Kommunikationsmechanismen des ADAC zum Tempolimit auf deutschen Autobahnen zwischen 1989 und 2013


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

34 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Teil
2.1 Auswahl eines theoretischen Zugangs
2.2 Untersuchungszeitraum
2.3 Operationalisierung

3 Analytischer Teil
3.1 Politische Ausgangslage
3.2 1990–1998: Schwarz-Gelbe Koalition unter Kohl
3.3 1998–2005: Rot-Grüne Koalition unter Schröder
3.4 2005–2009: Große Koalition unter Merkel
3.5 2009–2013: Schwarz-Gelbe Koalition unter Merkel
3.6 Bundestagswahl 2013 und Regierungsbildung

4 Fazit

5 Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die freie Fahrt gilt als deutsche Besonderheit: Kein vergleichbar entwickeltes Land der Welt[1] verzichtet auf eine Geschwindigkeitsbegrenzung für seine Autobahnen und alle bisherigen Vorstöße für ein dauerhaftes Tempolimit scheiterten. Entsprechend ist die Diskussion ein ständiges Thema der Verkehrspolitik. Eine Konstante im Widerstand gegen ein Tempolimit ist der ADAC, der sich mit Vehemenz und nicht immer sachlich gegen eine Regulierung wehrt: So erhebt der zum geflügelten Wort gewordene Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“ aus den 1970er Jahren das unbeschränkte Autofahren kurzerhand zum Grundrecht (Herber/ Heidorn 2009: 136). Außerdem wird mehrfach zynisch geäußert, nur ein „Tempolimit null“ (Obermayer 2014: 73) führe zu null Toten. Nach eigener Aussage kämpft der ADAC für die Interessen seiner Mitglieder, suggerierend, dass die deutliche Mehrheit der deutschen Autofahrer[2] ein Tempolimit ablehnt.

Der ADAC ist ohnehin ein Akteur, dem bisher wenig Aufmerksamkeit seitens der Wissenschaft zukommt (Zeese 2010: 225), der sie aber verdient. Dies ist durch drei Aspekte herauszustellen: Der Struktur des Clubs, seiner Funktion und seiner Strategie (von Alemann 1987: 52­–54). Strukturell bemerkenswert ist bereits die Größe: Seit der deutschen Wiedervereinigung konnte der Club seine Mitgliederzahl von etwa neun auf über 18 Millionen verdoppeln. Der ADAC ist damit nach den christlichen Kirchen die drittgrößte Organisation in Deutschland und nach eigener Aussage der größte Automobilclub Europas. Wenn der Club politische Forderungen äußert, wird diese große Mitgliederbasis stets betont (Straßner 2010: 25; Hoffjann 2010: 66). Von vielen Seiten wird dem ADAC dabei eine Doppelfunktion als Verein und als Verband zugestanden. Diese beiden Begriffe werden hier nicht synonym verwendet, sondern führen zu zwei unterschiedlichen Funktionen, die entsprechend zwei Strategien realisieren: Als Verein kommt dem ADAC in erster Linie eine Dienstleistungsfunktion gegenüber seinen Mitgliedern zu. Die klassischen Dienstleistungen bestehen dabei aus Pannen- und Unfallhilfe – was auch für einen Beitritt das wesentliche Motiv sein wird (Zimmer/ Paulsen 2010: 45). Der ADAC strebt nach Expansion (Obermayer 2014: 105) und baut entsprechend seine Anreize für Mitglieder immer weiter aus (Straßner 2010: 34). In Abgrenzung zu anderen Vereinen kommt dem ADAC auch eine Funktion als Verband zu. Als solcher – so sei hier knapp definiert – agiert der Club immer dann, wenn er versucht, politischen Einfluss zu nehmen (Willems/ von Winter 2007: 21). Diese „Dienstleistung des ,Mitregierens‘“ (Zimmer/ Paulsen 2010: 43) sollte dagegen kein Beitrittsmotiv sein, unterstellt wird vielmehr, dass sie den Eigeninteressen des Clubs dient.

Einflussnahme, so die grundlegende These dieser Arbeit, erfolgt sowohl gegenüber der Politik als auch den eigenen Mitgliedern. Bezogen auf die Diskussion um ein Tempolimit auf Autobahnen führt dies zu folgender Fragestellung: Mittels welcher Mechanismen kommuniziert der ADAC zwischen der Wiedervereinigung und der Bundestagswahl 2013 seine Ablehnung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen?

