generiert werden die Renditen dabei in betrügerischer Weise aus den Einzahlungen neuer Kapitalanleger. Die Form des Betruges in diesem Sinne gehört zu den Wirtschaftsdelikten.

Der Begriff „Ponzi Scheme“ ist im deutschen Sprachgebrauch nicht gebräuchlich und es findet sich keine geeignete Begrifflichkeit im Deutschen. Das Ponzi Scheme erfuhr aber eine höhere Aufmerksamkeit mit dem Bekanntwerden des Betrugssystems des US-Bürgers Bernhard Madoff im Jahre 2009. Madoff betrieb über Jahrzehnte hinweg ein Kapitalanlagesystem mit Ein- und Auszahlungen ohne eigentliche Geschäftstätigkeit. Es gibt wenig wissenschaftliche relevante Literatur, die sich insbesondere auf den Betrug mittels eines Ponzi Schemes bezieht. Daher wurde auch allgemeine Literatur zu den Themen Betrug und Wirtschaftskriminalität herangezogen. Nach der Definition der relevanten Begriffe und der Abgrenzungen der juristischen Straftatbestände, die mit einem Ponzi Scheme in Zusammenhang stehen werden allgemeine Theorien der Wirtschaftskriminalität kurz erläutert. Anschließend folgen Falldarstellungen von aktuellen und historischen Ponzi Schemes um das betrügerische Vorgehen aufzuzeigen. Im Hauptteil werden die vier Ursachenarten von Ponzi Schemes näher betrachtet. Diese liegen in den Persönlichkeitsmerkmalen des Täters begründet, ferner gibt es strukturelle Ursachen, die den Betrug ermöglichen. Außerdem können Ursachen im Kapitalmarkt- und im Strafrechtssystem begründet sein. Durch Verweise auf die Falldarstellungen sollen Bezüge zur Funktionsweise von Ponzi Schemes dargestellt werden. Häufiger finden die Studien von LIEBEL Erwähnung. Er erforschte die Interaktionen von Tätern und Opfern beim Kapitalanlagebetrug jeweils in den Jahren 1992 und 2000. In der aktuelleren Studie aus dem Jahr 2000 wurden sieben Täter und insgesamt 91 Geschädigte befragt. Abschließend werden Präventions- und Informationsmöglichkeiten aufgezeigt.

2 Definitionen und Begriffe

2.1 Betrug

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Betrug häufig mit Lüge, Täuschung oder List gleich gesetzt.[12] An dieser Stelle soll auf den Betrug im juristischen Sinne eingegangen werden. Betrugsdelikte werden im 22. Abschnitt des StGB normiert und setzen sich aus dem Betrug § 263 StGB (Betrug) und den Sondertatbeständen § 263a (Computerbetrug), § 264 (Subventionsbetrug), § 264a (Kapitalanlagebetrug), § 265 (Versicherungsmissbrauch), § 265a (Erschleichen von Leistungen) und § 265b (Kreditbetrug) zusammen.

Gemäß § 263 StGB ist Betrug eine Handlung eines Betrügers, bei der dieser durch Täuschung jemanden veranlasst, ihm ein Vermögen zu überlassen, ohne eine angemessene Gegenleistung zu erbringen. Dem Betrüger ist dabei bekannt, dass sein Tun dem Anderen schadet.[13] Der Täter wendet bei der Tatumsetzung keine Gewalt, sondern Methoden aus den Bereichen der Überzeugungsfähigkeit und der Manipulation an.[14]

Beim Betrug gibt es folgende Täter-Opfer-Konstellationen:

„1. Die unredliche Handlung wird aus einer Firma heraus gegen staatliche oder private Organisationen oder auch Privatpersonen begangen (z. B. Kredit- oder Kapitalanlagebetrug).
2. Der Betrug wird von einem Kunden oder Mitarbeiter an einer Organisation begangen (z. B. Leistungs-, Versicherungs- oder Abrechnungsbetrug).
3. Eine Person betrügt eine andere – meist in privatem Kontakt (z. B. Betrug mit minderwertigen Waren, inadäquat erbrachten Leistungen, unredlich erlangten Darlehen).
4. Durch Werbesendungen, Kommunikationstechniken und Televermarktung wird eine große Zahl dem Absender unbekannter potenzieller Opfer angesprochen und dadurch zu Zahlungen ohne äquivalente Gegenleistung veranlasst.“[15]

