Die Vitalienbrüder und die Hanse


Seminararbeit, 1997

17 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1. Fragestellung
1.2. Quellenlage
1.3. Forschungsstand

2. Die „Entstehung“ der Vitalienbrüder
2.1. Strandraub und Küstenpiraterie
2.2. Die schwedischen Thronstreitigkeiten

3. Die Blütezeit der Vitalienbrüder in der Ostsee
3.1. Der Friedenschluß zwischen Mecklenburg und Dänemark
3.2. Die Insel Gotland
3.3. Die hansischen Gegenmaßnahmen
3.4. Die Intervention des Deutschen Ordens

4. Die Vitalienbrüder in der Nordsee 10
4.1. Gödecke Michels und Klaus Störtebecker
4.2. Vitalienbrüder in Ostfriesland
4.3. Hamburg, Bremen und Lübeck
4.4. Die Gefangennahme Störtebekers und Michels

5. Die Legende um Klaus Störtebecker

6. Literatur

1. Einleitung

1.1. Fragestellung

Inhalt dieser Arbeit ist die Geschichte der Vitalienbrüder, der Piraten in der Nord- und Ostsee Ende des 14. Jahrhunderts. Besondere Beachtung findet hierbei das Verhältnis zwischen ihnen und der deutschen Hanse. Die Anfänge der Piraterie in Nord- und Ostsee werden ebenso behandelt wie die Legen-denbildung um Klaus Störtebeker und die Frage nach der inneren Struktur der „Gemeinschaft“. Die Geschichte der Vitalienbrüder wird im historischen Kontext der Auseinandersetzungen zwischen deutschen Fürsten, den nordischen Reichen (besonders Dänemark) und der Hanse untersucht.

1.2. Quellenlage

Die Vitalienbrüder selbst haben, der Natur ihrer Lebensführung entsprechend, keine schriftlichen Quellen hinterlassen. Erhalte Quellen sind diverse Chroniken wie die Lübecker „Rufus - Chronik“ oder die sog. „Detmar - Chronik“[1], Urkunden (z.B. Klageschriften über Verluste durch Kaperei, s. Kap. 4.1.) und die „Hanserecesse“[2], die Aufzeichnungen der Hansetage. Während Chroniken die Vitalienbrüder nur am Rande erwähnen und auch (vor allem in ihrer Datierung der Ereignisse) nicht sonderlich zuverlässig sind, da sie in der Regel erst mit größerem zeitlichen Abstand verfaßt wurden, sind die Hanserecesse wichtige Quellen, da besonders die Hansetage in den 1390er Jahren sich eingehend mit den Aktivitäten der Vitalienbrüder beschäftigten. Durch den Hamburger Stadtbrand von 1842 entstanden leider beträchtliche Verluste an Archivmaterial, jedoch blieben die Kämmereirechnungen erhalten und geben wichtige Hinweise[3].

Durch die Eigenart der mittelalterlichen Schriftquellen ist keinem der in diesem Thema vorkommenden Namen eine eindeutige Schreibweise zuzuordnen. Für Gödecke Michels beispielsweise finden sich u. a. die Formen „Godeke“, „Goedecken“, „Michel“, „Michaelis“ etc. und sogar „Wessels“.

1.3. Forschungsstand

Da mittelalterliche Quellen oft nicht sehr zuverlässig sind, blieben in diesem Thema einige Fragen offen. Die Forschermeinungen unterscheiden sich ganz erheblich, teilweise lassen sich gewisse Dinge, wie etwa die Herkunft des Namens „Vitalienbrüder“, mangels Vorhandensein von irgendwelchen Bele-gen nie eindeutig klären und veranlassen die Forscher zu eigenen Interpre-tationen (s. Kap. 2.2.). So zweifelt Krawitz gar die Existenz des Piraten Störte-becker an und vertritt die Mainung, der Name stehe eher symbolisch für eine niederschichtige Gruppe von Menschen, die am sozialen Abgrund stehen und sich daher dem Raub zuwenden[4]. Das relativ neue Werk von Matthias Puhle kann jedoch für sich in Anspruch nehmen, mit diesem und anderen alten Denkmodellen aufgeräumt zu haben und sich bei der Entwicklung seiner Theorien nur an den belegten Fakten zu orientieren.

