Neurose bei Sigmund Freud und deren Anwendbarkeit auf den Fall Haitzmann und die Teufelsneurose


Hausarbeit, 2015

25 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Psychoanalyse und die Neurose allgemein
2.1 Die Psychoanalyse im Allgemeinen
2.2 Die Neurose im Allgemeinen
2.3 Die 4 Formen neurotischer Deformierung

3. Der Krankheitsverlauf des Christoph Haitzmann
3.1 Die Falldarstellung
3.2 Freuds Analyse des Falls
3.2.1 Das Motiv des Teufelspakts
3.2.2 Die zwei Verschreibungen
3.2.3 Freuds weiterführende neurotische Diagnose

4. Anwendung der Neurosenlehre und Versuch der Einordnung in eine Form neurotischer Deformierung

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

„[…] [D]ie Psychoanalyse sei ein Verfahren, wie man nervös Kranke ärztlich behandelt, […]“ (Freud, 2007a, S.13). So stellt Sigmund Freud die Psychoanalyse vor (Freud 2007a, S.13) und impliziert damit eine aktive Behandlungsmethode durch den Psychoanalytiker. Unbeantwortet bleibt allerdings, ob sich das psychoanalyti-sche Behandlungs- und Analyseverfahren auch auf fiktive Beispiele oder historische Überlieferungen anwenden lässt. Der in dieser Arbeit behandelte Fall des Malers Christoph Haitzmann stellt ein solches historisch-literarisches Beispiel dar. Zum allgemeinen Verständnis ist zu erklären, dass Freud die Behandlung und die damit verbundenen Aufzeichnungen nicht selbst durchgeführt hat. Sein Fall bezieht sich auf schriftliche Überlieferungen eines „[…] Herrn Hofrats Dr. R. Payer-Thurn, Direktor der ehemals k.k. Fideikommißbibliothek in Wien“ (Freud, 2007b, S.175). Freud betitelt den Fall Haitzmann als „Teufelsneurose“ (Freud, 1940, S.317), womit er eine neurotische Erkrankung bei Haitzmann diagnostiziert. Freud vermerkt beim Fall Haitzmann, dass es ihm nicht um eine reine Anwendung seiner psychoanalytischen Theorie geht.

Er stellt fest, er wolle mit diesem Aufsatz nicht psychoanalytische Thesen beweisen, sondern sie vielmehr voraussetzen, um religiöse Phänomene wie den Teufel besser verstehen zu können, und zwar ohne auf religiöse Erklärungen zurückzugreifen (Freud, 2007b, S.10).

Fragwürdig ist jedoch, worauf Freud seine Diagnose einer Teufelsneurose stützt, wenn er, wie oben genannt, keine psychoanalytischen Thesen beweisen will, aber letztendlich ein psychoanalytisches Phänomen diagnostiziert. Es sei auch gar nicht seine [Freuds] Absicht, diesen Fall als Beweismittel für die Gültigkeit der Psychoanalyse zu verwerten, er setze vielmehr die Psychoanalyse als gültig voraus und verwende diese dazu, um die dämonologische Erkrankung des Malers aufzuklären.

Freud nutzt somit, wie oben aufgeführt, die psychoanalytische Technik als Zweckmittel, um ein Phänomen [den Teufel] erklären und verstehen zu können (Freud, 2007b, S.186). Dies impliziert zwangsläufig psychoanalytische Thesen, womit Freud indirekt die Psychoanalyse und ihre Technik herausstellt und ihre Allgemeingültigkeit hervorhebt. Hieraus ergibt sich die Fragestellung der Arbeit. Inwieweit lässt sich Sigmund Freuds Krankheitsschema der Neurose auf den Fall Christoph Haitzmann anwenden und in die vier Formen neurotischer Deformierung einordnen?

Die Arbeit soll Freuds Arbeit am Fall Haitzmann kritisch beleuchten und hinterfragen. Zunächst wird eine allgemeine definitorische Übersicht über Freuds Psychoanalyse, Neurosenlehre und die damit verbundenen vier Formen neurotischer Deformierung präsentiert. Im anschließenden Kapitel wird der Fall des Christoph Haitzmann behandelt, einschließlich eines kurzen Überblicks über den Ausbruch und den Fortgang seiner Krankheit dargestellt wird. Unterkapitel 3.1 stellt den Fall dar, der im Unterkapitel 3.2 von Sigmund Freud analysiert wird. Das vierte Kapitel wendet Freuds neurotisches Krankheitsschema auf den Fall an, um anhand der in Kapitel 2.2 und 2.3 genannten Symptome eine praktische Anwendung zu demonstrieren. Weiter wird im vierten Kapitel versucht, den Fall Haitzmann in eine der vier neurotischen Deformierungen einzuordnen. Im Fazit werden letztlich die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und Freuds Analyse wird kritisch hinterfragt, sodass am Ende versucht wird, eine Antwortmöglichkeit auf die Fragestellung der Arbeit zu finden.