Die Konstellation, bei der ein Unternehmen geschädigt wird, ist die häufigste Täter-Opfer-Konstellation.[16] Da der Vermögensschaden im Verhältnis zum Gesamtvermögen bei Privatpersonen am größten ist und weil es kaum Kontrollmechanismen gibt sollen im weiteren Verlauf der Arbeit vorrangig die unter Punkt eins und drei aufgeführten Täter-Opfer-Konstellation betrachtet werden. Ein Ponzi Scheme wird häufig unter dem Mantel einer Personen- oder Kapitalgesellschaft aufgebaut. Sofern es sich um die Täter-Opfer-Konstellation zwischen Privatleuten handelt, ist die betrügende Privatperson meist ein Anlagevermittler. Beiden Konstellationen sind dadurch gekennzeichnet, dass zwischen den Beteiligten eine starke Vertrauensbeziehung aufgebaut wird, bei der es dem Geschädigten später möglicher Weise an der Einsicht mangelt, betrogen worden zu sein.[17] Gerade bei dieser „face-to-face“-Interaktion zum Geschädigten äußern sich solche Persönlichkeitsmerkmale des Betrügers wie Defizite in moralischer Hinsicht, in der hohen Risikobereitschaft, an Mangel an Empathie und konventionellem Selbstbewusstsein sowie Gewissenlosigkeit.[18]

Bei Betrugssystemen, wie von Bernhard Madoff (siehe 4.3 ) haben Anleger z. T. jahrelang gut verdient. Nun sollen Sie plötzlich Opfer von Vermögensdelikten sein? Täter- und Opferrollen können ab gewissen Größenordnungen verschwimmen.[19] Betrug ist im weitesten Sinne ohne ein Zutun des Opfers nicht möglich. Der Opferbegriff an sich wird sehr „mit Passivität, Fremdbestimmung, Abhängigkeit, Ohnmacht und Hilflosigkeit assoziiert“,[20] was für den Geschädigten eines Ponzi Schemes als nicht passend angesehen wird. Daher wird in dieser Arbeit im Weiteren für den Begriff „Opfer“ der Begriff „Geschädigter“ verwendet.

2.2 Wirtschaftskriminalität

Betrug im Allgemeinen gibt es nicht nur im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Es gibt keine einheitliche Definition darüber, welche Tathandlungen als Wirtschaftskriminalität bezeichnet werden. SCHWIND definiert eine Tat als Wirtschaftskriminalität beim Eintreten folgender Kriterien:

- ein wirtschaftlicher Bezug zum strafbedrohten Verhalten ist nennenswert,
- das strafbedrohte Verhalten wird in Ausübung eines Berufes ausgeführt und
- Vertrauen wird missbraucht.[21]

Durch die Anwendung der Kriterien lässt sich z. B. der Enkeltrick,[22] der nicht als Wirtschaftsdelikt gesehen werden kann, vom Betrug im Zusammenhang mit Kapitalanlagen abgrenzen. Bei der Ermittlung innerhalb des Phänomens ist kein wirtschaftlicher Bezug erforderlich und die Deliktsausübung erfolgt nicht in Ausübung des Berufs.

Durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wird als Wirtschaftskriminalität gekennzeichnet, was sich im Wirtschaftsleben unter Missbrauch des Vertrauensprinzips ereignet.[23] Im Rahmen der Strafverfolgung existiert zur Bearbeitung von Wirtschaftskriminalität folgende Eingruppierung:

- die in § 74c Abs. 1 Nr. 1–6b aufgeführten Straftatbestände (z. B. Beteiligungs- und Kapitalanlagebetrug, Kredit- und Subventionsbetrug, ausgenommen aber Computerbetrug) und
- Betrugsformen mit den Merkmalen: Eignung zur Beeinträchtigung des Wirtschaftslebens bzw. Schädigung der Allgemeinheit oder
- das Erfordernis besonderer kaufmännischer Kenntnisse zur Fallaufklärung.“[24]

Weitere allgemeingültige Regeln lassen sich nicht aufstellen, da die konkrete Zuordnung der Fallbearbeitung immer vom Einzelfall abhängig ist.[25] Für diese Arbeit wird Wirtschaftskriminalität als solche gesehen, wenn für die Begehung der Tat ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb und zur Aufklärung des Sachverhalts betriebswirtschaftliche Kenntnisse erforderlich sind. In dieser Arbeit sollen Ponzi Schemes (siehe Kapitel 2.4) als betrügerische Wirtschaftsdelikte betrachtet werden.