2. Die „Entstehung“ der Vitalienbrüder

2.1. Strandrecht und Küstenpiraterie

Mit der Zunahme des Handelsverkehrs über See kam es immer öfter vor, daß Kauffahrer an der Küste Schiffbruch, etwa durch stürmisches Wetter, erlitten. Für die dort lebenden Einwohner war ein solches Ereignis ein „Geschenk Gottes“, halfen die geborgenen Waren - das „Strandgut“ - doch bei der Be-streitung ihres Lebensunterhaltes. Die Landesherren der betroffenen Re-gionen kassierten dabei mit, indem sie festlegten, wie diese Beute zwischen ihnen und den Einwohnern aufteilen war. Der Eigner des Schiffes sah von seinen Gütern nichts wieder. Aus dem Jahre 1283 ist ein Vertrag aus dem Küstenstrich zwischen Elbe und Weser bekannt, der festlegte, daß das Strandgut nicht angetastet werden dürfe, solange Angehörige der Schiffsbe-satzung überlebt haben. Diese Regelung führte allerdings nur dazu, daß et-waige Überlebende von den Küstenbewohnern erschlagen wurden, um sich die Beute zu sichern. Auch weitere Vertragswerke, die z.B. der Bergungs-truppe einen festen Lohn zusicherte, konnten diese Aktionen nicht wesentlich reduzieren[5]. Dieses „Strandrecht“ galt als „gottgegebenes“ Recht.

Vom Strandraub bis zur regelrechten Piraterie auf See dürfte es nur ein kleiner Schritt gewesen sein. Piraten gab es überall, und bald fingen Territorialherrscher an, sich ihrer zu bedienen. Als im Jahre 1375 König Wal-demar Atterdag von Dänemark starb, stritten sich seine beiden Töchter Inge-borg und Margarethe um den Thron, den sie jeweils mit ihrem Sohn besetzen wollten. Als der dänische Adel am 3. Mai 1376 den Sohn Margarethes (die mit König Haakon VI. von Norwegen verheiratet war), Olaf VI., auf den dänischen Thron wählten, brachen Feindseligkeiten mit Albrecht II. von Mecklenburg, dem Großvater Albrechts IV., dem Sohn der erwähnten Ingeborg, aus. Albrecht knüpfte Kontakt zu Piraten (die schon seit längerer Zeit die Schiffahrt in der Ostsee bedrohten) und lud sie ein, in offiziellem Auftrag Mecklenburgs Dänemark zu schädigen, d.h. in erster Linie dänische Schiffe zu erobern und auszuplündern. Zu diesem Zweck erhielten sie Kaperbriefe und wurden zu regelrechten Hilfstruppen im Krieg, allerdings beschränkten sie sich schon da nicht auf die dänischen Schiffe. Als Mecklenburg schließlich 1379 nach dem Tode Albrechts II. einen Waffenstillstand mit Dänemark schloß, bediente sich Margarethe (als Regentin Dänemarks für ihren minderjährigen Sohn) der Seeräuber, um die Vormachtstellung der Hanse zu schwächen[6]. Allerdings wich sie bald von dieser Strategie ab, um sich für zukünftige Verhandlungen das Wohlwollen der Hanse zu sichern und half bei der Bekämpfung der Seeräuber. Gegen Ende der 80er Jahre war es auf der Ostsee wieder halb-wegs ruhig[7].

2.2. Die schwedischen Thronstreitigkeiten

Der schwedische König Albrecht war Mecklenburger und stand damit in stän-digem Konflikt mit dem schwedischen Adel, der sich von ihm und seinen deutschen Rittern unterdrückt wurde. Der Adel betrieb nun die Wiedereinsetzung des alten Herrscherhauses, der entsprechende Kandidat war der Sohn Margarethes, Olaf. Als nach dessen Tod 1387 Margarethe zur Königin von Dänemark wurde, boten die schwedischen Adligen ihr die schwe-dische Krone an[8]. Albrecht suchte daraufhin Hilfe in seiner Heimat und rüstete ein Heer aus, mit dem er aber im Februar 1389 bei Falköping geschlagen wurde und in dänische Gefangenschaft geriet. Johann d. Ä. von Stargard übernahm die Leitung der Geschicke Mecklenburgs und rief wiederum zum Kaperkrieg gegen Dänemark auf. Besonders Angehörige des niederen mecklenburgischen Adels nahmen daran teil[9]. Johann selbst startete 1390 und 1391 zwei Versorgungsfahrten nach Stockholm, das mittlerweile nach Unterdrückung von Unruhen fest in deutscher Hand war, und stärkte die mecklenburgischen Truppen derart, daß die Dänen es in den folgenden Jahren nicht erobern konnten und Margarethe zu Verhandlungen bereit war.