2. Die Psychoanalyse und die Neurose allgemein

2.1 Die Psychoanalyse im Allgemeinen

„Freud verstand sein Werk [die Psychoanalyse] als die dritte narzisstische Kränkung des Menschengeschlechts“ (Freud, 2007b, S.15). Nach Kopernikus und Darwin, die erkannt haben, dass der Erdball nicht im Mittelpunkt des Kosmos stehe und dass der Mensch ein Teil der Naturgeschichte sei, postuliert Freud nun, dass das Ich nicht Herr im eigenen Hause sei (vgl. ebd. S.15).

Die Psychoanalyse basiert auf zwei Grundbehauptungen, die sie von der normalen Psychiatrie abgrenzt und die vielfach kritisiert wurden (Freud 2007a, S.19). Erstens, seelische Vorgänge seien an und für sich unbewusst und die bewussten seelischen Vorgänge seien bloß einzelne Akte des ganzen Seelenlebens (vgl. ebd. S.19). Zweitens, Triebregungen, die man nur als sexuelle im engeren wie im weiteren Sinn bezeichnen könne, spielten eine ungemeine große und bisher nie genug gewürdigte Rolle in der Verursachung der Nerven- und Geisteskrankheiten (vgl. ebd. S. 19-20).

„Die eigentümliche Methode der Psychotherapie, die Freud ausübt und als Psy- choanalyse bezeichnet, ist aus dem [...] kathartischen Verfahren hervorgegangen [...]“ (Freud, 1975, S.101). Katharsis meint die Hypothese, dass es zu einer Reduktion innerer Konflikte und verdrängter Emotionen kommt, wenn das Individuum diese auslebt (Jonas, Ströbe, Hewstone, 2007, S.291). Explizit postuliert die Kartharsishypothese, dass „[…] eine erfolgreiche Strategie zur Verringerung von Aggression im Abbau aggressiver Spannungen durch symbolische Handlungen [besteht]“ (Jonas, Ströbe, Hewstone, 2007, S.291). Voraussetzung des katharti-schen Verfahrens sei die Hypnotisierbarkeit des Patienten, um ihn in den psychi-schen Zustand zurückzuversetzen, in welchem das zu behandelnde Symptom zum ersten Mal aufgetreten war, was auf der Erweiterung des Bewusstseins beruhe, die in der Hypnose auftrete (Freud, 1975, S.101).

Meistens ist es nötig, die Kranken zu hypnotisieren und in der Hypnose Erinnerungen jener Zeit, wo das Symptom zum ersten Male auftrat, wachzurufen; dann gelingt es, jenen Zusammenhang aufs Deutlichste und Überzeugendste darzulegen (Breuer & Freud 1916, S.1).

Die Hypothese beruht auf dem „Breuersche[n] Fund“ (Freud 2007a). „Der Satz, daß die Symptome verschwinden, wenn man ihre unbewußten Vorbedingungen bewußt gemacht hat, ist durch alle weitere Forschung bestätigt worden“ (Freud, Mitscherlich, 1969, S.279). Bis heute gilt der Breuersche Fund als Grundlage der Psychoanalyse. Die therapeutische Wirksamkeit erklärten Breuer und Freud sich „[…] aus der Abfuhr des bis dahin gleichsam >> eingeklemmten << Affekts, der an den unterdrückten seelischen Aktionen gehaftet hatte [>> Abreagieren <<]“ (Freud, 1975, S.101, Hervorheb. im Orig.).

Die Symptombildung ist ein Ersatz für etwas anderes, was unterblieben ist. Gewisse seelische Vorgänge hätten sich normalerweise so weit ent-wickeln sollen, daß das Bewußtsein Kunde von ihnen erhielte. Das ist nicht geschehen, und dafür ist aus den unterbrochenen, irgendwie gestörten Vorgängen, die unbewußt bleiben mussten, das Symptom hervorgegangen. Es ist also etwas wie eine Vertauschung vorgefallen; wenn es gelingt, diese rückgängig zu machen, hat die Therapie der neuroti-schen Symptome ihre Aufgabe gelöst (Freud, 2007, S. 268).