Im zweiten Kapitel wird zunächst die theoretische Grundlage dieser Arbeit geschaffen; ergänzt um notwendige Definitionen wird die Leitfrage dann operationalisiert. Das dritte Kapitel untersucht die Kommunikationsmechanismen des ADAC in einer Längsschnittanalyse. Der eigentlichen Diskussion um ein Tempolimit kann sich diese Arbeit aber nur am Rande annehmen, wie noch zu zeigen ist.

Die schlechte Materiallage beschränkt sich nicht auf das Fallbeispiel ADAC. Konstatiert wird vielmehr, dass Verbändeforschung generell über viele Jahre hinweg „ein wissenschaftliches ,Stiefkind‘“ (Hoffjann/ Stahl 2010: 9;) geblieben sei, besonders in Bezug auf nichtöffentliches Handeln (Koch-Baumgarten 2014: 2; Vowe 1999: 8). Entsprechend muss diese Arbeit auch auf Quellen zurückgreifen, die keinen wissenschaftlichen Maßstäben entsprechen, sondern einen journalistisch-investigativen Anspruch haben – der Journalismus sei dem Gegenstand ohnehin näher (Leif/ Speth 2006: 30). Neben Presseartikeln betrifft dies die Autoren Klenke (1995), Obermayer (2014) und Zängl (2007), deren Ausführungen lediglich einer Beschreibung der politischen Rahmenbedingungen und der Entwicklung des ADAC dienen.

2 Theoretischer Teil

2.1 Auswahl eines theoretischen Zugangs

Für diese Arbeit bietet sich eine Herangehensweise auf Grundlage des Pluralismus an. Mit Pluralismus wird allgemein die Annahme definiert, „dass es in einer komplexen Gesellschaft zahlreiche unterschiedliche Interessen gibt“ (Sebaldt/ Straßner 2004: 29), die sich in organisierten Strukturen manifestierten (von Alemann 1987: 39). Als „intermediäre und multireferentielle Organisationen“ (Hoffjann 2010: 60) sind Verbände, Parteien und Medien dafür verantwortlich, dass „gesellschaftliche Erwartungen, Forderungen und Wünsche gegenüber dem zentralen politischen Entscheidungssystem“ (Straßner 2010: 21) gebündelt und artikuliert werden. Verbände leisten Politikberatung und Interessenvermittlung auch zwischen den Wahlen, was – in einer positiven Lesart – den Staat entlastet (Lösche 2006: 58).

Dass der ADAC überhaupt in ein pluralistisches Konzept passt, ist durch seine monopolartige Stellung (Emundts 2006: 252) zunächst nicht zu erwarten. Allerdings ist der ADAC nicht der einzige Verein seiner Art in Deutschland, sondern es existieren Mitbewerber mit einem sehr ähnlichen Profil. Für einen realtypischen Pluralismus spricht weiterhin, dass unter den deutschen Verkehrsclubs kein Dachverband existiert (Sebaldt 2004: 24).

Reese-Schäfer setzt den Pluralismus in Bezug zu Olsons Theorie des kollektiven Handelns (Reese-Schäfer 2007: 72). Diese Verbindung ist auch für das Fallbeispiel passend, denn dass sich ein so großer und an Mitgliedern heterogener Verein wie der ADAC an politischer Einflussnahme versucht, widerspricht der Theorie nur auf den ersten Blick: Folgt man Olsons Argumentation, sollten die Interessen von zehn oder 20 Millionen Autofahrern zu unterschiedlich sein, um angemessen gebündelt und durchgesetzt werden zu können (Schmidt 2008: 223). Unter der (durchaus verbreiteten) Annahme jedoch, dass politische Forderungen innerhalb des ADAC nicht in einem bottom-up-Prozess erarbeitet, sondern den Vereinseliten festgelegt und top-down kommuniziert werden (Sebaldt/ Straßner 2004: 202), kann dieses Problem ausgeräumt werden. Die Frage nach innerverbandlicher Demokratie sei dem Pluralismus ohnehin „recht gleichgültig“ (von Alemann 1987: 168).

Es geht in dieser Arbeit daher nicht um die Interessen der ADAC-Mitglieder, sondern um die der Institution ADAC. Die Vereinseliten sind traditionell mit Unterstützern des Motorsports besetzt (Obermayer 2014: 72), was zu der These führt, dass der Club dem „Vereinszweck: Vollgas“ (Klingholz 1989) folgt.

2.2 Untersuchungszeitraum

Untersucht wird in einer Längsschnittanalyse die Kommunikation des ADAC im Zeitraum zwischen der Wiedervereinigung und der Bundestagswahl 2013. Für den Club sind Anfangs- und Endpunkt wichtige Zäsuren: Mit der Wiedervereinigung kann der ADAC territorial expandieren und bis zum Ende des Untersuchungszeitraums seine Mitgliederzahl verdoppeln. Das Ende wird nicht nur durch die letzte Bundestagswahl markiert, sondern auch durch das Bekanntwerden der Manipulationen beim Auto-Preis Gelber Engel, was zu einer Umstrukturierung des ADAC und zum Rücktritt einiger wichtiger Führungskräfte führt.