2.3 Juristische Abgrenzung der Straftatbestände in Zusammenhang mit Kapitalanlagebetrug

Der Kapitalanlagebetrug in Form eines Ponzi Scheme ist in § 263 StGB normiert. In strafrechtlicher Hinsicht kämen für die Nutzung bzw. die Initiierung eines Ponzi Schemes, darüber hinaus, die Straftatbestände §§ 264a, 266, 284 StGB und § 16 II UWG in Betracht.[26]

Der Kapitalanlagebetrug gemäß § 264a StGB umfasst als Erscheinungsform der Wirtschaftskriminalität betrügerische Angaben und Darstellungsweisen in Prospekten. Gemeinsames objektives Tatbestandsmerkmal ist im Vergleich zum § 263 StGB nur die Täuschung. Der Eintritt eines Vermögensschadens ist nicht erforderlich. Durch den Straftatbestand werden Delikte im Vorbereitungsbereich des Betruges unter Strafe gestellt.[27] Die praktische Bedeutung des § 264a StGB ist jedoch eher gering.[28] Er zählt nur als Auffangtatbestand und tritt bei der Verurteilung hinter den § 263 StGB zurück. Der Kapitalanlagebetrug im Sinne des § 263 StGB kann mit der Zuordnung zum „Geldbeschaffungsbetrug“ vom § 264a StGB abgegrenzt werden.[29]

Zusätzlich zur Strafbarkeit des Betruges kann eine Pflichtverletzung der Vermögensbetreuungspflicht seitens des Initiators einer Kapitalanlage gemäß § 266 StGB Untreue vorliegen. Dies kommt in Betracht, wenn durch den Täter ein unverhältnismäßiges, die materiellen oder formellen Grenzen überschreitendes Risiko eingegangen wurde, zum Beispiel durch die Auszahlung von Kapital an Altkunden.[30] Sofern der Entschluss der Zweckentfremdung nach dem Einsammeln der Gelder gefasst wurde, ist von Untreue auszugehen. Wurde der Vorsatz jedoch bereits mit dem Einsammeln von Kapital gefasst wurde, handelt es sich hierbei um Betrug.

Die §§ 284ff. StGB stellen die unerlaubten Veranstaltungen von Glückspielen unter Strafe. Bei einem Ponzi Scheme rechnet der Anleger allerdings nicht mit dem Totalverlust seiner Investition, er spielt kein Glücksspiel. Daher ist eine Strafbarkeit entsprechend dieser Strafnorm meist nicht gegeben.[31]

§ 16 II UWG normiert die Strafbarkeit progressiver Kundensysteme, wie z. B. Schneeball- oder Pyramidensysteme. Strafbare objektive Tatbestandsmerkmale sind dabei:

- „Handeln im geschäftlichen Verkehr“,
- „Veranlassen von Verbrauchern zur Abnahme von Waren oder Leistungen“,
- „Einsatz zur Absatzförderung“,
- „Versprechen von besonderen Vorteilen.“

Im Unterschied zum Ponzi Scheme werden die Vorteile und Gewinne zum Teil durch andere Teilnehmer gewährt, wobei dieses transparent dargestellt und nicht verschleiert wird.[32] In dieser Arbeit wird im Folgenden grundsätzlich auf den Kapitalanlagebetrug gemäß § 263 StGB Bezug genommen.

2.4 Ponzi Scheme

Ein Ponzi Scheme ist eine Begehungsform des Kapitalanlagebetruges gemäß § 263 StGB. Die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) definiert den Begriff „Ponzi Scheme“ wie folgt: „ A Ponzi Scheme is an investment fraud that involves the payment of purposed returns to existing investors from funds contributed by new investors.“[33] Weitere Merkmale („red flags“) eines Ponzi Schemes sind:

- „guaranteed“ high investment returns with little or no risks,
- positiv returns regardless of overall market conditions,
- investments have not been registrated with the SEC,
- unlicensed individuals or unregistrated firms are involved,
- secretive and/ or complex strategies,
- no review information in paperwork,
- difficulty recieving payments.“[34]

Namensgeber für dieses Betrugsmodell ist der Italiener Charles Ponzi (siehe Kapitel 4.1). Betriebswirtschaftlich gesehen ist ein Ponzi Scheme ein System von Einzahlungen und Auszahlungen, welches eine Zeit lang allen Verpflichtungen nachkommen kann, „dabei jedoch überschuldet ist.“[35] Der Betrüger nimmt praktisch bei den Einzahlenden ein Darlehen auf, zahlt es aber nie zurück. Das bereitgestellte Ursprungsdarlehen wird dazu verwendet andere, bereits zuvor gegebenen Zahlungsversprechen in Form von Annuitäten zu bedienen und zu verkonsumieren. Die aufgelaufenen Schulden im ersten Jahr lassen sich durch die Formel errechnen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten [36] mit i = Zinsfaktor

Im zweiten Jahr summieren sich die Schulden weiter. Die Formel hierzu lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten [37] mit i = Zinsfaktor

Für die Auszahlungen von Zinsen werden immer wieder neue Darlehens- bzw. Kapitalgeber benötigt.