„Hatte die kathartische Methode bereits auf die Suggestion verzichtet, so unternahm Freud den weiteren Schritt, auch die Hypnose aufzugeben“ (Freud, 1975, S.102). Bei der Anwendung der Hypnose sei man von dem Zustand der Übertragungsfähigkeit des Kranken abhängig, ohne dass man auf diese selbst einen Einfluss ausüben könne (Freud 2007a. S.431). Freud wendet sich einem dialogischen und interpretativen Austausch zwischen Klient und Arzt zu. „Die Technik der >>freien Assoziation<< war im Entstehen begriffen“ (Gay, 1989. S.86).

In der analytischen Behandlung geht nichts anderes als ein Austausch von Worten zwischen Analysiertem und dem Arzt. Der Patient spricht, erzählt von vergangenen Erlebnissen und gegenwärtigen Eindrücken, klagt, bekennt seine Wünsche und Gefühlsregungen. Der Arzt hört zu, sucht die Gedankengänge des Patienten zu dirigieren, mahnt, drängt seine Aufmerksamkeit nach gewissen Richtungen, gibt ihm Aufklärungen und beobachtet Reaktionen von Verständnis oder Ablehnung, welche er so beim Kranken hervorruft (Freud, 2007a, S.15 ).

Somit habe Freud einen völlig ausreichenden Ersatz in den Einfällen der Kranken gefunden (Freud, 1975, S.103). Das Ziel der Psychoanalyse sei das Bewusstmachen des Unbewussten, die Aufhebung der Verdrängung und die Ausfüllung der amnestischen Lücken (Freud 2007a. S.415). Amnesien seien das Ergebnis eines Vorgangs, den Freud Verdrängung nenne und als dessen Motiv er Unlustgefühle erkenne (Freud, 1975, S.103). Die psychischen Kräfte, welche diese Verdrängung herbeigeführt haben, meint er in dem Widerstand, der sich gegen die Wiederherstellung erhebt, zu verspüren (vgl. ebd. S.103). „Je größer der Widerstand, desto ausgiebiger diese Entstellung“ (vgl. ebd. S.104). Freud betrachte die sonst unter allen Vorwänden beseitigten Einfälle als Abkömmlinge der verdrängten psychischen Gebilde, als Entstellungen derselben infolge des gegen ihre Reproduktion bestehenden Widerstandes (vgl. ebd. S.103-104). Die Aufgabe der Psychoanalyse sei es, das Unbewusste dem Bewusstsein zugänglich zu machen, was durch die Überwindung der Widerstände geschehe (vgl. ebd. S.105). Demnach sei die Therapieme-thode der Psychoanalyse allerdings nur anwendbar, wenn es eine Verdrängung oder einen ihr analogen psychischen Vorgang gebe, der rückgängig zu machen sei (Freud, 2007a, S. 415). Zuerst werde dabei die Verdrängung aufgesucht, um anschließend den Widerstand beseitigen zu können, welcher die Verdrängung aufrecht erhalten lasse (vgl. ebd. S. 416).

Durch solches Aufsuchen der Verdrängung, Aufdecken der Widerstände, Andeuten des Verdrängten gelingt es wirklich, die Aufgabe zu lösen, also die Widerstände zu überwinden, die Verdrängung aufzuheben und das Unbewußte in Bewußtes zu verwandeln (vgl. ebd. S. 417).

Allerdings sind der psychoanalytischen Therapie personenbezogene Grenzen gesetzt. Erstens müsse sie [die Person] eines psychischen Normalzustandes fähig sein, ferner dürfe man ein gewisses Maß natürlicher Intelligenz und ethischer Ent-wicklung fordern (Freud 1975. S.106). Wenn dies nicht der Fall sei, so sei auch keine Psychoanalyse durchführbar. Weiter setze überhaupt die Konstitution eine Grenze für die Heilbarkeit durch Psychotherapie (vgl. ebd. S.106). „Auch eine Altersstufe in der Nähe es fünften Dezenniums schafft ungünstige Bedingungen für die Psychoanalyse“ (Freud 1975, S.106). Letztlich werde in der Psychoanalyse an der Übertragung selbst gearbeitet (Freud 2007a S. 431). Diese werde zunächst aufgelöst und dem, was ihr entgegenstehe, werde mit Hilfe eines Instrumentes entgegengewirkt (vgl. ebd. S.431). „Die therapeutische Arbeit zerlegt sich also in zwei Phasen; in der ersten wird alle Libido von den Symptomen her in die Übertragung gedrängt und dort konzentriert, in der zweiten der Kampf um dies neue Objekt durchgeführt und die Libido von ihm frei gemacht“ (vgl. ebd. S. 434).