Die Flotte, mit der Johann diese Fahrten unternahm, setzte sich größtenteils aus Schiffen mit Seeleuten zusammen, die seinem Aufruf zur Kaperfahrt gefolgt waren und die meistens unter dem Befehl mecklenburgischer Adliger standen. Die Flotte beschränkte sich daher auch keineswegs nur auf die Nachschublieferung für Stockholm, sondern beging auf dem Weg zahlreiche Plünderungen. Nach dem Beginn des Waffenstillstandes 1395 hörten die Ka-perungen aller möglichen Schiffe (nicht nur dänischer) dann auch nicht auf. Im Verlaufe dieses Konfliktes zwischen Mecklenburg und Dänemark taucht der Name „Vitalienbrüder“ auf.

Es wurde weithin angenommen, „Vitalienbrüder“ leite sich aus eben diesen Versorgungsfahrten nach Stockholm ab („Viktualien“ = Lebensmittel) und wurde von den Seeräubern später beibehalten. In den Hamburger Kämmerei-rechnungen findet sich allerdings ein Eintrag, in dem bereits 1390 von einem Einsatz gegen „vitalienses“ die Rede ist. Puhle zieht hieraus den Schluß, daß sich das Wort zwar von „Viktualien“ ableitet, aber darauf hinweist, das die Vitalienbrüder sich selbst versorgen konnten[10] ; während Zimmerling meint, daß der Name nicht von den Stockholmfahrten her rühre, sondern von den sog. „Vitaillers“, jenen Leuten also, die während eines Feldzuges Lebensmittel für das Heer requirierten und die in den Augen des Volkes daher in keinem Unterschied zu „ordinären Räubern“ standen[11]. Welche Theorie zutrifft, ist kaum nachweisbar.

[...]


[1] Karl Koppmann (Hrsg.), Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jhd., Bd. 19 (Detmar-Chronik), Leipzig 1884; Bd. 28 (Rufus - Chronik), Leipzig 1902

[2] Karl Koppmann (Hrsg.), Hanserecesse, 8 Bde., Leipzig 1870 - 97. Die Bde. IV und V behandeln die Zeit der Vitalienbrüder.

[3] M. Puhle, Die Vitalienbrüder, Frankfurt am Main 1992, S.10

[4] ebd., S.147f.

[5] Erich Lüth, Seeräuber und Geraubte, Flensburg 1970, S. 15ff.

[6] Dieter Zimmerling, Störtebeker & co. , Hamburg 1980, S.63ff.

[7] Puhle, S. 26ff.

[8] E. Daenell, Die Blütezeit der deutschen Hanse, Berlin 1905, S. 116f.

[9] Puhle, S.59ff.

[10] ebd., S. 40ff.

[11] Zimmerling, S. 94f.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Vitalienbrüder und die Hanse
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Fakultät IV)
Veranstaltung
Proseminar Einführung in die Geschichte des Mittelalters
Note
1
Autor
Jahr
1997
Seiten
17
Katalognummer
V30175
ISBN (eBook)
9783638314961
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Bitte beachten: das Literaturverzeichnis beschränkt sich auf die Werke, die sich unmittelbar mit dem "Seeräuber-Thema" befassen. Auf namentliche Erwähnung der üblichen Standardwerke zur Hansegeschichte bzw. zur Geschichte des Spätmittelalters ist verzichtet worden.
Schlagworte
Vitalienbrüder, Hanse, Proseminar, Einführung, Geschichte, Mittelalters
Arbeit zitieren
Maik Nolte (Autor:in), 1997, Die Vitalienbrüder und die Hanse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30175

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