In Abbildung 1 wird die Möglichkeit des Kapitaleinbehalts des Betrügers aufgezeigt. Dabei investiert z. B. eine Person 100 Dollar in ein Ponzi Scheme und erhält monatliche Zinsen in Höhe von 10 Prozent. Die Ersteinlage kann der Betreiber des Systems für sich behalten. Angenommen wird für das Modell, dass die Anzahl der Neuinvestoren sich monatlich verdoppelt. Im zweiten Monat würden dann zwei neue Personen insgesamt 200 Dollar investieren. 10 Dollar der einen Einlage müssten an den Erstinvestor aus Monat 1 ausgeschüttet werden. 190 Dollar würden für den Betreiber des Ponzi Schemes zur Verfügung stehen. Im dritten Monat würde der Initiator 400 Dollar einsammeln und davon 370 Dollar behalten. Im 10. Monat würden auf diese Weise 51.200 Dollar von 512 Personen eingesammelt werden wobei Auszahlungen an Altinvestoren in Höhe 5.110 Dollar erfolgen müssten. 46.090 Dollar aus den Einnahmen verblieben für den Initiator.[38] Damit wird deutlich, dass die Kapitalentwicklungen große Progressivität aufweisen. Die insgesamt auszuzahlenden Summen in Höhe von Kapital und Zinsen können dabei die Einzahlungen nach kurzer Zeit übersteigen.[39] Es muss daher durch den Betrüger eine stets wachsende Zahl neuer Investoren gefunden werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Ponzi Scheme mit monatlicher Verdopplung von Neuinvestorenkapital

Ponzi Schemes kollabieren aus mindestens zwei Gründen: entweder es können keine neuen Investoren gewonnen werden und/oder zu viele Investoren wollen zum gleichen Zeitpunkt ihre Einlagen zurück.[40] Durch die Rückforderungen der Vielzahl von Einlagen entsteht eine Liquiditätslücke. Das progressive Investorenmodell ist durch die endlich verfügbaren Finanzmittel begrenzt. Dies war letztendlich auch der Grund weshalb Madoffs Ponzi Scheme zusammenbrach (siehe Kapitel 4.3). Aufgrund der Finanzkrise riefen zu viele Investoren zeitgleich ihre Gelder ab. Ein weiterer Grund kann sein, dass Strafverfolgungsbehörden einschreiten, wie zum Beispiel bei Horst Kirstein (siehe Kapitel 4.4). Systeme brechen am ehesten zusammen wenn der Systembetreiber mit dem eingesammelten Kapital flieht.[41] Ponzi Schemes brauchen einen großen Pool neuer Investoren, mindestens so groß, wie die Summe der, an die Investoren zu leistenden Zinszahlungen. Die Funktionsweise dieses Modells ist zwar mathematisch unbegrenzt, aber in der realen Welt durch die Begrenztheit verfügbarer finanzieller Mittel und Investoren limitiert. Sofern den Investoren bekannt wäre, dass das System durch diese Grenzen „crashen“ könnte, würde niemand mehr investieren.[42] Jeder Investor würde Gefahr laufen Letzter im System zu sein und damit ohne - zumindest theoretische - Chance auf einen Ausstieg.

Zur Häufigkeit kann festgestellt werden dass in der Studie von LIEBEL „Täter-Opfer-Interaktionen beim Kapitalanlagebetrug“ aus dem Jahr 2000 sieben Fallbeispiele von Anlagebetrugsfällen untersucht wurden.[43] Vier der sieben untersuchten Fälle können im engeren Sinne als Ponzi Schemes bezeichnet werden da das wesentliche Merkmal der Verwendung von Neukundeninvestments zur Auszahlung von Altkunden gegeben war.

Der Begriff eines Ponzi Schemes wird nicht nur für betrügerische Anlagemodelle verwandt, sondern auch für Finanzblasen, wie zum Beispiel die Finanzkrise der Jahre 2008/09. In solchen Fällen lagen den Gewinnversprechen des Handelns mit Krediten keine realen Werte zu Grunde.[44] Der Wirtschaftsnobelpreisträger von 1970, Paul A. Samuelson, nannte selbst umlagefinanzierte Rentensysteme „The biggest ponzi game ever.“[45] Auch hier können Einzahler nicht darauf vertrauen, dass sie je Leistungen erhalten werden. Das ist nur eine Anmerkung. Das Augenmerk innerhalb der Arbeit soll weiter auf den betrügerisch initiierten Systemen liegen.