2.2 Die Neurose im Allgemeinen

Die Neurose ist nach Freud eine psychische Störung, die durch einen Konflikt entsteht und im Laufe einer Entwicklung ausgebildet wird (Freud, 2007a, S.263-268). Kennzeichnend für die Neurose ist, dass sie „[…] nicht zufällig ist, sondern ein Motiv hat, einen Sinn und eine Absicht, daß sie in einen angebbaren seeli-schen Zusammenhang gehört […]“ (Freud, 2007a, S.237). Bestandteil der Neurose ist somit ein Sinn, wodurch die Neurose überhaupt zustande kommt. Hinzu kommt eine Absicht, die das Erlebte durch neurotische Symptome ausdrückt. „Die Symptombildung ist ein Ersatz für etwas anderes, was unterblieben ist“ (Freud, 2007a, S.268). Verdrängung ist eines der Kennzeichen der Neurose. „Wir sagen, das Ich nimmt eine Verdrängung dieser Triebregungen vor“ (Freud, 1975, S.293). Die Verdrängung der Triebregungen habe für den Augenblick den Erfolg, die Gefahr abzuwehren, aber man wechsele nicht ungestraft das Innen und das Außen (Freud 1975, S.293). „Man kann nicht vor sich selbst weglaufen“ (vgl. ebd. S.293). Bei der Verdrängung folge das Ich dem Lustprinzip [Lustprinzip = Libido], welches es sonst zu korrigieren pflege, es (das Ich) habe dafür den Schaden zu tragen (vgl. ebd. S.293-294). Der Schaden besteht „[…] darin, daß das Ich nun seinen Machtbereich dauernd eingeschränkt hat“ (vgl. ebd. S.294). Die Entstehung von Neurosen ist also das Ergebnis eines psychischen Konflikts zwischen dem Über-Ich als Gewissen, dem Ich als realitätsbezogenem Teil der Persönlichkeit und dem Es als Trieb.

Das Ich kann zumeist auch später, wenn es erstarkt ist, die Verdrängung nicht mehr aufheben, seine Synthese ist gestört, ein Teil des Es bleibt für das Ich verbotener Grund (vgl. ebd. S.294).

Nicht der Wahn sei laut Freud das Krankhafte, sondern die zuvor in einem stummen Prozess stattfindende Ablösung der Libido von den geliebten Personen und Dingen, die entsetzliche Vereinsamung also (Freud, 2007b, S.9). Die psychoanalytische Therapie will mittels der Analyse , „[…] das Ich herstellen, es von seinen Einschränkungen befreien [und] ihm die Herrschaft über das Es wiedergeben, die es infolge seiner frühen Verdrängung eingebüßt hat“ (Freud 1975, S.295).

Freud unterscheidet in seiner Neurosenlehre zwischen vier klassischen Typen neurotischer Deformierung.

2.3 Die 4 Formen neurotischer Deformierung

Grundlage aller vier Formen ist die gestörte Entwicklung des Individuums durch den Konflikt zwischen dem Über-Ich, dem Ich und dem Es. Die vier Typen der neuroti-schen Deformierung sind die Angstneurose, Aktualneurose, Psychoneurose und Zwangsneurose.

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Neurose bei Sigmund Freud und deren Anwendbarkeit auf den Fall Haitzmann und die Teufelsneurose
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Fakultät für Sozialwissenschaft)
Veranstaltung
S Die psychoanalytische Theorie Sigmund Freuds — Grundlagen, Kritik, sozialwissenschaftliche Anwendungen
Note
1,0
Jahr
2015
Seiten
25
Katalognummer
V301545
ISBN (eBook)
9783956873362
ISBN (Buch)
9783668010192
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommtentar der Dozentin: "Sehr gut geschrieben, nah am Originalwerk und ein sehr guter, kritischer Blick."
Schlagworte
Sigmund Freud, Theorie, Neurose, Haitzmann, Fall, Deformierung, Hausarbeit, Sozialwissenschaft, neurotische Deformierung, Traum, Teufel
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Neurose bei Sigmund Freud und deren Anwendbarkeit auf den Fall Haitzmann und die Teufelsneurose, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301545

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