Aus der parteipolitischen Zusammensetzung der jeweiligen Bundesregierungen lassen sich fünf Zeitabschnitte ableiten: Zunächst die zweite Hälfte von Helmut Kohls Regierungszeit zwischen 1990 und der Abwahl 1998. Von großem Interesse ist dann zweitens die Amtsübernahme Gerhard Schröders im Jahr 1998, da die rot-grüne Koalition eine ökologisch geprägte Verkehrspolitik erwarten lässt. SPD und Grüne sprechen sich vor 1998 mehrfach für ein Tempolimit auf Autobahnen aus, es kommt allerdings nicht zum Beschluss. Den dritten Abschnitt markiert das erste Kabinett Merkel, das ab 2005 regiert. Hier gibt es keine Vorstöße; die Diskussion um ein Tempolimit wird nur in der SPD weitergeführt. Viertens wird die Regierungszeit der schwarz-gelben Koalition zwischen 2009 und 2013 untersucht, bei der aber alle drei Regierungsparteien ein Tempolimit ablehnen. Das Thema kommt im Bundestagswahlkampf 2013 – dem fünften Abschnitt – erneut auf die Agenda.

Unterteilt werden die Kapitel anhand der Bundestagswahlen im Zeitraum. Als Beginn wird dabei die erste Erwähnung der Wahl in der ADAC-Mitgliederzeitschrift Motorwelt (einige Monate vor der Wahl) gewählt – das Kapitel erstreckt sich dann bis zum nächsten Wahlkampf. Der Untersuchungszeitraum endet im Januar 2014, da hier das erste Heft nach der Regierungsbildung erscheint und der ADAC politische Forderungen nicht nur vor, sondern auch unmittelbar nach Wahlen stellt.

2.3 Operationalisierung

Obwohl der Begriff des Lobbying stets in Verbindung mit der Arbeit von Verbänden genannt wird (Lösche 2006: 54), ist er für diese Arbeit nicht von Interesse. Charakteristisch für Lobbying sei nämlich, dass ein Sachverhalt aus der öffentlichen Diskussion herausgehalten werden soll (Vowe 1999: 25). Einblicke für die Wissenschaft sind somit nur möglich, wenn Akteure kooperieren, woran sie aber naturgemäß kein Interesse haben sollten (Leif/ Speth 2006: 30). Daher bilden nur die Versuche einer öffentlichen Einflussnahme die Grundlage der Operationalisierung.

Üblicherweise wird von „zwei Säulen der Verbandskommunikation“ (von Velsen-Zerweck 2011: 153f.) ausgegangen. Kommunikation richte sich einerseits an die Mitglieder und andererseits an Zielgruppen außerhalb des Verbands. Koch-Baumgarten erweitert dieses Konzept um eine dritte Kommunikationsform, die sie Gegenkommunikation nennt (Koch-Baumgarten 2014: 7).

Zunächst ist aber Binnenkommunikation zu definieren als Vermittlung politischer Inhalte gegenüber den Mitgliedern. Da eine bottom-up-Zieldefinition innerhalb des ADAC bereits ausgeschlossen worden ist, wandelt diese Arbeit das Konzept ab: Politische Leitlinien werden demnach zwar durch die Vereinseliten vermittelt, jedoch ohne vorher bei den Mitgliedern ermittelt worden zu sein (Koch-Baumgarten 2014: 8). Hinzu kommen der Informationstransfer und das Kommentieren exogener Inhalte, die nach Ansicht der Vereinseliten relevant sind. So nimmt der ADAC seinen Mitgliedern gegenüber regelmäßig Stellung zu Entwicklungen und Plänen der Politik. Dadurch kann sich der Club als Streiter für die Interessen der Mitglieder profilieren, was auch als „Mitglieder-Logik“ (Schmitter/ Streeck 1999: 2) oder „Mitgliederbindungskommunikation“ (Hoffjann 2010: 64) bezeichnet wird. Genauso wichtig sind in Bezug auf die Binnenkommunikation Forderungen des Vereins an die eigenen Mitglieder, beispielsweise in Form impliziter Wahlempfehlungen (Brettschneider/ Wagner 2008: 227; Vowe 1999: 13).