Im deutschen Sprachgebrauch werden die Begriffe „Ponzi Scheme“ „Schneeballsystem“ sowie „Pyramidensystem“ annähernd synonym verwendet. Eine Abfrage in der Internet Suchmaschine Google am 14.12.2014 zum Begriff „Schneeballsystem“ brachte 304.000 Treffer. Die Abfrage deutscher Seiten nach dem Begriff „Ponzi Scheme“ erbrachte lediglich 350 Treffer. Ohne Einschränkung der Sprache waren bei Eingabe des Begriffs „Ponzi Scheme“ allerdings 3.470.000 Treffer erhältlich. Selbst in Gerichtsurteilen wird häufig der Begriff Schneeballsystem verwendet auch wenn eigentlich ein Ponzi Scheme oder ein Pyramidensystem gemeint ist.[46] Dabei ist der Begriff „Ponzi Scheme“ der „präzisere Begriff im Vergleich zum Ausdruck Schneeballsystem.“[47]

Schneeballsysteme werden im deutschen Recht - wie bereits unter Kapitel 2.3 beschrieben - durch § 16 II UWG sanktioniert.[48] Bei diesem Schneeballsystem schließt ein Initiator einen Vertrag mit jedem einzelnen Kunden ab.[49] Bei einem Pyramidensystem wird der Vertrag nur zwischen Initiator und dem ersten Kunden geschlossen. Dieser Kunde muss dann weitere Verträge eigenständig mit neuen Kunden schließen.[50] Pyramiden- und Schneeballsystemen sind Vertriebssysteme. Durch die Teilnehmer an den Systemen werden immer wieder neue Teilnehmer gewonnen. Oft muss durch neue Teilnehmer eine größere Einzahlung getätigt werden oder es werden von diesen Produkte gekauft. Durch Anwerbung weiterer Teilnehmer, steigt der ursprüngliche Teilnehmer in der Hierarchie auf und kann durch Provisionszahlungen mehrerer neuer Teilnehmer eine höhere Rendite erhalten. Im Gegensatz zum Ponzi Scheme sind den Teilnehmern eines Schneeballsystems der hierarchische Aufbau und die Art der Gewinnerwirtschaftung im Vorfeld bekannt.[51] Im weiteren Verlauf der Arbeit soll der Begriff „Ponzi Scheme“ im Sinne dieser Abgrenzung verwendet werden.

2.5 Verbreitung von Kapitalanlagebetrug

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (im Folgenden PKS) des Jahres 2013 weist in Bezug auf den Anlagebetrug gem. § 263 StGB (PKS-Schlüssel 5132) im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um 31,86 Prozent auf. Hier besteht die Ursache vorwiegend in einem großen, in Hessen geführten Ermittlungsverfahren.[52] Das Ermittlungsverfahren wird auch die Fallzahlen des Jahres 2014 beeinflussen da es noch nicht vollständig abgeschlossen wurde. Die ermittelnde Frankfurter Oberstaatsanwältin schätzt die Schadenshöhe auf 200 Millionen Euro bei 10.000 getäuschten Anlegern.[53]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Anlagebetrug gem. § 263 StGB[54]

Die Anzahl der Fälle hat sich mit Ausnahme des Jahres 2013 verringert. Dadurch sind auch die Schadenssummen insgesamt zurückgegangen. Der Schaden je Fall ist jedoch unverändert hoch. Er betrug in den letzten fünf Jahren durchschnittlich 40.092 Euro. Die durchschnittliche Schadenshöhe lag 2012 und 2013 über diesem Durchschnitt. Der Rückgang der Fallzahlen, wie aus Abbildung 2 ersichtlich, bedeutet keine Reduzierung der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Einem Rückgang der Fallzahlen stand eine konstante Anzahl von Tatverdächtigen gegenüber. Der Ermittlungsaufwand je Fall war zudem in den letzten Jahren deutlich höher, weil sich das Vermittlergeschäft im Zusammenhang mit dem Kapitalanlagebetrug ins Ausland verlagert hat.[55]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Anlagebetrug gem. § 263 StGB - Anzahl der Fälle

Innerhalb der PKS gibt es keine Auswertung zur Begehungsweise des Kapitalanlagebetrugs mittels eines Ponzi Schemes.

In einer Opferstudie aus dem Jahr 1995 wurde ermittelt, dass die Möglichkeit der Opferwerdung beim Betrug bezogen auf die gesamte Bevölkerung in Deutschland zwischen 2,2 und 5,9 Prozent liegt.[56] Keine Zahlen konnten hinsichtlich der Opferzahlen von Privatpersonen im Bereich von Wirtschaftsdelikten ermittelt werden.

3 Kriminologische Theorien der Wirtschaftskriminalität

Es gibt bisher keine Theorie der Entstehung von Wirtschaftsdelinquenz.[57] Wirtschaftskriminalität spielt sich am Rande des Wirtschaftslebens ab. Die Taten finden in der Illegalität statt und strahlen bis in Graubereich des wirtschaftlichen Handelns hinein. Die Welt der Wirtschaftskriminalität ist ein Stück weit auch „Spiegelbild der realen Welt“.[58] Das Vergehen und das Verbrechen muss sich wie im Wirtschaftsleben üblich – rentieren. Betriebswirtschaftlich gesehen „lohnt“ sich kein Delikt mehr als ein Wirtschaftsdelikt.[59] Durch verschiedene Theorien wurden bereits Ansätze zur Erklärung wirtschaftskriminellen Handelns gefunden.

Die Rational-Choice-Theorie beschreibt die Entstehung von Kriminalität als Abwägung von ökonomischen Überlegungen. Demnach kann ein Mensch zum Straftäter werden, wenn der erwartete Nutzen aus einer Straftat höher ist als der Nutzen aus einer legalen Tätigkeit.[60]

Aus kriminologischer Sicht kommt es im Sinne von Mertons Anomie-Theorie zu Situationen in denen der Täter einen „anomischen Druck“[61] verspürt bzw. dieser auf ihn einwirkt. Dabei stehen sich auf Seiten des Täters ein inadäquates Anspruchsniveau und ein unrealistisches Verhältnis zu Geld und Eigentum gegenüber.[62] Dies äußert sich dadurch, dass ein Delinquent auch in Krisensituationen seinen kostspieligen Lebensstil beibehalten möchte.[63] Ein potentieller Wirtschaftsstraftäter unterscheidet sich von einem Nichtstraftäter durch die Wahrnehmung bzw. die Nichtwahrnehmung von sich bietenden Gelegenheiten.[64] „Moral und Werte wirken als Filter.“[65] Nach Überwinden der moralischen Hürde, werden Kosten-Nutzen-Abwägungen vorgenommen, welche sich im subjektiv empfundenen Entdeckungsrisiko widerspiegeln. Je nach Höhe des Risikos kommt es tatsächlich zur Durchführung einer Straftat (siehe Abbildung 3).[66] Das Ausnutzen von Sicherheitslücken und sich bietenden Gelegenheiten wird von den meisten Menschen als nicht anständig empfunden.[67] SUTHERLAND erkannte bereits 1941, dass sich Wirtschaftsstraftaten von anderen Straftaten durch einen gravierenden Vertrauensmissbrauch unterscheiden: „The most general, although not universal, characteristic of white-collar crime is violation of trust.“[68]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Faktorenpyramide zur Wahrscheinlichkeit von Straftaten (vgl. Bussmann 2004a)

Ebenfalls von SUTHERLAND stammt die „Theorie der differenziellen Kontakte“. Dadurch wird abweichendes genau wie konformes Verhalten erklärt, nämlich durch Erlernen innerhalb von kleinen sozialen Gruppen.[69] Durch diesen Ansatz wurde zunächst Jugendkriminalität erklärt. Kriminelle Praktiken können aber auch durch Eliten wie ein Handwerksberuf erlernt werden.[70] Soziale Netzwerke die kriminelles Verhalten unterstützen:

- „erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Bereicherungsdelikten deutlich,
- schwächen die moralischen Bindungen an das Recht beträchtlich und
- steigern die Neutralisierungsbereitschaft.“[71]

1953 beschrieb CRESSEY das „Fraud Triangle“.[72] Im deutschen Sprachgebrauch hat sich dafür der Begriff: „Doloses Dreieck“ durchgesetzt.[73] Demnach kommt es zu wirtschaftskriminellen Handlungen, sofern bei einer Person ein als nicht lösbar empfundenes Problem, eine Tatgelegenheit sowie eine persönliche Rechtfertigung dieser Tat zeitgleich aufeinandertreffen.[74] Alle drei Bedingungen müssen vorhanden sein. Die jeweilige Gewichtung der einzelnen Bedingungen dabei ist unerheblich.[75]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 Fraud Diamond in Anlehnung an Wolfe; Hermanson (2004)

Im Jahr 2004 wurde das „Fraud Diamond“ von Wolfe und Hermanson entwickelt (siehe Abbildung 4). Zusätzlich zu den Elementen des „Fraud Triangle“ wurde das Element Fähigkeit als Einflussmöglichkeit des Einzelnen auf das Begehen doloser Handlungen gesehen.[76] Die Fähigkeit ihrerseits unterliegt nachfolgenden Voraussetzungen:

- Eine Person (im Unternehmen) hat der Position entsprechende Befugnisse,
- ein Wissen über Systemschwächen,
- starkes Selbstvertrauen,
- großes Überzeugungstalent,
- kann überzeugend Lügen und
- verfügt über gewisse Stressresistenz.[77]

Durch Studenten und Professoren der Hochschule Pforzheim wurde ein Prozessmodell mit sechs charakteristischen Phasen zur Erklärung wirtschaftskriminellen Handelns entworfen.[78]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Sechs Phasen-Prozessmodell. Eigene Darstellung nach Cleff et al. (2008)