Während sich Binnenkommunikation an die Mitglieder richtet, spricht die Außenkommunikation in einem weiten Begriffsverständnis jedermann darüber hinaus an. Idealtypisch werden Verbände in der Außenkommunikation zu Repräsentanten ihrer Mitglieder (Hoffjann 2010: 62). Verwendet wird hier allerdings eine engere Definition, die als Außenkommunikation nur die direkte Ansprache politischer Eliten und anderer Interessenverbände versteht. Analog zur Mitgliederlogik wird hier auch von „Einfluß-Logik“ (Schmitter/ Streeck 1999: 2) gesprochen. Ziel der Außenkommunikation ist die Platzierung von Themen bzw. die Realisierung eigener Ziele durch die Politik. Ebenfalls zu beachten ist das mediale Agenda Setting (Waldherr 2008: 175): Für den ADAC ist es ein Erfolg, wenn Medien seine Themen aufnehmen oder den Club als Referenz heranziehen. Verkehrspolitisch verfolgt der ADAC zu einem großen Teil Ziele, die den Status quo erhalten und eine Regulierung verhindern sollen – so auch beim Tempolimit auf Autobahnen (von Alemann 1987: 173).

Während Koch-Baumgarten Gegenkommunikation lediglich anhand ihrer Adressaten charakterisiert (Koch-Baumgarten 2014: 7), wirft diese Arbeit zusätzlich einen Blick auf die kommunizierten Inhalte. Dabei geht es um Aussagen, die die Kontroverse um ein Tempolimit mit Argumenten anreichern – aus Kapazitätsgründen können diese Argumente allerdings nur identifiziert, aber kaum diskutiert werden.[3] Bezogen auf das Fallbeispiel ist dann von Gegenkommunikation zu reden, wenn der ADAC seinen Widerstand gegen ein Tempolimit erklärt und auch begründet. Zusätzlich spielen wie bei Koch-Baumgarten die Adressaten eine Rolle: Zunächst sind das die namensgebenden Gegenverbände, also diejenigen Akteure, die in der pluralistischen Verbandslandschaft für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen eintreten, beispielsweise konkurrierende Verkehrsclubs und Umweltverbände (Obermayer 2014: 155). Weiterhin gilt die Gegenkommunikation politischen Kräften, von denen der ADAC erwartet, dass sie seine Ziele (noch) übernehmen. Die beiden ersten Gruppen sind Akteure außerhalb des Verbands, doch Gegenkommunikation richtet sich auch nach innen, nämlich an diejenigen Mitglieder, die noch vom politischen Kurs des Vereins überzeugt werden müssen. Das Konzept steht so mitunter zwischen Binnen- und Außenkommunikation.

Als Organisation steht dem ADAC mit der Zeitschrift Motorwelt das bestmögliche Kommunikationsinstrument zur Verfügung (Zeese 2010: 223), denn die Eigenpublikation ermöglicht es dem Club, seine Botschaften zuverlässig und unabhängig von anderen Medien zu verbreiten (Tieschky 2010) – entsprechend den bisherigen Annahmen ist es folgerichtig, in der Motorwelt keine journalistisch-idealtypische „Trennung von Nachricht und Meinung“ (Eilders 2008: 27) zu erwarten. Die Motorwelt gilt als auflagenstärkste Zeitschrift Europas (Emundts 2006: 254) und geht allen Mitgliedern monatlich zu. Anhand der Zeitschrift wird deshalb Kommunikation des ADAC in Form einer Inhaltsanalyse untersucht. In den Untersuchungszeitraum zwischen Herbst 1989 und der ersten Ausgabe nach der Regierungsbildung im Januar 2014 fallen etwa 300 Ausgaben der Motorwelt.

3 Analytischer Teil

3.1 Politische Ausgangslage

Die Diskussion um ein Tempolimit auf Autobahnen ist so alt wie die Bundesrepublik (Klenke 1995: 35–50). Die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h geht auf den Versuch der sozialliberalen Bundesregierung zurück, die angesichts der Ölkrise erlassenen Höchstgeschwindigkeitsregelungen im Dezember 1974 dauerhaft zu implementieren (Piel 1974). Wegen der Unions-Mehrheit im Bundesrat muss die Regierung aber den bis heute gültigen Kompromiss eingehen.[4] Der ADAC sieht sich als Speerspitze der damaligen Bewegung und verbucht das Eintreten für das „Grundrecht der Westdeutschen“ (Klenke 1995: 95) auf unbeschränktes Fahren als eigenen Erfolg (von Alemann 1987: 115).