Am Anfang steht dabei die Zielerreichung einer Person auf legalem Wege. Auf diesem Wege kommt es zu Misserfolgen. Davon geleitet, sucht derjenige nach neuen, möglicherweise auch illegalen Wegen um seine Ziele zu erreichen. Sofern es hier erste Erfolge gibt, kommt es zum Kontrollverlust im legalen Handlungsbereich.[79] Die ersten vier Phasen dabei sind bereits aus verschiedenen Erklärungsmodellen für wirtschaftskriminelles Handeln bekannt. Wobei bis zur dritten Phase der Weg in die Kriminalität nicht vorgezeichnet ist. An dieser Stelle kann genauso die Neuorientierung des Berufsweges stehen. Es wird hier jedoch nur der Werdegang des Betrügers aufgezeigt. Es gibt auch noch den legalen Weg. Interessant ist die Phase V – der „Point of no return“. Durch Rechtfertigungsmuster wird das Rechtsbewusstsein dem Handeln des Täters angepasst. In Phase VI kommt es entweder zur Aufdeckung der Tat, die mit der Erlangung eines Realitätsschocks einhergeht oder eben nicht zur Aufdeckung, was eine Verstärkung der Motive und Ziele mit sich bringen kann (siehe Abbildung 5).[80]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Zusammenhang tatrelevanter Einflussgrößen einer Wirtschaftsstraftat. Eigene Darstellung nach Cleff et al. (2008)

Durch das Zusammenwirken von persönlichkeitsrelevanten Faktoren, wie Motive und Werte, der Stellenwert des Geldes sowie die Ausprägung von Rechtsbewusstsein und umweltspezifischen Einflussgrößen, wie emotionale Faktoren (z. B. Frustration oder Angst) und die Wahrnehmung von Tatgelegenheiten kann die Basis für eine Wirtschaftsstraftat gelegt werden. Durch das Zusammenwirken kommt es jedoch nicht zwangsläufig zu einer Tathandlung. Sollte es die Tatausführung geben, wird diese je nach Persönlichkeit auf unterschiedliche Art und Weise gerechtfertigt (siehe Abbildung 6).[81]

[...]


[1] Vgl. Die Welt-Tablet-App vom 13.11.2014 zum Thema Verbraucherrechte „Strenge Regeln für den grauen Kapitalmarkt“, S. 2., Zitat Wolfgang Schäuble anlässlich der Verabschiedung des Kleinanlegerschutzgesetzes am 12.11.2014.

[2] Vgl. Elger; Schwarz (2009), S. 138.

[3] Vgl. Fischer, D.; Schefold (2010), S. 10.

[4] BaFin (2011), S. 1.

[5] Vgl. Fischer, D.; Schefold (2010), S. 10.

[6] Vgl. Eckert (2014), S. 1.

[7] In Anlehnung an Barach (2005), S. 68.

[8] Vgl. Liebel (2002), S. 44.

[9] Vgl. Lippert; Knorre (2007), S. 224.

[10] Vgl. Möller (1994), S. 113.

[11] Vgl. Thibault und Kelly, in: Ihm (2011), S. 59. Für die gegenseitige Beeinflussung wird in der Soziologie der Begriff Reziprozität verwendet.

[12] Vgl. Ihm; Stupperich (2007), S. 667.

[13] Vgl. Ihm; Stupperich (2007), S. 668.

[14] Ebenda.

[15] 2. Periodischer Sicherheitsbericht (2006), S. 203, in Anlehnung an Duffield & Grabovsky, (2001). The Psychology of Fraud Crime and Criminal Justice Australian Institut of Criminology.

[16] Vgl. Kemme et al (2012), S. 128.

[17] Vgl. Ihm (2011), S. 25.

[18] Vgl. Duffield und Grabosky (2001), in: Ihm (2011), S. 37.

[19] Vgl. Fischer, T. (2010), S. 23.

[20] Vgl. Schwarz, in: Online-Lexikon Krimlex zum Begriff: „Opfer“.

[21] Vgl. Schwind (2007), S. 438.

[22] Beim Enkeltrick rufen Betrüger bei älteren Menschen an und täuschen vor, Verwandte zu sein. Sie erbitten vom Opfer Geld weil sie angeblich in eine missliche Lage geraten sind. Die Opfer werden durch wiederholte Anrufe unter Druck gesetzt. Der Betrug wird durch die Abholung des Geldes vollendet.

[23] Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG (Homepage: www.kpmg.de), in: Lippert; Knorre (2007), S. 223.

[24] 2. Periodischer Sicherheitsbericht (2006), S. 201.

[25] Vgl. Schwind (2007), S. 440.

[26] Vgl. Kilian (2009), S. 3.

[27] Vgl. Park (2008), Rn. 5.

[28] Vgl. Park (2008), Rn. 6.

[29] Vgl. Liebel (2002), S. 149.

[30] Vgl. Kilian (2009), S. 6.

[31] Vgl. Kilian (2009), S. 6.

[32] Vgl. Harte-Bavendamm; Henning-Bodewig (2004), § 16 UWG, Rn. 35.

[33] Vgl. SEC-1 (2014).

[34] Vgl. SEC-1 (2014).

[35] Vgl. Spremann (2004), S. 96.

[36] Ebenda.

[37] Ebenda.

[38] Vgl. Basu (2014), S. 3.

[39] Vgl. Kilian (2009), S. 2.

[40] SEC-2 (2014), S. 1.

[41] Vgl. Parodi (2013), S. 2.

[42] Vgl. Basu (2014), S. 4.

[43] Vgl. Liebel (2002), S. 79 - 84.

[44] Vgl. Fischer, T. (2010), S. 22.

[45] Vgl. Schorsch (2007), S. 238.

[46] Vgl. Gaede (2009), in: HRRS 2009 Nr. 318, zu BGH 1 StR 731/12, Beschluss vom 18. Februar 2009 (LG München I), Rn. 16.

[47] Vgl. Kilian (2009), S. 7.

[48] Vgl. Kilian (2009), S. 7.

[49] Vgl. Schorsch (2007), S. 237.

[50] Vgl. Schorsch (2007), S. 237.

[51] SEC-1 (2014).

[52] BKA Bundeslagebild 2013. Deliktsbereich Wirtschaftskriminalität. Bei dem in Hessen geführten Ermittlungsverfahren handelt es um ein Ponzi Scheme der S&K Gruppe, Frankfurt.

[53] Handelsblatt (online) vom 13.12.2013.

[54] BKA PKS 2009-2013.

[55] Vgl. Aussage von Oberstaatsanwalt Dr. Hans Richter anlässlich der Tagung „Steuerungskreis Wirtschaftskriminalität“ am 10.12.2014 beim LKA Baden-Württemberg.

[56] Vgl. Wetzels, P., in: 2. Periodischer Sicherheitsbericht (2006), S. 201.

[57] Vgl. Heinz, S. 691, in Schwind (2007), S. 440.

[58] Vgl. Landmann (2013), S. 27f.

[59] Vgl. Landmann (2013), S. 40.

[60] Vgl. Schmitt-Leonardy (2013), Rn. 125, Anm. 2.

[61] Der Druck entsteht durch eine Diskrepanz zwischen den Zielen eines Menschen und den zur Verfügung stehenden Mitteln.

[62] Vgl. Schneider (2008), S. 140f.

[63] Vgl. Schneider (2008), S. 140.

[64] Vgl. Bussmann (2004a), S. 38.

[65] Ebenda.

[66] Vgl. Bussmann (2004a), S. 38.

[67] Vgl. Bussmann (2008), S. 124.

[68] Vgl. Schuchter (2012), S. 23.

[69] Vgl. Schmitt-Leonardy (2013), Rn. 123.

[70] Vgl. Bussmann (2004b), S. 247.

[71] Vgl. Bussmann (2004b), S. 255.

[72] Vgl. Schuchter (2012), S. 64.

[73] Vgl. Siller (2014), S. 1.

[74] Vgl. Schuchter (2012), S. 65.

[75] Ebenda.

[76] Vgl. Schuchter (2012), S. 75.

[77] Vgl. Wolfe; Hermanson (2004), S. 3f.

[78] Vgl. Cleff et al. (2008), S.21: Um die Motive von Wirtschaftsstraftätern zu betrachten, wurden dreizehn qualitativ-psychologische Interviews mit in Vollzugsanstalten einsitzenden Wirtschaftsstraftätern geführt. Die Ergebnisse waren zugleich Grundlagen für theoretische Überlegungen.

[79] Vgl. Cleff et al. (2008), S. 20.

[80] Vgl. Cleff et al. (2008), S. 21.

[81] Vgl. Cleff et al. (2008), S. 22.

Ende der Leseprobe aus 109 Seiten

Details

Titel
Entwicklungen und Ursachen der Betrugskriminalität. Ponzi Schemes
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Kriminologie und Polizeiwissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
109
Katalognummer
V301873
ISBN (eBook)
9783956872846
ISBN (Buch)
9783668003835
Dateigröße
1204 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kriminologie, Wirtschaftskriminalität, Wirtschaftsdelikte, Ponzi Scheme, Betrug, Kapitalanlagebetrug, Polizei, § 263a StGB, Madoff, Prävention
Arbeit zitieren
Anke Eger (Autor:in), 2015, Entwicklungen und Ursachen der Betrugskriminalität. Ponzi Schemes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301873

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