Den Beginn des Untersuchungszeitraums prägen zwei für diese Arbeit relevante Ereignisse. Wie bereits dargestellt, ist dies zunächst die Wiedervereinigung, die dem ADAC ein neues Mitgliederpotential erschließt. Die Motorwelt startet mit dem Satz „Freiheit ist Bewegungsfreiheit“ (ADAC 1/90: 3)[5] in das Jahr 1990. Vehement tritt der ADAC dafür ein, dass die Autobahnen in den Neuen Bundesländern ausgebaut werden und dass das DDR-Tempolimit von 100 km/h fällt (Zängl 2007: 120). Die Richtgeschwindigkeit gilt dort ab 1992.

Doch auch in der Tempolimit-Diskussion ist das Jahr 1989 markant: Die erst seit März in Berlin amtierende rot-grüne Koalition unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper (SPD) beschließt im Mai 1989 eine Tempobegrenzung für die auch durch den Straßenverkehr genutzte Rennstrecke AVUS, was bundesweite Aufmerksamkeit erfährt. Auf dem Teilstück der BAB 115, das durch den Grunewald führt, gilt fortan Tempo 100. Zur größten Bürgerinitiative gegen ein Tempolimit gesellt sich der ADAC, der einen Rechtsstreit mit dem Senat aus Mitgliedsbeiträgen finanzieren will (Klingholz 1989). Das Engagement des Clubs wird allerdings zum doppelten Rückschlag: Das Tempolimit existiert weiterhin und mehrere Medien berichten über eine Austrittswelle von Mitgliedern, die sich durch den ADAC nicht richtig vertreten fühlen (Zängl 2007: 115).

3.2 1990–1998: Schwarz-Gelbe Koalition unter Kohl

Bundestagswahl 1990/ 12. Legislaturperiode

Zur ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl im Dezember 1990 stellt der ADAC in der November-Ausgabe der Motorwelt (ADAC 11/90: 50–52) fünf Fragen an die Spitzenkandidaten der sechs im Bundestag vertretenen Parteien: Im Heft alphabetisch sortiert sind dies CDU, CSU, FDP, Grüne, PDS und SPD. Es geht auf drei Seiten um Umweltverträglichkeit, Änderungen bei der Besteuerung, Verkehrssicherheit, Stadtverkehr und Infrastruktur-Investitionen. Von Interesse ist die dritte Frage zur Verkehrssicherheit: CDU und CSU sprechen sich für Verkehrsleitsysteme auf Autobahnen aus. Die FDP „akzeptiert“ (ADAC 11/90: 51) Tempolimits nur, wo es aus Sicherheitsgründen geboten sei. Grüne und PDS befürworten ein Limit von 100 km/h auf Autobahnen, die SPD plädiert für Tempo 120 und regt eine EG-weite Harmonisierung der Geschwindigkeitsbegrenzungen an.

[...]


[1] Geht man nach dem HDI (Stand 2014), so folgt Deutschland (Rang 6) als nächstes Land ohne ein Tempolimit der Libanon (Rang 65).

[2] Die durchgehende Verwendung männlicher Formen dient einer besseren Lesbarkeit.

[3] Der wissenschaftlichen Diskussion um ein Tempolimit nehmen sich auch Sozialpsychologie, Soziologie, Ingenieurwesen, Rechts-, und Wirtschaftswissenschaften an, die entsprechend mit einbezogen werden müssten.

[4] Die Regelungskompetenz für ein Tempolimit ist verfassungsrechtlich umstritten (Herber/ Heidorn 2009): Mitte der 1980er Jahre kündigen SPD-regierte Länder an, ein Tempolimit jeweils auf Länderebene einzuführen (Jaxt 1986: 2228) und auch seitens des Europäischen Parlaments wird im Sommer 1990 mehrheitlich (mit den Stimmen der Sozialisten und gegen die Christdemokraten) eine entsprechende Resolution verabschiedet (Zängl 2009: 129). Der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags lehnt diese allerdings unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip ab.

[5] Die Zitation folgt der Systematik der Motorwelt: Monat/Jahr: Seite.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Kommunikationsmechanismen des ADAC zum Tempolimit auf deutschen Autobahnen zwischen 1989 und 2013
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Politikwissenschaft IV: Politik und Verwaltung)
Veranstaltung
Staat, Verwaltung und politische Interessenvermittlung
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
34
Katalognummer
V301015
ISBN (eBook)
9783656975236
ISBN (Buch)
9783656975243
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ADAC, Kommunikation, Tempolimit, Autobahn
Arbeit zitieren
Johannes Kempen (Autor:in), 2015, Kommunikationsmechanismen des ADAC zum Tempolimit auf deutschen Autobahnen zwischen 1989 und 2013, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301015

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